Argentinien: Die Wirtschaftskrise dauert an - Nie mehr hoffen!
Es sind wohl nur die kleinen Erfolge, die Argentiniens Bevölkerung noch hoffen lassen. Etwa, dass Präsident Eduardo Duhalde am letzten Wochenende die Sperrung der Bankkonten lockerte. Anstatt 3 000, wie kurz zuvor verkündet, dürfen die Sparer nun 5 000 Dollar von ihren Konten abheben, nachdem ihnen im Dezember sämtliche Guthaben konfisziert worden waren.
Doch die Eskalation auf den Straßen von Buenos Aires, Córdoba oder Entre Rios lässt sich mit solchen Maßnahmen nicht verhindern. Häufig bleiben der Regierung nur noch Gummigeschosse und Polizeiknüppel, um die Demonstranten in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig zeigen die US-Regierung und der IWF noch immer Zurückhaltung. Man warte, bis das bankrotte Land einen Plan vorlege, der nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum garantiere, ließ die IWF-Vertreterin Anne Krüger erneut wissen. Der Peso sank indes rapide in den Abgrund. Zehn Tage, nachdem die »Eins-zu-Eins«-Dollarkonvertibilität aufgegeben wurde, stand er Ende letzter Woche auf einem Wert von 2,2 Peso pro Dollar.
Wie es weitergeht? Vor einem Militärputsch warnt die EU-Kommission in einem von der mexikanischen Zeitung La Jornada zitierten internen Papier des Gremiums. Doch für eine Mobilisierung der Armee gibt es derzeit keine Anzeichen. Auch ein Revival von Duhaldes Gegenspieler, Carlos Menem, ist nicht zu erwarten. Kaum ein Argentinier, kaum eine Argentinierin zweifelt mehr daran, dass die Privatisierungspolitik des korrupten Ex-Präsidenten in den neunziger Jahren für die Staatsverschuldung verantwortlich ist, die nun zum Zusammenbruch des Systems geführt hat. Zumal bekannt wurde, dass internationale Geldinstitute im Dezember rund 20 Milliarden Dollar auf die Schnelle außer Landes geschafft und damit die Sperrung der Konten erst ausgelöst haben. Der Peronist Menem, der in der Bevölkerung als Sprecher der spanischen Banken gilt, dürfte derzeit also auf Argentiniens Straßen nicht lange überleben - eine schlechte Voraussetzung für einen populistischen Staatsmann.
Angesichts der Agonie der politischen Klasse hegen einige argentinische Intellektuelle große Hoffnungen. Beispielsweise der Historiker Adolfo Gilly. Die »direkten Aktionen« gegen »einheimische und internationale Banken« ebenso wie die Plünderungen der Supermärkte seien Angriffe im Sinne einer »moralischen Ökonomie der Massen«. Tatsächlich wirken viele Aktionen zielgerichtet. So griffen etwa Arbeiter den Sitz der Gemeindeverwaltung von Santiago de Estero an, weil ihnen die Behörde seit drei Monaten keinen Pfennig ausgezahlt hat. In Córdoba wurde das Haus des hohen peronistischen Funktionärs Humberto Roggero in Brand gesetzt, und die Zahl noch unversehrter Bankfilialen dürfte in ganz Argentinien gering ausfallen.
Dennoch geht die Behauptung Gillys, in den Barrios von Buenos Aires werde das praktisch fortgesetzt, was während des G 8-Gipfels in Genua symbolisch begonnen habe, an der Wirklichkeit vorbei. Eine starke organisierte radikale Linke, die die Situation auszunutzen wüsste, ist bislang nicht aufgetaucht. Vorsichtiger ist der in Mexiko lebende argentinische Kommentator Guillermo Almeyra. Er hofft auf einen Lernprozess. Die verschiedenen Akteure der Revolte, so Almeyra, würden künftig nicht mehr den Ideen der nationalen Einheit im Sinne des rechten Nationalismus oder des Peronismus verfallen, »weil sie ebenso viel Erfahrung mit dem 'vaterländischen Kapital' wie auch mit den Politikern und Handlangern des internationalen Finanzkapitals« gemacht hätten.
Wenig Illusionen in ihrem Sinne macht sich auch die EU-Kommission: Besonders beunruhigend sei es, »dass die Bevölkerung die Hoffnung verloren zu haben scheint, irgendeine Regierung, irgendeine Partei könne sie aus dieser Krise retten«. Das zumindest lässt hoffen.
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