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Redebeitraege der Knastkundgebungen am 2.7.


  • Subject: Redebeitraege der Knastkundgebungen am 2.7.
  • From: ID-SCHLESWIGHOLSTEIN@BIONIC.zerberus.de (ID-Schleswig-Holstein)
  • Date: 13 Jul 1995 21:23:00 +0000

  • 
    
    
    Im folgenden veröffentlichen wir zwei Redebeiträge und eine Grußadresse,
    die am 2.7.1995 auf den Knastkundgebungen in Rastatt und Bruchsal gehalten
    wurden, wo zwei der vier Menschen sitzen, die im Zuge der bundesweiten
    Durchsuchungsaktion der BAW am 13.6.95 festgenommen wurden. Ihnen und
    den anderen zwei wird die Mitverantwortlichkeit für die Herstellung und
    die Verbreitung der linksradikalen Zeitschrift radikal zur Last gelegt.
    Konkret die Mitgliedschaft in einer kriminellen und das Werben für eine
    terroristische Vereinigung (__129 und 129a).
    
    --------
    [Redebeitrag einer Frauengruppe aus Hamburg]
    
    Hallo!!
    
    Wir sind eine Frauengruppe aus Hamburg. Unsere Politik richtet sich gegen
    die verschiedenen Formen von Herrschaft, gegen Patriarchat, Rassismus und
    Imperialismus.
    
    Wir haben noch keine konkrete Utopie und keine konkrete Strategie zu dem
    Ziel einer herrschaftsfreien Gesellschaft - trotzdem nehmen wir
    herrschende Normalität und das heißt hier herrschende Gewaltzustände nicht
    kampflos hin.
    
    Kämpfe werden auf verschiedenen Ebenen geführt.
    Wir werden weiterhin gegen verinnerlichte Gewaltverhältnisse, wie die
    sexistische Zwangsjacke und die alltägliche Gehirnwäsche andenken. Wir
    werden laut sagen und schreiben, wie gesellschaftlliche Macht hergestellt
    und ausgeübt wird. Und wir werden jede Form wählen, die uns geeignet
    erscheint, Widerstand zu leisten und diese Gesellschaft im Sinne unserer
    Utopie zu verändern.
    
    Das bedeutet, kollektive Strukturen aufzubauen und zu schützen. Wir
    benötigen dazu Verbindlichkeit und Auseinandersetzung und den Mut und
    die Traute, die vorgegeben Handlungsrahmen zu sprengen und den eigenen
    Handlungsrahmen selbst zu bestimmen.
    
    Das heißt aber auch von denen verstärkt angegriffen zu werden, in deren
    Interesse die Aufrechterhaltung des menschenverachtenden und
    ausbeuterischen Systems liegt. Sie tun alles, um keinen Widerstand
    dagegen entstehen zu lassen.
    
    Dagegen schützen nur konspirative Strukturen.
    
    Unser Interesse an der Umwälzung der herrschenden Verhältnisse für eine
    herrschaftsfreie Gesellschaft wird von vielen nicht geteilt - weil es
    ihnen nicht attraktiv erscheint, weil wir oftmals nicht in der Lage
    sind, vielen unsere Vorstellungen zu vermitteln, weil viele ihre
    Privilegien - nämlich ihren Anteil an der Macht - verlieren könnten
    oder dies zumindest glauben.
    
    Damit ist eine Gesellschaft möglich, in der Sondergesetze erlassen und
    getragen werden, die Flüchtlingen und MigrantInnen die Luft abschnüren.
    Wen das große nationalistische Wir nicht einschließt, ist auf dem
    Arbeitsmarkt extremen Ausbeutungsverhältnissen unterworfen. Freier und
    Zuhälter profitieren vom Handel mit Frauen, die keine Chance auf einen
    legalen Aufenthaltsstatus haben. Ohne deutschen Stammesnachweis gibt es
    kein Recht auf Bewegungs- und Organisierungsfreiheit und kein Recht auf
    Datenschutz. Flüchtlinge sind allein für ihre Anwesenheit
    kriminalisierbar. Allein durch ihre Anwesenheit sind sie von Knast
    und alltäglicher rassistischer Gewalt bis hin zum Mord bedroht.
    
    Dies kennzeichnet eine gesellschaftliche Entwicklung, deren Priorität die
    optimale Verwertung des Menschen ist und in der die Menschen nach ihrer
    Verwertbarkeit stigmatisiert, hierarchisiert und gespalten werden.
    
