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Tue Oct  7 23:10:45 1997
 

Erklärung zur Sache - Auszüge aus dem Manuskript

BRD/Sozialdemokratie - Dritte Welt

Einleitung

Wir haben gesagt, das sozialdemokratische Projekt gegenüber dem Befreiungskampf der Völker der Dritten Welt ist die Vietnamisierung der Counterinsurgency 1, die Strategie der Unterschleichung der offenen Intervention.
Wir werden das hier etwas genauer entwickeln - im ersten Teil 2 werden wir die allgemeinen Bestimmungen entwickeln, im zweiten etwas genauer zu Süd-Ost-Asien 3.
Es kommt uns hier darauf an zu zeigen, daß die Kapitalinvestitionen des multinationalen Kapitals, die dieser Staat in die Länder der Dritten Welt vermittelt, und so seine Entwicklungshilfepolitik eine Funktion in der amerikanischen Militärstrategie sind - so daß, wenn wir hier gegen diesen Staat bewaffnete Aktionen durchführen, diese eine unmittelbare Funktion der Befreiungskriege an der Peripherie sind und so aus dem internationalen Kräfteverhältnis zwischen Revolution und Imperialismus eine revolutionäre Offensivposition in den Metropolen.

BRD - Sozialdemokratie - Dritte Welt

Erster Teil

Die kapitalistische Strategie der Bekämpfung des tendenziellen Falls der Profitrate über die Ausbeutung der höheren Mehrwertraten in der Peripherie des Weltsystems, über den ungleichen Tausch als einer Methode der ursprünglichen Akkumulation ist seit dem Ende des 2. Weltkriegs in den revolutionären Befreiungskriegen der Völker Asiens und Lateinamerikas angegriffen worden. Die in dieser Strategie vermittelte Aggression des Kapitals gegen die Völker der Dritten Welt wurde durch den revolutionären Krieg zurückgeworfen, und - das sagen die Siege der kubanischen und algerischen Revolution - der Imperialismus und seine Profite wurden in die strategische Defensive gezwungen.
Die Metropolen des Weltsystems sind von der Avantgarde des Weltproletariats, dem Krieg der Dritten Welt, eingekreist. Die Offensive proletarischer Politik an der Peripherie engt die geographischen Grenzen des Kapitals ein, und indem der Prozeß der globalen Insurrektion 4 so Quelle um Quelle imperialistischer Extraprofite den transnationalen Konzernen in der Dritten Welt zudreht, wirft er das Kapital zurück auf die Metropole.
Im Maß, wie die höheren Mehrwertraten in der Peripherie nicht mehr zur Steigerung oder Stabilisierung der Durchschnittsprofitrate des Zentrums verfügbar gemacht werden können, muß die kapitalistische Strategie der Bekämpfung des Falls der Profitrate das Proletariat in der Metropole zu ihrem Ziel machen. D.h. daß das Kapital das Proletariat in den Metropolen mit Methoden der ursprünglichen Akkumulation ausbeuten, von der relativen zur absoluten Mehrwertproduktion übergehen muß - was sich im Maß der Vergesellschaftung nur institutionell durchsetzen läßt.
Es ist klar, daß die kapitalistische Strategie weiter gegen die Dritte Welt gerichtet ist und mit allen Mitteln versucht, die Initiative zurückzugewinnen - wir werden das noch untersuchen. Denn es ergibt sich aus der kapitalistischen Strategie gegen das Proletariat in den Metropolen, weil die Beseitigung der politischen Grenzen die Voraussetzung und Bedingung aller aggressiven Versuche einer Rekonstruktion in der Dritten Welt und einer erneuten Phase kapitalistischer Expansion sind.
Che in seiner Botschaft an die Tricontinentale 5: "Man muß endlich berücksichtigen, daß der Imperialismus ein Weltsystem, die letzte Stufe des Kapitalismus ist. Er muß in einer großen weltweiten Auseinandersetzung besiegt werden. Das strategische Ziel muß die Zerstörung des Imperialismus sein. Die Aufgabe, die uns, den Ausgebeuteten und Zurückgebliebenen der Welt, gestellt ist, besteht in der Eliminierung der Ernährungsbasen des Imperialismus." Das beschreibt die Führungsfunktion der Front, ihre Avantgarde-Rolle in der weltweiten Auseinandersetzung, weil sie die untersten Massen sind, ihr Standpunkt daher nur die radikale Negation des Imperialismus sein kann, ihre Befreiung das ganze System zerstören muß - und weil die Insurrektion dort aus der strategischen Situation der Weltdörfer, die den Imperialismus zu einem komplizierten Kampf auf fremden und feindlichen Territorien zwingen und seine Kräfte zersplittern, die Bedingungen des gesamten Systems verändert, den Belagerungsring um die Weltstädte zusammenziehen kann und die Profite des in den Zentren akkumulierten Kapitals weiter einkreist, so die Investitionsrichtungen und die Zusammensetzung des Kapitals verändert. Revolutionäres Subjekt dieser Prozesse der Kapitalbewegung ist so die Befreiungsbewegung, war das vietnamesische Volk - denn Gewalt ist auch eine ökonomische Potenz, die revolutionäre sowie die konterrevolutionäre Gewalt.
In Vietnam hat der Befreiungskrieg den US-Imperialismus und sein Staatensystem politisch, ökonomisch und militärisch in die Krise gestürzt. Der Widerspruch zwischen Weltproletariat und Kapital ist im Kampf des vietnamesischen Volkes antagonistisch geworden und hat dem Imperialismus, indem er ihn an diesem Punkt besiegte, seine Maschine zerschlug, eine strategische Niederlage mit globalen Wirkungen versetzt, die unter den Bedingungen des in dieser Phase bestehenden Kräfteverhältnisses die Sache kippt - strategisch entscheidend. Weil hier die Untersten des Weltproletariats im bewaffneten Kampf, an der proletarischen Strategie des Krieges für die Befreiung vom Kapital und aus der Unterentwicklung die Avantgarde der weltweiten Insurrektion konstituiert 6 haben, so wird ihr Kampf Orientierung und Vermittlung für den Anfang des Befreiungskrieges in den Metropolen, in Europa IRA, ETA, korsische u.a. autonomistische Bewegungen. Strategisch entscheidend, weil in Vietnam die Strategie des Kapitals auf dem theoretischen und praktischen Vorrang der Fixierung des Kräfteverhältnisses insistiert (7) hat: Weil sie hier das Beispiel auslöschen wollte, um den Völkern der Welt zu demonstrieren, daß Befreiung unmöglich ist und die imperialistische Gewalt die Verewigung der kapitalistischen Herrschaft mit allen Mitteln garantieren würde, daß sie sie auch mit Völkermord zu sichern entschlossen ist - und hier ist sie besiegt worden. Hier bricht das Projekt beispielhafter Demonstration imperialistischer Unbesiegbarkeit und absoluter Fähigkeit zur Sicherung des Status quo zusammen.
Hier entwickelte sich in der Dialektik der Strategie des Proletariats und der als extremste konterrevolutionäre Gewalt gefaßten Strategie des Kapitals die revolutionäre Kraft für die Offensive gegen den Imperialismus - in den drei Kontinenten der Befreiungskriege und in der Metropole die Aufnahme des bewaffneten Kampfes durch die Stadtguerilla.
Lin Biao 1963:

