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Generalbundesanwalt Rebmann

Terrorismus und Rechtsordnung

Einleitung

I. Vorbemerkung

Die Gewährleistung des inneren Friedens in unserem Staat gegen politisch motivierte Kriminalität ist eine Aufgabe, die der Justiz schon bald nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland, nämlich durch das Strafrechtsänderungsgesetz vom 30.8.1951, zugewiesen worden ist. Dem Gesetzgeber ging es bei jener Novelle vor allem darum, dem sogenannten gewaltlosen Umsturz entgegenzuwirken, wie er damals von kommunistischer Seite angestrebt wurde. Durch das Einschreiten der Strafjustiz konnten die illegale KPD und ihre Tarnorganisationen im wesentlichen zerschlagen werden.
In der ersten Hälfte unseres Jahrzehnts erwuchs der Strafrechtspflege eine neue Aufgabe unter anderen Bedingungen, nachdem Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Horst Mahler und andere versucht hatten, in der Bundesrepublik eine bewaffnete Untergrundarmee aufzubauen. Mit der Strafverfolgung terroristischer Gewalttäter leisten Staatsanwaltschaften und Gerichte heute ihren Beitrag zur Gewährleistung des inneren Friedens und der inneren Sicherheit in unserem Staat. Zur Bewältigung des Terrorismus als einer neuen und besonders gefährlichen Form der Kriminalität durch die Justiz bedarf es eines ausreichenden gesetzlichen Instrumentariums sowohl im materiellen Recht, um schuldangemessen bestrafen zu können, als auch im Verfahrensrecht, um die Terroristenprozesse trotz ihrer spezifischen Schwierigkeiten ordnungsgemäß durchführen zu können. Von dieser Erkenntnis ausgehend hat der Bundesgesetzgeber in den vergangenen Jahren das materielle und das formelle Strafrecht in wichtigen Punkten geändert. Er hat damit die Grundlage dafür geschaffen, daß die politisch verbrämte Gewaltkriminalität terroristischer Vereinigungen nachhaltig und in überschaubarer Zeit und zugleich - das muß betont werden - unter Wahrung rechtsstaatlicher Garantien verfolgt und geahndet werden kann.

II. Überblick über die Gesetzesänderungen der vergangenen Jahre

Diesem Ziel sind nicht weniger als fünf bedeutende Gesetze gewidmet. Es sind dies:
1. Das Ergänzungsgesetz zum 1. Strafverfahrensreformgesetz von 20.12.1974. Es brachte namentlich Änderungen im Recht der Verteidigung und verschiedene Regelungen im Interesse eines möglichst reibungslosen Ablaufs der Hauptverhandlung.
2. Das "Anti-Terrorismusgesetz" vom 18.8.1976. Es fügte insbesondere die Vorschrift des §129a - Bildung terroristischer Vereinigungen - in das Strafgesetzbuch ein und schuf für dieses Vergehen die originäre Ermittlungszuständigkeit des Generalbundesanwalts und die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte.
3. Das während des Entführungsfalles Schleyer verabschiedete sogenannte Kontaktsperregesetz vom 30.9.1977 und
4. das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14.4.1978, mit dem nach den Erfahrungen aus den Terroranschlägen des Jahres 1977 besonders dringliche gesetzgeberische Maßnahmen verwirklicht wurden.
Einen vorläufigen Abschluß der Reformen hat
5. das seit dem 1.1. dieses Jahres geltende Strafverfahrensänderungsgestz 1979 vom 5.10.1978 gebracht, mit dem die Bemühungen um eine Beschleunigung des Strafverfahrens fortgesetzt wurden.
Daneben hat der Bundesgesetzgeber wichtige Änderungen des Waffengesetzes und des Kriegswaffenkontrollgesetzes verabschiedet und im Bereich der präventiven Bekämpfung des Terrorismus weitere Änderungen vorgesehen. Ich nenne hier nur stichwortartig das Recht des Meldewesens und Bestrebungen, fälschungssichere Kraftfahrzeugkennzeichen und fälschungssichere Ausweisdokumente einzuführen.

III. Grundsätzliche Würdigung

Das Bemühen der Bundesregierung und der gesetzgebenden Körperschaften des Bundes, die gesetzlichen Grundlagen zur Bewältigung des Terrorismus zu verbessern, verdient aus der Sicht derjenigen, die an vorderster Front mit dieser Aufgabe betraut sind, Anerkennung. Einige Forderungen, die staatlichen Eingriffsmöglichkeiten noch weiter auszubauen, sind freilich unerfüllt geblieben. Gleichwohl ist - das möchte ich vorweg betonen - die Position der Organe der Strafverfolgung wesentlich gestärkt worden.
Lassen Sie mich, bevor ich auf die mit den Rechtsänderungen gemachten Erfahrungen eingehe und mich mit dieser und jener zusätzlichen Forderung auseinandersetze, als grundsätzliche Würdigung drei Thesen voranstellen:
1. Die Gesetzesnovellen haben die Möglichkeiten der Bekämpfung des Terrorismus erheblich verbessert. Insbesondere gewährleisten sie mehr als bisher die Durchsetzung der einschlägigen Normen des Strafrechts mit den Mitteln des Strafprozeßrechts. Sicherlich wäre aus der Sicht meiner Behörde die Verwirklichung einiger zusätzlicher Vorschläge erwünscht gewesen. Die wesentlichen Anliegen aber sind erfüllt.
2. Eine Demontage des Rechtsstaats hat nicht stattgefunden. Die Befürchtung, der Gesetzgeber sei dabei, den freiheitlichen Rechtsstaat zu Tode zu schützen, ist unbegründet. Das Schlagwort von der "Niederlage des Rechtsstaates" ist abwegig 1. Auch im internationalen Vergleich ist das deutsche Prozeßrecht noch immer eine der liberalsten Verfahrensordnungen.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach mit den einschlägigen Gesetzesänderungen auseinandergesetzt und keinen Anlaß zu durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen. Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, aus dem die Verpflichtung des Staates zur Sicherung einer funktionsfähigen Strafrechtspflege folgt, ist durch die Neuregelungen nicht angetastet worden. Die Frage ist erlaubt, ob das Rechtsstaatsprinzip über die Gesetz gewordenen Neuregelungen hinaus nicht sogar noch mehr an Eingriffsmöglichkeiten ertragen hätte.
3. Es war justizpolitisch richtig, kein Sondergesetz zur Bekämpfung des Terrorismus zu schaffen. Damit sind alle Probleme, die ein solches Gesetz mit sich gebracht hätte, aus den Hauptverhandlungen verbannt worden. Die Neuregelungen fügen sich gut in die für jedermann geltenden Gesetze ein. Erst recht hat keine unerträgliche Verschärfung dieser allgemeinen Gesetze stattgefunden.

