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Der Gang der Nachricht, formal

Der Gang der Nachricht, Teil 2

ID-HAUSMITTEILUNGEN

[ID 190/191 vom 13.08.77]


DER GANG DER NACHRICHT, formal

Der Bereich, aus dem hier Entwicklungen dargestellt werden soll, reicht vom Erhalt der Nachricht bis zum Lay-Out, dem Zusammenstellen der Druckvorlage des ID's. In diese Spanne fallen in der Regel folgende Bearbeitungsschritte:
Der Bericht, der mit der Post oder durchs Telefon, (der dann vom Band des Telefonaufzeichnungsgerätes abgetippt werden muß) kommt, wird besprochen, es wird festgelegt, wer was im groben damit macht. Dann wird er zumindest so bearbeitet, daß er eine Überschrift hat, Ort des Geschehens und Datum angegeben sind und fürs Tippen kenntlich gemacht wird: einmal die Absätze, zum anderen die Schriftgrößen und Schrifttypen. Nun wird der Bericht gesetzt, dann Erstkorrektur gelesen, die Korrekturen getippt und eingeklebt, dann Zweitkorrektur gelesen: werden noch Fehler gefunden, wiederholt sich der Vorgang tippen/kleben/lesen. Wenn das O.K. ist, wird die Reihenfolge der Berichte/Fotos festgelegt und so auf besondere Layout-Vorlagen aufgeklebt (es gibt harte Auseinandersetzungen über den besser geeigneten Klebstoff: Pritt oder Fixogum). Die Vorlagen werden noch mal überprüft, besonders, wo die Berichte auseinandergeschnitten worden sind an den Übergängen. Dann kann das Titelblatt getippt werden. Im großen und ganzen gab es diese Reihenfolge schon von anfang an - damals eben in bescheidenerem Maßstab. Wir waren (auch) formal sehr an den herkömmlichen Nachrichtenagenturen ausgerichtet, schreiben alles klein und schenkten dem Layout, der Aufbereitung der Nachrichten, nur geringe Bedeutung. Auf dem Weg zum ID von heute gab es folgende wesentliche Stationen:
  • Im Sommer 1975 geben wir 'die Kleinschreiberei auf und gehen zur Normalschrift über
  • gleichzeitig erscheint der ID composergesetzt; statt ein- zweispaltig
  • die Schrift, mit Einführung des Computers bis zur Grenze der Lesbarkeit verkleinert (Platz und Geld sparen), wird im Laufe der Zeit wieder größer
  • das ID-Zeichen hinter der Stadt bei den einzelnen Artikeln verschwindet im Januar 77
  • Bilder im ID, sogar mal auf der Titelseite, individuelle grafische Versuche beim Lay-Out.
Grundsätzlich ist zu sagen, daß der ID zumindest die schwere Lesbarkeit aus der vermeintlich reinen Nachrichtendienstzeit gerettet hat (als Nachrichtendienst richteten wir uns vornehmlich an Multiplikatoren: Gruppen/Zeitungen, keine Einzelabos - heute werden wir vornehmlich als Zeitungsersatz benutzt/konsumiert). Er ist schwer zu lesen, fürs Auge und (manchmal) fürn Geist. Das sind stets wiederkehrende Kritiken und Grund stets wiederkehrender Diskussionen. Doch das Festhalten an den bescheidenen Formalitäten hat auch eine inhaltliche Befürchtung, die unser Dilemma ausmacht:
einerseits wollen wir die Leser informieren, sind natürlich daran interessiert, daß die Nachrichten gelesen/gebraucht werden. Andererseits wollen wir uns hüten, dem gängigen Machstil nahezukommen, der die Lesegewohnheiten prägt, denn er transportiert in dieser Warengesellschaft notwendig herrschende Ideologie, zerstückelt und hierarchisiert Erfahrungen.


