Und es bewegt sich nicht –
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Besonders deutlich wird dies in der hier
nachzulesenden Damenrede. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Rede
nicht die Tat eines verirrten Einzeltäters ist, sondern durchaus das bei
Korporierten gängige Frauenbild wiederspiegeln dürfte.
Der Autor beginnt mit einer geschichtlichen Begriffsklärung des Wortes »Emanzipation«, um dann einen etwas Verwirrenden Exkurs in die griechische Mythologie zu unternehmen. Obwohl die angesprochene Geschichte um Paris, die drei Göttinnen und dem Raub der Helena sicher eine Menge interessante Verflechtungen mit dem Frauenbild des Autors bietet, werde ich sie hier aus Platzgründen ignorieren.
Nachdem der Autor als nächstes mit der Meinung eines anonym bleibenden anderen Verbindungsmitgliedes einen Bezugspunkt gesetzt hat, gegenüber dem sogar er sich noch progressiv absetzen kann, versucht er zur Sache zu kommen: Quotierungen.
„Man kann nicht durch Quotierungen festlegen, daß z.B. 50 Prozent der Frauen in der Politik mitmischen sollen...“ Gemeint sind hier vermutlich Quotierungen, die festlegen, dass 50% der Posten in der Politik durch Frauen besetzt werden. Absehend davon, dass sich der Autor hier polemisierend auf eine Forderung bezieht, die noch nie irgendeine Aussicht auf Umsetzung durch die herrschenden politischen Kräften hatte, sind wir auf die Begründung gespannt: „...obwohl diese 50% unserer Frauen zum größten Teil gar nicht bereit sind, diese Verantwortung zu tragen, auch wenn sie es wollten.“ Ach so.
Es bleibt etwas unklar, ob der Autor hier aus Versehen deutlicher wird, als er das vorhatte: Meint er wirklich, dass die Frauen nicht bereit, im Sinne von nicht in der Lage seien, diese Verantwortung zu tragen, auch wenn sie es wollten? Oder will er eigentlich das durchaus gängige Argument anführen, dass es einfach nicht genug Frauen gibt, die in die Politik wollen, um eine solche Quotierung umzusetzen? Dagegen spricht die Frage nach Ursache und Wirkung von gesellschaftlichen Bereichen, in denen Frauen nicht – oder unterrepräsentiert sind. Wenig Frauen verspüren das Verlangen und haben die Möglichkeit, in eine von Männern dominierte Politikwelt einzudringen. Eine radikale Quotierung, die vielleicht zunächst nur schwierig in die Realität umgesetzt werden kann, könnte hier eine Türöffnerfunktion haben und zudem ein deutliches Zeichen gegen die nächste vom Autor vertretene These setzen: „Politik ist ein dreckiges Geschäft, welches die Frauen eigentlich den Männern mit Vergnügen überlassen könnten.“ Erstaunlich. Wo sich doch sonst die Männer, besonders in der Pflege von Alten, Kranken und ganz Jungen, so gut darauf verstehen, den Frauen die »dreckigen Geschäfte« zu überlassen.
Im Ernst: Ja, auch Frauen können Politik machen, nein, dieses »Geschäft« ist nicht dreckiger als andere, mit denen Frauen alltäglich konfrontiert werden.
Die in dem Artikel wiederholt beschworene Idee einer Art Glaskugel, in der Frauen sicher und beschützt vor der restlichen schmutzigen Welt sitzen und das tun können, was sie in der Vorstellungswelt des Autors so tun (Kinderkriegen, nett sein, häkeln?) existiert nicht. Das vorgeschobene Argument, Frauen würden aus bestimmten gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen, um sie zu beschützen spielt auch bei dem gegen Ende der Rede auftauchenden Argument, Frauen würden sich mit der Emanzipation um das gute Benehmen der Männer bringen, ein Rolle. Gemeinsam haben beide Argumente das Grundmuster eines vorgeblich freundlichen Entgegenkommens der Männer, das eine reale Entmündigung von Frauen nach sich zieht. Was haben die Frauen schon von der Emanzipation, wenn ihnen am Ende niemand mehr die Tür aufhält? Vielleicht einfach, zugestanden zu bekommen und sich selber zuzugestehen, keine fremde Hilfe für das Öffnen von Türen zu benötigen.
Neben dem im Rahmen des Artikels durchaus fortschrittlichen Zugeständnis, eine Frau bräuchte „ihrem“ fernsehschauenden Mann wirklich nicht mehr das Bier an die Couch zu bringen, betont der Autor die Wichtigkeit von „weiblichen Werten“.
