Burschenschafter als Aktivitas des Nationalsozialismus |
Den im burschenschaftlichen Denken Anfang des 20. Jahrhunderts vorherrschenden reaktionär-monarchistischen Grundhaltungen verhaftet, standen viele Burschenschafter von Anfang an der jungen Weimarer Republik skeptisch bis ablehnend gegenüber. Die nach dem Ersten Weltkrieg verschlechterten Studienbedingungen und studentischen Zukunftsaussichten ließen die Burschenschafter den Verlust ihrer im Kaiserreich selbstverständlich gewährten Privilegien befürchten. Die über viele Generationen tradierten elitären Ansprüche und Erwartungen der Burschenschafter traten zunehmend in Widerspruch zu den gesellschaftlichen Verhältnissen und den bürgerlich-demokratischen Errungenschaften der Weimarer Republik. Dementsprechend distanzierten sich die Burschenschafter vorerst symbolisch auf ihrem Burschentag 1919 von der Republik, in dem sie die republikanische schwarz-rot-goldene Flagge trotz ihrer engen Verwobenheit mit der burschenschaftlichen Geschichte nicht anerkannten und den alten Reichsfarben treu blieben. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Vielmehr nahm die Formierung der deutschen Burschenschafter als tatkräftige Republikfeinde, Antisemiten und völkische Nationalisten von nun an ihren Lauf.
Die fronterfahrenen Studenten sammelten sich bald in (para-)militärischen Verbänden wie den Freikorps, den Einwohnerwehren oder den Freiwilligenverbänden. Nachdem diese im März 1919 ausdrücklich durch den preußischen Kulturminister Konrad Haenisch aufgefordert wurden, Deutschland gegen die »Flut des Bolschewismus« zu verteidigen, zogen viele nun bewaffnete Korporationsstudenten, darunter auch viele Burschenschafter, im Namen der Republik durchs Land, um für »Recht und Ordnung« zu sorgen. Dabei ging es ihnen allerdings nicht um die Durchsetzung und Verteidigung bürgerlich-demokratischer Werte, sondern vielmehr, wie in den Burschenschaftlichen Blättern 1923 formuliert, darum, die Weimarer Republik „wegen ihrer Verbindung mit dem jüdischen Volk und wegen der Festlegung auf den parlamentarischen Mechanismus der Parteien“ zurückzudrängen. Ihr antisemitischer und antidemokratischer Fanatismus sorgte dafür, dass bei den blutigen Auseinandersetzungen und Verbrechen der Folgejahre meistens Studenten beteiligt waren.
Im März 1920 beteiligten sich über 50000 (zu guten Teilen bewaffnete) Studenten, darunter auch viele Burschenschafter, am Kapp-Putsch, der gewaltsam eine Militärdiktatur gegen die gewählte Reichsregierung in Berlin durchsetzen wollte. Dafür lagen beispielsweise in den Marburger Verbindungshäusern, wo der Putsch auf breite Zustimmung stieß, geheime Eroberungspläne für Marburg und Kassel bereit. Alles war durchdacht, von der Besetzung des Hauptbahnhofs bis hin zu korporierten Stoßtrupps, die alle öffentlichen Gelder beschlagnahmen und jüdische Banken besetzen sollten. Jedoch kamen diese Pläne, außer der Besetzung der Funkstelle des Marburger Physikalischen Instituts, nie zur Ausführung, da der Putschversuch nach wenigen Tagen durch einen Generalstreik vereitelt werden konnte.