"Vietnam (ist) das überzeugendste Beispiel dafür, wie ein Opfer einer Aggression der USA in einem Volkskrieg siegt. Die USA haben aus Südvietnam ein Versuchsgelände gemacht, wie man den Volkskrieg unterdrückt. Sie haben Experimente durch viele Jahre fortgesetzt, und jetzt kann jedermann sehen, daß die USA-Aggressoren keinen Ausweg mehr finden, um sich gegen den Volkskrieg zu behaupten. Auf der anderen Seite aber hat das vietnamesische Volk seine Kraft im Volkskrieg gegen die USA-Aggressoren voll zur Geltung gebracht. Die USA-Aggressoren sind in Gefahr, im Volkskrieg in Vietnam unterzugehen. Sie befürchten sehr, daß ihre Niederlage in Vietnam eine Kettenreaktion auslösen könnte. Sie weiten den Krieg aus und machen damit einen Versuch, die Niederlage abzuwenden. Aber je mehr sie den Krieg ausweiten, um so stärker wird die Kettenreaktion sein. Je weiter sie bei der ,Eskalation« ihres Krieges gehen, um so tiefer wird ihr Fall sein und um so katastrophaler ihre Niederlage; um so klarer werden die Völker in anderen Teilen der Welt sehen, daß der US-Imperialismus besiegt werden kann und daß sie das, was das vietnamesische Volk kann, auch können." Er sagt das - zehn Jahre vor dem Tag, an dem das letzte Pig über das Botschaftsdach davonkriechen mußte.
Weil das imperialistische Weltsystem in den vergangenen Jahrzehnten seinen Grundwiderspruch in seine Peripherien verlagert und er sich dort zuerst zum Antagonismus entwickelt, zeigt sich die Schwäche, manifestieren sich alle inneren Widersprüche des Kapitals zuerst in der Dritten Welt und in den inneren Kolonien der Metropolen, reduziert sich die Perspektive aller seiner Projekte dort zuerst auf das, was sie schließlich überhaupt nur noch sein können: Genocid-Strategien - zuerst dort, wo die Insurrektion, der bewußte Aufstand gegen das Kapital am weitesten entwickelt ist.
In den USA, dem Zentrum der transnationalen Konzerne als den Protagonisten der Tendenz, kommt - nachdem 15 Jahre nach den Allianzen für den Fortschritt die Lüge des Rostowschen Entwicklungsmodells 8 und seine rein demagogische Funktion im wachsenden Hunger evident (9) geworden ist, der Vorschlag, ein paar hundert Millionen Menschen einfach verhungern zu lassen. Es sind für den Imperialismus zu viele, um sie zu ernähren, und es sind so viel zu viele, um sie der Repression zu unterwerfen.
Aber es ist zu spät, die Sache "eindämmen und neutralisieren" zu wollen. Was das Kapital will: die von der Partizipation an der Entwicklung des imperialistischen Weltsystems ausgeschlossenen Massen - und das waren 1970 nach einer Schätzung der Welternährungsorganisation FAO 1,2 Milliarden Menschen in der Dritten Welt, die in Armut und Elend leben, etwa eine Milliarde, die mangelhaft ernährt, und 500 Millionen, die ständig unterernährt sind - auch formell aus der imperialistischen Reproduktion ausschließen, sie sozusagen aus dem Weltsystem wieder "entlassen" - nur noch Rohstoffe von dort beziehen - läuft nicht: - weil das Kapital dort Strukturen an der Basis und im Überbau produziert hat - die traditionellen, vor allem die der Subsistenzwirtschaft zerstört -, die imperialistisch sind und die die Völker zwingen, den Imperialismus als den Feind ihres Lebens, ihrer Würde, ihrer Menschlichkeit zu identifizieren und in der Front gegen den Imperialismus zu kämpfen.
Es ist ein widersprüchlicher Prozeß - je mehr der Imperialismus durch die proletarischen Massen in der Dritten Welt, die er selbst durch die Strukturierung der Peripherie nach seinen Akkumulationsbedürfnissen vom System ausgeschlossen, marginalisiert, zu den Verdammten der Erde und so zu einem gewaltigen Potential des Befreiungskrieges gemacht hat, bedroht und auf seine Akkumulationszentren zurückgeworfen wird; je mehr hier die Ausbeutung intensiviert werden muß durch Technologie und Erhöhung der Maschinerie; je mehr in diesem Prozeß die Produktion vergesellschaftet, das Kapital konzentriert wird und in der Tendenz zur Automation die Quelle des Tauschwerts, die lebendige Arbeit, aus dem Produktionsprozeß eliminiert, den Wert auflöst - desto mehr braucht das Kapital die Ausbeutung der Peripherie, den dort produzierten Wert. Nicht nur, weil der Drang nach schrankenloser Ausdehnung "dem Kapital eigen ist", sondern das Kapital kann nicht durch eine bloße Erhöhung der Mehrwertraten in den Metropolen die Entwicklung stabilisieren. Das verlangt eine Dimension des Zwangs, die Klassenkämpfe mobilisiert, so die organische Zusammensetzung weiter erhöht, die Tendenz zur Automation verstärkt und die Profitrate von diesem Punkt wieder angreift - den Widerspruch also nur auf einer höheren Ebene zur krisenhaften Zuspitzung entwikkelt.
Das Kapital muß also, während es in den Metropolen das Kapitalverhältnis vermittels der außerökonomischen Zwangsgewalt des Staates in ein direkt politisches Verhältnis transformiert 10, weil es expandieren muß, die Peripherien weiter ausplündern, muß sich den dort produzierten Wert (über den ungleichen Tausch) aneignen, um ihn in den Akkumulationszentren zu realisieren.
Unter den Bedingungen der Offensive der Befreiungskriege sind dazu neue Repressionstechnologien nötig, mußten Wirtschaftsbeziehungen zur Dritten Welt umstrukturiert werden. Das heißt also, während die großen Massen der Völker der Dritten Welt aus dem System ausgeschlossen werden, gegen sie eine Politik der Ausrottung durch Hunger und - wo sie dagegen kämpfen - Counterinsurgency, in jedem Fall eine Politik des Genocid gerichtet wird, werden die Kapitalinteressen auf jene Gebiete konzentriert, die noch nicht von der Insurrektion erfaßt sind, und es wird eine neue Form der internationalen Arbeitsteilung entwickelt.
Das Ziel ist, die klassische industrielle Produktion - die nicht automatisierte, die aus der lebendigen Arbeit den Mehrwert pressende - in "politisch stabile", d.h. faschistisch beherrschte Peripherieländer auszulagern und in den Metropolen die technologisch am höchsten entwickelten Produktionszweige zu monopolisieren, so die ungleiche Entwicklung als die Grundlage des Imperialismus noch einmal auf einer neuen Ebene zu rekonstruieren, im Kampf gegen die tendenziell auf null fallende Profitrate, gegen den Klassenkampf. Das ist die Konzeption imperialistischer "Entwicklungs"politik als "Industrialisierung der Dritten Welt" - und Genscher, Bahr 11, Eppler haben oft genug klar gemacht, daß "arbeitsintensive" Produkte in die Dritte Welt gehören; inzwischen wird kaum noch versucht, das als Maßnahme gegen Hunger in der Dritten Welt zu verkaufen; Sache ist - offen -, daß da was zu holen ist:
"Es ist auf die Dauer wirtschaftlich unsinnig - sagt Bahr -, bei uns Waren zu produzieren, die in Entwicklungsländern mit ungelernten und billigen Arbeitskräften ohne großen Kapitaleinsatz und mit billigeren Rohstoffen hergestellt werden können. Solche Produkte müssen - auch im Interesse der Verbraucher - künftig verstärkt importiert werden" - die andere Seite des Projekts faßt Ulrich vom Vorstand der Deutschen Bank zusammen: "Wir sind ein Land ohne Rohstoffe und benötigen daher hochwertige Industrieproduktionen. Industrielles Know-how ist unsere Stärke. Die dürfen wir nicht gefährden." ("Wirtschaftswoche" 5/75) - Gefährdung - das wäre die Vermittlung von Know-how, die Weitergabe von Technologien an die Länder der Dritten Welt.
Die imperialistischen Metropolen besitzen das Technologiemonopol und bauen es weiter aus, durch eine weltweite neue selektive 12 Arbeitsteilung: Durch Verlagerung arbeitsintensiver Produktion in imperialistische Subzentren und Belieferung regionaler Exportmärkte von dort aus nimmt die strategische Bedeutung des Technologiemonopols enorm zu. Sie ist ein anderer Aspekt des ungleichen Tauschs. Amin (13) stellt fest:
"Unctad, das Komitee der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, hat versucht, die Höhe der Beiträge zu errechnen, die die unterentwickelten Länder den entwickelten für Technologie in verschiedenen Formen bezahlen: Abgaben und Gebühren für die Benutzung von Patenten, Profite für die Beteiligung von Auslandskapital, die nur durch Lizenzen bezahlt werden, hohe Preise bei den Ersatzteilen und der Wartung verkaufter Anlagen usw. Die niedrigste Schätzung, die Unctad als viel zu tief ansieht, liegt bei 1,5 Mrd. $ für 1968. Nun nehmen aber diese Transfers im Rhythmus von 20% pro Jahr zu und werden schon 1980 neun Mrd. Dollar, d.h. 20% der wahrscheinlichen Exporte der unterentwickelten Länder Ende der 70er Jahre, darstellen. Es handelt sich hier wiederum um einen Monopolpreis des allerabsolutesten Monopols, nämlich der Technik. Solange die Produktionstechnologien relativ einfach blieben, verlangte die Monopolisierung des Know-how die direkte Kontrolle der Produktionsmittel, d.h. praktisch durch ausländischen Kapitalbesitz. Diese direkte Aneignung wird tendenziell unnötig, sobald über den Umweg der Technologie das Kapital der Zentren die Industrien der Dritten Welt beherrschen und aus ihnen substantielle Profite ziehen kann, ohne erst ihre Errichtung bezahlen zu müssen."
Indem das Kapital den herrschenden Eliten in den Ländern der Dritten Welt überläßt, dort eine Entwicklung in der Form von nationalstaatlichem Eigentum selbst durchzuführen - auch was die Finanzierung betrifft -, sie selbst eine klassische industrielle Produktionsmaschinerie errichten läßt - während es sich selbst in seinen Akkumulationszentren auf Automation, Elektronik, Atom-, Luft-, Raumfahrtindustrie usw. konzentriert -, wird es die Direktinvestition von Kapital in der Dritten Welt als Herrschaftsinstrument tendenziell überflüssig machen. Selbst die einfachste Nationalisierung des ausländischen Kapitals in den Ländern der Dritten Welt kann die Reproduktion von Ungleichheit und Abhängigkeit nicht beenden. An der Desintegration der Sektoren der peripheren Wirtschaft, an ihrer Außengerichtetheit durch die Dominanz des Exportsektors, an der Stagnation der übrigen Sektoren - insbesondere der Agrarproduktion für die eigene Versorgung - als Folge des ständigen Profittransfers in die Metropolen und der Irrelevanz aller technischen Fortschritte im industriellen Exportsektor für die übrigen Sektoren - einfach: an der imperialistischen, deformierten Struktur des peripheren Kapitalismus - kann sich nichts ändern. Mit den proletarisierten und marginalisierten Massen hat diese "Entwicklung" nur insofern was zu tun, als sie sie in noch stärkerem Maße vom Land an die Ränder der Städte zieht, als Reservearmee ohne reale Hoffnung auf Arbeit in Slums - hungern - die Ausgestoßenen des Systems der kapitalistischen Entwicklung.
