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Platzhirsche, Plena, Plattitüden
aus Interim Nr. 483 - 9.9.99 (Abschrift):
Es war tatsächlich eigentlich gar nicht mal so schlimm. Selbst die Plena
liefen vergleichsweise zivil ab, wenn auch wieder die üblichen
Platzhirsche jenes dominante Redeverhalten zur Schau trugen, welches seit eben
jenen zehn bis fuffzehn Jahren zurecht kritisiert wird, in denen genau
dieselben Platzhirsche ihre Ratschlüsse herrlich verkünden. Denn
seit der "Bewegungszeit", wie eine Resümierende aus Berlin sich nicht
entblödet die "autonomen" 80er Jahre zu bezeichnen, reden sie immer
denselben krausen Kram, der schon zu Beginn dieser "Epoche" wenig Anregendes
hatte. Inzwischen fehlt dem Geschwafel aber die Bewegung und das ganze klingt
nochmal hohler als damals. Egal, es ist eine Handvoll Leute, beileibe nicht
nur Männer, die die etwas ausufernden Gesprächsrunden mit um die 300
Leuten mit ihren Suaden, ihrer Lautstärke und ihrer Impertinenz
bestimmten. Namen müssen wohl nicht genannt werden, wer da war - und
sei's auch nur einen Abend -, weiß, wer gemeint ist, Kenner der Berliner
Szene könnten es auch raten, ohne dort gewesen zu sein.
Ja, die BerlinerInnen, die vom Zeltplatzkomitee: Alle reiten auf ihrem Slogan
"Keine Grenze ist für immer" herum, das ist auch sicher notwendig, aber
die ein bißchen kommt es schon auch auf die Form an, damit die Kritik
solidarisch genannt werden kann. Dieser Gestus des ertappenden Kontrolleurs
der herrschenden Gesinnung, wie ihn Tjark Kunstreich in der Konkret zelebriert,
ist ekelhaft und nichts weniger als denunziatorisch. Klar, ist der Slogan
Scheiße, darüber waren sich alle einig, selbst diejenigen, die ihn
auf Plakate drucken ließen. Es gab auf einem Plenum einen ziemlich
schönen kritischen Beitrag zu dem Slogan, der hoffentlich auch im
Campreader nochmal zu lesen sein wird.
Einer der (oder DER) "Wortführer" (gute Umschreibung für den
Betreffenden) der BerlinerInnen gestand ein, daß der Zeitdruck ein
konzentriertes Nachdenken über den Slogan verhindert habe, kann passieren.
Schade nur, daß er dann noch gleich anschließend zu einem
völlig blindwütigen Gegenangriff ausfiel, der die KritikerInnen des
Slogans des Wunsches zieh, sie wollten endlich mit ihrer pingeligen Quengelei
"den guten, sauberen Linken" entwickeln und finden. Darum war es nicht
gegangen, und wieder bügelte der Redner rhetorisch alles nieder,
verbrauchte Zeit und Atemluft der Anwesenden, und provozierte um des
Provozierens Willen, was irgendwann ganz gewaltig auf den Zeiger derjenigen
geht, die den verquasten Mist schon tausend mal gehört haben und auf
Kosten derer, die sich vielleicht nicht so ohne weiteres trauen, vor einem
derart großen Plenum und seinen eloquenten EinpeitscherInnen zu sprechen.
Dies ist kein Plädoyer für einen Maulkorberlaß wider
Altautonome mit oraler Schließmuskelschwäche, sondern ein Aufruf zur
Rücksichtnahme und Redezeitbegrenzung.
In einem Papier heißt es, es habe sich gezeigt, daß es lohnend war,
wieder gemeinsam und als gemischter großer Zusammenhang eine Aktion wie
das Grenzcamp zu veranstalten: Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, wenn es
dann auch nicht mehr diese völlig holzhammermäßig formulierten,
in ihrem Duktus super autoritären und in ihrer Konsequenz totalitären
Redebeiträge des FrauenLesben-Plenums mit eingebauter Selbstimmunisierung
gäbe. Auch hier wären Formen solidarischen Umgangs auch zwischen
Frauen/Lesben und Männern denkbar. Andererseits hatte sich im vergangenen
Jahr auch das zeitlich und räumlich getrennte Vorgehen durchaus
bewährt: niemand jedenfalls ist gezwungen mit jemandem zu zelten, den
er/sie richtig und unrettbar Scheiße findet.