    Vor diesem Hintergrund freuen wir uns mit ganzem Herzen, wenn
    Abschiebeknäste und andere Knäste in die Luft gesprengt werden, über den
    Aufbau von Strukturen, in denen sich Illegalisierte bewegen können, wenn
    Faschisten, Rassisten und Sexisten der öffentliche Raum genommen wird.
    
    Genauso wichtig bleibt es gegen die alltägliche patriarchale Zurichtung
    anzugehen, den so verbreiteten wie staatlich protegierten Sexismus
    bloßzustellen und zurückzuschlagen.
    
    Wir glauben, daß sich viele darüber freuen !
    
    Diese Freude und der dahinterstehende Wille, menschenverachtende,
    zerstörerische gesellschaftliche Strukturen anzugreifen, soll verhindert
    werden.
    Unser Bewegungsrahmen soll eingeengt werden, sei es durch Kriminalisierung  
    oder
    Einschüchterung.
    
    Unsere Ideen und Vorstellungen sollen sich nicht entwickeln und  
    verbreiten.
    Darum werden unter anderem unsere Medien kriminalisiert. Unseren  
    Handlungen
    sollen Riegel vorgeschoben werden - weil in jedem radikal linken
    Widerstand die Möglichkeit liegt, die Gesellschaft so zu verändern, daß
    Ausbeutung (psychische und physische) nicht mehr möglich oder jedenfalls
    schwerer durchzusetzen ist.
    
    Unsere Solidarität gilt denen, die Widerstand leisten !
    
    Wir Grüßen die kämpfenden Gefangenen !
    
    power durch die Mauer, bis sie bricht !!
    
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    [Redebeitrag zu den __ 129 und 129a]
    
    Solange es linke oppositionelle Kräfte in diesem Land gibt, gibt es den  
    Paragraphen 129.
    