Zur gleichen Zeit begannen sich die deutschen Burschenschafter von den alten Wertvorstellungen der wilhelminischen Ära zu lösen, da diese nach Auffassung vieler Burschenschafter nicht in der Lage gewesen waren, das deutsche Volk zum Kriegsgewinn zu führen. Unter maßgeblicher Beteiligung der Burschenschaften wurde der Deutsche Hochschulring (DHR) auf der Grundlage eines »revolutionären Nationalismus« gegründet, der am Führerprinzip ausgerichtet war und eine Sammlung aller nationalen Kräfte an den Hochschulen anstrebte. Der Hochschulring verstand sich als „völkisches Gewissen der Deutschen Studentenschaft“ und setzte sich zur Aufgabe, die Akademikerschaft politisch zu schulen und sie zu einem aktiven Mitglied der „nationalen Front“ zu machen. Unter völkischen Nationalismus wurde „die Erweiterung des nationalen Gedankens um den Rassestandpunkt“ verstanden, der den vehementen Antisemitismus mit der Vorstellung einer »deutschen Volksgemeinschaft«, die auf Blutszugehörigkeit beruhte, zusammenbrachte. Im Handbuch für den Deutschen Burschenschafter wird dazu ausgeführt: „Wir haben die vermeintliche Gleichsetzung von Nationalstaat und Staatsnation zu beseitigten und eine verwandelte, von den Staatsgrenzen und der unzureichend gewordenen Staatlichkeit sich lösende Vorstellung von der Nation zu bilden, indem wir diese in die Idee der Volkheit umschaffen. Dies ist das »Völkische«. Es bedeutet lebendige Einheit sämtlicher Teile unseres Volkstums jenseits aller Parteiungen und politischen Grenzen: dieses lebendige Gemeinsamkeitsgefühl deutscher Art sollen wir in uns erzeugen. Darin liegt gleichzeitig eine Weitung und Vertiefung des nationalen Lebensgedankens in Freiheit“. Fortan zählten die Burschenschaften und deren Dachverband, die Deutsche Burschenschaft, zu den antisemitischen und völkischen Agitatoren der vordersten Reihe.
Bereits im Jahr 1920 stellte der Burschentag in Eisenach fest, dass die „Deutsche Burschenschaft auf dem Rassestandpunkt stehe, d.h. der Überzeugung ist, dass die ererbten Rasseeigenschaften der Juden durch die Taufe nicht berührt werden“. Zudem wurde ein Aufnahme- und Heiratsverbot gegenüber JüdInnen und Farbigen beschlossen, doch damit nicht genug. Es folgten Diskussionen über die „Überfremdung der Deutschen Hochschulen“ und die Einrichtung von Lehrstühlen für „Rassefragen“ genauso wie antisemitische Hetzschriften bis hin zu tätlichen Übergriffen auf Jüdinnen und Juden. An dieser Stelle bleibt das erschreckende Ausmaß festzuhalten, mit dem der völkische Rassegedanken längst vor der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler unter den Studenten verbreitet war.
Ihrer politischen Weltanschauung gemäß, gab es eine hohe Beteiligung von Burschenschaftern am Deutsch-völkischen Schutz- und Trutzbund, der das Hakenkreuz als Verbandsabzeichen hatte und zu den radikalsten antisemitischen Organisationen dieser Zeit gehörte. Gegründet als Sammelbewegung von Antisemiten und Republikfeinden, wurde dieser mit seinen rund 200000 Mitgliedern in vielerlei Hinsicht politisch aktiv. Sein Spektrum reichte von Propaganda über zahlreiche Demonstrationen, in deren Folge es fast immer zu Ausschreitungen, Plünderungen und Überfällen sowie zu Misshandlungen von jüdischen BügerInnen und politischen GegnerInnen kam, bis hin zum Aufruf zum politischen Mord und Beteiligungen an Attentaten. Entsprechend wurde der Bund im Jahr 1923 wegen terroristischer Aktivitäten aufgelöst.
