Inhalt | Das Jahr, in dem wir nirgendwo |
Den Kongo suchen | Während Che Guevara in Afrika auf |
Pablo Rivalta, ein kräftiger untersetzter Schwarzer aus Santa Clara, Lehrer, während der kubanischen Revolution Mitglied der Sozialistischen Volkspartei, hatte sich nach der Invasion von Las Villas der Brigade Che Guevaras angeschlossen und im Rang eines Kapitäns des Ejército Rebelde an der Schlußoffensive teilgenommen.
PABLO RIVALTA: Anfang der sechziger Jahre, als Lumumba im Kongo im Gefängnis saß, sagte der Che zu mir: »Fidel möchte, daß du eine persönliche Botschaft an Patrice Lumumba überbringst.« Ich erklärte mich bereit und erwartete seine Instruktionen. Kurze Zeit später wurde mir mitgeteilt, daß die Operation nicht stattfinden würde. Der Che gab mir keine Gründe an, und ich unterwarf mich diszipliniert seiner Entscheidung und sprach nicht mehr davon.
Ich erinnere mich daran, wie sie mich, nachdem ich einen Kurs an der höheren Militärschule in Matanzas abgeschlossen hatte, zum Chef der Fliegerakademie und der Luftwaffenbasis Libertad ernannten. Der Che suchte mich auf und sagte: »Fidel plant dich immer noch für Afrika ein, bereite dich darauf vor und studiere die Probleme Afrikas.«
Der Che kam herein und riß Witze, weil ich für ihn die Compañeros in Ehrenformation hatte antreten lassen. Er klopfte einem von ihnen an den Helm und machte auf dem Absatz kehrt, ein bißchen wie der Stummfilmkomödiant Cantinflas, drehte sich um und witzelte: »Mensch, du machst aus den Jungs noch lauter Eierköpfe.« Er ging ins Büro, und das erste, was er zu mir sagte, war: »Hör zu, mach dich bereit, du gehst an den Tanganyika. Du gehst nach Afrika«, und später kündigte er mir an, daß meine Rolle die eines Botschafters in Tansania sein würde. Ich sagte, ich sei einverstanden. Ich lehnte niemals eine Aufgabe ab, die sie mir zuwiesen, und begann mich vorzubereiten, indem ich Informationen über Afrika zusammensuchte.
Danach trat ich mit dem Außenministerium in Kontakt, vor allem mit Guitart und der Gruppe, die für Afrika zuständig war. Von ihnen bekam ich alle Informationen, die ich benötigte. Ich ging jeden Tag hin, jeden Morgen, um theoretische Hintergrundinformationen zu studieren. Und andererseits bekam ich von Piñeiros Leuten die notwendigen Informationen operativer Art über die Region. Das Hauptthema: die Situation am Tanganyika; Geographie, Geschichte, die wichtigsten politischen Führer. Auch Papito half mir viel bei der Vorbereitung, wegen seiner Beziehungen nach Algerien.
Ich wurde zum Botschafter in Tansania ernannt und sollte außerdem eine Spezialaufgabe übernehmen. Ich brach auf, bevor der Che nach Afrika reiste. Während meiner Vorbereitungen hatte ich ein Gespräch mit Fidel. Er erklärte mir die Mission, die hauptsächlich dazu dienen sollte, die engen Beziehungen zur tansanischen Regierung und zu den nationalen Befreiungsbewegungen in Afrika zu vertiefen. Er ging nicht konkret auf die Situation im Kongo ein, aber er sagte mir, daß ich Kontakte zur dortigen Führung aufbauen sollte. Das heißt, ich war, als ich dorthin ging, bereits davon überzeugt, daß der Schwerpunkt meiner Arbeit im Kongo liegen würde.
Aber Rivalta verstand sich nicht nur als Botschafter. Er vermutete, daß sie eine Gruppe von Kubanern hinüberschicken würden.
