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Tue Oct  7 23:10:45 1997
 

Jan Carl Raspe erklärt am 11.05.1976 im Prozeß in Stuttgart-Stammheim:

Ich habe nicht viel zu sagen.

Wir glauben, daß Ulrike hingerichtet worden ist. Wir wissen nicht, wie, aber wir wissen, von wem, und wir können das Kalkül der Methode bestimmen. Ich erinnere an Herolds Satz: "Aktionen gegen die RAF müssen immer so abgewickelt werden, daß Sympathisantenpositionen abgedrängt werden."
Und Buback: "Der Staatsschutz lebt davon, daß sich Leute für ihn engagieren. Leute wie Herold und ich finden immer einen Weg."
Es war eine kalt konzipierte Hinrichtung - wie Holger Meins hingerichtet worden ist, wie Siegfried Hausner hingerichtet worden ist. Hätte sich Ulrike entschlossen zu sterben, weil sie es als letzte Möglichkeit sah, sich - revolutionäre Identität - gegen die langsame Zerstörung des Willens in der Agonie der Isolation zu behaupten - hätte sie es uns gesagt - auf jeden Fall Andreas:
So war ihr Verhältnis zueinander.

Ich glaube, die Hinrichtung Ulrikes jetzt - in diesem Moment - hat ihren Grund in der Kulmination - einem ersten politischen Durchbruch der internationalen Auseinandersetzung Guerilla-imperialistischer Staat Bundesrepublik. Darüber sprechen Informationen, über die ich jetzt nicht reden will.
Der Mord liegt auf der strategischen Linie aller staatlichen Bewältigungsversuche seit sechs Jahren:
physische und moralische Vernichtung der RAF, und zielt auf alle Guerillagruppen in der Bundesrepublik, für die Ulrike eine wesentliche ideologische Funktion hat.
Zu sagen ist noch -

Die ganze Zeit, die ich die Beziehung zwischen Ulrike und Andreas kenne - und ich kenne sie seit sieben Jahren -, war ihr Signal Intensität und Zärtlichkeit, Sensibilität und Genauigkeit.
Und ich glaube, daß es genau der Charakter dieser Beziehung war, aus dem Ulrike die acht Monate Trakt durchgehalten hat.
Es war eine Beziehung, wie sie sich zwischen Geschwistern entwickeln kann - orientiert an einem identischen Ziel, als Funktion dieser Politik.
Und so war sie frei - weil Freiheit nur möglich ist - im Kampf um Befreiung.
Es gab in diesen Jahren in ihrem Verhältnis keinen Bruch. Er wäre nicht möglich gewesen, weil es bestimmt war über die Politik der RAF. Und wenn in der Gruppe überhaupt grundsätzliche Widersprüche entstanden sind, waren sie definiert durch konkrete Praxis. In dem theoretischen Arbeitsprozeß, wie er im Gefängnis nur möglich ist, können sie aus der identischen Situation des Kampfes - und der Geschichte der Gruppe keine Basis haben.
Daß das genauso war, beweisen die Diskussionen, Ulrikes Briefe und Manuskripte bis zum Freitag abend. Sie drücken den wirklichen Charakter dieser Beziehung aus.
Jetzt "Spannungen", "Entfremdung" zwischen Ulrike und Andreas, zwischen Ulrike und uns zu behaupten, um mit dieser primitiven und dunklen Infamie das Projekt der Hinrichtung Ulrikes der psychologischen Kriegsführung verfügbar zu machen:
Das ist Buback. Und es ist Bubacks Dummheit:

Keiner dieser Versuche hat bis jetzt zu was anderem geführt als zum immer deutlicheren Begriff der Reaktion in der Bundesrepublik als Faschismus." (Quelle: Nr. 1, S. 21f)


aus: Ausgewählte Dokumente der Zeitgeschichte: Bundesrepublik Deutschland (BRD) - Rote Armee Fraktion (RAF), GNN Verlagsgesellschaft Politische Berichte, 1. Auflage Köln Oktober 1987

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