Bemerkungen zur genmanipulierten Landwirtschaft und der Erniedrigung der Arten | ||
Bemerkungen zur genmanipulierten Landwirtschaft und der Erniedrigung der Arten[p. 15 - 19] Nicht nur Wunschträume von therapeutischer Perfektion und Unsterblichkeit per Klonen haben die Biotechnologien uns zu verkaufen (die technischen Großtaten, die mit Sicherheit eines Tages vollbracht werden, dürften, ihrer exorbitanten Kosten wegen, ohnehin einer verschwindend kleinen Minderheit vorbehalten bleiben). Viel prosaischer und ohne zu warten haben sie damit begonnen, in der Landwirtschaft genetisch »angereicherte« Arten durchzusetzen, wobei das Schreckgespenst des »menschlichen Klonens«, als phantastische Monstrosität, dazu diente, die allzu wirkliche Monstrosität der »GMO« (Genetisch modifizierte Organismen) zu verniedlichen (die mit diesem harmlosen, bereits banalen und fast vertrauten Kürzel ausradiert wird). Auch hier beschreibt die Propaganda wieder eine rosige Zukunft, in der der Hunger allenthalben besiegt und die Landwirtschaft endlich »umweltfreundlich« wäre (zudem verspricht man uns Obst und Gemüse, die »uns vor Krankheiten schützen« sowie Pflanzen, die zu »natürlichen Fabriken zur Herstellung pharmazeutischer Moleküle« verwandelt würden). Gewiss ist die Zahl derer, die an die zukünftige Existenz einer solchen Manna, die zugleich Allheilmittel ist, glauben, gering (selbst die Experten der F.A.O. geben sich »zurückhaltend«, was den Nutzen der Biotechnologien in Ländern anbetrifft, wo sie eben Wunder zu wirken hätten); doch damit alles in der Überstürzung der Ereignisse über die Bühne geht, bedarf es lediglich der resignierten Anpassung derer, die das Gefühl ihrer eigenen Integrität irgendwo zwischen ihrem Handy, ihren Neuroleptika und dem Computer verlegt haben und die eine Tomate mit Fischgenen nicht weiter zu stören vermag. So hatten die Dinge ihren gewohnten Lauf - den von der Unterwerfung bis hin zur vollendeten Tatsache - genommen, als im Januar 1998 etwa hundert Mitglieder der Confédération paysanne in Neyrac einen exemplarischen Sabotageakt vollbrachten: transgener Mais der Firma Novartis wurde für die soeben vom französischen Staat genehmigte Kommerzialisierung unbrauchbar gemacht. Dieser Griff zur direkten Aktion, die mit unverhülltem Gesicht im Namen des allgemeinsten Interesses durchgeführt wurde, setzte sich scharf ab von der Verzagtheit der Einwände und Vorwürfe, die bis dahin der »Life-science-Industrie« entgegengehalten worden waren. Und genauso deutlich konnte man in der Erklärung, die René Riesel, der sich mit zwei Genossen vor dem Gericht von Agen für diese Zerstörung zu verantworten hatte, abgab, die Akzente der anti-industriellen Subversion wiedererkennen, jener unbekannten Revolution, die, seit den Ludditen und den Canuts, wie ein geheimer Faden die Geschichte der sozialen Kämpfe durchläuft. Dieses so gut gesetzte Fanal vermochte es jedoch nicht, einen entschlossenen Widerstand gegen die biotechnologische Vervollkommnung der Enteignung hervorzurufen, auch nicht unter den am direktesten betroffenen - den Bauern. Der so schöne Beginn blieb praktisch ohne Folgen, auch innerhalb der Confédération paysanne, in der Riesels Position offensichtlich minoritär geblieben ist. Der wissenschaftsgläubigen Wahrsagerei, die die getroffenen Entscheidungen der Überprüfung enthebt, indem sie einhämmert, das allein die Zukunft deren Verdienste zeigen wird, gälte es die Entschlossenheit des Apriori-Urteils entgegenzuhalten (nämlich dass nichts Gutes von Spezialisten kommen kann, die nur darauf drängen, ungehindert ihre »Technosphäre« drehen zu lassen und dass von ihnen irgendeine Emanzipation zu erwarten, etwa der Aufforderung an die Gefängnisverwaltung gleichkäme, ein freies Leben zu definieren), denn gerade daran mangelt es heute, da das Abdanken vor dem Utilitarismus, dessen letzte Erscheinungsform der ökologische Rationalismus darstellt, nur noch die Diskussion über die Anwendungsmodalitäten der technischen Erpressung übrig läßt: Auszeichnung, Rückverfolgbarkeit, sanitäre Kontrollen, usw. Der Gegner der Verbreitung »genetisch modifizierter Organismen« führen ins Feld, dass diese womöglich unwiederrufliche Schäden für das »Ökosystem« mit sich bringen könnten. Ihre Anrufung eines »Vorsichtsprinzips« begleiten sie dabei mit dem rituellen Aufruf, wir mögen an »unsere Kinder« und »Kindeskinder« denken. Indem sie ihre Argumente um das Thema »An die Zukunft denken« entwickeln, wirken sie nicht sonderlich überzeugend. Nicht nur, weil sie von Vorsichtsmaßnahmen, Moratorien und Versuchen reden, wo doch klar ist, dass der Schuss bereits losgegangen ist (schon 