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DER GANG DER NACHRICHT, TEIL 2
"FRÜHER, DA WAR ES ANDERS"
Als sich ID-Redakteure im Herbst 1973 oder 1974 über eingesandte Manuskripte zusammensetzen, hatten sie vorher alle Manuskripte gelesen - es waren nicht gar so viele. Dabei hatten sie Anmerkungen an den Rand oder zwischen die Zeilen geschreiben und die Manuskripte sahen teilweise aus wie Ostereier (aber der Sigrid und anderen machte das nichts beim Tippen). Die ID-Redakteure wußten vorher, was im ID stehen wird und hatten darüber diskutiert und beschlossen (und sie werden gerne zugeben, daß das, was hier jetzt steht, leicht idealisiert ist wie in allen Märchen über die Vergangenheit, aber trotzdem gehörte diese Art, mit Manuskripten umzugehen, zum damaligen Selbstverständnis). Das war auch noch 1975 so.
Aber irgendwann (und bald nach Schaffung von Ressorts und dafür verantwortlichen Redakteuren) geschah, was den alten Brauch beseite schob: aus dem Versuch, über die zunehmend fülliger eingehende Menge Informationen und Manuskripte durch differenziertere Strukturierung Interesse und Verantwortlichkeit mehr zu dezentralisieren entstanden zahlreiche Subzentren (vor allem in den Köpfen der Ressortheinis). Das konnte umso schwerer aufgelöst werden, als die Ressortheinis nicht mit dem Widerspruch umzugehen verstanden, zwar für einen bestimmten Bereich Verantwortung zu übernehmen, ohne jedoch die Verantwortung für das Ganze aufzugeben. Inzwischen gilt immerhin soviel ("Schön wär's" = handschriftliche Notiz einer Gegenlesenden), daß jeder, der ein Manuskript für den Satz bearbeitet, ihn jemand zum GEGENlesen gibt.
Wenn aber niemand da ist, dann, ja was dann? Er gibt ihn in der Regel trotzdem in Satz. Somit gerät er erst wieder getippt in eine Kontrolle, dann nämlich, wenn Korrektur gelesen wird. Korrektur wird aber nicht durchgehend inhaltlich gelesen (z.B. aus Zeitgründen) oder verschiedene Unzusammenhänge treten dabei nicht eindeutig hervor. Also gehen falsche oder schlampige Informationen in das Endprodukt ID ein. Die "PEINlichkeitenkorrektur" füllt diese Lücke auch nur bedingt, weil sie
  1. kurz vor Redaktionsschluß (am Donnerstag vor allem) vorgenommen wird, wobei die Möglichkeit der Rückfrage an den Manuskriptbearbeiter nicht mehr garantiert ist. (Soll sich ändern - auch Dienstag und Mittwoch also)
  2. Weil sie zwar Unstimmigkeiten findet, die aus der vorliegenden Fassung als solche hervorgehen, nicht jedoch Unstimmigkeiten, die bereits die Voraussetzungen zu einer bestimmten Information gebildet haben und nur dank der Voraussetzung zu erkennen sind.
Voraussetzungen zu überprüfen muß jedoch Bestandteil jeder Korrektur sein (und war es z.B. in jenen, früheren Zeiten'). Um das heute wieder möglich zu machen, müßten wir entweder eine kleine Gruppe wie früher sein, wo jeder mit jedem im Plenum über jeden vorliegenden Artikel spricht oder die Korrekteure und Schlußkorrekteure müßten auf den Verfasser und Bearbeiter einer Meldung zurückgreifen können. Das ist aber nur dann möglich, wenn jeder, der ein Manuskript bearbeitet und zum Setzen gibt, seinen Namen oder sein Zeichen, anhand dessen man ihn identifizieren und daher gezielt nachfragen kann, setzt.
Dadurch erübrigen sich die notorischen Fragen in den Raum: "Wer hat...? Wer weiß wer...? Wer hat nicht...? "etc. etc., worauf die übliche Antwort aus dem Raum zurückschallt: habs nicht gelesen, weiß nicht, was ist denn das überhaupt, was willst du überhaupt? bzw. werden zu vorhandenen Spekulationen weitere angestellt, was der freien Fantasie natürlich viel Raum läßt und die soll ja auch an die Macht - aber doch nicht auf solche Weise!
Mein Vorschlag also für das Plenum am 14.März montagabend: Das ID-Plenum möge beschließen, daß in Satz gehende Manuskripte gekennzeichnet sind durch den, der sie bearbeitet hat. Und daß zusätzlich darauf Telefonnummern von denen stehen, die die Informanten sind oder den Bericht hergebracht oder geschickt haben, wenn sie nicht bereits in der zu veröffentlichenden Kontaktadresse angegeben sind.
Es genügt nicht, daß ein ID-Redakteur seinen Artikel aufgrund seiner Sprachkenntnisse oder Teilnahme an einer Diskussion zu interpretieren weiß. Es genügt erst dann eine Information, wenn sie von Außenstehenden, nicht eingeweihten Menschen, auch denen, die noch nie einen ID in der Hand hatten (doch des Lesens mächtig und auch sonstiger Fähigkeiten) ohne Anruf in der ID-Redaktion verständlich ist. Ich hoffe, ich bin verständlich...
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