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Inhaltsverzeichnis Inhalt Das Jahr, in dem wir nirgendwo Aufwärts

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Während Che Guevara in Afrika auf Reisen ist


VICTOR DREKE: Alles begann im Januar '65. Der Che war in Afrika auf Reisen, wie in den Zeitungen zu lesen war, und ich war als Vizechef bei der Banditenbekämpfung (Lucha Contra Bandidos, LCB) in Las Villas. Wir waren mitten in einer Operation und hatten mehrere Banditen gefangengenommen. Der Chef vom LCB sagte zu mir: »Es gibt Arbeit, du wirst von hier fortgehen.«

Ich übergab die Leitung an den Kapitän Herrera und begab mich mit meinen Sachen nach Santa Clara, wo ich wohnte. Ich stand früh auf und sprach bei der Armee vor. Gegen Mittag trifft Comandante Calixto García ein und läßt mich rufen:

Ich freute mich. Ich dachte an Lateinamerika.

Als er mir das sagt, dämmert es mir: Afrika, du meine Güte!

Als erstes ging ich zum LCB, dort kannte ich kampferprobte Compañeros. Ich sprach mit Proenza, und wir begannen mit der Arbeit der Anwerbung. Eine sehr geheime Arbeit. Wir ließen ausschließlich schwarze Compañeros zum Gespräch rufen. Hatte einer einmal ja gesagt, wurde er auf Geheimhaltung verpflichtet. Wir stellten eine Einheit von ungefähr fünfundzwanzig Compañeros zusammen.

Sie bringen uns zum Peti-I, einem Ausbildungslager in der Gegend von Pinar del Río, in den Bergen von Candelaria. Spät nachts trifft die Gruppe aus Santiago ein, mit Terry an der Spitze und Videaux, danach die aus Pinar.


VIDEAUX: Ende Dezember '64 operierte ich gegen die Bande von Eloy Gutiérrez Menoyo, die in Playitas an Land gegangen war. Nachdem wir die Bande gefangen und Urlaub genommen hatten, wurde nach Kämpfern für eine Mission gesucht, die zu diesem Zeitpunkt weder Namen noch Bestimmung hatte. Ich werde zum Gespräch nach Santiago de Cuba einbestellt. Davor hatte nur ein Compañero vom Geheimdienst mit Namen Banderas ein Gespräch mit mir geführt. Er fragte mich, was ich davon hielte, außer Landes zu gehen, um eine Mission zu erfüllen, nach Lateinamerika zum Beispiel. Ich antwortete, wenn andere uns vorher geholfen hätten, sei es nur gerecht, daß wir jetzt anderen helfen. Tage vergehen, und schließlich kommt eine Vorladung beim Generalstab der östlichen Armee. Ich machte mich auf den Weg mit dem, was ich gerade am Leib trug, ohne Ausrüstung. Dort traf ich den Kaderchef der Armee, den Comandante Jiménez Lage. Ich setzte mich in Verbindung mit dem Ersten Kapitän Santiago Terry. Am nächsten Morgen traf der Comandante Arnaldo Ochoa ein. Sie brachten uns zu einem kleinen Saal, wo sich schon ungefähr fünfundzwanzig Compañeros versammelt hatten und wo der Armeechef zu uns sprechen sollte. Kurze Zeit später kam noch ein Grüppchen von der 50. Division dazu. Wir waren jetzt bereits vierunddreißig Compañeros. Um acht kamen der Generalstabschef der Armee und weitere hohe Parteifunktionäre. Man sagte uns, daß wir für einen Kurs ausgewählt worden seien, daß man uns später erklären würde, was wir zu tun hätten, und fragte, ob irgendjemand Einwände hätte. Niemand meldete sich. Am nächsten Tag fuhren wir im Morgengrauen nach Havanna und wurden in einen Hof im La Tropical gebracht. Dort warteten zwei abgedeckte Zil-131-Lastwagen auf uns. Wie in alten Zeiten wurde uns nichts weiter mitgeteilt, und die Lastwagen machten sich in Richtung Pinar del Río auf den Weg. Nach Mitternacht trafen wir in Candelaria ein. Dort schliefen wir diese Nacht, und am Morgen darauf trafen wir viele Compañeros wieder, darunter Dreke, den wir aus Escambray kannten, Olachea, Julián Morejón und andere.

NANE: Das Lager bei Pinar del Río wurde »El Amazonas« genannt. Es lag in den Bergen. Ich war dort, in »El Amazonas«, als Chef des Lagers tätig. Man bildete dort Ausländer aus (Ecuatorianer, Peruaner); kurz vorher hatte es einen Vortrag für Leute aus dem Kongo gegeben, nach dem, was wir später erleben sollten, weiß ich nicht mehr, ob es wirklich Guerilleros oder nur Schmuggler gewesen sind. Damals war ich Sergeant, geboren bin ich '42, und während der Revolution habe ich in der 17. Brigade der Zweiten Front gekämpft. Ich hatte eine Ausbildung als Fallschirmspringer und Froschmann, in Sprengstofftechnik und Guerillabekämpfung. Damals traf eine Gruppe von Farbigen ein. Es war deutlich, daß es sich um eine Mission handelte. Ich sagte, daß ich mich dafür mustern lassen wollte. Ich kannte Dreke aus Las Villas und sprach mit Piñeiro.