RIVALTA: In mehreren Gesprächen wies mich der Che an, folgendes zu tun: Erkundungen unternehmen und die größtmögliche Menge an Daten über das Leben im Kongo einholen, vor allem über die Gegend um den Tanganyika-See und den östlichen Teil des Landes, über geographische Umstände, die Situation am See und die Mentalität der Leute. Ich sollte freundschaftliche Beziehungen zu den Compañeros von der kongolesischen Befreiungsbewegung knüpfen und zu den Gruppen, die am Tanganyika aktiv waren. Über die Algerier (insbesondere den Botschafter) sollte ich Kontakt zu Julius Nyerere aufnehmen, dem Präsidenten von Tansania, der ein persönlicher Freund von Ben Bella war, zu dem wir sehr gute Beziehungen unterhielten, wie auch zu Sekou Touré, über den Delegierten im Komitee für Dekolonisierung bei der Organisation für die Einheit Afrikas, der am Tanganyika ansässig war. Ich sollte Kontakte zur Botschaft der Vereinigten Arabischen Republik und, auf diesem Wege, zu Nasser aufnehmen, der ebenfalls in sehr guter Beziehung zu Nyerere stand.
Er sagte mir, ich sollte mit Piñeiro über die Compañeros sprechen, die bei der Mission dabeisein würden, und ihn über unsere Fragen und Pläne unterrichten. Ich sagte zu Piñeiro, daß ich Fosforito und Vila mitnehmen würde, Compañeros aus der Partei in Las Villas, beide schwarz wie die Nacht, so daß sie wie richtige Afrikaner aussahen. Außerdem brachten sie wichtige Eigenschaften für unser Vorhaben mit: Fosforito sprach perfekt englisch. Ich hatte dem Che vorgeschlagen, Fosforito sollte sich als »Handelsunternehmer« in der Gegend von Kigoma ansiedeln, damit er dort Beziehungen zu den Leuten knüpfen und mir helfen könnte, Kigoma, den See und den östlichen Kongo kennenzulernen. Vila, der eine politische Ausbildung und Erfahrung mit der Arbeit im Untergrund hatte, würde beim Aufbau einer Verbindung zwischen Kigoma und der Botschaft von Nutzen sein, über einen der Compañeros, den er auf die Mission mitnehmen würde (Oliva oder Arboláez), und auf diese Weise beginnen, ein Untergrundnetz zu knüpfen. Dies ließ sich nicht realisieren, weil Piñeiro mir kein Personal schickte und die wenige Information, an die wir herankamen, über indirekte Verbindungen lief. Fidel hatte mich außerdem in einem Treffen angewiesen, einige Compañeros aus der Armee auszuwählen und mitzunehmen, damit sie Kisuaheli lernten, um es bei der späteren Arbeit anzuwenden (ich teilte es Piñeiro mit, aber die Auswahl fand nicht statt), und daß ich mich mit Papito in Algerien koordinieren sollte.
Zwei Monate vor der Ankunft des Che treffe ich in Tansania ein. Wir hatten dort bereits einen Handelsattaché, Juan Benemelis, der später das Land verließ, aber ein sehr guter Diplomat mit großen Afrikakenntnissen war. Er war es, der mich empfing. Doch obwohl er brillant war, mußte ich ihn zurück nach Kuba schicken, da er mit einer sehr gesprächigen Tschechin verheiratet war, die über sehr viele Beziehung verfügte, und da ich schon eine Ahnung davon hatte, was wir dort tun würden, schicke ich ihn zurück, damit keinerlei Information nach außen sickerte. Auch Benítez muß ich zurückschicken, einen meiner besten Mitarbeiter, da er entgegen meinen Anweisungen, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen, bei einem mißglückten Staatsstreich gegen Nyerere in einem Straßengraben erwischt wird. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätten ihn umgebracht. Das heißt, ein wenig war er daran beteiligt, ebenso bei Geschichten in Sansibar. Sehr gut, aber sehr undiszipliniert. Ich beschloß, ihn ebenfalls zurück nach Kuba zu schicken. Die Kontakte, die ich in Tansania knüpfte, waren ausgezeichnet. Wir benutzten dafür die Verbindungen, die Algerien zur tansanischen Regierung hatte. So lernte ich über die algerische Botschaft zum Beispiel Kambona, den Außenminister, kennen. Der Botschafter stellte mich ihm auf einem Empfang vor, und von da an hatten wir sehr gute Beziehungen zu den Hauptvertretern der tansanischen Regierung. Noch bevor ich offiziell eingeführt worden war, traf ich Nyerere und klärte ihn in aller Offenheit über unsere Mission auf. Nyerere war Lehrer, und beim Studium seiner Biographie war ich auf Gemeinsamkeiten zu meiner gestoßen; außerdem war er vor allem ein Schwarzer, und über ihn und seine Mitarbeiter in der Regierung konnten wir Beziehungen zu den Vertretern der Befreiungsbewegungen herstellen, die am Tanganyika operierten, zur Befreiungsbewegung der portugiesischen Kolonien etwa, vor allem zu denen aus Moçambique, bei denen ich einen alten Freund hatte, Marcelino de los Santos, mit dem ich bei der Internationalen Studentenvereinigung in Prag gewesen war, und über diese zu Angola, Portugiesisch Guinea und den Kapverdischen Inseln. Ich erinnere mich, daß Nyerere mir bei dieser Gelegenheit anbot, wenn ich irgendein Problem hätte, irgendeine Schwierigkeit, sollte ich die Flagge an den Wagen stecken und direkt zu ihm fahren. Er stellte mich seinem Premierminister Kawawa und anderen Ministern vor. Zuvor hatten wir bereits Kontakt zu den Leuten aus Sansibar aufgenommen, die in Kuba ausgebildet worden waren. Und vor allem zu Babú, einem der Minister und Führer der Revolution in Sansibar. Das gab uns den nötigen Rückhalt, um weitere Beziehungen herzustellen, bis schließlich zu allen Veranstaltungen unserer Botschaft die wichtigsten Minister kamen, vielleicht wegen der Anziehungskraft, die Fidel und die kubanische Revolution generell auf sie ausübte. Die fortschrittlichsten Regierungen in Afrika wie Kairo, Algier unterstützten unsere geplante Mission.