Iran und Brasilien - die wachsenden Gürtel der Slums um Teheran und Sao Paulo - zeigen beispielhaft Folgen einer Entwicklung, die nach der Konzeption der neuen Arbeitsteilung an dem von den Multis beherrschten Weltmarkt orientiert verläuft - wie die Repression Pahlevis 14 und der brasilianischen Militärs beispielhaft die politische Form dieser Entwicklung: Terror, Folter, Faschismus. Es kann keine unabhängige, nationale Entwicklung geben unter den Bedingungen des Technologiemonopols der Konzerne und der Integration in den imperialistisch beherrschten Weltmarkt - so gibt es nur die Reproduktion von Abhängigkeit und Außengerichtetheit (wofür die Richtung der Petro-Dollar-Investitionen des Schah: in die Metropolen - ein Symptom ist).
Selbst wenn sich Subzentren der Akkumulation in nationalstaatlichem Eigentum entwickeln können - wie die OPEC-Länder, die sich nicht wegen fehlender Eigenmittel von den imperialistischen Organisationen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds Kredite beschaffen und damit Bedingungen diktieren lassen müssen -, sind diese Kapitale gezwungen, auf dem vom Imperialismus beherrschten Weltwaren- und Kapitalmarkt zu fungieren. Der Weltmarkt ist von einer Handvoll transnationaler Konzerne besetzt und geplant. Sie besitzen die Technologie der Konzernplanung und -steuerung, der langfristigen Absatzplanung aufgrund ihrer Informationsmonopole über die Bedingungen des Weltmarkts, sie verfügen über Währungsreserven, deren Bewegungen die nationalen Währungen in der Dritten Welt erschüttern und unterminieren können; ihren Strategien dienen die Rohstoffreserven der US-Regierung, deren Einsatz die Weltmarktpreise heben oder senken kann; sie fertigen Länderstudien an, um Investitions- und Absatzstrategien zu entwickeln, die der CIA mit Counterinsurgency politisch sichert. Die kybernetischen Techniken zur Unternehmensorganisation, d.h. zur Auspressung von Mehrwert, Erhöhung der Profitraten, sind von ihnen monopolisiert. Es kann keine gleichmäßige wirtschaftliche Entwicklung für die Völker der Dritten Welt geben, keinen gerechten Tausch untereinander, keine solidarische Hilfe beim Aufbau, keine Ökonomie der Rohstoffe, keine Herrschaft der Arbeiter in der Produktion, solange die Konzerne die Akkumulationsbedingungen der Weltwirtschaft - indirekt auch die Binnenmärkte der politisch unabhängigen sozialistischen Staaten - beherrschen, der Produktion ihren mörderischen Rhythmus, ihre destruktive Richtung aufzwingen.
Die Voraussetzung für jede Entwicklung einer unabhängigen nationalen Wirtschaft, deren Sektoren miteinander integriert sind und nicht mehr von einem Exportsektor beherrscht und verzerrt werden, einer Wirtschaft, die für das Volk funktioniert, ist die Enteignung des imperialistischen Kapitals und die Zerschlagung der Fessel des Landes an den imperialistischen Weltmarkt, so die Entwicklung des Agrarsektors, der nationalen Industrialisierung. Das ist nur möglich unter den Bedingungen der Politik sozialer Revolution, damit internationalistischer, antiimperialistischer Politik weltweit, für die endgültige und restlose Vernichtung des Weltsystems der Konzerne. Erst das wird neue Abhängigkeit, neue Deformierung und Blockierung der Entwicklung ausschließen.
Dagegen läuft der Versuch des Systems der transnationalen Konzerne, der Dritten Welt eine neue Form der internationalen, ungleichen Spezialisierung aufzuzwingen - ihnen, verpackt in der Demagogie der "Kooperation", die arbeitsintensive Produktion für die Metropolen, für die Profite der transnationalen Konzerne, anzudrehen, wie Genscher es vor der 7. UN-Sondergeneralversammlung ausdrückte: Die BRD sieht "die Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung als auch im eigenen Interesse liegend an". -
Dem imperialistischen Staatensystem mit den US an der Spitze steht außer militärischen und ökonomischen Strategien ein ganzes Arsenal zur Verfügung, um in strategischen Sektoren der Länder der Dritten Welt politische Autonomie zu verhindern und zu untergraben. Strategische Sektoren sind Ausbildung, Erziehung und Massenkommunikation. Der Imperialismus weiß, daß ihre Beherrschung, die Verfügung über strategische Punkte neokolonialer Aggression und Durchdringung, so die Reproduktion der von ihm geschaffenen sozialen Strukturen kolonialer Unterentwicklung und Erniedrigung, stört. Wo zum Beispiel der Frelimo 15 im Kampf um die Erziehung und Ausbildung der Kinder Schulhefte und Bleistifte fehlen, setzt der Imperialismus Nachrichtenagenturen ein, entwickelt Kommunikationssatelliten und Strategien der Gehirnwäsche, produzieren zahllose Agenturen Lernmaterial, Filme, Bücher, Radio- und TV-Programme, um sie zu verkaufen und als, wie es heißt, Entwicklungshilfe gezielt zu verteilen:
Während das Kapital über den Weltmarkt versucht, alle Länder, auch die befreiten, in eine Funktion der imperialistischen Akkumulation zu zwingen und - wo ihm das gelingt - damit auch den Absatz für seine imperialistischen Lern- und Ausbildungsprogramme und seine faschistischen Hollywoodheldenserien sichert - und die erreichen 500 Millionen TV-Zuschauer in 95 Ländern -, entwickelt diese Propaganda das ideologische Klima zur Erhaltung seiner Herrschaft. "Das Fernsehen mit seiner universalen Sprache hat sich als wirksames Instrument erwiesen, die Ideologie des Konsums zu verbreiten", stellt eine Unesco-Studie fest - und die Ideologie des Konsums ist die des sich in seine Unterwerfung fügenden Objekts -, weshalb Bahr auch erklärt: "Für die Entwicklung der Dritten Welt ist Medienpolitik eine Aufgabe, die unmittelbar nach der Sicherstellung der Ernährung rangiert und mindestens gleich wichtig ist wie Wirtschafts-, Währungs- oder Bevölkerungspolitik." Was heißt, daß Bahr vom Standpunkt des Imperialismus richtig davon ausgeht, daß Gehirnwäsche genauso wichtig ist wie Ausplünderung, Auspressung und Ausrottung in der Dritten Welt, daß das die miteinander verbundenen Bedingungen der Politik der SPD in der Dritten Welt sind.
Das taktische Projekt, das über die westdeutsche Außenpolitik und die Sozialdemokratie läuft, ist die Funktion der Sozialdemokratie in der konterrevolutionären Strategie der Ungleichzeitigkeit, zur Sicherung der ungleichen internationalen Arbeitsteilung auf einer neuen Ebene - das ist der Zweck von Brandts, Wischnewskis 16 und Genschers Reisen nach Nahost - zu Sadat, Chaled (und Rabin natürlich) -, nach Afrika und Lateinamerika, zu Mobutu wie zu Echeverria und Perez (17): durch Erpressung, Bestechung, Korruption die Bedingungen für den Verrat und die bedingungslose Unterwerfung unter die transnationalen Konzerne zu schaffen. Weil der US-Imperialismus nackt als die Verkörperung der Verbrechen der Genocid-Strategie vor der Welt steht; und seine Repräsentanten viele Länder der Dritten Welt nicht betreten können, ohne daß dort der Ausnahmezustand verhängt werden muß -, schickt er die sozialdemokratischen Masken vor.
Auch hier haben sich die Verhältnisse umgekehrt: Operiert das westdeutsche Kapital während des Aufstiegs des US-Imperialismus im Schatten seiner Aggression, unter dem Schutz seiner politisch-militärischen Macht, so soll die westdeutsche Politik jetzt der Aggression der transnationalen Konzerne mit verdeckten Methoden den Weg bahnen, wo sie anders nicht mehr hinkommen können, weil die Macht ihrer politischen und militärischen Maschine in der Offensive des weltweiten Befreiungskrieges gebrochen worden ist, den Mythos ihrer Unbesiegbarkeit verloren hat.
"Bonn - sagt Genscher (lt. "Spiegel" 48/75) - müsse überall dort einspringen, wo die Amerikaner, Briten und Franzosen in der Dritten Welt aus ihren angestammten Positionen verdrängt werden." Das ist: Südeuropa, Nahost, Nordafrika, Schwarzafrika, Lateinamerika - wie er sich das denkt.
Wo Erpressung, Bestechung, Korrumpierung nicht ausreichen, um aus defätistischen ganze Verräter und Kapitulanten zu machen - und weil das schließlich auch getarnt werden muß -, besteht die Politik Bonns gegenüber den Ländern der Dritten Welt zu einem wichtigen Teil darin, bei diesen Politikern Hoffnungen zu erzeugen, Verprechungen zu machen, bei denen von vornherein klar ist, sie zu halten, und deren Zweck ist, die wirklichen Interessen und Ziele zu verstecken, Zeit zu gewinnen, die "Konfrontation" zu verzögern: Denn die Strategen des Kapitals wissen: daß in der Konfrontation der Imperialismus Bedingungen nicht mehr politisch, militärisch, ideologisch deutet.
So hat die Bundesregierung "ohne Vorbehalt" dem Abschlußtext der 7. UN-Sondergeneralversammlung zugestimmt, in deren Präambel die Prinzipien der Grundsatzerklärung des Aktionsprogramms für die Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung anerkannt werden, die abzielen auf: - Abschluß von Rohstoffabkommen;
- Indexierung der Rohstoffpreise, d.h. ihre Bindung an die Entwicklung der Preise von Industriegütern, um so die weitere Verschlechterung der ungleichen Terms of Trade zu verhindern; - Befürwortung der Bildung von Zusammenschlüssen der rohstoffproduzierenden Länder nach dem Muster der OPEC; - Enteignung von ausländischem Kapital allein nach dem nationalstaatlichen Recht.
Prinzipien, gegen die die Bundesregierung sich noch ein Jahr früher bei der 6. UN-Sondergeneralversammlung ausgesprochen hatte. Sie hat jetzt mit ihrer Zustimmung außerdem die Absichtserklärung akzeptiert, bis zum Ende der 70er Jahre die "Entwicklungshilfe" auf 0,7% des Bruttosozialprodukts zu erhöhen, und sie hat der Verbindung der IWF-Sonderziehungsrechte 18 mit "Entwicklungshilfe" zugestimmt.
Weil das parallel zu den Bonner Haushaltsberatungen lief, wo nicht eine Erhöhung der "Entwicklungshilfe" von gegenwärtig 0,37% des BSP, sondern eine Kürzung der Mittel für die Dritte Welt beschlossen wurde - und auf lange Sicht -, weil die Ablehnung von Rohstoffabkommen, Preisindexierung, Produzentenkartellen, Enteignungen, aller vor den UN anerkannten Prinzipien als Politik der Bundesregierung bekannt ist, stellt sie hier sofort klar, daß es sich da in New York schließlich um eine "unverbindliche Absichtserklärung" handele. Die "FR" nennt das eine "Beruhigungs- und Verzögerungspolitik" und führt den Bonner Vorschlag der "Stabilisierung der Exporterlöse" als gutes Beispiel für diese Taktik zur Vermeidung des Konflikts mit der Dritten Welt an. "Newsweek", ohne Bemühung um Diskretion klarer: Es geht darum, die Forderungen der Länder der Dritten Welt totzureden.
So ist die Aufregung einiger imperialistischer Gruppen - um die CDU - über die Zustimmung der Bundesregierung zum Abschlußtext der 7. Sondergeneralversammlung und ihr Hinweis darauf, daß die USA das nicht getan haben, sondern ihr Botschafter "keinen Zweifel daran ließ, daß es für Washington niemals eine neue Weltwirtschaftsordnung auf Kosten der freien Marktkräfte" - also der transnationalen Konzerne - geben wird, nur ein Ausdruck des Unverständnisses dieser Gruppen - die Brandt vom Standpunkt der sozialdemokratischen Konzeption daher auch zu recht als "Sicherheitsrisiko" für die Bonner Außenpolitik bezeichnete - für die Verteilung der politischen Aufgaben innerhalb der Globalstrategie. Den US bleibt nichts anderes, als "keinen Zweifel" an ihrer imperialistischen Politik zu lassen: Denn es bestehen keine mehr. Sie haben kein "Gesicht" mehr, das sie noch vor den Völkern der Dritten Welt verlieren könnten. Aber die Bonner Sozialdemokraten haben das noch - was ihre scheinbar widersprüchliche Politik bestimmt.
