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Mon Jun 11 11:35:33 2001
 

Inhaltsverzeichnis Inhalt Das Jahr, in dem wir nirgendwo Aufwärts

Voherige Seite Angriff auf Albertville? Che und sein Lehrer, Unterricht in Nächste Seite

Erkundungen an anderen Frontabschnitten


KAHAMA: Am 23. Mai setzten sich Tatu, Mitoudidi (Oberkommandierender des Generalstabes an der Front), Chamaleso (Tremendo Punto) und M'bili zusammen. Nach dem Treffen wurde Moja herbeigerufen. Tatu informierte uns, daß wir schon bald in Aktion treten würden. Zunächst würden vier Gruppen zu je drei Mann auf Erkundungsmärsche geschickt.


CHE: Vier Gruppen wurden zusammengestellt und erhielten den Auftrag, die erforderlichen Erkundungen zu unternehmen. Aly würde mit weiteren drei Compañeros nach Kabimba gehen; Inne mit weiteren zwei nach Front de Force; Moja und Paulu in die Gegend um Baraka, Fizi, Lulimba; Mitoudidi und ich nach Uvira. Diese letzte Reise fand am Ende nicht statt, zunächst gab es die üblichen Verzögerungen: fehlende Boote, kein Benzin, unvorhersehbare Schwierigkeiten; dann kündigte Kabila seine unmittelbar bevorstehende Ankunft an, und es mußte auf ihn gewartet werden, Tag für Tag, ergebnislos.

DREKE: Der Che ordnete eine Erkundungsmission nach Lulimba und Fizi an. Papi (M'bili) wollte bei der Expedition dabeisein, aber wir ließen ihn nicht mitkommen, damit jemand bei Tatu blieb. Die Mission sollte uns ein Bild davon verschaffen, was tatsächlich vor sich ging. Wir brachen gut ausgerüstet in zwei Einbäumen [motumbos] auf, in Begleitung von zwei oder drei Kongolesen.

Die Mission war schwierig, und wir konnten uns nur durch Zeichen verständigen. Waziri, Pablo und ich fuhren zu dritt in einem Einbaum. Wir kamen nach Lulimba. Nur ungefähr zehn Kilometer von uns entfernt, aber es ging sehr langsam vorwärts, immer am Seeufer entlang. Wir gingen an Land und überquerten eine große Halde, an deren Ende ein großes Haus stand. Was mich am meisten beeindruckte, war dieses Haus mitten im Dschungel, das die Belgier gebaut hatten, die dort vor langer Zeit auf Diamantensuche gewesen waren.

Dort in Lulimba lebte einer der Häuptlinge dieser Kongolesen, ein hochgewachsener, kräftiger Mann, der einen großen Hut mit Federn trug, ein General, und dieser lud uns zu einem Huhn ein. Abends wurde uns zu Ehren ein Fest gefeiert. Die Leute tanzten und sangen, schwenkten Schilfwedel. Sehr aufmerksam, sehr gute Verpflegung.

Am nächsten Morgen nahmen sie uns mit zur Fahnenzeremonie. Eine Fahne mit einem großen Stern in der Mitte und sechs weiteren, die einen Halbkreis bildeten. Die Soldaten formierten sich. Eine Rede, er zeigt auf uns und sagt: »Kuba«. Wir machten uns auf die Suche nach dem Ausbildungsgebäude. Wo war die Schule?

Im Haus neben dem des Häuptlings wohnte eine Frau, deren Bauch schon sehr dick war, und auf einmal setzten die Wehen ein. Ein alter Mann kam und half bei der Geburt. Es wurde ein Mädchen. Am Tag danach gab es ein weiteres Fest, ein Ritual, bei dem die Kleine getauft wurde, »Mavita«, dick und kräftig war sie. Später habe ich eine meiner Töchter auch so genannt.

Sie zeigten uns den Raum, in dem sie die Waffen aufbewahrten, und dann brachen wir zu einer Erkundung der Gegend auf. In ungefähr fünf Kilometern Entfernung gab es eine alte verlassene Kaserne. Der nächste feindliche Stützpunkt war weit entfernt. Mingui-mingui (weit-weit). Wir zeichneten eine Skizze der Gegend. Nach unseren Zählungen gab es hier 80 bewaffnete Männer, obgleich sie behaupteten, es gäbe tausende.

Wir hatten ein kleines Radio dabei und hörten Radio Moskau. Ungefähr vier Tage blieben wir dort.


In Lulimba, ungefähr sieben Kilometer von der Siedlung entfernt, gab es in den Bergen eine Geschützstellung, in der Nähe des feindlichen Lagers. Seit einiger Zeit hatte es weder Angriffe noch Erkundungsmissionen gegeben, lediglich Geschützfeuer aus einer 75-mm-Kanone ohne Rückstoß.

