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Kaffee und Welthandel II

Die Bundesrepublik ist nach den USA der weltweit größte Rohkaffee-Importeur. Die Röstereien und großen Kaffeeverarbeiter in deutschen Hafenstädten machen ein günstiges Geschäft, weil aus den Erzeugerländern kein veredelter Röstkaffee, sondern nur der Rohkaffee eingeführt werden kann. Dafür sorgen die hohen Zölle auf die Einfuhr veredelter Bohnen. Die Industrienationen wissen die Quelle ihres Reichtums zu schützen. Der Freihandel wird nur solange hochgelobt, wie er für sie von Nutzen ist. Konkurrenz aus dem Süden ist unerwünscht.

Trotz der Preiskrise ist Rohkaffee nach wie vor der nach dem Erdöl zweitwichtigste Devisenbringer für die rohstoffexportierenden Länder des Südens. Ruanda, El Salvador, Äthiopien oder Guatemala erwirtschaften mehr als die Hälfte ihrer Exporteinnahmen mit Rohkaffee, Burundi sogar über 90%. Für diese Staaten war der Preissturz von 1989 so dramatisch wie sechzig Jahre früher die Weltwirtschaftskrise von 1929 für die Industrienationen.

Abbildung 2.1: Bischof Samuel Ruíz bei einer Messe in San Cristóbal
Bischof Samuel Ruíz bei einer Messe in San Cristóbal, 16.21k

Mexiko liegt weltweit auf dem vierten Platz der kaffeeproduzierenden Länder. 4,4 Millionen Säcke à 60 kg werden hier jährlich geerntet und fast ausschließlich in die USA und nach Westeuropa exportiert. Vor allem die Kleinen der rund 280000 mexikanischen Kaffeepflanzer sind von der Preiskatastrophe betroffen. Nach Angaben des staatlichen Kaffee-Institutes INMECAFE von 1992 stehen in Mexiko den 258915 Kleinproduzenten mit Parzellen unter fünf Hektar nur 178 Großgrundbesitzer mit Flächen über 100 Hektar gegenüber. In Chiapas ist die Polariserung noch deutlicher. Hier produzieren 67010 Kaffee-Kleinbauern auf Parzellen unter fünf Hektar, während 116 Kaffeebarone die Eigentümer von Plantagen über 100 Hektar sind. Unter diesen stechen einige wenige Familien mit einem Besitz von über 1000 Hektar hervor, darunter die Schimpf-Hudlers und die von Knoops. Beachtlich ist die Konzentration des Großgrundbesitzes in Chiapas und dort vor allem im Soconusco und der Frailesca, wo die deutschen Kolonisten ihre neue Heimat gefunden haben. Über die Hälfte aller Kaffee-Großgrundbesitzer Mexikos kommen aus diesen Regionen. In Chiapas werden über 30% des mexikanischen Kaffees geerntet. Bei all den Zahlen über die Landverteilung sollte darauf geachtet werden, daß sie offiziell sind und daher viele der illegal zusammengelegten Latifundien nicht berücksichtigen. Nur 16% der Anbauer fahren in Mexiko 70% der Ernte ein, darunter die deutschen Kaffeebarone mit ihren privilegierten Lieferkanälen in die einstige Heimat. Sie leiden am wenigsten unter der Preiskrise.


Tabelle 2.1: Verteilung der Kaffeeproduzenten nach der Größe ihrer Grundstücke in Chiapas und Mexiko, nach INMECAFE 1992:
Fläche (ha) Chiapas Mexiko
weniger als 2 48762 194538
2-5 18248 64377
5-10 5102 17881
10-20 1202 4291
20-50 208 808
50-100 104 246
über 100 116 178
gesamt 73742 282319


Das NAFTA-Abkommen hat die politische Souveränität Mexikos erheblich eingeschränkt. Die USA torpedieren seit dem Zusammenbruch des Welt-Kaffee-Abkommens alle Versuche, ein neues Produzentenkartell zu schmieden. »90% unserer Ernte geht in die USA, und wir wollen unsere Beziehungen nicht komplizieren. Die Maßnahmen entsprechen nicht dem Geist des Freihandels«, kommentiert Jenaro Hernández de la Moda von der Vereinigung mexikanischer Kaffee-Exporteure (AMEC) die Bemühungen der Kaffee exportierenden Länder, die Preise wieder auf ein für die Produzenten erträgliches Niveau zu heben.

Seitdem Mexiko Anfang der 80er Jahre unter dem Diktat des Internationalen Weltwährungsfonds (IWF) und der Weltbank zu einer Freihandelspolitik gezwungen wurde, sind die Kleinbauern einer Konkurrenz ausgesetzt, der sie niemals standhalten können. Zu ungleich sind die Startvoraussetzungen. Für die Kaffee-Kleinproduzenten in Mexiko kam im Zuge der neoliberalen Strukturanpassung noch ein weiterer Schlag dazu. Das 1958 gegründete Nationale Kaffee-Institut INMECAFE wurde unter Präsident Salinas privatisiert. Zuvor hatte es die Kleinbauern mit günstigen Krediten unterstützt, sie technisch beraten und ihre Produktion zu garantierten Mindestpreisen aufgekauft. Nach der Privatisierung waren die Kleinproduzenten wieder auf sich alleine gestellt.

Und es ist nicht nur Kaffee, der Chiapas in Richtung Norden verläßt und Armut, Bitternis und Wut hinterläßt. EZLN-Sprecher Subcomandante Marcos schrieb 1992: »Chiapas verblutet auf tausend Wegen: Öl- und Gas-Pipelines, Stromleitungen, Eisenbahnwagen, Bankkonten, Last- und Lieferwagen, Schiffe und Flugzeuge, klandestine Pfade, terrassierte Straßen, Breschen und Schneisen. Dieses Land zahlt den Imperien weiterhin seinen Tribut: Öl, elektrische Energie, Vieh, Geld, Kaffee, Bananen, Honig, Mais, Kakao, Tabak, Zucker, Sorghum, Soja, Melonen, Mamey, Mango, Tamarinde und Avocados und chiapanekisches Blut fließen durch die tausendundein in die Gurgel des mexikanischen Südostens geschlagenen Reißzähne der Plünderung. Milliarden Tonnen an Rohstoffen strömen zu den mexikanischen Häfen, den Eisenbahn-, Flug- und Lastwagenterminals. Es gibt viele Bestimmungsorte - USA, Kanada, Holland, Deutschland, Italien, Japan - aber ein einziges Ziel: das Imperium.«



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