Genscher - in seiner Rede vor der 7. Sondergeneralversammlung - bringt es, die Verewigung der ungleichen Entwicklung des Weltsystems vorauszusetzen und die Länder der Dritten Welt mit ihrer eigenen Abhängigkeit und Unterentwicklung zu Wohlverhalten und Akzeptierung ihrer ausgebeuteten Stellung im Weltsystem erpressen zu wollen: "Interdependenz - sagt Genscher - bestimmt heute auch die Beziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern: Brauchen die Industrieländer Rohstoffe und Öl der Entwicklungsländer, so brauchen diese Kapital, Technologie und Getreide der Industrieländer. Jede Seite braucht für den Absatz ihrer Produkte den Markt der anderen.
Von den Exporten der Entwicklungsländer nehmen 75 Prozent allein die OECD-Länder auf; 20 Prozent sind Austausch zwischen den Entwicklungsländern selbst; 5 Prozent gehen in die Staatshandelsländer. Das bedeutet: Die Wachstumsrate der marktwirtschaftlichen Industrieländer und die Wachstumsraten der Entwicklungsländer stehen in unauflösbarem Zusammenhang. Verlangsamung des Wachstums in den OECD-Ländern führt über den Rückgang der Einfuhren automatisch auch zur Verlangsamung des Wachstums in den Entwicklungsländern. Wenn es dafür eines Beweises bedarf, so liefert ihn die gegenwärtige Lage.
Beide Seiten also können entweder gemeinsam expandieren, oder sie müssen gemeinsam stagnieren. Wer die Wachstumschancen des anderen nicht berücksichtigt, gefährdet auch das eigene Wachstum. Wer durch seine Politik das Wachstum des anderen gar beeinträchtigt, schadet mit Sicherheit im Endeffekt auch sich selbst.
Für die praktische Politik bedeutet das: Keine Seite kann gewinnen, wenn sie Ansprüche durchsetzt, die mit einem kontinuierlichen Wachstum der Weltwirtschaft unvereinbar sind. Umverteilung vorhandener Güter in einer stagnierenden Wirtschaft führt nicht weiter; Entwicklung läßt sich dauerhaft nur beschleunigen innerhalb einer expandierenden Weltwirtschaft. In einer interdependenten 19 Welt führen Konfrontation und einseitiges Handeln ohne Rücksicht auf den anderen unausweichlich dazu, daß am Ende alle Parteien verlieren. Interdependenz heißt also Zwang zu Zusammenarbeit und gemeinsamer Verantwortung. Sie bringt aber ebenso eine große Chance: Durch Kooperation können wir heute gemeinsam wirtschaftliches Wachstum und sozialen Fortschritt für alle erreichen. Kooperation muß deshalb heute wie für die Zukunft die Grundlage des Zusammenlebens auf dieser Erde sein."
Genscher täuscht, um die Ziele des US-Imperialismus in der Dritten Welt zu realisieren, eine "Gleichheit" der Staaten innerhalb der "Weltmarktwirtschaft" vor, "Interessenausgleich" von "Partnern" "in völliger Gleichberechtigung" - um die Ungleichheit zu erhalten und zu verewigen. Er droht den Ländern der Dritten Welt mit der imperialistischen Beherrschung des Weltmarktes und versucht, sie mit der "gegenwärtigen Lage" zu erschrecken - um zu verhindern, daß diese Lage geändert wird. Aber hinter Genschers Beschwörung einer angeblichen "Interdependenz", die immer nur meint das Wachstum der imperialistischen Profite auf Kosten der Entwicklung der Dritten Welt, daß die Völker der Dritten Welt hungern, wenn es den US-Konzernen gut geht - in den 25 Jahren imperialistischer Prosperität von 1945-1970 ist der Hunger der Völker nur größer geworden. - Hinter Genschers Versuch steht die Angst des Imperialismus, daß den Völkern genau diese "Interdependenz" bewußt wird und sie mit bewaffneter Politik, Befreiungskrieg das weitere Wachstum des Imperialismus allerdings und für immer unmöglich machen, um sich selbst Entwicklung, Unabhängigkeit, Menschlichkeit zu erkämpfen.
So zielt Genschers beschwörender Appell zur "Kooperation" auch auf die abhängigen Bourgeoisien der Länder der Dritten Welt, die er als Vermittlung zwischen den imperialistischen Interessen und den Gewehren der Völker einsetzen will - diese Bourgeoisien sollen, wie er sich das vorstellt, den Kampf der Völker unterdrücken, um dem Imperialismus weiteres Wachstum zu sichern und zugleich selbst zu partizipieren. Die Bourgeoisien der Länder der Dritten Welt sollen die Initiative des imperialistischen Kapitals in ihre Länder, d.h. gegen ihre Völker vermitteln. Es wird klar, daß die von Genscher vorgeschlagenen Maßnahmen zu diesem Zweck den verräterischen Vertretern der abhängigen kolonisierten Bourgeoisien der Dritten Welt in der Tat Grund gegeben haben, ihm zu seiner Rede zu gratulieren - denn schließlich sollen sie für ihre Funktion bezahlt werden.
Denn wie diese Maßnahmen die Struktur imperialistischer Beherrschung, durch die und in der diese Bourgeoisien nur existieren, nur reproduzieren und damit auch die Existenz dieser parasitären Klasse, so vergrößern diese Maßnahmen auch ihren eigenen Anteil an der Ausplünderung der Völker. An der Verzerrung der Wirtschaft, der Dominanz der Exportsektoren, der Nicht-Integration der einzelnen Sektoren, der Verwüstung der Agrarproduktion, der Außensteuerung der transnationalen Konzerne, der Entwicklung von Unterentwicklung - ändert das alles nichts. An dem Kernstück von Genschers Vorschlägen, der "Stabilisierung der Rohstoffexporterlöse", wird es klar: "Die meisten Entwicklungsländer - sagt Genscher - sind für ihre Deviseneinnahmen und für ihre Haushaltseinnahmen von Rohstoffexporten abhängig", und weiter: "Stabilität und Steigerung der Rohstoffexporterlöse sind für diese Länder deshalb ein vitales Ziel", das die BRD unterstützt - das heißt, daß die Abhängigkeit von Rohstoffexporten unterstützt wird - von einer Änderung ist natürlich nicht die Rede - und, ausgehend von der zentralen Frage: "Für wen?", heißt es weiter, daß die Politik der Bundesregierung die "Stabilität und Steigerung" der Erlöse nicht für die Ausgebeuteten und Verhungernden dieser Länder will, sondern für die kolonisierten Kompradorenbourgeoisien und die aufgeblähten Staatsbürokratien, die die Rohstoff-Förderung und den -Export kontrollieren, oder - wo sie in ausländischem Besitz sind - daran partizipieren, und die mit den "stabilisierten und gesteigerten" Erlösen ihre das Nationaleinkommen verfressende Bürokratien noch mehr aufblähen, nur noch mehr Luxuskonsum, Ausrüstungsgüter, Prestigeobjekte, imperialistische Kommunikationssysteme und die dazugehörenden Gehirnwäscheprogramme, Bullenapparate und vor allem auch Rüstungsgüter von den imperialistischen Konzernen kaufen und so wiederum deren Profite "stabilisieren und steigern" - kurz: Was die Bundesregierung unterstützt, ist ein in der Tat "vitales Ziel" des Staatensystems des US-Imperialismus. Denn unter den Bedingungen dieses Systems bedeutet "Stabilisierung und Steigerung der Rohstoffexporterlöse" Stabilität und Steigerung des imperialistischen Profits, der Abhängigkeit der Länder der Dritten Welt vom und ihre Außensteuerung durch den Imperialismus - für die Völker der Dritten Welt bedeutet es nichts als Stabilität und Steigerung ihres Hungers, ihres Elends, ihrer Ausplünderung, ihrer Marginalisierung - Stabilität und Steigerung der Entwicklung von Unterentwicklung.
Die westdeutsche Außenpolitik operiert gegen die Länder der Dritten Welt mit Erpressung, Bedrohung, Einschüchterung ebenso wie mit Bestechung und Korruption, Demagogie und Täuschung und Lüge. Wie sie einerseits das von Kolonialkriegen seit Jahrzehnten unbefleckte Image des deutschen Kapitals auszunutzen versucht, so zielt sie andererseits auf die materiellen Interessen der die Interessen der Völker verratenden herrschenden Klassen in den Ländern der Dritten Welt, um auf dieser Grundlage zu operieren, um die Strategie der transnationalen Konzerne durchzusetzen.
In "Dimension deutscher Außenpolitik heute" (in: "Außenpolitik", Zeitschrift für internationale Fragen, 4/74) stellt Genscher fest: "Im bisherigen Verlauf der Debatten der 29. Generalversammlung zeigt sich, wie schon zu Beginn auf der 6. Sondergeneralversammlung, daß die Gefahr einer Verschärfung des Nord-Süd-Gegensatzes gewachsen ist. Ein leider nicht unbeträchtlicher Teil der Länder der Dritten Welt neigt immer mehr dazu, die Mehrheit in den Vereinten Nationen ... zur Durchsetzung von Maximalforderungen auszunutzen, die mit den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Realitäten allenfalls nur um den Preis gefährlichster Konflikte in Übereinstimmung gebracht werden können."
Was da "nicht in Übereinstimmung" gebracht werden kann, ist die soziale, politische und ökonomische Befreiung der Länder der Dritten Welt - die "Maximalforderungen" - mit der imperialistischen Herrschaft: den "politischen, wirtschaftlichen und sozialen Realitäten".
Am Rande macht Genscher hier auch gleich klar, daß, nachdem die UNO nicht mehr für den Imperialismus funktioniert, sein Verständnis von der Mehrheit exakt dem von Scali und Moynihan 20 gleicht, die meinen, die US könnten sich nicht der "tyrannischen und ignoranten Mehrheit" beugen, die auszunutzen oder "zu mißbrauchen" die Länder der Dritten Welt sich anmaßen - was nur auf den Antagonismus verweist, der der Imperialismus und Demokratie sind - jenes Verhältnis zur Mehrheit, zu den Völkern zeigt, das der Imperialismus schließlich mit Folter und Terror, mit Krieg gegen das Volk durchzusetzen versucht.
Und Genscher droht mit Krieg - und gibt gleichzeitig die Methode, die Taktik an, mit der der Imperialismus seine Herrschaft aufrechterhalten will, ohne Krieg führen zu müssen: "Unsere zweiseitigen Beziehungen zu der ganz überwiegenden Mehrzahl der Länder der Dritten Welt sind vertrauensvoll und freundschaftlich."
Das Projekt ist, mit "vertrauensvollen und zweiseitigen Beziehungen" die Front zu spalten, als Bedingung imperialistischer Herrschaft, die dann "Kooperation" genannt wird und das jeweilige Land in das imperialistische Weltsystem einbindet; es ist der Versuch, mit der Ideologie und der Institutionalisierung des Korporativismus den Klassenkampf von oben, imperialistische Hegemonie zu sichern. Das Instrument zur Erreichung "guter zweiseitiger Beziehungen" ist die Erhöhung der bilateralen "Hilfe" an die afrikanischen Länder - als ein Hauptziel der Aggression des westdeutschen Imperialismus -, während der Anteil, der über internationale Institutionen wie die OAU, die FAO usw. läuft, also weniger geeignet ist, durch selektiven Druck die Front der Staaten der Dritten Welt aufzuspalten, gleichgeblieben ist und verringert wird:
