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[Grenzcamp 99 Reader]
Samstag 7.8.
[Chronologie]
Verhandlungen wegen neuen Platzes.
12.00 MOVE - Umzug durch Zittau. abends OpenAirDisco.
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Flugblätter gehen weg wie heiße Semmeln
aus dem Webjournal
Die ersten Gitarrensounds des Camp-Frauen-Band-Projekts schallen über das ehemalige NVA-Gelände. Und so manche ist froh, daß dieser diskussionsreiche Tag jetzt in den netteren Teil übergeht. Die Bierbestände werden ausgepackt und ganz Schlaue kommen gerade aus Tschechien: dort ist das Bier nicht nur billiger, sondern auch richtig gut. Diskutiert wurde heute in nicht endenwollenden Plena, wo wir denn nun eigentlich unsere Zelte endgültig aufschlagen wollen. Nachdem der ursprünglich von den Camporganisatoren angemietete Platz plötzlich als Naturschutzgebiet vor uns geschützt werden mußte, hat die Stadt Zittau zunächst ein altes NVA-Gelände zur Verfügung gestellt. Das ist nicht nur wie NVA-Gelände eben so sind, sondern auch einfach zu klein. Mittlerweile sind hier knapp 500 Leute und ein Platz zum Zeltaufstellen ist kaum noch zu finden. Morgen ziehen wir um, aber ob das so richtig besser wird, daran zweifeln noch einige. Zumindest wird es wohl ein große Wiese geben - die ist allerdings eingekreist von einer Bundesstraße, einer Bahnstrecke und einer Zementfabrik. Und das ist in diesem idyllischen Dreiländereck wirklich schade. Ringsum Wald und Berge - ein kleiner Spaziergang über die grüne Grenze ist nicht nur aus politischen Gründen angesagt - Seen laden zum Baden ein. Aber die Stadt Zittau freut sich wohl nicht so über uns wie über ihre sonstigen Touristen. Vor allem einige Zittauer Sprösslinge sind sauer. Deren Bekanntschaft konnten wir auf dem Auftaktsmove - einem gemeinsamen Spaziergang durch die Zittauer Innenstadt - machen. Ein kleiner Haufen Glatzen griff nach den Zaunlatten, bevor wir ihren Grillabend stören konnten. Sie feierten im Garten des Hauses des Nationalen Jugend Blocks - Garten mit Haus vermietet die Stadt an die Jungnazis für knappe 80 DM im Monat. Dabei stieß die Aktion unter der Zittauer Bevölkerung und vor allem die Campzeitung, die in 1000er Auflage in Briefkästen und an Interessierte verteilt wurde, auf reges Interesse. Ob in Berlin, Hamburg, München oder sonstwo, Flugiverteiler kennen das gelangweilte oder genervte Abwinken von Schaulustigen und Demonstrierenden - nicht schon wieder das hundertste Flugi mit den gleichen Parolen. Zittau ist ein ganz anderes Erlebnis: Fahradfahrer hielten an, um an die Zeitung zu kommen, Autofahrer kurbelten das Fenster runter.
Turbulent wurde es bei der gegenseitigen Grenzbesichtigung. Von polnischer wie von deutscher Seite sollte eine Demo auf die Grenze zulaufen - und sich von der jeweiligen Seite aus zuwinken - so war es wohl von den Organisatoren geplant. Die polnischen Freunde waren leider nicht so zahlreich. Das Grüppchen von zehn Aktivisten entschloß sich spontan einfach zu uns rüber zu kommen. Auf dieser Seite der Grenze fanden viele, daß so ein Rüberwinken nicht genug wäre. Der BGS ließ sich dann auch überzeugen, die Sperre 30 Meter vor der Grenze zu räumen und sich erst wieder direkt vor Polen aufzustellen. Als einige selbstverantwortlich die BGS-Sperre passierten und nach Polen spazierten, fanden das die Organisatoren gar nicht lustig. Wir wären doch für offene Grenzen und gerade würden wir die Grenze blockieren, meinte einer von ihnen und verwies auf die wartenden Autofahrer. Die Logik, daß man bei Aktionen keine Autofahrer blockieren sollte, war nicht jedem einleuchtend. Aber trotz mancher grundsätzlicher politischer Differenzen ist der Sound der Frauenband mit Bernadette von "Die Braut haut ins Auge" und Katrin von irgendwas anderem super geil.
Schutz für Faschos durch die Bereitschaftspolizei
Zittau, 7. August 99
In der Nacht vom Samstag zum Sonntag ereignete sich ein Vorfall gegen 1.00 Uhr, der wieder einmal belegt, daß die eingesetzten Bullen bei Übergriffen von Faschos, diese schützt.
Eine Gruppe von mehreren Campteilnehmern ist auf ihrem Weg zurück zum Camp an einem Haus von Faschos vorbeigelaufen. Nachdem die Gruppe das Haus passierte, wurden zwei leere Bierflaschen für jedermann offensichtlich aus einem Fenster auf Einen aus der Gruppe geworfen. Beide Flaschen schlugen nur wenige Meter hinter ihm auf den Gehweg. Die Zweite verfehlte nur um ca. 2 m die Motorhaube des Fahrzeug des Einsatzleiters der Bereitschaftspolizei, Herr Steffen Heinrich, Polizeihauptmeister der 1. Bereitschaftspolizeiabteilung Dresden. Der irrigen Vorstellung erlegen, nun einen unwiderlegbaren Beweiss für den Versuch einer schweren Körperverletzung durch einen Fascho zu besitzen, wollte der Betroffene eine Anzeige gegen den Fascho stellen. Statt die Personalien der Täter, liess Herr Heinrich die der Angegriffenen feststellen. Die Festellung der Täter wurde mit der Begründung unterlassen, dass dies zu gefährlich sei: über Funk klärten die Polizisten, dass sie sich nicht in der Lage fühlten ohne besonderen Schutz in das Haus zu gehen. Herr Heinrich gab daraufhin Anweisung, die ID-Feststellung der Faschos zu unterlassen. Auch eine angebotene persönliche Identifizierung der Fascho-Täter wurde von Herrn Heinrich ignoriert. Desweiteren versuchte der Einsatzleiter Heinrich die Anzeige abzuwenden, indem er behauptete selbst keinen Flascheneinschlag gesehen zu haben und seine Kollegen hätten beobachtet, wie eine Flasche von der linken Gruppe geworfen wurde. Eine Beweisaufnahme der vorhandenen Spuren wurde von Herrn Heinrich ebenfalls grosszügig unterlassen.
Um eine Anzeige zu stellen, sollte der Betroffene bis 5.00 Uhr morgens warten oder am Montag wiederkommen.
Offensichtlich werden Opfer-Täterbeziehungen sofort umgekehrt, damit kein von gesetzeswegen brauchbarer Angriffspunkt gegen Faschisten vorhanden ist.
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