Angesichts der weitgehenden Übereinstimmung der Burschenschafter mit der Ideologie des völkischen Nationalismus beteiligten sich diese in großer Zahl an dem Aufbau nationalsozialistischer Organisationen. Schon die frühe NSDAP konnte auf enge Kontakte zur Studentenschaft bauen, und so verwundert es nicht, dass daraus eine breite Unterstützung und Beteiligung am Hitler-Putsch im Jahr 1923 in München resultierte. Beispielsweise nahm Heinrich Himmler, Mitglied der DB-Burschenschaft Apollo München und späterer Reichsführer-SS, im von Ernst Röhm geführten Wehrverband Reichskriegsflagge am Putsch teil. Der Kommentar zu dessen gewaltsamer Niederschlagung in den Burschenschaftlichen Blättern: „Am 8. November des Jahres ist in München versucht worden, eine revolutionäre Regierung der deutschen Freiheit zu bilden, am 9. November sind in München an 20 deutsche Männer für Volk und Vaterland gefallen.(...) Möge über den Münchner Gräbern das Gelöbnis aller wahren Deutschen zur Einheit verbinden, nicht zu rasten und zu ruhen, bis Deutschland frei wird, alles Hab und Leben, Denken und Tun, einzusetzen für die deutsche Freiheit. (...) Die nationalsozialistische Arbeiterpartei, die Reichskriegsflagge und der Bund Oberland sind diese Verbände. Wir bekennen mit Stolz, daß auch in diesen Verbänden sich Burschenschafter befinden. Burschenschafter sind heute mit Zuchthaus bedroht, weil sie diesen Verbänden Treue auf dem Weg zur deutschen Freiheit halten.“
In der darauffolgenden Verbotszeit der NSDAP waren es gerade Burschenschafter, wie die Erlanger Burschenschaft Bubenruthia, die nationalsozialistische Tarnlisten aufstellten oder mittrugen.
Im Januar 1926 gründete sich der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) unter starker Beteiligung von Korporierten in München. Insbesondere die Deutsche Burschenschaft war bei den Mitgliedern des NS-Studentenbundes überrepräsentiert und stellte einen bedeutenden Teil der engagierten nationalsozialistischen Studenten der ersten Stunde. Allerdings traten in dieser Anfangsphase einige Konflikte zwischen dem mehr populistisch orientierten NSDStB und den sich elitär begreifenden Korporationen (vor allem den Corps) auf, so dass es dem NS-Studentenbund erst aufgrund einer Annäherung zu den Corps ab 1928 möglich wurde, die Vorherrschaft in der Deutschen Studentenschaft zu erlangen. Der NSDStB-Führer Baldur von Schirach erklärte: „Es ist kein Zufall, daß der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund und die schlagenden Verbindungen eine gewisse Auslese des Menschenmaterials der heutigen Studentenschaft in ihren Reihen vereinen: der Wille zur Tat und zur Waffe hat hier die einzig wertvollen aktivistischen Elemente zusammengefasst.“ Diese Zeit ist durch eine vielfältige, intensive Zusammenarbeit des NS-Studentenbundes mit den Burschenschaften geprägt, wovon nicht nur die gegenseitigen Einladungen zu internen Festen, Vorträgen und anderen Veranstaltungen zeugen. Außerdem wurden gemeinsame politische Kundgebungen und Veranstaltungen abgehalten, die Einrichtung von »Rasselehrstühlen« gefordert, Verfassungsfeiern boykottiert, gegen jüdische Studenten zu Felde gezogen und Veranstaltungen von politisch Andersdenkenden gestört. Weiterhin gehörten Wehrsportlager und Listenverbindungen sowie sogenannte »Grenzlager« zum gemeinsamen Repertoire. Hier bleibt festzuhalten, dass der Nationalsozialismus von der Deutschen Burschenschaft wie von keinem anderen studentischen Verband gestützt wurde. Der NS-Studentenbund konnte in der Folgezeit an den deutschen Hochschulen zunehmend an Boden gewinnen, so dass Adolf Hitler im Jahr 1930 verlautbarte: „Nichts gibt mir mehr Glauben an die Richtigkeit unserer Idee als die Siege des Nationalsozialismus auf der Hochschule.“
