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Sat Dec 25 20:03:28 1999
 

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Ein Kurzfazit zum Grenzcamp 99 in Zittau

Abschrift aus Interim Nr. 428:

[...]
Geplant war eigentlich neben dem täglichen großen Plenum eine Delistruktur, die wurde jedoch anfangs von einigen wirksam boykottiert, so daß sie erst Anfang der Woche aufgebaut wurde. Wir haben alle keine Übung mehr (in Bewegungszeiten war das anders, aber das ist nun mal leider schon lange her) mit sovielen Menschen zu planen, zu kommunizieren, zu entscheiden und das alles im Konsensprinzip! Eine funktionierende Delistruktur braucht natürlich auch eine funktionierende Basis, sprich Gruppen, die sich verstehen und streiten können; auch das ist in unserer linksradikalen Landschaft nur noch rudimentär vorhanden. Selbst von unserem Vorbereitungskreis, der eigentlich aus 21 Städten bestand, war auf dem Camp kaum noch was zu sehen. Erst ab Mitte des Camps gab es endlich eine angenehmere Kommunikation über das sog. Deliplenum und auch die Großplenas mit mehreren Hundert Leuten waren nicht nur Tummelplatz für einfach mal ins Plenum eingeworfene Gedanken. Ich fand diese 9 Tage in der Beziehung ein unglaublich spannendes Experimentierfeld, auch wenn ich zweimal vor lauter Genervtheit kurz vor der Abreise stand. Die Analyse der abgelaufenen Prozesse bedarf jedenfalls einer besonderen Auswertung.
Einen großen Kritikpunkt muß ich allerdings noch loswerden: die erste Hälfte des Camps war geprägt von großem konsumistischen Verhalten. Eigenverantwortung in einer Selbstverständlichkeit scheint außer Mode gekommen zu sein, der gesellschaftliche Mainstream hat auch vor "uns" nicht Halt gemacht. Eigentlich sind wir doch immer so großartig in unserer politischen Analyse, die da heißt, wir sind nicht nur Opfer, sondern können die Entwicklung durchaus auch selbst mit in die Hand nehmen. Wir als Vorbereitungsgruppe wollten lediglich den Rahmen und die Mobilisierung stellen, die inhaltliche und praktische Gestaltung des Camps lag in den Händen aller. Einzige Ausnahme war die hervorragende Vokü aus dem Wendland (an dieser Stelle nochmals viel LOB und ANERKENNUNG), die Mithilfe hierbei funktionierte vorbildlich.
Mehr politische Debatten und auch strategischere Perspektivdiskussionen waren im Vorfeld erhofft gewesen. Es liefen einige parallel dazu, der Schwerpunkt war aber auch dieses Jahr eindeutig die politische Aktion nach außen. Schade auch, mit so vielen Menschen wäre es auch eine gute Chance gewesen, strategisch ein paar Zentimeter weiterzukommen, andererseits hatte der Autonomiekongreß 1995 mit 2000 TeilnehmerInnen, der als solches gedacht war, die erwünschten Zentimeter auch nicht gebracht.
Meine Einschätzung ist die, daß es uns in so bewegungsarmen und ohnmachtsgefüllten Zeiten mehr bringt, wenn wir (damit meine ich durchaus diese heterogene Mischung, wie sie im Camp war) uns gebündelter auf wenige Regionen und/oder Ereignisse konzentrieren, diese nach innen als Experimentierfeld begreifen, wo wir uns in der praktischen Umsetzung unserer schwammig formulierten Utopien üben und nach außen zumindest in kleinsten Schritten in puncto gegenmacht bewegen. Zittau hatte zumindest gezeigt, daß wir eine braune und stockkonservative Gegend durcheinanderwirbeln können, den Jugendlichen vor Ort die Erfahrung ermöglichten, daß es auch nazifreie Tage gibt, bzw. zu zeige, daß es geht, die einzuschüchtern. Ein weiteres Ansinnen war, Andersdenkende zu unterstützen. Durch die praktische Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen vor Ort gründete sich nun eine Initiative, die die Forderung nach Schließung des Flüchtlingsheims unterstützt. Mehr Aufbau und Zusammenarbeit war, glaube ich, auch nicht möglich, weil wir im Vorfeld sehr ignorant und undifferenziert mit den örtlichen Gegebenheiten umgingen. Für ein nächstes Mal - wo auch immer - erhoffe ich mir einen Lernprozeß unsererseits. Die 9 Tage und die ganze Vorbereitungszeit wollte ich in keinster Weise missen - im Gegenteil, trotz Nerv und Totalerschöpfung habe ich aufgetankt - auch wenn sich das jetzt pathetisch anhört - anyway!

Eine vom Z.E.L.T.P.L.A.T.Z.K.O.M.I.T.E.E.

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