CHE: Ohne die Regeln des indirekten Geschützfeuers zu kennen, konnte man mit dieser Kanone nur Ziele in eineinhalb Kilometern Reichweite anvisieren, und da sie die genaue Position des Feindes nicht kannten, veranstalteten sie im Grunde nur ein gigantisches Feuerwerk.

DREKE: Von Lulimba weiter nach Fizi. Es wurde Kontakt mit Leuten aus Fizi aufgenommen, die uns gegen Morgen abholen kamen. Wir brachen in der Frühe auf. Diskussionen. Wir wollten früh aufbrechen. Sie weigerten sich aufzubrechen, solange es dunkel war. Sie konnten sich im Dschungel nur bei Licht fortbewegen. Verdammter Dschungel. Sie sagten: »der Dschungel gehört den Raubtieren«. Unsere vorgefertigten Vorstellungen über den Dschungel taugten nichts: man konnte nicht auf einen Baum klettern, um sich Überblick zu verschaffen, weil immer ein noch höherer Baum in der Nähe war. Man konnte nicht in der Hängematte schlafen, weil dann drei Schlangen auf dich herunterfielen.

Wir fuhren zunächst über den See und schlugen uns dann in den Dschungel vor. Wir durchquerten ihn zu Fuß. Jerome, der Kundschafter, kannte die Gegend nicht, er kannte nur Lulimba und das Lager der askari-Tshombé (des feindlichen Heeres). Wir suchten nach dem anderen Kundschafter, und gegen drei oder vier Uhr nachmittags tauchte er auf. Sie hatten etwas Gazellenfleisch dabei. In dem Grüppchen, das in unserer Nähe war, wurde das Essen immer aufgeteilt. Mit Gewürzen zubereitet, irgendeinem Büschel Chili, das an allen Ecken wuchs. Wir mußten einsehen, daß die Tagesrhythmen verschieden sind. »Cole-cole, Moja« (erst essen). Und dann mußte man dort bleiben, weil es schon fünf Uhr nachmittags war. Man schlief um das Lagerfeuer herum. Wir machten es genauso, aus guter Tradition. In einem gleichen die Kongolesen den Kubanern, sie hänselten sich, versteckten gegenseitig ihre Sachen, machten Witze und kleine Bosheiten auf Kosten der anderen.

Am nächsten Morgen brachen wir früh auf, wanderten ein gutes Stück unter der heißen Sonne und erreichten Fizi. Ein Dorf mit einem großen Haus in der Mitte. Fest, Tanz, Begrüßung, Gesänge der Guerilleros. Ich lerne Chaobani kennen, eine Persönlichkeit, groß, kräftig, eindrucksvoll, der einen umarmte. Die Leute kamen herbei und brachten Geschenke mit, ein Huhn, eine Ente. Wir sahen einen Mann, der bis zur Hüfte eingegraben und verprügelt worden war. Ein harter Anblick. »Gehen wir.« Wir wußten nicht, was wir in Situationen wie dieser tun sollten.

Während unseres gesamten Aufenthalts wußten wir nicht, wie wir mit der Haltung der kongolesischen Befreiungsarmee zu körperlichen Strafen umgehen sollten. In diesem Fall handelte es sich um einen Dieb. Man hatte ihn mit einer Peitsche aus Schlangenhaut geschlagen. Später war er nur noch froh, daß sie ihn wieder freiließen. Wir waren die einzigen, die diese Methoden nicht fassen konnten, überhaupt nicht. Unsere Politik bestand darin, uns nicht in ihre Dinge einzumischen. Freundschaft mit ihnen schließen, aber nicht alles mitmachen. Wir standen auf und gingen. Die Offiziere verpaßten den Soldaten normalerweise zwei Ohrfeigen und einen Tritt in den Hintern.

Wir brachen zu einer Erkundung auf, um uns über Ausbildung und Bewaffnung zu informieren. Wir besuchten ein weiteres Lager. Dort wartete eine Gruppe Kongolesen darauf, mit der Ausbildung zu beginnen. Es waren fünf oder sechs Frauen und eine Gruppe von Männern, unbewaffnet. Insgesamt ungefähr fünfzig Männer und Frauen.

Wir versuchten, Aufschluß über die ungefähre Zahl von Männern und Bewaffnung zu erlangen. Die Zahlen stimmten nicht mit denen überein, die man uns in Tansania gegeben hatte, sie waren übertrieben. Die Instruktionen des Ches lauteten, die Leute auszubilden und in einer Basis zu sammeln. Wir begannen, einen geeigneten Ort für Lager und Ausbildung zu suchen. Wir erkundeten verschiedene Orte, wir brauchten einen, der versteckt und abgesichert lag und an dem genügend Wasser vorhanden war.

Die Guerilleros von Fizi hingen nicht so sehr an der dawa wie die anderen. Sie waren zurückhaltender als in anderen Gegenden, redeten weniger untereinander. Viele Kranke in den Lagern, Verwundete, Malariaopfer. Ich bekam den Eindruck, daß hier mehr gekämpft worden war. Bessere Kleidung, belgische Stiefel, keine Lumpen zu sehen. Auch sie waren mit chinesischen AKs bewaffnet, die Chefs mit deutschen und belgischen Pistolen. Die Chefs kämpften niemals selbst an der Front. Soweit der Krieg sie persönlich betraf, wollten die Chefs schon nichts mehr davon wissen.

