Bundeskanzler Schmidt (SPD):
... In der Nacht von Montag auf Dienstag und am ganzen gestrigen Tage haben Millionen Deutsche und Abermillionen von Menschen in aller Welt aufgeatmet, als in Mogadischu im ostafrikanischen Somalia nach einem Irrflug von 9000 km die Befreiung von 86 Menschen aus unmittelbarer Lebensgefahr gelungen war. Auch wenn wir unsere Toten tief beklagen und mit ihren Familien und ihren Freunden deren Trauer teilen, so dürfen wir doch auch mit Genugtuung auf die Leistung der Beamten der Grenzschutzgruppe9 und aller derer schauen, die wir nach Mogadischu entsandt hatten. Es wurden hier ein Beispiel und ein Vorbild für die Jungen in unserem Lande gesetzt, ein Beispiel dessen, wofür wir alle einzutreten haben, nämlich für die Erhaltung der Würde des Menschen, für die Erhaltung der unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte, für das Recht auf Leben, für die Freiheit der Person. Ich weiß, daß viele junge Menschen die Überbetonung materiellen Lebensgenusses mißbilligen, die angesichts unseres hohen Lebensstandards bei manchen eingetreten ist, der sich manche allzu bereitwillig hingeben und die bei manch einem die Frage nach dem Sinn seines Lebens in den Hintergrund treten läßt. Ich weiß, daß viele junge Menschen - nicht nur in unserem Staate - die Frage nach dem Sinn ihres Lebens stellen.
Jeder Mensch wird seine eigene Antwort suchen müssen. Sie kann nur in der Orientierung auf oberste Werte gefunden werden. Weil wir als einzelne nicht leben können, sondern vielmehr auf Gemeinschaft, auf Gesellschaft mit vielen anderen angewiesen sind, kann die Antwort nur im Bewußtsein jener Werte gegeben werden, auf denen die Gemeinschaft beruht und auf die unser Staat gegründet ist.
Die befreiende Tat in Somalia entspringt den bewußt erlebten Grundwerten der Freiheit und der Solidarität. Es wurde hier ein Beispiel für die Bedeutung unserer Grundwerte gegeben. Es wurde Orientierung gegeben. Es ist falsch, nur danach zu trachten, was ein einzelner oder eine Gruppe von der Gemeinschaft, von der Gesellschaft oder vom Staat empfangen oder sich verschaffen könnte. Es ist vielmehr notwendig, daß wir alle uns selbst fragen, was wir der Gemeinschaft zu geben haben und wie wir ihr dienen können ...
(Quelle: Nr. 6, S. 3756ff)
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