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Tue Mar 29 22:35:03 2005
 

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Verhalten von staatlichen Ermittlungsbehörden und Justiz. [3]

Wurzen-Broschüre.

Justiz/Prozesse.

Der Wurzner Bürgermeister Pausch lügt zwar in seiner bekannten Art, wenn er behauptet: „Mir persönlich ist kein Urteil bekannt, das einen Wurzner Bürger betrifft, in dem es aufgrund von rechtsradikalen gesetzlich verbotenen Handlungen sowie gleichgelagerten Tätigkeiten zu einer Verurteilung gekommen ist.“ (37) Aber viele Verurteilungen muß er nicht unterschlagen, um zu seiner Aussage zu kommen, denn die zuständige Leipziger Staatsanwaltschaft (Außenstelle Grimma) und das Amtsgericht Grimma sowie das Landgericht Leipzig tun sich damit hervor, viele Fälle überhaupt nicht zur Anklage zu bringen bzw. zuzulassen. Ansonsten gibt es überraschend niedrige Strafen, nicht trotz, sondern wohl wegen des politischen Hintergrundes. Zumindest würden Linke für ähnliche Sachen nicht so leicht davonkommen.(38)
(37) Antwortschreiben vom 24.5.1996 auf eine Anfrage der PDS im Stadtrat

(38) Einschränkend muß gesagt werden, daß es wenig Informationen über den Ausgang von Ermittlungsverfahren gegen Faschos, über den Verlauf von Gerichtsverhandlungen und über Verurteilungen gibt. Die Einschätzung leitet sich aus dem ab, was in der Presse erschienen ist. Wir gehen davon aus, daß in den Fällen, wo nichts mehr erschienen ist, auch keine Ermittlungserfolge vorzuweisen waren bzw. kein Gerichtsverfahren stattgefunden hat.

In den meisten Fällen machen sich Faschos (neben anderen) der Strafvorschriften „Besonders schwerer Landfriedensbruch“ (§125a StGB) und „Gefährliche Körperverletzung“ (§223a StGB) schuldig, da sie bei ihren Übergriffen Waffen einsetzen. Beide Paragraphen sehen vor, daß die TäterInnen mit mindestens sechs Monaten bzw. drei Monaten bis zu zehn bzw. fünf

Wurzener Faschos vor dem Amtsgericht Leipzig.
Jahren Haft bestraft werden. Dazu kommt es jedoch in den seltensten Fällen. Entweder greift das Jugendgerichtsgesetz (JGG, mildere Strafen bis max. 21 Jahre) oder die Strafe wird auf Bewährung ausgesetzt, obwohl dies nur geschehen soll, „wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte (...) künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.“ (§56 StGB), was ja bei Menschen mit einer gefestigen rechten Gesinnung, die mehrere Ermittlungsverfahren am Hals haben, nicht der Fall sein dürfte. Für die Anwendung des JGG plädiert auch immer die Jugendgerichtshilfe, die rührselig in der schwierigen Vergangenheit der ihr Anvertrauten rumschnüffelt, und bei jedem fündig wird: sei es der prügelnde Vater, die dominante ältere Schwester, der asselige Punk aus der Nachbarklasse oder der autoritäre Lehrer. (Der gute Stern über jedem Gerichtsverfahren in Wurzen scheint sich aber auch mit den jüngeren Linken gut zu verstehen.) Wenn weder Bewährung noch JGG greift, kann auch mangels an Beweisen freigesprochen werden. Strafmildernd kommt meist hinzu, daß Alkohol im Spiel war, daß die Angeklagten geständig sind, weil sie selbstsicher vor Gericht verkünden „War doch gut, was wir gemacht haben“, und daß selbst gut organisierte Angriffe zu spontanen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Jugendbanden bzw. als Notwehrhandlung gegen gewalttätige AusländerInnen heruntergeredet werden.
Außerdem fällt bei den im folgenden dokumentierten Verhandlungen auf, daß die Faschos in der Regel so von einem Freispruch überzeugt sind, daß sie sich gar nicht erst auf den Prozeß vorbereiten (AnwältInnen, EntlastungszeugInnen, Abstimmen der Aussagen, Aussageverweigerung usw.):
  1. Am 26. Februar 1992 erhalten Beteiligte am Überfall auf die Külzstraße (30. Oktober 1991) Geldstrafen (acht Jugendliche) bzw. Haftstrafen auf Bewährung (ein Erwachsener). Sechs weitere Angeklagte werden abgetrennt und später weiterverhandelt. Der Ausgang von weiteren sieben Ermittlungsverfahren ist unklar.
  2. 1994 erhält Udo Jahrmarkt wegen dem Zeigen des Hitlergrußes und dem Brüllen von „Sieg Heil“ eine Verwarnung über 500,- DM.
  3. Anfang Juni 1994 lehnt der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht die Verhängung von U-Haft gegen zwei Tatbeteiligte beim Überfall auf Portugiesen beim Trebsener Schloßfestes ab. Erst auf Proteste der Staatsanwaltschaft wird die U-Haft Ende Juni 1994 angeordnet. (39)
  4. (39) FR vom 1.6.1994, MTZ vom 30.6.1994