Durch das Heraufbeschwören der wohlbekannten weiblichen Tugenden wie Mütterlichkeit Schönheit, schaffende Kreativität und einfühlsame Sensibilität wird versucht, Frauen auf die ihnen seit Jahrhunderten zugedachte Rolle festzuschreiben.
Dies alles geschieht selbstverständlich nicht in einem Tonfall, der die damit verbundene reale Abwertung von Frauen nahe legt. Betont wird mit den oben genannten „Tugenden“ der angebliche Wert der traditionellen Frauenrolle. Die überwiegenden negativen Seiten bleiben unerwähnt: Etwa die Abstriche, die Frauen im Berufsleben machen, um dem Ideal einer Mutter entsprechen zu können und der damit einhergehende recht angenehme Lösungsweg für Männer, was die Vereinbarung von Familie und Berufsleben angeht.
Der Autor weist eilig darauf hin, dass er die anwesenden Damen „nicht in bestimmte Verhaltensformen zwängen“ will. Das Niederträchtige an dieser speziellen Art der Rollenfestschreibung ist, dass sie funktioniert, ohne dass noch ein explizites Verbot an Frauen ergeht, z. B. berufliche Karriere zu machen oder sich politisch zu engagieren. Wenn Frauen ständig suggeriert wird, dass sie dann wertvoll und gute Frauen sind, wenn sie dem traditionellen Rollenbild »Frau« entsprechen, verbieten sie sich den Ausbruch aus diesem Frauenbild oft genug selbst.
Besondere Beachtung verdienen sicher die angeblich jeder Frau eigenen Charakterzüge Sensibilität, Einfühlsamkeit und Fürsorglichkeit. Diese Eigenschaften, bei Frauen heute aufgrund einer entsprechenden Erziehung tatsächlich weiter verbreitet als bei Männern, werden gerne auch dadurch mobilisiert, dass Männer ihre extreme Hilflosigkeit in den entsprechenden Bereichen signalisieren: „Ihr seid die schönsten Juwelen unseres Lebens, denn ohne Euch wären wir schmucklos, freudlos, resonanzlos.. Wer versteht uns Rauhbeiner besser zu nehmen als Ihr, liebe Damen, mit Eurem weit höher entwickelten Feingefühl für alles Menschliche und Unmenschliche! Wir Männer haben ja das denkwürdige Talent zum Porzellanzerschlagen. Ihr, meine Damen, könnt uns vor den schlimmsten Schäden bewahren oder – wenn’s ganz arg kommt - die Bruchstellen besser kitten als wir.“
Zwei Sachen werden an diesem Abschnitt sicher sehr deutlich:
Erstens, die Rolle, die der Autor für Frauen bereithält, ist wenig erstrebenswert: Die mit dieser Rolle verbundenen Aufgaben sind: Bereicherung der männlichen Existenz durch Schmuckhaftigkeit, Freude und Resonanz (!), aufpassen, dass die alten Rauhbeiner nicht wieder alles kaputtmachen, und wenn doch: Kitten, kitten, kitten. In dieser Vorstellung von Männlich- und Weiblichkeit stellt der Mann durchgehend den aktiven Bezugspunkt dar. Frau agiert hier nicht, sie reagiert nur, ihr Leben kreist um das des Mannes. Die Idee, dass auch unter Frauen vielleicht das Bedürfnis besteht, aktiv zu sein, Resonanz dafür zu bekommen, schlecht drauf zu sein, kaputt zu machen, dass zudem eventuell keine Lust dazu besteht, von andern Leuten kaputtgeschlagene Dinge oder auch Beziehungen zu reparieren, kommt dem Autor offensichtlich nicht.
Zweitens wird mir hier klar, dass ich in diesem Artikel schon wieder viel zu viel über Position und Rolle der Frau geschrieben habe und zuwenig über das männliche Rollenbild, das sich aus dem derzeitigen Geschlechterverhältnis ergibt. Hier also meine aus wahrem Interesse gestellte Frage an den Autor und alle Männer die sich mit seiner Position identifizieren:
Wollt ihr das wirklich sein, emotional zurückgebliebene Sozialkrüppel, die nicht in der Lage sind, ihr Leben ohne weibliche Hilfe mit Freude und Resonanz zu füllen???
Denkt mal drüber nach.
dazu: Die Emanzipation von der EmanzipationDokumentation eben dieser Damenrede. | |
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