Das feindliche Heereslager war fünfzig oder sechzig Kilometer entfernt. Aber es gab mehrere Posten, die näher an der Basis der Guerilleros lagen. Wir machten eine Erkundung, um die Gardesoldaten, die askaris, zu beobachten. Wir brachen zusammen mit sieben oder acht Kongolesen auf, doch ein paar machten sich aus Stammeskonflikten davon. In ungefähr 15 bis 20 Kilometern Entfernung erspähten wir einen der feindlichen Posten, zwei oder drei Hütten. Man sah eine Art Geschützstellung, Hütten um einen zentralen Hof, Soldaten, die umherliefen.

Tagelang irrten wir durch den Dschungel. Am Ende erreichten wir das Hauptlager des Feindes. Dort gab es auch Weiße, an den anderen Orten waren nur schwarze askaris. Es gab eine kleine Landebahn, auf der Hubschrauber und auch kleinere Flugzeuge landen konnten.

Unser drittes Ziel war Baraka.


NANE: Der Che schickte Erkundungstrupps aus, einen schickte er nach Fort Banderas. Eine Gruppe mit mir, Medina und Marinito. Ich war am Bein verletzt, ich hinkte. Außer uns nahmen auch Einheimische an der Mission teil, unter ihnen ein Chef. Ich fragte mich, wie wir uns verstehen würden.

Zwei Tage auf dem Landweg zu Fuß. Mit einer Nacht Aufenthalt in Makungo, wo eine feindliche Kaserne mit Wachtposten lag. Eigentlich konnten wir sie nur von weitem sehen. Die Kongolesen blieben hinter uns zurück, schon während des Aufstiegs überfiel sie die Angst. Als sie den Posten sahen, liefen sie davon und riefen: »askari Tshombé«, »die Garde von Tshombé«. Fünf, zehn Minuten. Wir konnten nicht mehr herausbekommen, weil sie (die Lumumbisten) nicht näher herangehen wollten. Das war keine richtige Guerilla. Sie rannten einfach davon. »Eine Organisation von Rehen«, habe ich danach gedacht. Hier gab es überhaupt keine Organisation. Niemand kämpfte. Sie waren gut bewaffnet, mit chinesischen AKs, aber sie besaßen keine Organisation. Einer der wenigen, der Standfestigkeit bewies, war ein gewisser Jerome, ein Ruander.

Nach unserer Rückkehr drei Tage später erstatte ich dem Che Bericht. Er sagte, während des Unabhängigkeitskrieges seien auch die Kubaner davongerannt. Der Che glaubte an die Menschen.


CHE: Die ersten Berichte der Inspektionen in Kabimba und Front de Force zeigten, daß es dort tatsächlich bewaffnete Einheiten gab, offenbar zum Kampf entschlossen, doch im Fall von Kabimba weder ausgebildet noch diszipliniert, etwas besser im Fall von Front de Force, doch ebenso desorganisiert, was die Beherrschung der Waffen, die Überwachung des Feindes, die politische Arbeit usw. betraf.

DREKE: Etwa zwölf und fünfzehn Tage verbrachten wir mit diesen Erkundungen. Der Che erwartete uns.

Dreke übermittelt Che Guevara einen zwiespältigen Eindruck, auf der einen Seite die sehr korrekte, enthusiastische Begrüßung durch die Bevölkerung und auf der anderen die gefährlichen Symptome: Feindseligkeit gegenüber Kabila, Masengo und Mitoudidi, denen man vorwarf, fremd in der Gegend zu sein, man betrachtete sie als ...

CHE: ... bloße Reisende. Sie waren nie dort, wo sie gebraucht wurden. Die großen Bonzen verbrachten den Tag mit Trinkgelagen, mit unglaublichen Zechereien, ohne sich darum zu bemühen, es vor der Bevölkerung zu verbergen. Reisen ohne Grund, als gebe es Benzin im Überfluß.

DREKE: Wir zogen folgende Konsequenzen, auf die der Che während der ersten Etappe sehr fest beharrte: Alle Rekruten mußten ins Basislager kommen. Denn er weigerte sich, unsere Brigade aufzuspalten. Wir berichteten ihm von den Stammesproblemen. Ilanga half, die Angelegenheit zu erklären.

Der Che sagte zu mir: »Machen wir folgendes, wir werden ihnen vorschlagen, daß sie die ganzen Leute hierher bringen, und wenn sie nicht wollen, schicken wir Compañeros von uns dorthin. Wir sind in der doppelten Absicht gekommen, auszubilden und zu kämpfen.« Darüber wollte der Che mit Masengo und Mitoudidi sprechen.



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