    Schon früh ist erkennbar, welche Funktion dieser Paragraph als präventives  
    Repressionsinstrumentarium beinhaltet. Vom preußischen Kaiserreich über  
    die Weimarer Republik zum Hitler-Faschismus bis in die frühen Jahre der  
    BRD, diente das politische Strafrecht zur Unterdrückung und Verfolgung von  
    kritischen, oppositionellen Kräften.
    Nach der Zerschlagung des faschistischen Staates gingen die BRD-Oberen  
    daran ein neues Strafrecht zu formulieren und griffen dabei auf  
    altbewährtes zurück: "Der moderne Staat bedarf neuer Schutzvorschriften,  
    die seine Verteidigungslinie in den Bereich vorverlegen, in dem die  
    Staatsfeinde unter der Maske der Gewaltlosigkeit die Macht  
    erschleichen."(Begründung 1959).
    Das neue Staatschutzrecht setzt den "ideologischen Hochverrat", "die  
    geistige Sabotage", also die Gesinnung faktisch gleich dem Hochverrat.  
    Nicht der Einzelne ist zu bestrafen, sondern "die Abwehr richtet sich  
    gegen die mit ihm verbundene Stärke der Organisation."
    Der Paragraph 129 (kriminelle Vereinigung mit verfassungsfeindlicher  
    Absicht) in Verbindung mit dem neugeschaffenen Paragraphen 90a(Verstöße  
    gegen die verfassungsmäßige Ordnung) war die Grundlage für das Verbot der  
    KPD (1956) und der Kriminalisierung von ca. 300.000 Menschen, die im Zuge  
    dieses Verbotes erfaßt, registriert, angeklagt und verurteilt wurden.
    Die 60er und 70er Jahre sind geprägt von aufkommenden Kämpfen der Völker  
    des Trikonts gegen Kolonialismus und Imperialismus und für  
    Selbstbestimmung. Die Repressions- und Kriminalisierungsstrategien der  
    Herrschenden werden international koordiniert.
    Es kam zur Terrorismusbekämpfung auf NATO-Ebene und "Subversion" im  
    Inneren, wie sie es nannten, wurde zur 5. Front der NATO erklärt. Der  
    berechtigte und rechtlich zugelassene Kampf der Völker um Befreiung sollte  
    kriminalisiert werden. Ausdruck findet dies in dem Beschluß der EG- 
    Ministerkonferenz von 1977 die "festgenommene Terroristen nicht als  
    Kriegsgefangene im Sinne der neuen Genfer Konvention behandeln will."
    Der Begriff Terrorismus, obwohl er Eingang in die Gesetzgebung gefunden  
    hat, ist nicht klar definiert, sondern die "terroristischen  
    Erscheinungsformen" werden vielmehr ganz nach politischem Bedarf variiert,  
    erweitert und gewechselt. Da ist die Rede von "Ökoterroristen",  
    "Gewerkschaftsterroristen" und "geistigen Terroristen".
    Im Zuge der Anklagen gegen die RAF kommt es in den Jahren 1974 bis 1979  
    allein zu 6 bedeutenden Gesetzespaketen und mehr als 25 neuen  
    Gesetzesbestimmungen, die speziell auf die Paragraphen 129 und seit 1976  
    durch das "Antiterrorgesetz" auf den Paragraphen 129a bezogen.
    Die 25 Folgeänderungen bedeuteten
    - neue Ermittlungsbefugnisse
    - neue Haftgründe
    - eingeschränkte Verteidigungsrechte
    - verschärfte Haftbedingungen
    - Schaffung eines kompletten Sonderrechts- und Justizsystems
    Durch die Schaffung des _129a können sich die Sicherheitsbehörden nahezu  
    alles erlauben, inklusive selbstinzinierter Sprengstoffanschläge. Es wird  
    später abgesegnet und legalisiert.
    Zu einer weiteren Verschärfung des politischen Strafrechts kommt es 1986  
    durch Erweiterung des Paragraphen 129a
    Die Gesetze zur "Bekämpfung des Terrorismus" sorgten unter anderem für  
    problemlosere Telefonüberwachung und Hausdurchsuchungen, verschärfte U- 
    Haftbedingungen. Nicht nur die Anwendung von politischer Gewalt, sondern  
    schon die Auseinandersetzung damit oder der Protest gegen die  
    unmenschliche Isolationsfolter kann verfolgt und bestraft werden.
    Die gebündelte Verfolgung von UnterstützerInnen und SympathisantInnen,  
    welche dann durch die Zentralisierung der Ermittlungsbehörden noch einmal  
    beschleunigt wurde, paßt ebenso in die Sondergerichtsbarkeit wie die  
    Ernennung des Generalbundesanwalts zur Schaltstelle in politischen  
    Verfahren.
    Eine weitere Verschärfung des politischen Strafrechts stellt dann das  
    Konstrukt der "Gesamt-RAF" oder der "legalen" und "illegalen" RAF dar. Auf  
    4 Ebenen wird von staatlicher Seite aus versucht, den gesamten radikalen  
    linken Widerstand zu kriminalisieren. Das wären a) die Kommandoebene, b)  
    die Gefangenen aus der RAF, c) die sogenannten "illegalen Militanten" und  
    d) die "Sympathiewerbenden".
    Anhaltspunkte für eine legale RAF-Mitgliedschaft sind
    - Kontankt zu den Gefangenen aus der RAF
    - Besuch von Gerichtsverhandlungen gegen 129a-Beschuldigte
    - Besitz von "linkterroristischem Schriftttum"
    - Konspiratives Verhalten
    - Offen geäußerte antiimperialistische Grundhaltung
    Diese Gesetze sollen uns zuerst einschüchtern, sollen uns spalten und  
    sollen uns keinen Spielraum lassen zwischen "Terrorismus" und  
    Parlamentarismus, vor allem, das graue Feld des "Sympathiesumpfes" soll  
    ausgetrocknet, soll ausradiert werden.
    Ein Signal an all diejenigen, die radikalen Widerstand leisten wollen:
    Sorgen wir dafür, daß ihnen das nicht gelingt! Mit all unserer Kraft, mit  
    unserer Solidarität und mit unserem Mut zum Leben!
    Wir fordern
    - Abschaffung des politischen Strafrechts
    - Weg mit den Paragraphen 129 und 129a
    - Einstellung der Ermittlungsverfahren
    - Sofortige Freilassung der Gefangenen
    
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    [Grußadresse von Frauenlesben]
    
    Wir, die FrauenLesben vom bundesweiten, linksradikalen FrauenLesben- 
    Treffen grüßen Euch.
    Unser Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse schließt auch den  
    Kampf gegen staatliche Repression und für die die Freiheit der politischen  
    Gefangenen mit ein.
    Für Euren Kampf da drinne, wünschen wir Euch viel Kraft.
    -------
    projekt
     idsh
    
    

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