17. April 1998
Presseerklärung zur Ausstellungseröffnung am 20.04.1998 über Abschiebehaft in Leipzig
Mit unserer Ausstellung über Abschiebehaft wollen wir auf die soziale und rechtliche Lage von Abschiebegefangenen aufmerksam machen, die wir durch unsere ehrenamtliche Betreuungsarbeit in den letzten 2 1/2 Jahren gut kennen.
Abschiebegefangene sind keine Straftäter, sondern Gefangene der Ausländerbehörden.
Abschiebehaft wird nach unserer Einschätzung zu oft, zu schnell, zu lange und unter unzumutbaren Bedingungen verhängt. Sie stellt für die Betroffenen eine erhebliche psychische und physische Belastung dar, dazu ist sie sehr kostspielig. Unseres Erachtens kann auf Abschiebehaft grundsätzlich verzichtet werden.
Abschiebehaft vereinfacht zwar die Arbeit der Ausländerbehörden, sie rechtfertigt aber deshalb keine, teilweise monatelange Inhaftierung. Es ist nicht akzeptabel, wenn Ausländerbehörden z.B. erst nach Wochen Paßersatzdokumente anfordem und dadurch die Haftzeit unnötig verlängern. Abschiebegefangene bekommen von den Ausländerbehörden keine Informationen über den Stand des Verfahrens, dadurch wird die Haft für die Betroffenen unnötig verschärft.
Abschiebegefangene werden teilweise schlechter gestellt als Untersuchungsgefangene. Sie haben in der Regel keinen Rechtsanwalt, auch keinen Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. Sie werden über die Art des Abschiebehaftverfahrens unzureichend oder gar nicht aufgeklärt, sie bekommen nicht einmal den Haftantrag ausgehändigt und können sich so nicht angemessen auf die richterliche Anhörung vorbereiten und verteidigen. Anhörungen dauern oft nicht mehr als 10 Minuten. Der Beschwerdeweg ist wenig erfolgversprechend, weil die Gefangene oft vor einer Entscheidung bereits abgeschoben werden oder sich der Haftbeschluß durch einen Haftverlängerungsbeschluß erledigt hat.
Sogar Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren werden in Sachsen in Abschiebehaft gesteckt.
Abschiebegefangenen werden im Gegensatz zu Untersuchungs- und Strafgefangenen die Kosten der Inhaftierung in Rechnung gestellt: pro Tag über 160 DM. Da eine Wiedereinreisegenehmigung von der vorherigen Zahlung abhängig gemacht wird, bedeutet die Haft praktisch ein Wiedereinreiseverbot auf Dauer. Besonders problematisch ist es, wenn dadurch Ehen zwischen Deutschen und Ausländern getrennt werden.
Die Bedingungen für Abschiebegefangene in der Untersuchungshaftanstalt Leipzig, die andernorts in Sachsen ähnlich sein dürften, sind schlecht: Der Gefangene ist in der Regel 21 Stunden am Tag in seiner Zelle eingesperrt, bei einer Stunde Hofgang und zwei Stunden Umschluß (Begegnung mit anderen Gefangenen auf dem gleichen Flurtrakt). Besuch ist nur zweimal im Monat für 45 Minuten möglich. Praktisch gibt es keine Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, z.B für sportliche Aktivitäten oder Bastelkurse gelten Wartezeiten von ca. 3 Monaten. Drei Sozialarbeiter und ein Psychologe sind für ca. 400 Gefangene zuständig. Behörden- und Gerichtspost bekommen die Gefangenen immer in deutscher Sprache, für Dolmetscherarbeiten stehen dem Gefängnis jährlich etwa 400 DM zur Verfügung. Für 160 DM am Tag ist es möglich, in Leipzig in einem guten Hotel bei Vollverpflegung zu übernachten. Der Vergleich zeigt, daß eine würdigere Unterbringung keine Frage der Kosten, sondern eher eine des guten Willens ist.
Ein Pressegespräch findet 17.00 Uhr im Hörsaal 6 des Hörsaalgebäudes der Universität Leipzig statt, zu dem Sie bereits eine Einladung erhalten haben. Pressemappen können bei uns angefordert werden.
Wir treten für die Abschaffung der Abschiebehaft ein, weil sie ungerecht, unwürdig, unnötig und kostspielig ist. Solange es jedoch Abschiebehäftlinge gibt, werden wir diese unterstützen und fordern die Einhaltung aller menschenrechtlichen Grundsätze bei Anordnung und Vollzug der Abschiebehaft.
Petra Krüger, Sprecherin
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