Beschluß des Zweiten Senats vom 14. Februar 1973 - 2 BvR 667/72 -
... Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet.
Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der Ausschluß von der Verteidigung enthält einen Eingriff in die Freiheit seiner Berufsausübung, der weder durch Gesetz noch durch Gewohnheitsrecht gedeckt ist ...
Der Ausschluß von der Verteidigung ist die schärfste Maßnahme, die im Strafverfahren gegenüber dem Anwalt des Beschuldigten überhaupt in Betracht kommt. Ein so schwerer und für das Verfahren endgültiger Eingriff in die Verteidigerstellung bedarf von Verfassungs wegen einer Begründung, die ihre Rechtfertigung unzweideutig, verläßlich und sicher in dem erklärten, objektivierten Willen des Gesetzgebers findet. Dazu genügt es nicht, daß der Ausschlußtatbestand "in Umrissen", also nur unvollkommen und lückenhaft, aus Sinn und Zweck einer Reihe gesetzlicher Vorschriften gewonnen werden kann. Vielmehr muß er sich insgesamt, in seinem vollen Umfang, als Ausdruck einer gesetzlichen Regelungsabsicht nachweisen lassen, wozu auch gehört, daß deutlich erkennbar ist, bei welchem Verdachtsgrad der tatbeteiligte Verteidiger aus dem Verfahren ausscheiden soll und wer im Streitfall darüber zu befinden hat. Diese strengen Anforderungen an Klarheit, Bestimmtheit und Vollständigkeit der gesetzlichen Grundlage sind ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit. Sie ergeben sich daraus, daß der Verteidigerausschluß Grundsätze von hohem Rang berührt. Die Entziehung der Verteidigungsbefugnis nimmt dem Beschuldigten den Anwalt seiner Wahl ...
Das Bundesverfassungsgericht verkennt nicht, daß mit diesem Ergebnis ein höchst unbefriedigender Rechtszustand aufgedeckt worden ist, dessen Aufrechterhaltung sich mit dem Interesse an einer geordneten Strafrechtspflege in keiner Weise vereinbaren läßt. Der Gesetzgeber wird daher die Voraussetzungen des Verteidigerausschlusses in naher Zukunft zu regeln haben ...
(Quelle: Nr. 9)
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