Bundeskanzler Schmidt (SPD):
... dem Rechtsstaat stehen im Grundgesetz und in den Gesetzen eine große Zahl verschiedenartiger Mittel, auch staatliche Gewalt in vielfältiger Form, zur Verfügung, um sie gegen Rechtsbrecher anzuwenden. So weit die gesetzliche Verantwortung der Bundesregierung und so weit ihr politischer Führungsauftrag reichen, so weit treten wir für volle Ausschöpfung der rechtsstaatlichen Gewalt ein. Unser Auftrag ist, die Verfassung und die Gesetze zu wahren und zu verteidigen; d.h.: die gesetzliche Ordnung zu verwirklichen - nicht anders kann ich den Amtseid verstehen, den die Bundesminster und der Bundeskanzler geleistet haben ...
Auch unsere Bürger müssen wissen - was die Innenminister natürlich schon längst wissen -, daß einerseits öffentliche polizeiliche Fahndungen, wie übrigens auch verdeckte Fahndungen, zweckmäßige Instrumente der Kriminalpolizei sind, daß aber bei der Bekämpfung konspirativen Terrors darüber hinaus auch die übrigen Sicherheitsbehörden in ihrer Arbeit unverzichtbar sind. Es kommt - ich spreche es aus - auf Infiltration in die Sympathisantengruppen hinein an. Ich spreche auch aus, daß es darüber hinaus auf die Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten ankommt, die das Gesetz nach Art. 10 des Grundgesetzes 1 zur Verfügung gestellt hat und für solche Zwecke hat zur Verfügung stellen wollen.
Die neue Herausforderung durch den Terrorismus gibt allen Anlaß, sorgfältig zu prüfen, ob alle die eben angedeuteten Möglichkeiten und Notwendigkeiten überall von den dazu Berufenen wirklich voll genutzt werden; denn z.B. ohne die nachrichtendienstliche Arbeit des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern würden polizeiliche Ergebnisse zu einem erheblichen Teil vom Zufall abhängen ...
Mir scheint, in erster Linie ist die Wirksamkeit der Strafverfolgung, also die Sicherheit, mit der ein Täter seine Bestrafung erwarten muß, für die Sicherheit in unserem Lande entscheidend. Allerdings: Gegenüber Terroristen, die sich in bewußter Willensentscheidung gegen unsere rechtsstaatliche Ordnung auflehnen und ihr eigenes Leben dabei aufs Spiel setzen wollen - und dafür gibt's ja Beispiele im Inland wie im Ausland -, müssen zwei wesentliche Grundgedanken des Strafrechts versagen: Gegenüber solchen muß die Abschreckung und muß wohl auch die Resozialisierung versagen; denn der Terrorist will sich ja in unsere Gesellschaft nicht einfügen. Im Gegenteil, er will sie umstürzen, ihr seine totalitären Ansprüche aufzwingen, und er läßt sich auch durch noch so hohe Strafen, auch nicht durch die Todesstrafe abschrecken; denn er ist ja bereit, aus Fanatismus sein Leben wegzuwerfen. Alle Beispiele, auch die internationalen, zeigen das. Auch das israelische, vielfältig zitierte Beispiel zeigt immer wieder, daß selbst härtestes Durchgreifen eines Staates, der in einer Verteidigungssituation sich nicht scheuen kann, selbst zu töten, den Terrorismus nicht bricht, weil eben die Terroristen ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen wollen.
Für die Bekämpfung dieser Terroristen bleibt folglich nur der dritte Grundgedanke des Strafrechts wirksam, nämlich die Sicherung. Das heißt, wir müssen sie hinter Schloß und Riegel bringen ...
Dabei sind wir uns sicherlich einig, daß die grundlegende, die grundsätzliche Fehlhaltung dieser Staatsverneiner, dieser Terroristen darin besteht, daß sie einen totalitären Anspruch erheben und dann auch noch glauben, daß Terror das geeignete Mittel zur Durchsetzung ihres totalitären Anspruchs wäre. Sie stellen sich damit als Gewaltkriminelle selbst außerhalb der Spielregeln, die unser demokratischer Rechtsstaat setzt. Meinungen können nicht durch Terror in politische Willensbildung umgesetzt werden. Und wer an die Stelle von Kritik und politischer Agitation nunmehr Drohung setzt und Gewalt setzt, der hat die Grenze überschritten, die politisches Handeln von Kriminalität scheidet.
Dies muß auch denjenigen gesagt werden, die es ja auch gibt - es sind nicht so ganz viele Menschen in unserem Lande -, die immer noch glauben, daß die Terroristen eigentlich einen politischen Anspruch erheben könnten, daß sie nur leider die falschen Mittel wählten. Es muß Schluß sein mit solcher Art von versteckter Sympathie. Wer da liebäugelt, macht sich mitschuldig ...
(Quelle: Nr. 5, S. 10731ff)
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1 Brief- und Postgeheimnis