Inhalt | Das Jahr, in dem wir nirgendwo |
Die Akademie des Guerillakampfes | Brief an Fidel Castro |
DREKE: Tatu war ständig in Bewegung, er fand keine Ruhe, arbeitete als Arzt; dabei erwarb er sich großen Ruhm als kubanischer muganga, als Doktor Tatu.
GENGE: Ulises Estrada traf mit einer Gruppe ein. Aus Kuba waren Telmo, Oliva, Machadito und Vernier gekommen. Tatu empfing sie hier unten, und darauf stiegen sie zur Basis von Luluaburg hinauf. Sie hatten eine Flasche Vat 69 mitgebracht. Ich weiß nicht für wen, denn der Che trinkt nicht.
Der kubanische Gesundheitsminister Machado Ventura kam mit seinem Kollegen Mujumba von der kongolesischen Revolutionsregierung, mit Briefen und einer Botschaft von Fidel; unterwegs hatten sie sich am Gefechtslärm orientiert.
CHE: Ich erfuhr von den langen Gesprächen, die Soumaliot und Kollegen mit Fidel geführt hatten; die Ausführungen der Leute vom Revolutionsrat waren nicht wahrheitsgetreu, vermutlich stimmten sie zur Hälfte, wie das in solchen Fällen immer ist, und zur Hälfte nicht, weil sie keine Ahnung hatten, was im Landesinnern geschah. (...) Tatsache ist, daß sie ein idyllisches Gemälde mit militärischen Gruppen allerorten entwarfen, Streitkräften im Dschungel, ständigen Gefechten. (...) Kuba hatten sie das Versprechen von fünfzig Ärzten abgehandelt, und Machadito war gekommen, um die Bedingungen dafür zu erkunden.
RIVALTA: Später, als ich bereits Botschafter in Tansania war, bekamen wir Nachricht von einer Reise Soumaliots nach Kuba. Der Che hatte uns schriftlich angewiesen, und wir hatten außerdem eigenständig dazu geraten, Soumaliot keine Beachtung zu schenken, weil er Tansania ohne unser Einverständnis verlassen hatte. Was wir in dieser Situation zu erreichen versuchten, war, daß Soumaliot in Tansania blieb und weiter in den Kongo reiste. Stattdessen, und zu unserer Überraschung, unternimmt er eine internationale Rundreise, die Kuba einschließt. Wir rieten dazu, daß man ihm keine Hilfe bewilligen, praktisch nicht auf ihn eingehen sollte, da wir ihn dazu zwingen wollten, in den Kongo hineinzugehen, weil praktisch niemand hineinging, nicht einmal Kabila. Der einzige, der sich um die Bewegung kümmerte, war Tremendo Punto, Chamaleso, der Vertreter der kongolesischen Befreiungsbewegung in Daressalam, der aber nicht zur obersten Führungsspitze gehörte. Meiner Einschätzung nach wollten weder Kabila noch Soumaliot hinein. Nachdem sie von der Identität des Che erfahren hatten, bekamen sie es anscheinend mit der Angst. Sie kamen, ich erinnere mich, bis Kigoma. Ich fuhr ihnen hinterher, brachte sie hin, verabschiedete sie, und als ich in Daressalam ankam, bekam ich auch schon Nachricht, daß sie wieder zurück waren.
Che verständigt sich mit Machado darüber, daß es keinen Sinn hat, die fünfzig Ärzte zu schicken.
DREKE: 5. Oktober. Treffen der Befehlshaber der verschiedenen Fronten, an dem auch Machado teilnimmt. Das Treffen findet auf einem Hügel zwischen Fizi und Baraka statt.
Es nehmen teil: Masengo, Mujumba [der Gesundheitsminister], Ile Jean, Calixte, Lambert. Der Ruander Zakarias kommt nicht. Che stellt die kubanischen Kader vor: Machadito, Tembo, Organisationssekretär der Kommunistischen Partei Kubas, Moja, M'bili. Er kritisiert sie heftig; macht eine Analyse jedes einzelnen Chefs: derjenige, der überall dabeisein will und nirgends wirklich mitmacht [Lambert], derjenige, der sich niemals in die Gefechtslinien einfügt [Calixte]. Er bittet Masengo, Kabila auszurichten, daß er in den Kongo kommen und Ordnung in das Chaos bringen möge.
CHE: Disziplinlosigkeiten, Grausamkeiten, die parasitären Charakterzüge der Armee ...
DREKE: Tatu gibt eine Einschätzung Kabilas ab: der Mann taugt nichts; und eine weniger harte Einschätzung Calixtes, der wenigstens vor Ort war. Der Che bildet einen gemeinsamen Generalstab: er ernennt Fernández Mell zum Chef des Generalstabes, Víctor Shueb Colás zum Nachrichtenchef, Palacio zum politischen Chef; Tembo würde als exekutiver Adjuntant des Ches arbeiten.