Als am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, sah sich die Deutsche Burschenschaft in ihrem Wirken seit dem Ende des Ersten Weltkrieges bestätigt und begrüßte die Ernennung ausdrücklich. In einem Aufruf drei hoher Verbandsfunktionäre der Deutschen Burschenschaft heißt es dazu: „Was wir seit Jahren ersehnt und erstrebt und wofür wir im Geiste der Burschenschafter von 1817 jahraus jahrein an uns und in uns gearbeitet haben, ist Tatsache geworden. Das deutsche Volk hat bei der soeben abgeschlossenen Wahl zu den gesetzgebenden Körperschaften zum erstenmal seit der Schmach von 1918 bekannt, daß höchstes und oberstes Gut nationale Einheit und nationaler Freiheitswille ist. All unsere Arbeit galt immer dem deutschen Volke, an der Herbeiführung einer großen freien deutschen Nation tätig mitzuhelfen und mitzustreiten ist unser oberstes Gesetz. Die Willensbekundung des deutschen Volkes, die der am 30. Januar 1933 von unserem uns immer Vorbild dienenden Reichspräsidenten von Hindenburg zur Führung unseres Volkes berufenen Reichsregierung das Vertrauen aussprach, besagt gleichzeitig, daß alles Trennende hinter dem Gedanken an die Nation zurückzutreten hat.“
Des weiteren wurde der Nationalsozialismus in die Kontinuität der urburschenschaftlichen Bewegung eingereiht und Adolf Hitler tiefste Dankbarkeit entgegengebracht, wie bei der Rede des Pfarrers Eduard Putz anläßlich eines Festkommers der Erlanger Burschenschaft Bubenruthia deutlich wird: „Heute, 1933, ist das Sehnen der Urburschenschaft erfüllt. Die nationalsozialistische Bewegung hat nämlich dort angeknüpft, wo 1817 die Urburschenschaft erwacht war. Die nationalsozialistische Idee ist deshalb die wahrhaftige und berechtigte Erbin der altburschenschaftlichen Bewegung. Es bedeutet für unsere altburschenschaftlichen Fahnen, die in diesem Saale hängen, eine unerhörte geschichtliche Rechtfertigung und eine Reinigung von einer nunmehr vierzehnjährigen Schmach, wenn Adolf Hitler die schwarz-rot-goldenen Revolutionsfahnen von 1918 verbrannt hat. Wir müssen ihm für die Ehrenrettung unserer Fahnen aufs tiefste danken.“
Da die Deutsche Burschenschaft schon in der Vergangenheit den Nationalsozialismus unterstützt hatte, brauchten sich die neuen Machthaber keine Sorgen machen: vorbehaltlose und uneingeschränkte Zustimmung in der Sache und tatkräftige Unterstützung seitens der Burschenschafter war ihnen sicher. Burschenschaften beteiligten sich entsprechend an den Siegesfeiern der »nationalen Erhebung« ebenso wie an den von der Deutschen Studentenschaft und dem NS-Studentenbund initiierten Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933, wo gemeinsam alte Burschenlieder angestimmt wurden.
Nach der Ernennung Adolf Hitlers ging die Deutsche Burschenschaft umgehend daran, sich gemäß den Erfordernissen des neuen NS-Staats neu zu strukturieren, um beim Aufbau des »Dritten Reiches«, so das erklärte Ziel, eine tatkräftige politische Organisation zu sein. Begründet wurde dies von der Vorsitzenden Burschenschaft Franconia Münster mit den nationalsozialistischen Leitvorstellungen des Verbandes: „Grundlage für die Neuordnung der Deutschen Burschenschaft ist die geistige Einstellung des Burschenschafters zu Volk und Nation, die stets und immer eindeutig mit dem Bekenntnis zum Aufbau des Dritten Reiches festgelegt ist. (...) Der in der Verfassung der Deutschen Burschenschaft festgelegte Innenaufbau der Deutschen Burschenschaft gestattete nur im beschränktem Maße einen politischen Einsatz der Deutschen Burschenschaft. Von den Unterzeichneten wurde daher die unbedingte Notwendigkeit einer völligen Neugliederung des Gesamtverbandes erkannt.“
Daraufhin trafen am 7. Mai 1933 die Amtsleiter der Deutschen Burschenschaft in Berlin zusammen, legten ihre Ämter nieder und übertrugen ihre Befugnisse auf den neuen Bundesführer Otto Schwab (Germania Darmstadt). Diese Einführung des Führerprinzips wurde vom Burschentag vom 3./4. Juni 1933 bestätigt, womit die Deutsche Burschenschaft ihre bis dahin gültige Verfassung außer Kraft setzte und sich freiwillig gleichschaltete, da sie alle Vollmachten in die Hände des neuen Bundesführers legte. Dieser ordnete in seinem »Führerbrief« vom 11. Juli 1933 einschneidende Veränderungen an: Die Durchsetzung des Führerprinzips in den einzelnen Verbindungen, die rigorose Anwendung des »Ariernachweises« und der völkisch-rassistischen Mitgliedschaft sowie die Neuregelung der Verbandsgerichtsbarkeit. Zudem wurde von Schwab die Einrichtung studentischer Wohnkameradschaften im soldatisch gehaltenen Stil angewiesen, in denen die Erst- und Zweitsemester wohnen sollten. Seit dieser Anweisung ist es erst üblich, dass die jungen Burschenschafter gemeinsam auf einem Verbindungshaus wohnen.
