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Sat Dec 25 20:03:36 1999
 

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Einschätzung des Z.E.L.T.P.L.A.T.Z.K.O.M.I.T.T.E.E.

Eine weitere kurze Rückmeldung vom Grenzcamp `99 bei Zittau.
Unter uns, daß heißt allen MitgliederInnen des Berliner Z.E.L.T.P.L.A.T.Z.K.O.M.I.T.T.E.E., herrschte nach dem Ende des Grenzcamps bei Zittau eine weitgehende Zufriedenheit. Wenn man und frau dabei erstmal “die Politik" beiseite läßt, dann waren wir uns einig darin, daß die Durchführung und der Verlauf des Camps ein großer Organisationserfolg waren. Gegenüber dem letzten Camp bei Rothenburg haben sich im Durchschnitt dreimal soviel kontinuierlich anwesende Teilnehmerinnen an dem Grenzcamp beteiligt. Die exzellent von einem Kollektiv aus dem Wendland betriebene Vokü hat unter angenehmen Verzicht auf dubiose Veganer-Ideologien rund um die Uhr gedampft und alle satt gemacht. Und das was die unterschiedlichen Gruppen aus den Städten gekocht haben, hat sogar meistens sehr lecker geschmeckt. Wer es bei einem ersten Überblick über das Camp beließ, konnte sehr begründet den imposanten Eindruck von einem lustigen kommunistischen Basis-Favela mit Eseln, Handys, Hunden und world-wide-web-Internet-Kommunikation gewinnen. Eine Reihe von gelaufenen Aktionen fanden wir ausgezeichnet durchdacht und sowohl in taktisch-operativer wie strategischer Ebene als auch argumentativ-vermittelnder Weise von Beginn bis Ende gelungen. So etwas macht Mut auch in Zukunft “irgendwie" weiter zu machen. Wer sich ein paar weitere Eindrücke von einer Vielzahl von Aktionen, Diskussionen und Stellungnahmen von dem Camp machen will, der sei ganz energisch auf die wirklich sehr liebevoll und übersichtlich gestaltete Web-Site im Internet verwiesen:
www.nadir.org/nadir/initiativ/camp
Der Verlauf des Camps bot im Schnitt 500 Leuten aus den unterschiedlichsten Gruppen, Szenen und Milieus die Gelegenheit, sich einmal aus räumlicher Nähe mit zu bekommen. Dabei war der Raum des Grenzcamps groß genug dafür, erst mal die Leute und Gruppen ignorieren zu können, mit denen man nun wirklich nicht zuviel zu tun haben will; auf der anderen Seite war das Grenzcamp eine soziale Kontaktbörse par excellance. Pech für die, dich nicht dabei waren! Verglichen mit anderen Ereignissen hielt sich die Aggression untereinander insgesamt in engen und überschaubaren Grenzen, auch wenn immer mal wieder bei ein paar Plena-Auseinandersetzungen das Phänomen der “Reinigungsmeute" aufflackerte. Zumindest hat es der Gesamtverlauf des Camps nicht unmöglich gemacht, daß sich für das nächste Jahr wieder ein paar Organisationsheinze und Gretes finden können, die etwas vergleichbares auf die Beine stellen wollen. Einige von uns werden daran auf jeden Fall - wenigstens für eine bestimmte Zeit - als neugierige Besucher wieder teilnehmen. Aktuell werden wir aber auch deshalb noch mit einigen finanziellen Aufräumarbeiten beschäftigt sein, weil sich einer Zahlungsmoral bei dem Obolus für den Teilnehmerbeitrag nur etwa mehr als ein Drittel von doch über 1.000 GesamteilnehmerInnen verpflichtet gefühlt haben.
Uns ist es als Gruppe gerade auch im Vorfeld, als uns der Platz weggezogen worden ist, gelungen ein paar - je nach Betrachtungsweise eher privat oder eben politisch motivierte - Streitigkeiten wieder in der gemeinsamen Organisierung des Camps aufzuheben. Erneut hat sich gezeigt, daß es richtig ist und bleibt niemals die Hoffnung aufzugeben, nicht doch “irgendwie" wieder zu einer aus einem “offenen Geist" heraus geführten guten Zusammenarbeit zu finden. Gegenüber einem aus meiner Sicht nur borniert zu nennenden Verständnis von “Autonomie", daß im wesentlich darin besteht mit und in den Gruppen selber identitäre (Unter-)Ordnungsverhältnisse zu errichten, und sich damit folgerichtig vor der Welt und damit den Leuten abzuschließen, ist das der Vorzug eines prinzipiellen politischen Verständnisses von Autonomie, diese sowohl in der Theorie wie in der Praxis unbedingt im Sinne von offenen und gemischten Gruppen zu verstehen. Unsere wieder gefundene Praxis einer gemeinsamen Organisierung des Camps war somit eine sinnfällige Anwendung des von uns zunächst in einem außenpolitischen Sinne gewählten Slogans: “Keine Grenze ist für immer!" auf unsere eigene “innere Uhr", über die wir uns - so oder so - handelnd verknüpfen müssen.
“Politisch" wurde bis jetzt natürlich noch nichts zu dem Camp und seinen mittelfristigen Wirkungen sowohl in der Region Zittau als auch auf die bundesweit und überregional angereisten TeilnehmerInnen und Gruppen gesagt. Angesichts der wirklich kontrovers im Raum stehenden politischen Fragen, die uns dieses Camp gerade auch im Zusammenhang des Organisationserfolges zurück gelassen hat, ist es jetzt allerdings noch zu früh von uns aus etwas gemeinsames wie substantielles dazu zu sagen.
Auf jeden Fall steht für mich fest, daß wir mit den angefangenen wie abgebrochenen Diskussionen auf dem Camp einfach noch zu viele Antworten auf die Frage, wie ein kommunistisches 21 Jahrhundert aussehen kann und soll, schuldig geblieben sind. Und das ist zwar kein Grund zur Trübsal, aber mindestens einer dafür, es sich nicht als dicke Katze auf dem Sofa des “Organisationserfolges" gar zu bequem werden zu lassen. Gerade in der Zukunft wird die Musik bei einem gut begründeten - wie bestimmten! - “Nein" gegenüber diesen Verhältnissen spielen; ein “Nein" das erstmal niemanden ausschließt sondern gewinnt!

Ein Anderer vom Z.E.L.T.P.L.A.T.Z.K.O.M.I.T.T.E.E.

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