    (40) LVZ vom 25. und 26.8.1996

    (41) weitere Angreifer: Thomas Kunze, Gey, Marco Merker, Danny Pape, Robert Rosiak, Michael Mühlner, Michael und Andreas Schirm, Daniel Kufner, Marko Jung, Falko Ramminger, Alexander S. (voller Name bekannt), Marco Kunath, Grossmann, Fröhlich, Mike Heller, Daniel Muttschal, Silvio Horn, Seidel, Ronny Schräpler, David Reichelt, Rocco Hahn

    (42) obwohl folgende Angreifer namentlich bekannt sind: Ronny Schräpler, David Reichelt, Rocco Hahn, Marko Jung, Falko Ramminger, Alexander S. (voller Name bekannt), Patrick Findeisen, Marco Kunath, Mike Heller, Grossmann, Fröhlich, Silvio Horn, Thomas Kunze, Danny Pape, Robert Rosiak, Michael Mühlner, icheal und Andreas Schirm, Daniel Kufner, Rocco und Marcus Müller.

    (43) Tatbeteiligter war u.a. Thomas Henjes

    (44) als Tatbeteiligte wurden folgende Faschos erkannt: Daniel Rau, Rocco Hahn, Falko Ramminger, Alexander S. (voller Name bekannt), Patrick Findeisen, Marco Kunath, Grossmann, Fröhlich, Mike Heller, Michael Mühlner, Köhler

    (45) erkannt wurden dabei: Ronny Pietzsch, Heiko Forweg, Cambach, Erik Schmöllig, Peter Grünberg

    (46) trotz Selbstbezichtigung eines Faschos in der Zeitung (MTZ, Ende November 1995)

    Patrick Findeisen, Eckart, Peer Matzeit, Konrad und Hettwer haben am 25. August 1995 ihren Prozeß wegen dem Überfall auf die portugiesischen Bauarbeiter vom 16. Oktober 1994. Die Angeklagten sind größtenteils geständig und begründen unverblümt, warum sie rassistisch sind. Der schon vorbestrafte Peer Matzeit erhält eine dreijährige Haftstrafe, ein Erwachsener bekommt zehn Monate auf Bewährung, die anderen Jugendlichen erhalten