Da sich die Deutsche Burschenschaft als Teil des NS-Staats sah und sich als Vorreiterin der nationalsozialistischen Ideologie fühlte, ordnete der Führer der Deutschen Burschenschaft Schwab im Juni 1933 eine „freiwillige Einweisung“ in den NS-Studentenbund an. Im Oktober des gleichen Jahres verfügte er, dass alle Burschenschafter unter 35 Jahren entweder der SA, SS oder dem deutschnationalen Frontkämpferbund Stahlhelm angehören sollten.
Vor dem Hintergrund langjähriger antisemitischer Betätigungen verwundert es nicht, wenn die Deutsche Burschenschaft im Dezember 1933 dem Staatssekretär Heinrich Lammers versichert, dass man in der „Judenfrage“ übereinstimme: „Die Frage der rassischen Erneuerung und Wiedergewinnung des völkischen Artgefühls unseres deutschen Volkes ist die Grundlage und wesentliche Forderung des Nationalsozialismus, in der sich von allen bisherigen revolutionären Bewegungen unterscheidet und die den Schlüssel abgibt zu allen seinen anderen Forderungen und Zielsetzungen. Daher habe ich von allem Anfang an die Ansicht vertreten, daß Gemeinschaften, die sich zum Nationalsozialismus und seinen Aufgaben bekennen und dem Führer ein Treuebekenntnis ablegen, von sich aus in aller Klarheit die Voraussetzungen eines solchen Bekenntnisses erfüllten bzw. schaffen.“
Auf der Grundlage dieses Bekenntnisses schloss die Deutsche Burschenschaft im April 1934 drei Burschenschaften aus, weil sie die Bestimmungen des »Ariernachweises« nicht auf ihre Alten Herren anwenden wollten. In ähnlicher Weise wurde im gleichen Jahr der Austritt der Deutschen Burschenschaft aus dem Allgemeinen Deutschen Waffenring begründet, in dem der »Ariernachweis« in ähnlicher Schärfe in den Statuten festgeschrieben war. Es hatten sich in diesem Zusammenschluß waffenstudentischer Verbände fünf von insgesamt 104 Corps geweigert, ihre entsprechenden Mitglieder auszuschließen. Obwohl die betroffenen Corps deshalb aus ihrem Dachverband, dem Kösener Senioren-Convents-Verband, ausgeschlossen wurden, genügte das der Deutsche Burschenschaft nicht, denn nach „burschenschaftlicher Auffassung erfordern der Ernst und die Wichtigkeit der Kameradschaftshaus-Erziehung kompromißloses Eingehen auf die Linie der NSDAP“. Diesem Bekenntnis zur „rein deutschstämmigen Studentenschaft“ schlossen sich fünf weitere Verbände an: der Verband der Vereine Deutscher Studenten, der Verband der Turnerschaften, die Deutsche Sängerschaft, die Deutsche Wehrschaft und der Naumburger Verband. Diese gründeten im Dezember 1934 mit dem Deutschen Fliegerring den Völkischen Waffenring, der freiwillig mit dem NS-Studentenbund zusammenarbeiten wollte, seinen Mitgliedern eine Fecht- und Boxausbildung zur Pflicht machte sowie einheitliche Farben annahm.