"Die Umorientierung der Bundesregierung bei der Vergabe von Entwicklungshilfe von multinationaler auf bilaterale Direkthilfe" - schreibt die "SZ" am 30.1.75 - "ist auf der Regionalkonferenz deutscher Afrika-Botschafter, die unter Vorsitz von Staatssekretär Walter Gehlhoff aus dem Bonner Auswärtigen Amt gegenwärtig in Nairobi stattfindet, debattiert worden ... Nach Ansicht von Konferenzkreisen ist die Umorientierung bei der Verteilung der Hilfe auch als ,Warnschuß« an die Adresse der Entwicklungsländer gedacht, die zwar durchweg gute bilaterale Beziehungen zur Bundesrepublik unterhalten, jedoch in internationalen Organisationen - wie der UNO - in Blockstimmungen emotionell gegen die Industriestaaten, darunter auch die Bonner Regierung, zu Felde ziehen. Ein Beschluß der Nairobi-Konferenz war es, durch einen Ausbau der bilateralen Hilfe in diesen Ländern auch für den Standpunkt der Bundesregierung in internationalen Fragen verstärkt zu werben."
Aber trotz der Erpressung bzw. auch und gerade weil sie so notwendig geworden ist 21, ist das Problem Bonns schon, daß nicht alle Länder, sondern nur die "überwiegende Mehrzahl" keinen Verdacht schöpft bzw. ihn nicht offen ausspricht - denn natürlich kennen alle Politiker der Dritten Welt die militärischen und politischen Ziele des BRD-Imperialismus, seine Funktion für den US-Imperialismus. Sie werden offensichtlich am Verhalten denen gegenüber, denen der Verdacht bewußt und Gewißheit geworden ist und die weder einen Grund noch Angst haben, um ihn nicht auszusprechen - zum Beispiel Mocambique:
So rennt das Bonner Regime der Volksrepublik Mocambique förmlich die Tür ein, um sich für ein paar Millionen wenigstens mal diplomatisch einzukaufen - in der Erkenntnis der strategischen Bedeutung Mocambiques, seines Befreiungskampfes und Sieges für den Befreiungskrieg im südlichen Afrika, für ganz Afrika und die Dritte Welt; in Erkenntnis auch, daß die Verachtung, mit der das befreite Volk Mocambiques die Bonner Regierung behandelt, den westdeutschen Imperialismus vor allen Völkern denunziert - der Faschist und Rassist Germani, Südafrikakorrespondent der "Welt", sieht schon die Würde der BRD bedroht - während er einerseits nach NATO-Truppen, Bundeswehreinheiten schreit, nach einer "direkten militärischen Intervention eines westlichen Staates mit regulären Verbänden", die an der Seite der südafrikanischen Apartheid-Rassisten gegen die MPLA 22 kämpfen sollen, spricht er damit das Dilemma der Bonner Regierung aus.
Denn das Problem sozialdemokratischer Außenpolitik ist, daß die Völker von Mocambique, Guinea-Bissau, Angola, Namibia hinter die Maske blicken, die Genscher, Bahr, Wischnewski und Brandt so angestrengt zu pflegen versuchen; daß sie die imperialistische Fratze hinter dem Geschwätz und den Millionen "Hilfs"krediten sehen und ihr Befreiungskrieg sie hervorgezerrt hat.
Sie haben die andere Seite des sozialdemokratischen Projekts erfahren, erfahren sie gegenwärtig in Namibia und Angola, wo es seine Identität mit der US-imperialistischen Politik nicht mit Demagogie und Public-Relations verbergen kann: die Finanzierung des Kolonialkrieges des faschistischen Portugal, die deutschen Waffenlieferungen für den Krieg, die wirtschaftliche und militärische Verflechtung mit den südafrikanischen Apartheid-Rassisten, die Unterstützung der Counterinsurgency in Namibia gegen die SWAPO - und was jetzt kommt und nur noch nicht offen ist: die Unterstützung der imperialistischen Aggression und militärischen Intervention gegen die Volksrepublik Angola.
Vor allem Angola und Mocambique zeigen die beiden Seiten des einen Projekts in einem Land: Wirtschaftsimperialismus und Kolonialkriegsführung - jetzt: neokolonialistischer Eroberungskrieg.
Und es gibt keinen Grund zu zweifeln, daß der rassistische südafrikanische Verteidigungsminister Botha nicht umsonst "den Westen" um Hilfe gegen die angolanische Revolution anruft, daß er von der Bonner Regierung gehört wird und schon gehört worden ist. Es gibt keinen Grund - schon allein wegen der westdeutschen Kapitalinteressen im südlichen Afrika - zu zweifeln, daß auch der BND - als Filiale der CIA, von der man neben all dem anderen weiß, daß sie das Blutbad in Indonesien mitorganisiert hat, in dem 1965 500000 Kommunisten ermordet worden sind, und von der man weiß, daß sie Holden Robertos Faschistenbande 23 schon seit Anfang der 60er Jahre finanziert und sie inzwischen restlos zu ihrem Instrument gemacht hat - mit ihr zusammen und unter ihrer Führung seine dreckigen Finger im Krieg gegen das angolanische Volk hat.
Weil der BND noch nicht so im Gerede ist wie die CIA, weil man noch nicht in jedem Westdeutschen, der sich im Ausland etwas merkwürdig benimmt, einen BND-Agenten vermutet, ist er inzwischen ein sicher nicht weniger gefährliches Instrument des Imperialismus. Daß er der CIA in nichts nachsteht, hat sein Chef Wessel im Sommer '74, als Kritik wegen Guillaume 24 aufkam, beteuert: Der BND sei ebenso schlagkräftig, leistungsfähig wie die CIA - sprich: steht der CIA, was Mord, Folter, Intervention, verdeckte Operationen angeht, nicht zu vergessen die Bespitzelung im Inland, in nichts nach - und hat dabei noch den Vorteil, daß er von den zerfressenden Instanzen der Legislative sicher nicht das zu erwarten hat, was in den US der Kongreß aus innen- und wahlpolitischen Gründen noch mit der CIA macht.
"Erzfeind des Volkes von Namibia" nennt die SWAPO die imperialistische BRD.
Sie meint das Konsulat in Windhuk, von dem die BRD die Konterrevolution gegen die Befreiungsbewegung mitfinanziert. Sie meint die häufigen Besuche westdeutscher Politiker - von Wirtschaftsvertretern gar nicht zu reden - in Südafrika und das deutsch-afrikanische Kulturabkommen; und: Südafrika ist "weiterhin der Hauptgegner der schwarzafrikanischen Staaten", die "effektive Autorität" (Nyerere, 25) hinter den Marionetten in Namibia.
Weil es "nicht Bonner Interesse sein könnte, wenn sich im Süden Afrikas radikale Kräfte durchsetzen" - so lautet es aus der Umgebung Genschers bei seiner Reise in vier afrikanische Staaten (sämtlichst solchen, die sich - wie Genscher - mit "radikalen", d.h. antiimperialistischen Kräften nur zusammensetzen, um sie zu partizipieren) -, wird "Bonn deshalb auch prüfen, ob es mehr als bisher durch Stipendien für die akademische Ausbildung der jungen afrikanischen Generation tun kann, die in zwei Jahrzehnten die Politik bestimmen wird". Nach Ansicht maßgeblicher Kreise würde jede Million hierfür langfristig "gut angelegt" sein. ("FR", 9.7.75)
Das ist CIA pus Massachusetts Institute of Technology, Fort Gulik/Panama-Kanalzone/CIA/Rangers plus Allianz für den Fortschritt/Friedenskorps. Man weiß, daß die Bundeswehr schon seit spätestens Anfang der 60er Jahre Soldaten aus der Dritten Welt ausbildet, daß sie ihr eigenes Fort Gulik in Sonthofen/Allgäu hat, daß es eine "institutionalisierte Folterausbildung bei der Bundeswehr" gibt - seit mindestens fünf Jahren, wie zuletzt ein Reserveoberleutnant der "FR" (27.9.75) mitteilte - wo Counterinsurgencyspezialisten aus der Dritten Welt und der Bundesrepublik ihre Bekenntnisse austauschen und gegenseitig weiterentwickeln, daß BGS und Polizei die Bullensysteme in Äthiopien, Afghanistan, Sudan, Saudi-Arabien aufgebaut haben - und nicht nur die.
Zugleich wird hierzu in der Dritten Welt, wo der BRD-Imperialismus 26 sich am meisten bedroht sieht, klar, was "akademische Ausbildung" im Imperialismus ist: Gehirnwäsche, Vermittlung von Herrschaftstechnik und Methoden psychologischer Kriegsführung. Der so "akademisch ausgebildete Blick" sieht dann im südafrikanischen Faschismus den Rechtsstaat, in Apartheid-Rassismus und "Homelands"/Bantustans Programme zur Erhaltung ethnischer Identität und für das Selbstbestimmungsrecht der Völker usw. ... Was den Afrikanern fehlt, ist akademische Ausbildung aus Bonn, um dann Kai-Uwe von Hassels (27) "In keinem Teil Afrikas wird besser für die Schwarzen gesorgt als in Südafrika" würdigen zu können.
Die SWAPO meint mit "Erzfeind" die Nachrichten- und Fernmeldeeinrichtungen samt NATO-Code, die elektronische Datenverarbeitungsanlage, die letztlich demselben Zweck dienen wird wie die im BKA, das der brasilianische Minister erst kürzlich besichtigt hat, weil sogar er offensichtlich den Eindruck hat, von der BRD für Folter, Faschismus, Bevölkerungskontrolle - Counterinsurgency in Brasilien noch lernen zu können.
Die SWAPO meint die 137 schweren Militärlastwagen, die Klöckner an Südafrika lieferte, die Bestellung von infrarotgesteuerten "Milan"-Panzerabwehrraketen und neun Transall-Flugzeugen, deutsch-französische Gemeinschaftsentwicklungen, die technische Hilfe der Bundeswehr für reibungsloses Funktionieren der südafrikanischen Antiguerilla-Hubschrauber CH53, und im übrigen soll, was bis jetzt noch offizielle Politik war: - Ausfuhr von Waffen außerhalb der NATO mit Sondergenehmigung - in "Spannungsgebiete" kein Export - was ohnehin durch transnationale Gemeinschaftsentwicklungen und schwarzen BND-Handel umgangen wurde -, jetzt "pragmatischer" behandelt werden. Denn die Rüstungsindustrie will diese lästigen Beschränkungen loswerden, und die "Rezession" eignet sich besonders dazu - hängt doch der deutsche "Wohlstand vom Export" ab. Aber auch wenn das Bonner Regime diese Pläne nicht realisieren sollte, brauchen BND und Waffenexporteure und die südafrikanischen Militärs (und natürlich nicht nur die) sich keine Sorgen zu machen - nicht nur weil das Lieferverbot für "Spannungsgebiete" als Regierungsbeschluß die Gesetze nicht bindend auslegt, in denen selbst schon "friedensstörende" Lieferungen verboten sind - wozu der "Spiegel" bemerkt, daß gerade die Aufrüstung eines Landes manchmal "friedensstabilisierende Wirkung" haben könne -, vielmehr hat ein Bonner Gericht im Mercx-Verfahren 28 ja gerade festgestellt, daß die Regierung sich "um höherer Interessen willen über Gesetze hinwegsetzen" könne, und somit den übergesetzlichen Notstand für den BND-Waffenhandel proklamiert. Was nicht wundert - angesichts der Lage des Imperialismus, und haben doch die südafrikanischen Rassisten schon ihren Krieg gegen das angolanische Volk und das Volk von Namibia zum Krieg "für die Freiheit des Westens" erklärt. Auf die UN-Sanktionen gegen den Staat der Apartheid-Rassisten hinzuweisen, erübrigt sich unter diesen Umständen.
Die SWAPO meint weiter eine vom Verteidigungsminister der BRD finanzierte Raketenproduktion, die Südafrika vermutlich das Know-how für den Aufbau seiner Raketenindustrie lieferte - die "FAZ" deckte das am 10.4.1964 auf und nannte die Namen der deutschen Firmen. Vor kurzem hat der südafrikanische Kriegsminister Botha erklärt, daß eine europäische Firma, die schon früher Einrichtungen in Südafrika installierte, einen Raketengürtel in Kooperation mit südafrikanischen Firmen aufbaut - genau die Art von Einrichtung, die bei einer Integration Südafrikas in die NATO relevant wäre.
Und die SWAPO meint die bestehende militärische Kooperation zwischen Südafrika und der NATO, vor allem den US und der BRD als ihrem Agenten, die Expansion der NATO in den südlichen Atlantik, die Einrichtung von Militärstützpunkten im Rassistenstaat - was mit der Aufdeckung der Reise des faschistischen NATO-Generals Rall durch die Befreiungsbewegung ans Licht gekommen ist, ist sicher nur ein Punkt im Netz der militärischen Beziehungen zwischen Südafrika und der BRD, die dabei als NATO-Führungsmacht im Rahmen und als Vermittlung der US-Strategie fungiert.
