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Mon Jun 11 11:35:57 2001
 

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Schach


NANE: Eines Tages sagte der Che zu mir: »Ich werde mich beim Spielen mit dem Rücken zum Tisch setzen und trotzdem gewinnen.« »In Ordnung,« sagte ich. Ich gewann, indem ich schummelte und die Figuren vertauschte. Ich war der einzige, der eine Partie gegen ihn gewann.


DOGNA: Tatu fragte: »Also, hat hier jemand Lust, Schach zu spielen?« Ich bin der erste Freiwillige, der die Herausforderung annimmt und sage zum CHE: »Ich kann Schach spielen.« Er sagt: »Sehr gut, sehr gut. Ich mache dir einen Vorschlag, Dogna. Ich schlage vor, du spielst mit beiden Augen auf dem Brett und ich blind, mit dem Rücken zu dir. Ich bin weiß und du schwarz.« »Und wieso bin ich schwarz?« Tatu sagte, es sei die Regel, daß derjenige, der mit dem Rücken zum Brett oder blind spielt, immer weiß ist. »Also gut, wenn's sein muß. Ich werde Sie eröffnen lassen und spiele dafür mit einem Turm oder einem Läufer weniger.« Aber nichts da, das erlaubte er nicht.

Darauf rief er Suleiman, damit dieser die Züge setzte, die er ansagte. Suleiman setzte sich mir gegenüber und Tatu sagte: »Bauer vier auf König«. Und danach zog ich. So spielten wir die ganze Partie, er mit dem Rücken zum Brett die Züge ansagend und Suleiman als Mittelsmann. Gegen Mitte der Partie läßt er das Spiel anhalten und sagt: »Ich bin mit Bauer vier auf König rausgekommen, du hast das gleiche gespielt, dann habe ich dies und du das gemacht.« Und so zählte er alle seine Züge auf und meine noch dazu. Ich dachte: »Wenn er mit dem Rücken zum Brett alle seine Züge und meine auch noch auswendig weiß, was soll's, wie soll ich da gewinnen?« »Bin ich dran?« fragte ich und dachte, ich sei schon verloren.

Und so spielten wir für eine Weile weiter. Ich ziehe und er zieht und so weiter und so fort, bis wir zu ich weiß nicht welchem Zug kommen. Als er völlig überzeugt seinen Spielzug gemacht hat, sage ich: Schachmatt. »Was?« Und er seufzte. Er begann das Spiel zu analysieren und wiederholte im Gedächtnis die Spielzüge, bis er zu einem bestimmten Zug gekommen war, und sagte:

Er wollte noch eine Partie spielen, aber ich lehnte ab und sagte, ich sei müde, müsse lernen, schlafen, Wache halten. Nein, ich wollte kein zweites Mal gegen ihn spielen, sondern lieber mit meinem Sieg vom Tisch gehen. Ich ging Wache halten, und so traf es jemand anderen, und ich ging schlafen. Nur war ich so müde und hatte es so eilig, ins Bett zu kommen, daß ich, glaube ich, irgendwo unterwegs eingeschlafen bin, noch bevor ich meine Hängematte erreicht hatte. Zu der Hängematte kam ich wie ein Zombie, mit einem schlafenden und einem schon halb geschlossenen Auge.

Am nächsten Tag gingen Suleiman und ich unsere Übungen machen, und da bemerkt mich Pombo und sagt: »Dogna, Tatu sagt, wenn du heute nicht mit ihm spielst, wird er dich umbringen.« »Aber wieso denn das? Wieso muß ich mit ihm spielen?« Und Pombo sagt zu mir:

Abends läßt er mich holen. »Guten Abend. Wie geht es dir? Machen wir ein Spielchen?« »Also gut. Aber wenn Sie wieder mit dem Rücken zu mir spielen wollen, gebe ich Ihnen heute einen Turm oder ein Pferdchen Vorsprung.«

Auch wenn es bloß ein Scherz sein sollte, wiederholte ich noch einmal:

Am Ende mußte ich nachgeben: ich spielte wieder mit allen Figuren und er mit dem Rücken zum Brett. Wie am Tag zuvor. Er eröffnete auf die gleiche Weise, daß heißt mit Bauer vier auf König. Ich antwortete mit demselben Zug und sage ihm an und so weiter... nach etwa 20 oder 25 Zügen gerate ich in eine schwierige Position und will ihm einen Turm überlassen, ich glaube, es war ein Turm, wenn er den genommen hätte, wäre ich wieder aus der Falle gekommen, aber wenn er den richtigen Zug machte und ihn nicht nahm, wäre ich in zwei oder drei Zügen matt. Er, immer noch mit dem Rücken zu mir, konzentrierte sich, dachte nach und nahm die Figur nicht an, die ich ihm anbot. Er sagte mir: »Dogna, matt in zwei Zügen.« Ich sage: »Okay.«

Ich hatte verloren, kein Zweifel. Und hier war auch schon Tatus Analyse: Du hast diesen Zug gemacht, ich jenen, alles aus dem Gedächtnis, bis er meinen Fehler gefunden hatte. Er sagte mir: »Du hast gut gespielt. Aber selbst wenn ich den Turm genommen hätte, hättest du trotzdem verloren, nur in mehr Zügen. Hast gut gespielt, wirklich.«

Das sagte er zu mir, wiederholte, ich hätte gut gespielt. Ich gab ihm die Hand und sagte:


VIDEAUX: Auch wenn er in Sachen Disziplin unerbittlich war, hatte er zwei oder drei Schwächen, eine davon war das Schachspiel. Simultan zu dritt gegen ihn: Suleiman (Kahama), Aly und ich.

KUMI: Er versuchte mir Schach beizubringen, aber ich fand mich nicht in das Spiel hinein. Da es kein Geheimnis war, daß der Che eine Leidenschaft für Schach hatte, spielte er nicht, solange er sich noch nicht zu erkennen gegeben hatte. Danach spielte er oft mit José Raúl Candevat (Chumi) und mit Héctor Vera (Hindi). Mir gegenüber beharrte er immer auf zwei Dingen, daß ich Schach lernen und Tee trinken sollte, weil er meinte, das sei besser als Kaffee. Einmal, als er gerade seinen Tee trank, setzte ich mich neben ihn und probierte einen Schluck davon. Er sah es und fragte mich, was ich trinken würde, und ich sagte Tee. Wo hast du den denn her?



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