1996 trat die Arminia aus dem Dachverband Deutsche Burschenschaft aus, da diese, nun musste es sogar die Arminia feststellen, „eindeutig rechtslastige Züge“ aufwies. Dieser Austritt wird immer wieder als »Beweis« für den vermeintlich liberalen Charakter der Verbindung angeführt. Doch auch bei der Arminia gibt es in der jüngeren Geschichte eindeutige »braune Flecken«.
1993 geriet sie in die Öffentlichkeit, als der ehemalige Neonazi Ingo Hasselbach sein Buch „Die Abrechnung“ über seine Zeit in der Nazi-Szene veröffentlichte. In einem Interview mit der »taz« vom 18.06.1993 berichtet Hasselbach von Kontakten seiner Berliner Kameradschaft sozialrevolutionärer Nationalisten zu der Verbindung: „Wir hatten auch Kontakt zu einer Burschenschaft, der Arminia in Marburg. Von dort kam das Angebot, dass sie für uns für die Sachen, für die man studieren muß, Schulungen durchführen könnten.“
Die Arminia stritt die Angaben Hasselbachs selbstverständlich ab.
Auch der Alte Herr der Arminia Hans Werner Bracht verdient näherer Beachtung. 1949/50 trat er während seiner Studienzeit in die Arminia ein. In Marburg studierte er Rechts- und Staatswissenschaften. Später wurde er Professor für Öffentliches Recht und Wirtschaftsrecht an den Fachhochschulen in Lemgo und Bielefeld. Seit seiner Pensionierung arbeitet er als Rechtsanwalt. Unter anderem vertrat er mehrmals Rechtsextreme vor Gericht und ließ dabei inhaltliche Distanz zu seinen Mandanten vermissen.
1993 verteidigte er den Bremer Neonazi und verurteilten Mörder Markus Privenau. Dieser hatte Straßenschilder mit dem Schriftzug „Rudolf-Heß-Platz“ überklebt und war nun wegen Sachbeschädigung angeklagt. Vor Gericht behauptete Bracht, dass der NS-Verbrecher Heß zu Unrecht verurteilt und 46 Jahre eingesperrt war – „und wahrscheinlich ermordet“ wurde. Hess beging 1987 Selbstmord in seiner Zelle im Gefängnis Berlin-Spandau. Die Lüge über seine angebliche Ermordung wird immer wieder von Rechtsextremen aufgewärmt.
Weiter verstieg sich Bracht vor Gericht dazu, die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse als völkerrechtswidrig zu bezeichnen. Dort seien Taten abgeurteilt worden, die zur Tatzeit kein Verbrechen gewesen seinen. Das sei juristisch nicht haltbar, genauso wie die Tatsache, dass Siegermächte gerichtet hätten, die selbst Unrecht begangen hätten. Dagegen anzugehen, das müsse „begrüßt und nicht bestraft“ werden. Folglich forderte er Freispruch für seinen Mandanten Privenau.
1996 verteidigte er dann den bekannten Auschwitz- und Kriegsschuldleugner Udo Walendy aus Vlotho vor Gericht. Walendy wurde schließlich wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und Volksverhetzung zu 15 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Dr. Bracht machte vor Gericht Meinungsfreiheit für seinen Mandanten geltend und sagte aus, dass er Walendy und seine Schriften lange kenne.
Bracht selber gehörte nach seinem Ausschluss aus der CDU zu den Gründern der Deutschen Sozialen Union (DSU). Die DSU war ein Versuch, eine „vierte Partei“ rechts der Union zu etablieren. Später war er Gründungsmitglied und Präsident des Vereins Western Goals of Europe, der Ableger einer US-amerikanischen rechtskonservativen Vereinigung. Als „Sammelbecken politisch entwurzelter Rechter“ wurde die Gruppe von der Neuen Westfälischen Zeitung bezeichnet. In Bielefeld publizierte die Gruppe ein Pamphlet gegen die Universität. Denn die entwickele sich angeblich zur roten Kaderschmiede. Der eindeutige »Beweis«: Eine Sammlung von Graffiti und Flugblättern. Mehr als 100 HochschullehrerInnen distanzierten sich in einer Erklärung von den Thesen der Gruppe.Die »taz« schrieb über den Skandal: „Das war der Höhepunkt im Bekanntheitsgrad Brachts, weiter ist seine Lehre nie aufgefallen.“
Bracht ist darüber hinaus ein Anhänger des „Deutschen Reichs“. So wird er mit dem Satz zitiert: „Wir sind doch alle Bürger des deutschen Reiches.“ Darüber hinaus veröffentlicht er immer wieder Artikel und Arbeiten, die vom Fortbestand des „Deutschen Reichs“ ausgehen und der BRD die rechtliche Legitimation absprechen. 1986 veröffentlichte er sogar in den Burschenschaftlichen Blättern, dem Organ der Deutschen Burschenschaft, einen Artikel zu dem Thema.
Anfang 1992 gehörte Bracht zu den UnterzeichnerInnen des Aufrufs „Freiheit für Königsberg“ in der rechtsextremen Wochenzeitung Junge Freiheit. Mit der Anzeige sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, mit den Regierungen Russlands und Litauen zu Verhandeln, damit sich Deutsche in „Nordostpreußen“ ungehindert ansiedeln könnten und für eine deutsche Verwaltung in „Nordostpreußen“ einzutreten, da „heute die Chancen für ein deutsches Königsberg so groß wie nie“ seien.
1997 unterzeichnete Bracht auch einen Aufruf der Interessengemeinschaft für die Wiedervereinigung Gesamtdeutschland e.v. (IWG). Die Gruppe wollte „die Okkupation Schlesiens, Pommerns, und Ostpreußens“ beenden und „unsere alte Heimat“ wieder „besiedeln und bewohnbar“ machen. Neben Bracht unterschrieben den Aufruf auch eine ganze Reihe prominenter Personen des rechtsextremen Lagers. Im Vorstand der IWG saßen 1997 Georg Paletta vom revanchistischen Bund für Gesamtdeutschland und Klaus Peter Seifert, ein ehemaliges Mitglied der Republikaner.
Nach außen gibt sich die Arminia liberal. Ihr öffentliches Auftreten ist im Vergleich zu anderen Verbindungen, wie z.B. den Rheinfranken sicherlich auch so zu bezeichnen. Am Beispiel des Alten Herren Bracht ist jedoch zu sehen, dass auch die Arminia offen ist für Menschen mit rechtsextremen Ansichten.
dazu: T. P.Alter Herr der Arminia und „Retter“ des Marktfrühschoppens. | |
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