    Zum Prozeß erscheint man am besten in weißen Jeans und mit Mutter.
    Bewährungsstrafen zwischen 6 und 18 Monaten. (40) Obwohl der Polizei und Staatsanwaltschaft durch das Geständnis einiger beteiligter Faschos 60 Namen von Tatbeteiligten bekannt sind, erhalten nur 15 der Angreifer eine Vorladung zur Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft. Im Vorfeld wird gegen Peer Matzeit
    und einen 18jährigen U-Haft angeordnet. Bekannt wird nur der Prozeß gegen die fünf obengenannten. Gegen die anderen scheint nicht weiter ermittelt worden zu sein bzw. die Ermittlungsverfahren wurden eingestellt. (41) Böse Zungen könnten behaupten, daß das Gericht in einer fast eins-zu-eins Rechnung nur fünf Faschos wegen den sechs verletzten PolizistInnen bestrafen will und die anderen 55 Faschos in Ruhe läßt, damit sie weiterhin Wurzen »reinigen« können. Als Belohnung für den Überfall gibt es ja auch vom Bürgermeister erst eine Gesprächsrunde und dann die BB-Baracke.
  5. Ende Oktober 1995 stehen nur sechs von ca. 30 Faschos, die am 29. April 1995 drei Italiener vor der Disco Joy überfallen haben, vor dem Gericht. Angeklagt sind u.a. Marco Brandt, Marko Karnbach und Udo Jahrmarkt. Einer der Angeklagten muß nach dem Überfall in U-Haft.
  6. Am 3. April 1996 findet vor dem Amtsgericht Grimma der Prozeß gegen Ronny Pietzsch und Daniel Rau statt, denen vorgeworfen wird, am 21. Januar 1995 am Überfall auf das Haus in der Berggasse beteiligt gewesen zu sein. Die beiden sind sich ihrer Sache so sicher, daß sie weder AnwältInnen oder EntlastungszeugInnen mitbringen. Ein Zeuge der Staatsanwaltschaft, der 14jährige Fascho Ronny Schräpler, ist jedoch so gut instruiert, trotz Androhung von Beugehaft keine der Angeklagten zu belasten. Obwohl Pietzsch nach Meinung der Staatsanwaltschaft eine aktive Beteiligung am Angriff auf das Haus und die Mißhandlung von BewohnerInnen mithilfe von Waffen zweifelsfrei nachgewiesen werden kann (Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs und Schwere Körperverletzung), erhält er nur zehn Monate Freiheitsstrafe auf zwei Jahre Bewährung. Rau, dem eine Beteiligung am Angriff nachgewiesen werden kann, kommt mit einem Verwarnungsgeld über 500 DM davon, da er als Ersttäter gehandelt wird, obwohl er am Überfall auf die portugiesischen Arbeiter und auf die Dresdner Straße beteiligt war. Die Polizei ermittelt nach dem Überfall 12 der ca. 40 AngreiferInnen und verhört sie. Selbst noch in der Gerichtsverhandlung belasten die zwei Angeklagten weitere Faschos, die am Angriff beteiligt waren. Obwohl der Polizei und Staatsanwaltschaft schon in der frühen Ermittlungsphase mehr Tatbeteiligte namentlich bekannt sind, kommt es nur gegen elf Personen zu einer Anklage, weitere Gerichtsverhandlungen fanden bislang noch nicht statt. (42)
  7. Freigesprochen werden im März 1996 die Faschos (u.a. Marcus und Rocco Müller), die am 22. Januar 1995 einen Antifa mit einer Waffe an den Kopf schießen und der daraufhin aufgrund des Streifschusses längere Zeit im Krankenhaus verbringen muß.

Bei über einem Dutzend Vorfällen, die in der Chronik dokumentiert sind, wurden keine Ermittlungsverfahren bekannt. Zu Gerichtsverhandlungen ist es höchstwahrscheinlich bei all diesen Vorfällen nicht gekommen. So kam es unseres Wissen nach nie zu einem Prozeß bei folgenden schwerwiegenden Beispielen:

  1. Überfall auf Wurzner Flüchtlingsheim, August 1991 (offiziell keine Täter ermittelt) (43)
  2. Überfall auf Dresdner Straße, August 1994 (44)
  3. Überfall auf ein Auto in Bennewitz, November 1994 (Annahme einer Anzeige wird verweigert) (45)
  4. Überfall auf Ausländer in Bennewitz, Februar 1995 (Ermittlungen eingestellt)
  5. Überfall auf Ex-Polizisten am Kaolinsee, Juli 1995
  6. Überfall auf die Wassermühle, Oktober 1995 (46)

Wurzner Faschos kommen also, egal was sie tun, nicht in den Knast. Und sollte doch einmal das Unerwartete passieren, können sie sich der Betreuungsarbeit der „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.“ (HNG) sicher sein, die auch in sächsischen Justizvollzugsanstalten einwandfrei funktioniert.


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