Der Oberkommandierende der südafrikanischen Streitkräfte Hugo H. Biermann erklärte schon 1973 in einem Interview die Notwendigkeit einer militärischen Präsenz des "Westens" im südlichen Afrika und seinen ozeanischen Gebieten, zum Schutz gegen "die Bedrohung zu Wasser und zu Land durch die vom Kommunismus unterstützten schwarzen Terroristen", und meinte, daß solche Allianz durch die Apartheid nicht behindert werden sollte: "Was immer die Leute zu unserer Politik sagen, wir erhalten hier eine entwickelte und hochindustrialisierte westliche Zivilisation, und wir sind die Bewahrer von sehr vielem, das zusätzlich zu einer lebenswichtigen Seeroute von strategischem Wert ist. Ich kann mir nicht vorstellen - sagt Biermann -, daß der Westen dies alles aufgeben würde." ("Newsweek, 26.11.73) Und die Beteiligung des imperialistischen Bündnisses, der US, der NATO an der militärischen Aggression gegen die Volksrepublik Angola bestätigen inzwischen seine Vorstellung - und das kann nur mehr werden.
Schließlich meint die SWAPO, wenn sie die BRD als den "Erzfeind des Volkes von Namibia" bezeichnet, daß Bonn sich zum Promoter der Bantustan-Führer gemacht, vier von ihnen im Oktober '74 in Bonn empfangen hat und dort die Ansichten über "getrennte Entwicklung" geäußert hat, die sie der "jungen afrikanischen Generation" erst noch durch akademische Ausbildung zu vermitteln hofft.
Am 17.1.75 sind sich Genscher und Bahr einig geworden, deutsches Kapital in die wirtschaftliche "Entwicklung" der Bantustans - Konglomerate aus Wehrdörfern und Konzentrationslagern - zu pumpen. Daß die Bundesregierung im Herbst '75 die 33 Bantustan-Vertreter nicht durch Genscher persönlich, wie ursprünglich geplant, sondern auf niedriger diplomatischer Ebene empfangen hat, lag nur daran, daß sie sich gleichzeitig an die SWAPO ranschleichen wollte, was ihr allerdings mißlang, weil die SWAPO diese Politik kennt: Sie "hat der Bundesregierung vorgeworfen, Südafrika zu unterstützen und gleichzeitig die SWAPO beschwichtigen zu wollen", und sie hat es gleichzeitig nicht nur abgelehnt, drei Tonnen Lebensmittel anzunehmen - die ihr die Bundesregierung förmlich aufzudrängen versuchte, indem sie sie ohne jede Ankündigung schickte -, sondern sie hat auch wegen der Bonner Kontakte mit den von Südafrika ausgesuchten Verrätern aus den Bantustans das Gespräch von SWAPO-Vertretern mit Genscher ausfallen lassen. ("FR", 22.10. und 3./4.11.75)
Wo der Versuch, die Befreiungsbewegung zu korrumpieren, sie durch Bestechung zu pazifizieren und mit den Bantustanvertretern zusammenzubringen, gescheitert ist, muß Genscher sich weiter an diese ausgesuchten Agenten des Rassistenregimes halten, um die Ziele des westdeutschen Kapitals dort durchzusetzen - und er weiß sie bei denen gut aufgehoben. Denn wo die westdeutschen Monopole es in der BRD nur bis zum Import billiger, rechtloser Arbeitsimmigranten gebracht haben und (noch) nicht bis zur Wiedererrichtung von Konzentrationslagern - deren wichtigste Funktion die Verfügbarkeit billiger, rechtloser Arbeitskräfte war -, kann sie diese in den Bantustans Südafrikas finden, in denen im Sinne von Hassel für die Afrikaner "gesorgt" wird:
"Die Insassen einer solchen Institution - heißt es in der neuen "Bestimmung 133" zur Errichtung sogenannter "Rehabilitationszentren", in die Afrikaner bis zu drei Jahren wegen "Paßvergehen" interniert werden können - die Insassen einer solchen Institution sollen dort zu dem Zweck festgehalten werden, ihren physischen, geistigen und moralischen Zustand zu verbessern, indem sie den Gewohnheiten von Fleiß und Arbeit unterworfen und wieder auf die Traditionen, die Kultur, Sitten und das Regierungssystem der nationalen Einheit orientiert werden, zu der sie gehören." ("FR", 29.7.75)
Der Journalist Günther Peus vom ZDF, der berichtet hatte: "Der Unternehmergeist der Weißen und die billige Arbeitskraft der Schwarzen verschafft Südafrika mit fast 8 Prozent die zur Zeit höchste wirtschaftliche Wachstumsrate unter den westlich orientierten Ländern der Welt", wurde ausgewiesen. Er hörte, daß "Geschäftsleute aus der BRD sich über die Berichterstattung im ZDF beschwert hätten". Der Informationsminister teilte ihm mit, "er habe Zuschriften aus der BRD, aus denen hervorginge, daß die Berichterstattung für Südafrika nicht förderlich sei". ("Welt", 26.7.75)
Angesichts der Stärke der Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika, der Unterstützung, die sie bei den Völkern finden, kann das alles nur ein Zeichen dafür sein, daß die NATO-Zusammenarbeit läuft und laufen wird, daß der US-Imperialismus - der die meisten wirtschaftlichen Interessen in Südafrika hat - vermittels seines Agenten BRD - im Einklang mit den deutschen Konzernen, für die Südafrika wichtigster Kunde in Afrika ist (1974 exportierten sie für 3,6 Mrd. DM dorthin und bezogen 40% ihres Urans von dort) - entschlossen ist, für die Rettung dieses faschistischen Systems, als eines der Subzentren in der imperialistischen Kette, Krieg zu führen.
Die Truppen des Rassistenregimes stehen jetzt mehrere hundert Kilometer tief im Territorium der Volksrepublik Angola. Angesichts der massiven Interventionen, die zu diesem Zweck schon laufen, versteht man, warum die "FR" das Urteil der SWAPO als Alarm-Schlagzeile brachte - für die Kämpfer ist das Aussprechen der Wahrheit, der Tatsachen eine Waffe.
Indem die imperialistische Presse der BRD die Kooperation beim Bau von Atomkraftwerken und Urananreicherungsanlagen, die Frage, ob das Bonner Regime nun dem Rassistenstaat hilft, eigene Atombomben zu entwickeln, zur Hauptsache gemacht hat und sich darauf konzentrierte, von Dementis und Bestätigungen der Regierung, von der angeblichen Harmlosigkeit des Projekts und dem Gang der Bürgschafts- und Genehmigungsanträge zu berichten, wird die Sache so dargestellt, als ob dieser Punkt problematisch sein könnte. Und das ganze Geflecht der wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und militärischen Beziehungen zu dem rassistischen Apartheid-Staat etwas vollkommen Natürliches und Selbstverständliches sei.
Der tatsächliche Umfang und die Bedeutung dieser Beziehungen - und dabei allerdings im besonderen die nukleare Zusammenarbeit und ihr Fortgang jetzt - werden von der imperialistischen Informationsindustrie durch bewußte und gezielte Nicht- und Fehlinformationen verschleiert, in dem Dunkel gelassen, das Bonn so notwendig für seine Politik braucht. Wie "die Bevölkerung an den Anblick von Maschinenpistolen" soll sie daran gewöhnt werden, daß die Außenpolitik des Bonner Regimes faschistisch, rassistisch, imperialistisch ist, daß sie Krieg bedeutet.
Denn zur gleichen Zeit, wie sie weitere Informationen über die Bonner Beziehungen zu Südafrika unterdrückt haben und weiter unterdrücken, ziehen die westdeutschen Medien jetzt die Hetzkampagne gegen die MPLA hoch - um das psychologische Klima zu determinieren 29: für die NATO-Intervention gegen das angolanische Volk, für den Moment, wo sie offen wird.
Vor der UN hat Genscher erklärt, "daß in Südafrika selbst endlich das System der Apartheid aufgegeben wird, das wir verurteilen", sei ein Ziel der Bonner Politik, während diese Politik tatsächlich das faschistische Apartheid-System massiv auf allen Ebenen unterstützt, vor allem beim Ausbau seines Counterinsurgency-Instrumentariums. Bahr allerdings erkennt schon, daß das, was hier an Dementis und Erklärungen zu den vom African National Council aufgedeckten Tatsachen gebracht wird, nicht mehr täuscht, und so wirft er dem Wirtschaftsministerium auch vor, daß dessen Reaktionen "den Eindruck einer Verschleierung machen und die Entwicklungspolitik der Bundesregierung in Afrika erheblich beeinträchtigen könnten. Bonn müsse den Verdacht meiden, als spreche es in dieser Frage mit gespaltener Zunge" ("FR", 10.10.75) - gegen die Rede mit "gespaltener Zunge" hat Bahr natürlich nichts: Sie ist sein eigenes Konzept - nur Verdacht soll nicht aufkommen.
Aber das ist der unauflösbare Widerspruch in der Konzeption dieser Politik: daß sie nicht mehr die Völker täuschen kann, während sie den Krieg gegen sie vorbereitet und schon führen muß. Das ist der tatsächliche Grund, warum sie Südafrikas Intervention gegen die Volksrepublik Angola beunruhigt: weil sie wissen, daß sie notwendig ist, um die imperialistische Hegemonie im südlichen Afrika zu retten, und weil schon klar wird, daß damit ihr Konzept "partnerschaftlicher Kooperation" zu Afrika zusammenbricht.
Bahr - als Ideologe des Korporativismus - umschreibt das sozialdemokratische Bild des Nord-Süd-Konflikts und verbreitet den ideologischen Schein für das imperialistische Projekt der Sozialdemokratie gegen die Völker der Dritten Welt - als Analogie zur reformistischen Integration der Arbeiterbewegung in den Metropolen in und für die kapitalistische Entwicklung: "Ich vergleiche die heutige Situation - sagt Bahr in einem Interview ("Newsweek", 22.12.75) - mit jener, die in Deutschland am Ende des vorigen Jahrhunderts vorherrschte. Zu dieser Zeit stellten die Massen der Unterprivilegierten ... Ansprüche an die kleine Minorität der Reichen. Sie forderten eine Gesetzgebung, die ihren Arbeitstag auf nicht mehr als 12 Std. reduzieren würde, und protestierten gegen Kinderarbeit. Und die Reichen sagten damals: Wenn wir das akzeptieren, wird die Wirtschaft zusammenbrechen. Wir wissen jetzt, daß die Wirtschaft nicht zusammengebrochen ist. Heute fordern die Massen der Armen in der Welt auch mehr Rechte von einer reichen Minorität. Die reiche Minorität sind wir; und wenn wir ihre Forderungen akzeptieren würden, würde die Weltwirtschaft nicht kaputt gehen. Sie würde blühen. Es würde eine große Hilfe für uns sein, wenn sich der durchschnittliche Inder einen Volkswagen oder Vega leisten könnte und wenn die Dritte Welt ein wirklicher Markt für Industriegüter werden würde."
Er propagiert einen weltweiten Fabrikgesetzgebungs-Staat - während dieser Staat in der Metropole gerade beseitigt wird, weil sich eine Begrenzung der Ausbeutung des Proletariats nicht mehr vereinbaren läßt mit der fallenden Profitrate. Er phantasiert von Volkswagen für Inder - was nur noch Zynismus ist angesichts des Hungers, d.h. von der Einbeziehung der Massen der Dritten Welt in das imperialistische System über den Lohn und in seiner Funktion für die kapitalistische Entwicklung - während der Ausschluß der Massen der Dritten Welt von dieser Entwicklung Sache ist, d.h. ihre Reduzierung auf die Funktion billiger Arbeitskräfte und vor allem einer gigantischen marginalisierten Reservearmee, und die Funktion der Versorgung der Metropolen mit billigen Rohstoffen die absolute Notwendigkeit im Kampf gegen den Fall der Profitrate und für das Wachstum in den Metropolen ist. Bahrs Rechnung ist ein plumper Betrug. Die reformistische Integration der Arbeiterbewegung in den Metropolen wurde nur möglich durch die Exploitation der Dritten Welt, die die materielle Basis lieferte, auf der die Sozialdemokratie die kapitalistische Initiative für die Kapitalentwicklung in das Proletariat vermitteln konnte - und sie war nur vorübergehend möglich, solange es diese materielle Basis gegeben hat -; es gibt keine Möglichkeit, diesen Prozeß weltweit durchzustrukturieren, um die globale Insurrektion reformistisch aufzufangen. Was Bahr weiß - was er sich vorstellt, ist: die herrschenden Eliten für den Imperialismus einzukaufen. Sie sind die winzige soziale Schicht, für die die reformistische Demagogie Inhalt hat.