Es scheint, daß die Härte der Äußerungen bei den erst kürzlich eingetroffenen Kadern ein gewisses Unbehagen hervorrief.
CHE: Compañero Tembo machte einige Bemerkungen zu meinen Ausführungen und sagte mir, daß ich seiner Ansicht nach praktisch keine Lösung für die Probleme des Kongo mehr aufgezeigt hätte, daß ich vor allem das Negative, nicht aber die Möglichkeiten betont hätte, die der Guerillakrieg bietet. Die Kritik war berechtigt.
NANE: Der Che verkrachte sich mit Fernández Mell und Aragonés, bis sie sich wegen Meinungsverschiedenheiten fast an die Gurgel gingen.
CHE: Besondere Hervorhebung verdienen Siki und Tembo, mit denen ich bei der Einschätzung der Lage oft und zuweilen heftig aneinandergeraten bin, doch immer haben sie mich aufrichtig unterstützt.
Daraufhin stellt sich Che den Kubanern und widerspricht Gerüchten, daß ...
CHE: »... die Kubaner nur im Kongo bleiben, weil Fidel die wirkliche Situation, in der wir uns hier befinden, nicht richtig einschätzen kann.« (...) Ich konnte kaum von ihnen verlangen, daß sie Vertrauen in meine Fähigkeiten als Befehlshaber aufbrachten, doch sehr wohl konnte ich ihnen als Revolutionär abverlangen, meine Aufrichtigkeit zu respektieren (...). Ich würde niemanden für meine persönliche Ehre opfern. Wenn es stimmte, daß ich Havanna nicht die Einschätzung übermittelt hatte, daß alles verloren sei, so nur, weil ich sie nicht teilte.
Er beharrt auf seiner Ansicht, daß die zukünftigen Kader für den Kampf im Kongo nur der Umstände wegen noch nicht in Erscheinung getreten seien. Er kommt zu einer positiven Einschätzung der Kubaner, die er als diszipliniert, aber ermüdet und ohne schöpferische Ideen bewertet.
CHE: Die romantische Epoche, in der ich den Undisziplinierten angedroht hatte, sie nach Kuba zurückzuschicken, lag hinter uns; hätte ich dasselbe jetzt getan, würden sich die Einsatzkräfte um die Hälfte verringert haben, im besten Falle.
DREKE: Es gab Meinungsverschiedenheiten zwischen Alten und Neuen. Voller Illusionen glaubten die eben erst Angekommenen, daß sich alles einfach lösen ließe. Wir mußten ihnen erklären, was hier vor sich ging. Hitzige Diskussionen. Sie glaubten an die Möglichkeit, eine reguläre Armee aufzubauen. Sie nahmen die Zahlen als Maßstab, als ob man die östliche Armee von Havanna einfach in den Kongo versetzen könnte. Also gut, sagten wir ihnen, probiert mal eine reguläre Armee mit den Kongolesen zu strukturieren, die so eine Struktur weder verstehen noch wollen. Der Che war einverstanden damit, daß man es versuchen sollte, aber er teilte meine Einschätzung der Schwierigkeiten. Und man kommt überein, mit der Organisation einer Armeestruktur zu beginnen. Nach zwei Wochen sahen sie, daß wir recht hatten. Danach gab es zwischen uns keine Meinungsverschiedenheiten mehr.
Moja teilt mit, daß Baraka kampflos verloren wurde; Che glaubt, die aus Bulgarien eingetroffenen Kongolesen seien schuld daran. Er schickt Siki nach Fizi, damit er versuchen soll, die Front neu zu organisieren. Er macht zur Bedingung, daß die Führung vollständig in kubanische Hände übergeht, bevor er weitere Männer schickt.
DREKE: Man kam überein, daß Alys Front besser strukturiert und die Front um Force ausgeweitet werden sollte.
Die Akademie wird mit fünfzig Mann von jeder Front neu organisiert. Nach diesen ersten Reorganisationen reflektiert Che über die vorausgegangenen Debatten.
CHE: Bereits zuvor hatte mir Tembo den Eindruck vermittelt, daß man meine Einstellung in Kuba für sehr pessimistisch hielt. Dieser wurde nun durch eine persönliche Botschaft Fidels bestärkt, der mir riet, mich nicht entmutigen zu lassen, mich darum bat, daß ich mich an die Anfangszeiten des Kampfes erinnern möge, darauf verwies, daß es immer solche Unstimmigkeiten gebe, und unterstrich, es läge nicht an den Männern selbst. Ich schrieb Fidel einen langen Brief.
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