Es ist viel und auch konstruktiv über den Umgang mit den BewohnerInnen der
Grenzregion gesprochen und gestritten worden. Beim ersten Camp war es vor
allem der Wunsch der Gruppen vor Ort, die am "Tatort" würden weiterleben
müssen, auch wenn das Camp schon fort ist, daß ein ziemlich
großer Aufwand getrieben wurde, die Aktionen, das Camp und die Kampagne
"Kein Mensch ist illegal" vermittelbar und für die Bevölkerung
transparent zu machen. Ob "Bekennerschreiben" oder Diskussionsgrundlage, das
Konzept der Massenzeitung zur Verteilung an die Leute vor Ort ist in jedem
Falle gelungen. Aber wo ist die Grenze der Vermittelbarkeit und vor allem die
Grenze der Geduld mit den in ihren Wahngebilden erstarrten Bevölkerung.
Man muß wahrhaftig kein Antideutscher oder Antinationaler sein, um ab
einem bestimmten Punkt zu sagen: "Das ist. mir scheißegal, wie das hier
finden, diese Deppen."
Das tägliche fiebrige Warten auf die Lokalzeitung und wie sie "uns"
darstellt oder dastehen läßt, war teilweise schon fast peinlich,
zumal diese Medien auch für die rassistische Zurichtung der Köpfe der
GrenzbewohnerInnen zuständig sind, oder besser gesagt, die die
rassistische Gedankenwelt der meisten Leute dort im Sinne der Erfinder der
"Inneren Sicherheit" bei Laune halten sollen. Was erwartet man von den
SchreiberInnen dieser Zeitungen, den Reportern dieser Radios? Im vergangenen
Jahr wurde - zum Teil zurecht - kritisiert, daß allzu
"staatsmännisch" auftretende Joschka-Verschnitte seitens der
CampvorbereiterInnen sich bei den Behörden "eingeschleimnt" hätten,
um gute Stimmung zu machen. Man war sich einig, daß in diesem Jahr
andere Saiten aufgezogen werden sollten, doch nichts dergleichen. Der
Blödmann von der Sächsischen Zeitung (SZ) hatte den Hetzartikel gegen
das Camp noch nicht ganz fertig, da entschuldigte sich schon eine namentlich
bekannte Person bei der SZ, eine Person übrigens, die bislang nicht als
Kenner der zimperlichen Befindlichkeit des bürgerlichen Spektrums bekannt
war.
Es ist richtig, unkluge oder saublöde Aktionen zu kritisieren, wie die,
mit der Grobschablone eines Antifaschismus des dummen Kerls rumzulaufen und
blindling(k)s nach Kurzhaarköpfen, augenscheinlichen Polizeispitzeln oder
vermeintlichen Polizeipfarrern zu treten. Aber dabei geht es um das eigene
Selbstverständnis, und nicht um ein Image, das gefährdet werden
könnte. Sich einerseits um die Betitelung der CamperInnen als
"MenschenrechtlerInnen" zu amüsieren, sich aber nach außen hin als
eben diese Menschenrechts-Fuzzys zu gerieren, ist auch eine Art
"humanitäre Katastrophe".
Camperseits waren sich immer alle einig, daß die RassistInnen nicht dort
abgeholt werden sollen, wo sie ihr trübes reaktionäres Süppchen
kochen (Aufschlußreich ist hierzu die Lektüre der Leserbriefe in der
SZ zum Camp, und daß die SZ sie abgedruckt hat). Wenn sie sich nicht
bewegen wollen, was man - zumal nach all den unermüdlich vorgebrachten
Gesprächs- und Diskussionsangeboten - zumindest von einzelnen hätte
erwarten können, dann sollen sie "uns" am Arsch lecken! Das gilt im
übrigen auch für "unsere" Bezugsgruppen vor Ort.
