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Online seit:
Tue Oct  7 23:10:45 1997
 

Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz

... Wir verurteilen gemeinsam mit allen rechtlich denkenden Menschen schärfstens alle Versuche, die Grundlagen unseres Staates und der Gesellschaft zu zerstören.
Den Regierungen von Bund und Ländern fällt die Aufgabe zu, mit allen geeigneten Maßnahmen die Rechtsbrüche der Terroristen zu ahnden und neue zu verhindern. Den Verantwortlichen, die vor schwierigen Entscheidungen stehen, gilt unsere besondere Solidarität und unser fürbittendes Gebet. Dankbar würdigen wir den Einsatz der Polizei, des Verfassungsschutzes und der in den Strafverfolgungsbehörden wie in der Justiz und im Justizvollzug tätigen Männer und Frauen. Sie alle haben ein Anrecht auf Rückendeckung durch den Staat und das Volk.
In dieser Lage müssen alle Parteien und gesellschaftlichen Gruppen über vorhandene Meinungsverschiedenheitn hinweg zusammenwirken. Dabei sollten alle in der Verfassung und in unserer rechtsstaatlichen Ordnung gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft, dauernd beachtet und konsequent verwirklicht werden, bevor überhaupt Verfassungsänderungen in Betracht gezogen werden.
Nachdrücklich wenden wir uns an jene Menschen und Gruppen in unserer Bevölkerung, die durch ihre bisherige Unterstützung - in welcher Weise auch immer - das unmenschliche Werk des Terrorismus ermöglicht und das Ergreifen der Täter verhindert haben: Geben Sie Ihre direkte oder indirekte Mitwirkung an Verbrechen auf. Begreifen Sie Ihre Mitverantwortung an dem furchtbaren Leid einzelner Menschen und ganzer Familien. Erkennen Sie endlich, daß gesellschaftliche Verhältnisse durch Haß, Brutalität und Mord nicht verbessert werden können. Kehren Sie um und verhindern Sie, daß Ihre Schuld noch größer wird.
Wir dürfen aber heute auch nicht der Frage ausweichen, wie es dazu kommen konnte, daß in den vergangenen Jahren in ständig wachsender Zahl und in zunehmender Bedenkenlosigkeit Anschläge auf Frieden und Freiheit, auf Menschenwürde und Menschenleben begangen worden sind. Wo sind Ursachen und Anfänge dieser Untaten, wer sind ihre geistigen Väter?
Ohne schon heute einer umfassenden Analyse vorgreifen zu wollen, dürfen und müssen wir einige Fragen stellen, deren Beantwortung nicht mehr länger aufgeschoben oder verschleiert werden darf.
- Allzu viele in unserer Gesellschaft vertreten die Ansicht, alles auf dieser Welt sei machbar und erreichbar. Die Begrenztheit des Menschen und die Wirklichkeit des Bösen wurden nicht mehr gesehen. Aus dem Glauben an das Machbare erwuchs gerade bei jungen Menschen die Unzufriedenheit über vorhandene Mängel, Ungerechtigkeiten und ungelöste Probleme. Diese wurden nur der bestehenden Ordnung angelastet.
- Hand in Hand damit ging vielfach geradezu eine zynische Herabsetzung der Grundwerte und Grundhaltungen eines menschenwürdigen Lebens. Aus verschiedenen Richtungen und auf verschiedenen Ebenen wurden Ehe und Familie, das Lebensrecht des Ungeborenen und andere ethischen Normen angegriffen. Wurden so nicht Fundamente unterhöhlt, ohne die unsere Gesellschaft ihre Stabilität verliert? In den letzten Jahren haben wir mehrfach auf diese gefährliche Entwicklung hingewiesen.
- Von manchen Kathedern unserer Hochschulen und Universitäten werden seit Jahren Theorien der Verweigerung und der Gewalt gegen die fortgeschrittene Industriegesellschaft gelehrt und empfohlen. Liegt der Gedanke fern, daß die Terroristen ihr ideologisches Rüstzeug hier erhielten und falsche und utopische Theorien in die Tat umsetzen wollen? Wir müssen auch fragen, ob nicht bestimmte Konflikt-Theorien, die in den Bildungsbereich Eingang gefunden haben, bei jungen Menschen eine geistige Verführung möglich machten?
- In Massenmedien und selbst im Unterricht gab und gibt es Versuche, unseren Staat, seine Verfassung, seine Gesetze und seine Vertreter herabzusetzen und lächerlich zu machen. Wir sprechen hier nicht vom guten Recht des Journalisten, Politikers und Bürgers, in aller Öffentlichkeit sachliche Kritik zu üben. Wir meinen die gezielte Beleidigung, Verunsicherung und die Verfälschung von Tatsachen. Nicht selten wurde der Begriff von Recht, Ordnung und Institution zum Inbegriff des Reaktionären und Vorgestrigen abgestempelt.
- Die Darstellung von Gewaltverbrechen nimmt im Unterhaltungsteil von Zeitschriften und im Programm von Film und Fernsehen einen breiten Raum ein. Vermittelt das nicht auf die Dauer den Eindruck, daß Gewalt ein geeignetes Mittel zur Lösung von Konflikten im politischen Bereich ist?
- Uns selbst müssen wir die Frage stellen, ob wir rechtzeitig und ausreichend auf die geistigen Herausforderungen reagiert haben. Allzulange haben wir angenommen, es bestehe unveränderlich ein Konsens im Hinblick auf die Grundwerte. In die angeblich "heile" und zur Selbsttäuschung neigende geistige Situation drangen gefährliche ideologische, ja nihilistische Strömungen ein.
- Nicht wenige unserer Mitbürger wissen keine Antwort mehr auf die Frage nach dem Sinn ihres Lebens. Wir Christen müssen uns fragen: Was haben wir getan oder unterlassen, durch Wort und Leben die Freude der Erlösung durch Jesus Christus und die Geborgenheit in Gott zu verkünden und damit anderen den Weg zu weisen? ... 17. September 1977

(Quelle: Nr. 12, S. 34ff)


aus: Ausgewählte Dokumente der Zeitgeschichte: Bundesrepublik Deutschland (BRD) - Rote Armee Fraktion (RAF), GNN Verlagsgesellschaft Politische Berichte, 1. Auflage Köln Oktober 1987

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