Sobald er seine offizielle Bestätigung als Botschafter empfangen hat, geht Pablo Rivalta an die Arbeit.
RIVALTA: Wir machten uns daran, die nötigen Informationen über den Tanganyika-See und den östlichen Kongo einzuholen und feste Beziehungen nach Kigoma zu knüpfen, die es uns erlauben sollten, in der Gegend selbst aktiv zu werden.
Um die mir aufgetragenen Aufgaben erfüllen zu können, unternahm ich folgendes: ich mietete ein Haus an, um dort die Büros der Botschaft und die Residenz des Botschafters einzurichten, stattete Nyerere einen inoffiziellen Besuch ab, nahm einige inoffizielle Beziehungen zu den in Daressalam ansässigen Israelis auf, die ihrerseits in guter Beziehung zu Nyerere standen (obwohl der Che mir das wegen ihrer Gegnerschaft zu den übrigen arabischen Ländern untersagt hatte. Auf eine Bemerkung des Che hin wurde es augenblicklich korrigiert).
Wir traten auch sofort in Kontakt zu Kambona, dem Außenminister, und zu dessen Geschwistern und Angehörigen, zu Kawawa, zum Vizepräsidenten und dem Verteidigungsminister, und zu anderen Regierungsmitgliedern. Wir hielten uns an das übliche Vorgehen in solchen Fällen: Besuche, Kontakte, Umtrunke, Hilfen, Teilnahme an Veranstaltungen usw.
Im sozialen Bereich erweiterten wir das Arbeitsfeld in verschiedenen Sektoren, vor allem die Arbeit mit der Bevölkerung. Wir besuchten Viertel, Häuser, Stämme ... und dabei führten wir ein sehr vielschichtiges Leben, wie es sich für den Botschafter eines revolutionären Landes gehörte. Unser Umgang war offen und verständnisvoll. In meiner Eigenschaft als Botschafter und Kapitän des Ejército Rebelde knüpfte ich Kontakte zum Armeechef und zu hohen Offizieren und Kommissaren.
Im Handelsbereich versuchten wir ein Netz aufzubauen und nahmen Kontakt zu einigen indischen Handelsunternehmern wie Christian, Teekay und anderen auf, vor allem zu Nasto, der bei Christian arbeitete und uns bei einigen Compañeros aus Mauritius und Südafrika einführte, progressiven Elementen. Nasto setzten wir zum Kauf von Ausrüstungen ein, immer auf Kommission. Er war in der Lage, sich an die verschiedensten Orte zu begeben, um das zu finden, was wir brauchten. Dabei verhielt er sich sehr korrekt, informierte niemanden über unsere Verbindungen oder unsere Arbeit. Wir setzten ihn zusammen mit einem Friseur ein, einem indischen Freund von ihm, und mit Kaile, meinem kenianischen Fahrer, der nach eigenen Worten zum Stamm der Mau-Mau gehörte.
Auf der Grundlage dieser Beziehungen konnten wir, das heißt, Papito in Algerien, Guitart in der Vereinigten Arabischen Republik und ich in Tansania, gemäß unserer Anweisungen ein Operationsdreieck zur Erledigung unserer Spezialaufgabe errichten.
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