Eine Einschätzerin des Camps schrieb, die Vorbereitungen vor Ort seien
dilettantisch gelaufen, weshalb man kaum Bezugsgruppen dort mobilisieren
konnte. Dem muß einmal entschieden widersprochen werden: die Gruppen,
die unermüdlich als potentielle Kooperationspartner in Zittau gehandelt
wurden und werden, sind nicht das wofür man sie hält. Zwar ist es
richtig, das sie in dieser Gegend die einzigen Leute zu Mitgliedern haben, die
überhaupt irgendetwas im Sinne nicht-rechter Jugendarbeit und
"Ausländerarbeit" machen. Das heißt aber nicht, daß sie
wirklich gut drauf wären. Sie stehen in ihrem Umfeld zwar am weitesten
links, das ist aber verdammt weit rechts, weil es links der Mitte so gut wie
nichts (mehr) gibt. Hätte man von einem Jugendtreff wie dem "Emil",
welches zwei Wochen vor dem Camp Ziel eines Neonazi-Angriffs war, nicht
erwarten können, daß sie von sich aus mal in die Gänge kommen,
wenn es gegen Nazis geht. Die "Emil"-Leute sind im übrigen schon zur
Teilnahme am ersten Camp mehrfach eingeladen worden und es waren sogar zwei
Leute aus Berlin extra nach Zittau gefahren, um dort für das Camp zu
mobilisieren - sie wurden von einer Mitarbeiterin des Treffs mehr oder minder
abgewimmelt. Auch auf nachfolgende Faxe, Briefe und Anrufe haben sich die
Emils niemals zurückgemeldet. Der größte Klopper aber ist das
MUK: auf einem Plenum wurde diese Institution über den grünen Klee
gelobt, hatte doch im vergangenen Jahr eine MUK-Mitarbeiterin bei der
öffentlichen Veranstaltung des Camps mit auf dem Podium gesessen und
ziemlich gute Sachen gesagt. Nachdem diese Person das MUK und Zittau verlassen
hat, gibt es keinen Grund mehr, mit diesen Leuten zusammen zu arbeiten. Der
jetzige Vorsitzende des Vereins - ein FDP-kompatibler reaktionärer
Warmduscher - sagte im Vorfeld des letztjährigen Camps, ihm seien die
Rechten oft sogar lieber, da sie wenigstens nicht die Linken brauchten, um sich
selbst zu definieren, wie die Linken die Rechten. Außerdem gibt es
personelle und ideologische Verbindungen zwischen dem MUK und dem
ntelle Gesellschaftsgestaltung" aus Belzig/Brandenburg. Der frühere
Geschäftsführer Thomas "Pille" Pilz (oder so ähnlich) ist nicht
nur ZEGG-Mitglied, sondern hat eine Art Ableger dieser an Otto Muehls Wiener
Vergewaltigungskommune orientierten Eso-Sex-Sekte in der Nähe Zittaus, die
sog. Fabrik, gegründet. Diese Gruppe steht noch heute in engem Kontakt
mit dem ZEGG und dem MUK, in dessen Periodikum, dem "Südost", noch heute
Veranstaltungshinweise der Belziger Psychosekte abgedruckt werden. Es wird
gemunkelt, daß Pilz' Gruppe auch das Café "Platane" im MUK
übernehmen soll.
In der Vorbereitung des 98er Camps hat das MUK die CamperInnen nach Strich und
Faden verarscht, schuldet der Kampagne bis heute über 700 Mark
Kopierkosten und hat angesichts des letztjährigen Aufrufes kurz vor einer
aktiven Beteiligung am Camp den Arsch zusammengekniffen. Kurz und gut, das
sind keine Leute, mit denen eine Zusammenarbeit möglich ist und denen eine
Träne nach zu weinen wäre. Das hätten sie auch nicht dadurch
unter Beweis stellen müssen, daß sie sich - ohne vorher ein
klärendes Gespräch mit den CamperInnen gesucht zu haben -
öffentlich vom Camp distanziert haben, diese kleingeistigen
Hasenfüße und Denunzianten!
Trotzdem bleibt klar zu stellen, daß es einen Intentionskonflikt mit
Gruppen vor Ort und den "Auswärtigen" gibt und daß man ihn ernst
nehmen muß, um nicht über die Interessen lokaler Kooperationspartner
hinwegzutrampeln. Doch dazu müßten es echte FreundInnen sein, die
ein Interesse an den gewählten Schwerpunkten Antifa und AntiRa haben. Die
Leute aus Görlitz, ohne die vergangenes und dieses Jahr die
Camp-Vorbereitung überhaupt nicht möglich gewesen wäre, sind
eine solche Gruppe. Und die Tatsache, daß in diesem Jahr haufenweise
Gruppen aus den neuen Bundesländern da waren, zeigt, daß es hier auf
der Kommunikationsebene auch kein Ost-West-Problem gibt, mit welchem viele die
Mißverständnisse mit den Gruppen aus Zittau zu erklären
versuchen.
Da Öffentlichkeitsarbeit und Vermittlung der Inhalte der Kampagne die
aufgezeigten Grenzen haben und viele Aktionen die Ebene des Symbolischen nicht
verlassen (was nicht negativ sein muß) und angesichts der Masse von
Leuten das Inhaltliche doch auch immer wieder eher eine untergeordnete Rolle
spielt, sollte überlegt werden, ob es nicht sinnvoller und nützlicher
wäre, den Schwerpunkt des Camps auf die Vernetzung der in- und
ausländischen (v.a. südost- und osteuropäischen) Gruppen und auf
die breite Diskussion antirassistischer Themen im europäischen
Zusammenhang zu legen. Das ganze könnte als eine Art "Grenzkongress"
organisiert werden, mit interessanten ReferentInnen und spannenden Foren,
Diskussionsrunden und Arbeitsgruppen. Die auch weiterhin gewünschten
Aktionen, Kundgebungen, Kulturveranstaltungen und Demonstrationen würden
nebst Vermittlungsversuchen deutlich in die zweite Reihe rücken, das ganze
Camp von der Öffentlichkeitswirksamkeit unabhängiger machen und ein
intensiveres Kennenlernen der Gruppen und Personen ermöglichen.
Hans Meister und Fred König
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