Für eine reformistische Integration der proletarisierten Völker der Dritten Welt gibt es keine materielle Basis, hat der Imperialismus keine Mittel, insofern sie allein aus eben den Bedingungen erzeugt werden könnten, die in der Dritten Welt beseitigt werden müssen, die der Befreiungskrieg beseitigt. Anders gesagt heißt das: Die ungleiche Entwicklung, die Entwicklung von Unterentwicklung an den Peripherien ist notwendige Bedingung für die Existenz des imperialistischen Weltsystems - sie zu beseitigen, heißt, den Imperialismus beseitigen.
Das allerdings ist ein Antagonismus zu den Zielen Bonns, ist das strategische Ziel des revolutionären Befreiungskriegs, und dagegen interessieren den Imperialismus nicht die hungernden Massen als potentieller Markt für seine Volkswagen, sondern dagegen ist er zum Krieg entschlossen, führt er Krieg, setzt er jedes Mittel ein, wobei es Sache der BRD als der zweitstärksten Macht im Staatensystem, als absolut zuverlässiger Agent in der Politik des US-Imperialismus ist, diese verbrecherische Politik zu vermitteln.
Und so - auch mal unter dem Gesichtspunkt, daß die Staatsschutz-Medien in der psychologischen Kriegsführung gegen uns zur Verschleierung des politischen, genau: politisch-militärischen Charakters des Verfahrens gegen uns, diese absurde Scheindiskussion inszeniert haben, ob das Verfahren gegen die RAF ein politischer Prozeß ist, oder - wie das "zur ruhigen und entschlossenen Behauptung des Normalzustands" die Regierung, die BAW, Prinzing usw. dauernd gegen die von ihnen selbst produzierte Propaganda wiederholen müssen - ob es um "normale Kriminalität" geht -, haben wir zu dem Begriff des Kriminellen hier festzustellen:
Verbrecherisch ist die Politik der Sozialdemokratie, verbrecherisch sind ihre Funktionsträger als Agenten des Hauptfeinds der Menschheit, des US-Imperialismus;
verbrecherisch ist die Politik der Bundesregierung, die als Funktion für die globale Strategie des US-Imperialismus Beschlüsse der UN und die Normen des Völkerrechts mißachtet, die den Rassismus in seinen verschiedenen Formen - ob Apartheid oder rhodesischen Siedlerrassismus oder den faschistischen Zionismus - unterstützt, die am Versuch des Völkermords gegen das vietnamesische Volk beteiligt war und die die Ausrottungsstrategie der vereinigten arabischen Reaktion Chaled, Hussein, Sadat, Gabus 30 und ihren Alliierten Pahlevi gegen die Revolution in Oman und den Befreiungskampf der Völker am Arabischen Golf mit "technischer Hilfe", Geld und Waffen ebenso unterstützt, wie sie mit Geld, Waffen, Handelsverträgen, politischer und propagandistischer Hilfe die Ausrottungsstrategie Israels gegen das palästinensische Volk unterstützt und wie sie Folter und Terror im Iran wirtschaftlich, politisch und militärisch unterstützt und fördert - wie in zahlreichen anderen Staaten der Dritten Welt:
Verbrecherisch ist die Politik Bonns, indem sie die Ausplünderung und Entrechung der Völker der Dritten Welt, ihren Hunger und ihr Elend erhält und vergrößert, um dem transnationalen Kapital die Profite zu sichern - für diese Profite unterstützt sie die brasilianischen Faschisten und integriert sich damit auch in die Völkermordstrategie an den autochtonen 31 Völkern -;
sie ist verbrecherisch, indem sie die nationale und kulturelle Identität der Völker durch imperialistische Gehirnwäscheprogramme über die Kommunikationssysteme, deren Verbreitung sie durchsetzt, zu zerstören versucht;
sie ist verbrecherisch, indem sie sich in der Dritten Welt an der Entwicklung von Counterinsurgency-Apparaten beteiligt, um den Befreiungskrieg des Volkes zu unterdrücken -.
Sie ist eine Totalisierung des Verbrechens, weil sie umfassend und in ihrer Gesamtheit gegen die Völker, gegen die Menschlichkeit gerichtet ist, auf militärischer, politischer, ökonomischer, kultureller und moralischer Ebene, und wir stellen fest, daß über diese Politik allerdings nicht vor den Gerichten dieses Staates verhandelt wird - denen bleibt der Versuch, die Verbrechen zu legitimieren bzw. sie selbst auszuführen oder auch, wenn nötig, Bonn zu bescheinigen, daß es sich um "höherer Interessen willen" über Gesetze hinwegsetzen darf - über die Verbrechen Bonns, des Imperialismus wird verhandelt im Prozeß des weltweiten antiimperialistischen Kampfes, an der Front des Befreiungskrieges.
Die vom imperialistischen Weltsystem Ausgestoßenen, vom Prozeß der kapitalistischen Entwicklung Ausgeschlossenen, die Verdammten der Erde führen Befreiungskriege gegen eine imperiale Maschine, deren militärischen, ökonomischen und politischen Kommandozentralen in den Metropolen stationiert, d.h. im strategischen Hinterland disloziert sind.
Diese Sache begründet die strategische Möglichkeit und Bedeutung von Guerillaaktionen auf den äußeren Linien - auf dem Kriegsschauplatz der Weltrevolution sind das die Metropolen - im Rahmen von Operationen der Befreiungsarmeen der Völker der Dritten Welt, auf den inneren Linien.
Die computerbestückten Kommandozentralen der Kriegsführung, von denen aus der Einsatz moderner, elektronischer Waffensysteme gelenkt wird, sind nicht da, wo geschossen wird, wo Bomben fallen - dort ist nicht mehr als Gerät für Informationssammlungen, -eingabe und -ausgabe stationiert, Sensorsysteme und elektronische Überwachungsanlagen - sie liegen geschützt in den Metropolen, die das Pentagon für gesichertes Hinterland hält.
Ohne die Zentralcomputer zur Informationsverarbeitung und Produktion von Einsatzkoordinaten, logistischer Dienste usw. ist die Kriegsmaschine moderner imperialistischer Armeen nichts.
Sie wird kollabieren, ohne diese Steuerung nur noch wie ein geblendeter Elefant Amok laufen. Es ist diese strategische Basis, von der aus Daniel James, Abteilungsleiter im Pentagon, im Mai 1972 ankündigte, daß in Vietnam nichts mehr vor den Bomben der B-52 sicher sein sollte: "Für die US-Luftwaffe bleibt bei Bombenangriffen in Vietnam künftig kein Ziel nördlich und südlich des 17. Breitengrades ausgenommen", was heißt, der US-Imperialismus hatte dem Krieg totalen Völkermordcharakter gegeben, nachdem am 11. Mai die Häfen von Nordvietnam vermint worden waren, innerhalb derer es restlos zerbombt werden sollte.
Die Zentren sind in diesem Vernichtungskrieg in der Peripherie nicht Kriegsschauplatz, sondern Etappe, strategisches Hinterland, wie es die Bundesrepublik im Vietnamkrieg durch strategische Organisation und Dislozierung 32 gegen die Dritte Welt als Kommandozentrum, als Truppenstützpunkt und Nachschubbasis der US-Armee war. Ihre Bedeutung wird wachsen in dem Maß, wie die Steuerung der Kriegsmaschine aus den computerisierten Kommandozentralen wächst, weil imperialistische Basen in der Dritten Welt nicht mehr zu halten sind.
Dazu kommt die unmittelbar logistische Funktion der BRD - es waren die US-Stützpunkte, die als Schaltstelle für Truppentransporte nach und von Vietnam und für Waffenlieferungen fungierten, aus deren Arsenalen im Oktober '73 Israel mit Waffen versorgt wurde und weiter versorgt wird. Es sind die US-Depots und die der Bundeswehr, mit denen die Konterrevolution gegen die arabischen und afrikanischen Völker ausgerüstet wird, und es sind die elektronischen Kommandozentralen hier, von denen aus die Kriegsmaschine im südlichen Afrika und im mittleren Osten gesteuert wird.
Aus der logistischen Bedeutung der Waffen- und Ausrüstungsarsenale in den Metropolen zur Sicherung kontinuierlichen Nachschubs und vor allem aus der strategischen Bedeutung, die ungehindertem Kommunikationsfluß zwischen den Regelungs- und Steuerungszentralen und den Einsatzorten für die imperialistische Kriegsmaschine zukommt, ist eine militärische Funktion der Guerilla in der Metropole für den Befreiungskampf der Völker der Dritten Welt bestimmt: die Notwendigkeit des Angriffs. Es darf, wie wir '72 gesagt haben, nirgends mehr eine Etappe für die imperialistische Maschine des Genocids geben; es darf keinen Platz mehr geben, an dem sie vor den Angriffen der Guerilla sicher sind, keinen Ort und keine Zeit, an dem nicht Krieg ist - sie müssen gezwungen werden, sich in der Verteidigung ihrer strategischen Stützpunkte mit ihrer komplizierten Technologie zu zersplittern.
"Es mag sein - schrieb Che vor fast zehn Jahren an die Tricontinentale -, daß der Moment der richtige ist, um den Kampf zu beginnen - oder auch nicht. Wir dürfen uns aber weder der Illusion hingeben, die Freiheit ohne Kampf erreichen zu können, noch haben wir ein Recht darauf. Und die Kämpfe werden nicht bloße Straßenkämpfe mit Steinen gegen Tränengas sein, nicht friedliche Generalstreiks und auch nicht der Kampf eines empörten Volkes, das in zwei oder drei Tagen das repressive Gerüst der regierenden Oligarchie stürzt. Es wird ein langer, blutiger Kampf, dessen Front die Stützpunkte der Guerillas in den Städten, in den Häusern der Guerilleros sein werden, dort, wo die Repression die wehrlosen Opfer unter Familienangehörigen suchen wird. Der Kampf wird inmitten der massakrierten Bauernbevölkerung stattfinden, in den von feindlichen Bombardements zerstörten Dörfern und Städten."
Wir wissen heute nicht nur, daß die Repression sich auch in Europa ihre Opfer unter den Angehörigen der Guerillas sucht, und wir wissen, wie unsere Angehörigen vom Staatsschutz terrorisiert werden; wir wissen auch, daß der Staatsschutz, die Abteilung Terror des BKA oder vielleicht auch die in der Bonner US-Botschaft installierte Spezialeinheit der CIA für Counterinsurgency angefangen haben, die Städte und Zivilbevölkerung hier zu terrorisieren: die Anschläge im Bremer, Hamburger und Nürnberger Hauptbahnhof; wir wissen heute, daß sich die Counterinsurgency-Methoden des westdeutschen Staatsschutzapparates mit denen in den Staaten Lateinamerikas auch darin decken, daß hier gefangene Stadtguerillas gefoltert werden, um Aussagen zu erpressen und um sie zu brechen und daß Guerillas nach ihrer Gefangennahme ermordet werden: Holger, Siegfried, in Italien: Mara -
Aber wir wissen auch schon, daß "der Moment der Intervention" der richtige ist, um den Kampf in den Metropolen zu beginnen, um die imperialistische Maschine anzugreifen und die Taktik zu entwickeln, die zum Teil zu einer neuen internationalistischen Strategie des Weltproletariats aufsteigen wird.