1998 erstreckten sich die verschiedenen genetisch modifizierten Kulturen weltweit über eine Fläche von 30 Millionen Hektaren), sondern vor allem, weil die Wirksamkeit der Propaganda zugunsten der futuristischen Entfremdung eben auf der Tatsache beruht, dass die Zukunft schier undenkbar geworden ist und die Szenarios der Transgenetiker sich nicht einmal mehr durch eine besondere Absurdität hervortun. Alle spüren, dass niemand um den »Sprung ins Unbekannte« herumkommen wird und wenn die Frage lautet »Wie ernähren wir sieben, acht, neuen, zehn Milliarden Menschen«, dann mag die Antwort sehr wohl auf Transgenese lauten (nicht die Demographie als solche ist es, die die Verpflichtung schafft, auf die Transgenese zurückzugreifen; wenn aber alle anderen Lösungen - Eigenbedarfkultur, lokale Autonomie, usw. untersagt worden sind, ist die Demographie als statistische Wirklichkeit ein zusätzliches Argument für technisch-bürokratische Lösungen, die stets anderswo und von anderen gewählt werden. Vielleicht hätte die Erde ohne weiteres und nicht ohne Annehmlichkeiten für alle, die sechs Milliarden Individuen, die wir sind, tragen können, doch kann man sich denken, dass dies notwendigerweise unter der Bedingung von Sitten, Gebräuchen, Glaubensätzen, Lebensweisen und eines Naturverständnisses hätte geschehen müssen, die nichts mit den unsrigen gemein haben und die unvereinbar wären mit der industriellen Ökonomie, ihrer Religion des technischen Fortschritts und dem, was sie aus uns gemacht hat.). Sicher wird das durchschnittliche falsche Bewusstsein, wohlinformiert wie es ist, zugeben, dass die Harmlosigkeit der Biotechnologien nicht garantiert ist; doch was wiegt diese Ungewißheit, wenn - vom Klimawandel bis zur gefährdeten Wasserversorgung - so viele andere beunruhigende Phänomene bereits auf uns eindringen, um die Reflexion im Keim zu ersticken und jegliche Distanznahme mit den technischen Sachzwängen und den Weisungen der Herrschaft zu unterbinden (die Propaganda lässt es sich nicht entgehen, darauf hinzuweisen, indem sie beispielsweise die Benutzung eines gegen ein Antibiotikum -das Ampillicin- resisten Gens als Marker damit rechtfertigt, dass 50 Prozent der Bakterien unseres Verdauungsapparats bereits dagegen resistent sind). Nicht das »Denken an die Zukunft« sondern das Denken schlechthin sieht sich so mit Lähmung geschlagen. Dies illustrieren, auf ihre unglückliche Art, die Gegner, die um als »verantwortungsbewusst« anerkannt zu werden, ihr Urteil über die Biotechnologien aufschieben, indem sie erklären, die guten medizinischen Seiten von vornherein anzuerkennen und eine »breite öffentliche«, »demokratische«, usw. Diskussion fordern. Wer, um ein Urteil abzugeben, solange warten will, bis die Auswirkungen der Biotechnologien konstatiert werden können, so wie man das Ergebnis eines Experiments abwartet, um über die Gültigkeit einer Hypothese zu befinden, der vergisst unter anderm, dass wir die Versuchskaninchen dieses Experiments sind (bereits übersättigt mit transgenem Soja durch das Lezithin, das sich in zahlreichen industriellen Snacks, vor allem in Süssigkeiten, befindet: wenn es einen Augenblick gibt, an »unsere Kinder« zu denken, dann wohl jetzt). Wer dies tut, der will vor allem nicht über das nachdenken, was wir vor Augen haben (oft hört man den Einwand, Nachdenken sei unnütz, da »nichts zu machen« sei, doch wird so nur gerechtfertigt, das zu unterlassen, womit man anzufangen hätte, sei es auch nur zu denken), es nicht einmal in seiner Monstrosität sehen. Es handelt sich hierbei nicht um ein Bild, eine Übertreibung oder, wenn es eine ist, dann solch eine, die es ermöglicht, sich an das zu erinnern, was auf auf dem Spiel steht, indem wir den »den Umriss...übertreiben ; und zwar um so viel, wie dieser gewöhnlich untertrieben wird« (Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, S. 236). In der Tat, auch ohne Examinierung der in den Laboratorien geschaffenen Chimären, den Kröten ohne Kopf und anderen Minotauren, wissen wir - mögen wir es auch verdrängen und vermeiden, daran zu denken -, dass die Transgenese definitionsgemäß Monstren im wahrsten Sinne des Wortes hervorbringt, Arten neuer Wesen, die existieren, ohne dass man sie klassifizieren könnte und die keiner bekannten Kategorie angehören: Mäuse mit menschlichen Wachstumshormonen, eine »Schaf-Ziege«, eine zu einer »regelrechten Plastikfabrik« umgewandelte Senfpflanze, hämoglobinproduzierende Tabakpflanzen, Tomaten, die, besserer Frostresistenz wegen, mit Genen von Kaltwasserfischen verbessert wurden, Kartoffeln mit Hühnergenen, usw. |
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