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Ein Kurzfazit zum Grenzcamp 99 in Zittau
Abschrift aus Interim Nr. 428:
[...]
Geplant war eigentlich neben dem täglichen großen Plenum eine
Delistruktur, die wurde jedoch anfangs von einigen wirksam boykottiert, so
daß sie erst Anfang der Woche aufgebaut wurde. Wir haben alle keine
Übung mehr (in Bewegungszeiten war das anders, aber das ist nun mal leider
schon lange her) mit sovielen Menschen zu planen, zu kommunizieren, zu
entscheiden und das alles im Konsensprinzip! Eine funktionierende Delistruktur
braucht natürlich auch eine funktionierende Basis, sprich Gruppen, die
sich verstehen und streiten können; auch das ist in unserer linksradikalen
Landschaft nur noch rudimentär vorhanden. Selbst von unserem
Vorbereitungskreis, der eigentlich aus 21 Städten bestand, war auf dem
Camp kaum noch was zu sehen. Erst ab Mitte des Camps gab es endlich eine
angenehmere Kommunikation über das sog. Deliplenum und auch die
Großplenas mit mehreren Hundert Leuten waren nicht nur Tummelplatz
für einfach mal ins Plenum eingeworfene Gedanken. Ich fand diese 9 Tage in
der Beziehung ein unglaublich spannendes Experimentierfeld, auch wenn ich
zweimal vor lauter Genervtheit kurz vor der Abreise stand. Die Analyse der
abgelaufenen Prozesse bedarf jedenfalls einer besonderen Auswertung.
Einen großen Kritikpunkt muß ich allerdings noch loswerden: die
erste Hälfte des Camps war geprägt von großem konsumistischen
Verhalten. Eigenverantwortung in einer Selbstverständlichkeit scheint
außer Mode gekommen zu sein, der gesellschaftliche Mainstream hat auch
vor "uns" nicht Halt gemacht. Eigentlich sind wir doch immer so großartig
in unserer politischen Analyse, die da heißt, wir sind nicht nur Opfer,
sondern können die Entwicklung durchaus auch selbst mit in die Hand
nehmen. Wir als Vorbereitungsgruppe wollten lediglich den Rahmen und die
Mobilisierung stellen, die inhaltliche und praktische Gestaltung des Camps lag
in den Händen aller. Einzige Ausnahme war die hervorragende Vokü aus
dem Wendland (an dieser Stelle nochmals viel LOB und ANERKENNUNG), die Mithilfe
hierbei funktionierte vorbildlich.
Mehr politische Debatten und auch strategischere Perspektivdiskussionen waren
im Vorfeld erhofft gewesen. Es liefen einige parallel dazu, der Schwerpunkt war
aber auch dieses Jahr eindeutig die politische Aktion nach außen. Schade
auch, mit so vielen Menschen wäre es auch eine gute Chance gewesen,
strategisch ein paar Zentimeter weiterzukommen, andererseits hatte der
Autonomiekongreß 1995 mit 2000 TeilnehmerInnen, der als solches gedacht
war, die erwünschten Zentimeter auch nicht gebracht.
Meine Einschätzung ist die, daß es uns in so bewegungsarmen und
ohnmachtsgefüllten Zeiten mehr bringt, wenn wir (damit meine ich durchaus
diese heterogene Mischung, wie sie im Camp war) uns gebündelter auf wenige
Regionen und/oder Ereignisse konzentrieren, diese nach innen als
Experimentierfeld begreifen, wo wir uns in der praktischen Umsetzung unserer
schwammig formulierten Utopien üben und nach außen zumindest in
kleinsten Schritten in puncto gegenmacht bewegen. Zittau hatte zumindest
gezeigt, daß wir eine braune und stockkonservative Gegend
durcheinanderwirbeln können, den Jugendlichen vor Ort die Erfahrung
ermöglichten, daß es auch nazifreie Tage gibt, bzw. zu zeige,
daß es geht, die einzuschüchtern. Ein weiteres Ansinnen war,
Andersdenkende zu unterstützen. Durch die praktische Zusammenarbeit mit
den Flüchtlingen vor Ort gründete sich nun eine Initiative, die die
Forderung nach Schließung des Flüchtlingsheims unterstützt.
Mehr Aufbau und Zusammenarbeit war, glaube ich, auch nicht möglich, weil
wir im Vorfeld sehr ignorant und undifferenziert mit den örtlichen
Gegebenheiten umgingen. Für ein nächstes Mal - wo auch immer -
erhoffe ich mir einen Lernprozeß unsererseits. Die 9 Tage und die ganze
Vorbereitungszeit wollte ich in keinster Weise missen - im Gegenteil, trotz
Nerv und Totalerschöpfung habe ich aufgetankt - auch wenn sich das jetzt
pathetisch anhört - anyway!
Eine vom Z.E.L.T.P.L.A.T.Z.K.O.M.I.T.E.E.
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