Die im Allgemeinen Deutschen Waffenring verbliebenen Verbände wurden unter der Führung des Staatssekretärs Lammers im Januar 1935 zur Gemeinschaft Studentischer Verbände (GStV) zusammengeschlossen. Lammers ließ verlautbaren, dass die „enge Zusammenarbeit mit dem von der NSDAP ausschließlich mit der weltanschaulichen und politischen Erziehung beauftragten NS-Studentenbund als Selbstverständlichkeit“ angesehen werde, so dass der GStV als Gesamtvertretung der Korporationen seitens der NSDAP und des NSDStB anerkannt wurde. Zudem äußerten die NS-Organisationen die Erwartung eines Anschlusses der restlichen studentischen Verbände an den GStV, so dass sich der gerade gegründete Völkische Waffenring wieder auflöste und unter der Leitung des Führers der Deutschen Burschenschaft Hans Glauning (Burschenschaft Germania Marburg) diesem beitrat.
Allerdings kam es im Mai 1935 zum offen Bruch zwischen dem Führer der Deutschen Burschenschaft Glauning und dem Staatssekretär Lammers. Glauning warf Lammers vor, die nationalsozialistische Umgestaltung der Korporationen zu blockieren und veröffentlichte einen entsprechenden Artikel in den Burschenschaftlichen Blättern. Staatssekretär Lammers antwortete umgehend, schloss die Deutsche Burschenschaft aus der GStV aus und löste die Gesamtvertretung kurzerhand auf.
Unmittelbar nach dem Ausschluss der Deutschen Burschenschaft aus der GStV begann Glauning mit dem NS-Studentenbund über ihre Überführung zu verhandeln. Folgender Aktenvermerk ist dazu bekannt: „Alle Mitglieder des NSDStB müssen künftig in einer DB-Kameradschaft aktiv werden. Die DB habe bereits 123 Kameradschaften zur Verfügung gestellt. Weitere 77 Kameradschaften würden ausgesucht werden. Im ganzen wolle der NSDStB 200 Korporationen aufrecht erhalten.“
Am 6. Oktober 1935 beschloss die Deutsche Burschenschaft in Leipzig ihre Auflösung und Überführung in den NS-Studentenbund. Wenige Tage später wurde dem NSDStB-Führer Albert Derichsweiler auf der Wartburg die Fahne der Urburschenschaft in feierlicher Form übergeben. Glauning bekannte sich bei dieser Gelegenheit zum wiederholten Male dem urburschenschaftlichen Vermächtnis getreu, voll und ganz zum „Geist der nationalsozialistischen Revolution“. Die abgelegten Bänder und Mützen der anwesenden Burschen und etwa 120 gesenkte Burschenschaftsfahnen dokumentieren die Bereitwilligkeit zur Überführung. Die Burschenschaft Frisia Göttingen erklärte dazu: „Eine Korporation aber gegen den Willen des Führers können wir nicht aufrechterhalten, weil wir uns alle zu ihm bekennen. Möge die neue Form studentischer Gemeinschaft, der NSDStB, unsere Stelle würdig vertreten.“
Zu keinem Zeitpunkt lassen sich Anzeichen prinzipieller Opposition oder auch nur punktuelle Distanzierung von wesentlichen Elementen der nationalsozialistischen Ideologie und Politik seitens der Deutschen Burschenschaft belegen. Die Burschenschaften führten ihren in den 20er Jahren eingeschlagenen Weg in Richtung Nationalsozialismus konsequent weiter, fügten sich nahtlos in die neue nationalsozialistische Herrschaftsform ein und kämpften weiter für dessen Durchsetzung. Vor dem Hintergrund der personellen Verflechtungen zwischen NS-Studentenbund und Korporationen ist dies nicht verwunderlich.
Es bleibt also festzuhalten, dass wenn einzelne Burschenschafter und Alte Herren den Weg in den Widerstand fanden, sie sich keinesfalls im Einklang mit ihrem Dachverband befanden.
dazu: Die Mär vom Verbot der KorporationenDokumentation eines internen Berichts über die Gründung der NS-Kameradschaft auf dem Alemannenhaus von 1938. | |
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