(Quelle: Nr. 3, ohne Datum)


aus: Ausgewählte Dokumente der Zeitgeschichte: Bundesrepublik Deutschland (BRD) - Rote Armee Fraktion (RAF), GNN Verlagsgesellschaft Politische Berichte, 1. Auflage Köln Oktober 1987

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Anmerkungen der Redaktion:

1 Counterinsurgency wird im Wörterbuch der US-militärischen Ausdrücke für den gemeinsamen Sprachgebrauch definiert als: "diejenigen militärischen, politischen, ökonomischen, psychologischen und zivilen Handlungen, die von einer Regierung durchgeführt werden, um subversiven Aufruhr zu zerschlagen". (nach "texte: der RAF")

2 in der Vorlage fehlt: Teil

3 Teil 2 wird hier nicht dokumentiert

4 Insurrektion: Aufstand, Aufruhr, Erhebung

5 Trikont: die drei Kontinente Amerika, Afrika, Asien. Der Hinweis auf Che's Botschaft an die Tricontinentale bezieht sich auf die Rede Ernesto Che Guevaras von 1967: "Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam!" Che sagte darin, daß das strategische Ziel sein müsse, den Imperialismus zu zerstören, die Aufgabe, die der Trikont darin habe, sei die Eliminierung der Ernährungsbasen des Imperialismus. Der grundlegende Faktor dieses strategischen Ziels sei der bewaffnete Kampf, der die Eigenschaft haben werde, sich in eine sozialistische Revolution zu verwandeln. Weiter sagte er, der bewaffnete Kampf müsse dorthin getragen werden, wohin der Feind ihn bringe, zu seinem Haus, zu seinen Vergnügungsvierteln, zu seinen Kasernen ...

6 konstituieren: gründen, festsetzen

7 insistieren: auf etwas bestehen

8 Walt Rostow: US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler. Er war Leiter des politischen Planungsstabes im State Department unter Kennedy und Johnson. Von 1947 bis 1949 Sonderbeauftragter beim Exekutivrat der europäischen Wirtschaftskommission (beteiligt am Marshallplan), weiterhin beteiligt an der Vorbereitung eines allgemeinen Plans für den Wiederaufbau Westeuropas; Stratege der Kalten Kriegsführung.

9 evident: offenkundig

10 transformieren: umwandeln, umgestalten

11 Egon Bahr (SPD): Von 1969 bis 1972 Staatssekretär im Bundeskanzleramt, beteiligt am deutsch-sowjetischen Vertrag, Verhandlungsführer der BRD mit der DDR (Grundvertrag); 1972 bis 1974 Bundesminister für besondere Aufgaben, 1974 Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, 1976-81 SPD-Bundesgeschäftsführer, Mitglied des SPD-Parteivorstands.

12 selektiv: auf Auswahl beruhend

13 Idi Amin: vormals Unteroffizier der ugandischen Armee; führte 1971 den Militärputsch gegen Obote, danach wurde er Präsident von Uganda bis zu seinem Sturz durch die tansanische Armee 1979.

14 Reza Pahlevi: ehemals Schah von Persien

15 Frelimo: Befreiungsfront von Mozambique

16 Hans-Jürgen Wischnewski (SPD): 1966 bis 1968 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, 1974 bis 1976 Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt, 1976 bis 1980 und 1982 Staatsminister im Bundeskanzleramt; koordinierte 1977 die Aktion in Mogadischu.

17 Sadat: ägyptischer Staatspräsident, fiel im Okt. 81 einem Attentat zum Opfer Chaled: ab 1975 König von Saudi-Arabien
Rabin: 1974-1977 isralischer Ministerpräsident Mobutu: 1960 von Lumumba, dem Führer des Befreiungskampfes in der ehemaligen belgischen Kolonie Kongo (heute Zaire), zum Oberst und Chef des Generalstabes der Armee ernannt. Er führte 1970 einen von den Imperialisten inszenierten Putsch und ließ Lumumba ermorden. Durch einen erneuten Putsch 1965 wurde Mobutu Staatschef, 1970, 1977 und 1984 in seinem Amt bestätigt.

18 IWF-Sonderziehungsrechte: Das SZR ist ein am 1.1.70 neugeschaffenes internationales "Geld", das in Gold definiert wird. Im bestimmten Verhältnis zu den gezeichneten, also eingezahlten Quoten kann danach ein Land vom IWF Geld zur Schuldzahlung abbuchen. Es ist neben Gold, US-Dollar und anderen Reservepositionen die vierte Art eines Kreditinstruments. Bei Zahlungsschwierigkeiten erhält ein Land vom IWF gegen Hingabe von SZR fremde Währung zur Abbuchung von Schuldzahlung, immer verbunden mit massiven wirtschaftspolitischen Auflagen.

19 interdependent: voneinander abhängend

20 D. Moynihan, Prof. Ph. D.: amerikanischer Politiker und Politologe. Ab 1975 wurde er als Nachfolger von Scali zum Vertreter der USA bei den UN ernannt, wo er "höchst undiplomatisch den amerikanischen Standpunkt" vertrat; er trat 1976 zurück.

21 in der Vorlage: sind

22 MPLA: Befreiungsfront in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Angola

23 Holden Roberto: Führer der pro-westlichen früheren Befreiungsbewegung FLNA in Angola; nach Gründung der VR Angola 1975 kämpfte er im Sold des US-imperialismus und Südafrikas für die Beseitigung der antiimperialistischen MPLA-Regierung.

24 Günter Guillaume: Brandt-Berater im Kanzleramt, wurde als DDR-Agent enttarnt. Seine Enttarnung 1974 wurde der offizielle Anlaß für den Rücktritt Brandts und die Ablösung Brandts durch Helmut Schmidt.

25 Dr. J.K. Nyerere: Von 1962 bis 1986 Präsident von Tansania, Vorsitzender der TANU (Tanganyika African National Union). Mitbegründer des "Ujamaa-Sozialismus" (Ujamaa: Brüderlichkeit) als Modell für einen afrikanischen Sozialismus. Unterstützte die afrikanischen Befreiungsbewegungen.

26 in der Vorlage: er

27 Kai Uwe von Hassel (CDU): Nach Internierung ab 1956 einer der Stellvertreter Adenauers. Er löste im Januar 1963 Strauß ("Spiegel"-Affäre) als Verteidigungsminister ab. Ab 1966 Vertriebenenminister. Löste 1969 bis '72 Gerstenmaier als Bundestagspräsident ab. Dann bis 1976 Vizepräsident. Danach Europaparlamentarier (WEU, EUCD). War 1985 als Vorstandsmitglied der Konrad-Adenauer-Stiftung in Südafrika, wo er die "vollkommen einseitige Haltung der Evangelischen Kirche Deutschlands" in der Südafrika-Frage verurteilte.

28 entfällt

29 determinieren: bestimmen, entscheiden

30 Hussein: jordanischer König, verantwortlich für das Massaker an den Palästinensern im September 1970 (Schwarzer September). Gabus: Sultan von Oman.

31 autochton: eingeboren

32 Dislozierung: räumliche Verteilung von Truppen