DREKE: Am 2. Februar um sechs Uhr morgens wird zum Wecken geblasen. Als das Licht angeht, sehen wir uns erstmals alle gegenseitig. So um die hundert waren wir.

WARNER MORO: Verdammt, wo kommen all die Neger her! Als ob sie alle Schwarzen aus Kuba eingesammelt und hierher gebracht hätten.

DREKE: Augenblicklich wurde die Brigade organisiert, mit Terry als zweitem Chef. Drei Einheiten wurden zusammengestellt, Catarino Olachea an der Spitze der Einheit aus Las Villas, Barthelemy (Lawton) an der Spitze der Einheit aus Pinar del Río und Erasmo Videaux an der Spitze von der aus Oriente. Wir begannen uns militärisch zu organisieren und außerdem die Papiere für alle vorzubereiten.

VIDEAUX: Nach dem Frühstück trat die Brigade vollständig an. Comandante Dreke richtete das Wort an uns. Auch er wußte nicht alles, aber einiges wußte er. Dreke sagt, obwohl wir aus drei Armeen kommen, seien wir jetzt eine einzige. Die Reihen wurden aufgelöst, und wir umarmten uns. Von diesem Moment an bekamen wir eine ziemlich intensive Ausbildung in diesem und anderen Lagern. Der Compañero, der die Ausbildung leitete, hieß Dennys.

DREKE: Das Training war sehr hart. Am 3. Februar begann die Ausbildung am Gewehr, lange Märsche, Aufschlagen von Lagern, Hindernisläufe, 75-mm-Artillerie, Bazookas, Legen und Entschärfen von Minen, Molotov-Cocktails und vor allem freier Geländekampf. Bei der Ausbildung dieser Gruppe war der Vorteil, daß sie vom LCB kam, daß sie Jahre der Guerillabekämpfung hinter sich hatte.

NANE: Marschausbildung, Schießen mit verschiedenen Gewehren, politische Vorträge. Ungefähr ein oder zwei Monate Ausbildung. Ich wußte, daß es nach Afrika gehen würde, und dachte an einen der beiden Kongos. Ich bat um die Musterung.

VIDEAUX: Ausbildung überall in der Bergkette von Pinar del Río; lange Märsche mit Rucksäcken ... nachts, bei Tag, zu jeder erdenklichen Zeit. Viel Schießausbildung an allen Waffenarten, vor allem an FAL-Gewehren. Als Fidel uns besuchte, beharrte er sehr auf der Schießausbildung. »Die beste Art, es zu lernen, ist, viel zu schießen,« sagte er. Er ordnete an, daß jeder von uns 500 Schuß bekam, um Geschicklichkeit im Umgang mit der Waffe zu erlangen; er hatte ja eine Armee befehligt: eine Armee im kombinierten Hinterhalt, von dem aus Sperrfeuer abgegeben wurde (Sperrfeuer in immer die gleiche Richtung, hohes Schußvolumen). Die Ausbildung war von Anfang bis Ende hart und intensiv.

DREKE: Ein wichtiger Umstand war: da die meisten übereilt von zu Hause abgereist waren, hatten sie sich kaum von ihren Familien verabschieden können. Ein paar Tage sprach Fidel mit den Compañeros und erlaubte ihnen, nach Hause zu fahren. Absolute Diskretion und Geheimhaltung. Einige Compañeros aus der Führung waren gegen diese Reise zu den Angehörigen. Aber Fidel sagte: »Man muß Vertrauen haben, oder nicht? Lassen wir sie gehen.« Man hatte ihnen gesagt, die Mission werde fünf Jahre dauern, daß es nicht möglich sein würde zu schreiben und daß man ihnen garantierte, sich um die Familien zu kümmern. Ungefähr hundert Compañeros fuhren zum letzten Besuch zu ihren Familien. Alle kamen rechtzeitig zurück, Unterwanderung oder Indiskretion gab es nicht.

NANE: Fidel hielt eine Rede. Er sagte den Leuten: »Erzählt euren Familien, daß ihr eine Mission erfüllt. Sagt ihnen nicht, wo.« In Gruppen ließ man uns gehen. Ich fuhr mit drei Compañeros nach Guanabo.

VIDEAUX: Äußerste Diskretion und Abschottung. Man konnte weder Briefe schreiben noch welche empfangen. Ausgang gab es nicht. Besuche von einem Lager zum anderen wurden nachts, in geschlossenen Lastwagen durchgeführt. Niemand durfte irgendeine Bewegung bemerken, deshalb kamen uns, wenn einer zu einem anderen Lager aufbrach, die aus dem anderen Lager entgegen, und man traf sich unterwegs.

GENGE: Man sagte uns, wir würden als Ausbilder zu einer afrikanischen Befreiungsbewegung geschickt. Es war eine schöne Idee, wir würden an den Ort zurückkehren, den unsere Vorfahren verlassen hatten, nach Afrika.

DREKE: Aus Spaß gaben wir uns einen Spitznamen, wir nannten uns »die Kongolesen«. Um die achtzig Mann waren in der Brigade. Der Hellhäutigste war der Compañero Osmán Marín; Gorbán und Catarino Olachea waren Mulatten.

Unter den Materialien, die wir zur Lektüre bekommen hatten, war eine Schriftenreihe über den Kampf im Kongo und die Ermordung Lumumbas. Jetzt waren wir sicher. Der Kongo. Der Kongo!



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