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Kaffee und Weltmarkt I

»Wenn die Preise nicht steigen, bedeutet dies früher oder später vielleicht sogar Bürgerkrieg.« Antonio Luciano Abreu, Präsident der Frente de Cafetaleros Solidarios de America Latina, warnte schon 1993 vor den Folgen des verfallenden Preises für Rohkaffee. Das Internationale Kaffee-Abkommen war 1989 am Streit über die Aufteilung von Produktionsquoten zerbrochen. 24 Jahre lang hatte das Abkommen die Weltmarktpreise für Kaffee reguliert und mit einem komplizierten Quotensystem dafür gesorgt, daß der Absatz des Rohstoffes für die Erzeugerländer von Jahr zu Jahr kalkulierbar blieb.

Von 1989 bis 1993 fielen die Preise um über die Hälfte. Aufgrund einer frostbedingten Mißernte in Brasilien zogen sie 1994 wieder an, allerdings nur um anschließend wieder zu sinken. Im Rekordjahr 1986 erzielten die Rohkaffee exportierenden Länder 14,2 Milliarden US-$ für die Ernte, sieben Jahre später waren es nur noch 5,4 Milliarden. »Für Dünger, Geräte und die Erntearbeit haben wir mehr Auslagen, als wir mit dem Rohkaffee schließlich verdienen.« So bringt Domingo Pérez Vázquez, einer der Ejido-Bauern aus Nueva Palestina, das Problem der ungefähr 100 Millionen Kaffee-Kleinbauern in Lateinamerika, Afrika und Asien auf den Punkt.

Das Dilemma für die Kaffeeproduzenten besteht darin, daß sie nicht von heute auf morgen auf ein anderes Agrarprodukt umsteigen können. Bis ein Kaffeebaum Ertrag bringt, gehen mehrere Jahre ins Land. Und die Ackerfläche mit anderen Früchten zu bestellen, bedeutet eine risikoreiche Investition in eine ebenfalls unsichere Zukunft. Außerdem wären damit die Anstrengungen der vergangenen Jahre zunichte gemacht. So bleibt den Kleinproduzenten nur die Hoffnung auf einen Anstieg der Preise. Für die landlosen Campesinos, die sich als Tagelöhner auf den Plantagen verdingen müssen, hat der Preisverfall ebenso drastische Folgen: Die steigende Arbeitslosigkeit läßt die Löhne weiter sinken.

Während weltweit die Preise für Rohkaffee erheblich fielen, blieb der geröstete Kaffee in den Supermärkten vom schwäbischen Bad Cannstatt bis zum ostholsteinischen Lensahn etwa gleich teuer. Es muß also Leute geben, die sich mit der Auflösung des Preiskartells eine goldene Nase verdienen. Zu nennen wäre zum Beispiel Michael R. Naumann aus Hamburg, Chef der Naumann-Kaffee-Gruppe, der größte Kaffeehändler der Welt. Der Hanseat kontrolliert mit seinem Handelsimperium etwa 10% des Rohkaffee-Welthandels. Von den 8 DM Ladenpreis pro Pfund Kaffee im Supermarkt verbleiben im Schnitt gerade mal 1,50 DM in den Taschen der Erzeuger. Die deutsche Staatkasse verdient mehr am Kaffee als die Produzenten: 2,15 DM pro Pfund gehen an den Fiskus. Den Rest teilen sich die verschiedenen Zwischenhändler, Röster und Transporteure. Die deutsche Staatskasse nahm 1995 allein 2,3 Milliarden DM an Kaffeesteuern ein, immerhin ein Drittel der Summe, die jährlich für »Entwicklungshilfe« vorgesehen ist. Dabei behauptet die Bundesregierung in ihrer Lateinamerika-Konzeption: »Vorrangiges Ziel der deutschen Entwicklungspolitik - auch in Lateinamerika - ist die Bekämpfung der Armut.« Wäre es ihr ernst damit, könnte sie ohne weiteres die Kaffeesteuern an Kleinbauern-Kooperativen in den kaffeeproduzierenden Ländern auszahlen und damit soziale und kulturelle Projekte finanzieren. So käme den Kleinproduzenten wenigstens ein Teil der Profite zugute, die das Geschäft mit dem Kaffee abwirft. Doch die Bundesregierung verweigert sich solchen Forderungen konsequent.

Wer mit Kaffee Geld verdienen will, darf ihn also nicht produzieren, sondern muß ihn kaufen und verkaufen, so wie Herr Naumann, kassiert Steuern wie die Bundesrepublik Deutschland, oder er macht es wie die deutschen Kolonisten in Chiapas. Ihr Reichtum beruht darauf, daß sie den Kaffee nicht nur produzieren oder von Kleinproduzenten aufkaufen, sondern gleich auch nach Deutschland exportieren und vermarkten. So bleibt der Gewinn in einer Hand, oder zumindest in Familienhand wie bei den Schimpf-Hudlers.



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