B. Erfahrungen mit den Rechtsänderungen

der letzten Jahre

... c) Bei der Anwendung von §129a StGB haben sich in der Praxis keine besonderen Schwierigkeiten ergeben. Dies ist nicht zuletzt der Rechtsprechung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofes zu verdanken, die dazu beigetragen hat, den Tatbestand griffig zu machen.
Nach dieser Rechtsprechung, aus der ich hier nur einige Beispiele anführen kann, stellt ein Zusammenschluß von nur zwei Personen keine kriminelle oder terroristische Vereinigung dar und setzt der Begriff der Vereinigung ein Mindestmaß an Organisation voraus, das beispielsweise in Fällen sogenannter Hausbesetzungen vorliegen kann. Die Gründung einer kriminellen Vereinigung ist ferner auch dann gegeben, wenn eine zunächst legale Vereinigung später in eine solche umgewandelt wird, deren Zwecke oder Tätigkeiten auf die Begehung strafbarer Handlungen gerichtet sind. Und schließlich: "Werben" im Sinne von §129a StGB heißt nicht Mitgliederwerbung, sondern Sympathiewerbung, als Propaganda ...
e) Eingespielt hat sich auch die Zuständigkeitsregelung in den §§120 und 142a GVG. Die originäre Zuständigkeit des Generalbundesanwalts gewährleistet eine zentrale Verfolgung aller wichtigen terroristischen und - über §74a Abs.2 GVG - auch kriminellen Vereinigungen. Ebenso hat sich für Fälle minderer Bedeutung eine gut funktionierende Abgabepraxis nach relativ eindeutigen Kriterien herausgebildet ...

1. Neuregelungen im Bereich des Ermittlungsverfahrens


a) Feststellung der Identität, Einrichtung von Kontrollstellen und Durchsuchung von Gebäuden
Für das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren hat das Strafprozeßänderungsgesetz 1978 wichtige Eingriffsbefugnisse zur Bekämpfung des Terrorismus geschaffen: Die Ermächtigung zu einer erweiterten Identitätsfeststellung, zur Einrichtung von Kontrollstellen und zur Durchsuchung von Gebäuden eröffnet zusätzliche Möglichkeiten für Ermittlung und Fahndung, aber auch für Prävention im Bereich des Terrorismus. Mit den neuen Vorschriften werden terroristische Aktivitäten besser als bisher schon im Vorfeld, im Stadium der Planung, entdeckt werden können ...

2. Kontaktsperregesetz

Noch während der Entführung von Dr. Schleyer ist das sogenannte Kontaktsperregesetz verabschiedet worden. Im Entführungsfall Lorenz hatte sich gezeigt, daß die erpresserische Geiselnahme zum Zwecke der Befreiung inhaftierter Terroristen größere Aussicht auf Erfolg verspricht, wenn Informationen zwischen Entführern und Häftlingen und unter diesen ausgetauscht werden können. Die Unterbindung dieses Kontakts verbessert die Möglichkeit, eine Geiselnahme ohne Verlust von Menschenleben beenden zu können.
Unter diesem Blickwinkel hat das - mit dem Grundgesetz zu vereinbarende - Kontaktsperregesetz im Entführungsfall Schleyer seine erste Bewährungsprobe bestanden. Durch die während der Geiselnahme verhängte Kontaktsperre konnten Absprachen zwischen den Entführern und den freizulassenden Häftlingen über das Ziel der Befreiungsaktion ebenso verhindert werden wie Vereinbarungen der Häftlinge untereinander über ein Zielland. Die dadurch entstandene Unsicherheit verschaffte der Bundesregierung einen erheblichen Zeitgewinn und damit zusätzlichen Handlungsspielraum für Anstrengungen, das Leben von Dr. Schleyer zu retten. Ich halte die Kontaktsperre für ein wichtiges und unverzichtbares Mittel zur Verringerung von Gefahren für Menschenleben, die mit einer erneuten Geiselnahme verbunden wären ...

3. Neuregelungen im Recht der Verteidigung

Besonders umfangreich waren die gesetzlichen Änderungen im Recht der Verteidigung. Sie waren erforderlich, weil die Strafverfolgung von Terroristen vor allem in den ersten Jahren durch das Verhalten bestimmter Verteidiger erheblich erschwert worden ist. Manche Rechtsanwälte haben ihre Verteidigerrechte über lange Zeiträume hinweg dazu mißbraucht, Kontakte zwischen inhaftierten Terroristen und noch in Freiheit befindlichen Bandenmitgliedern zu vermitteln. [...]
a) Beschränkung der Zahl der Verteidiger
Zu nennen ist hier zunächst die Beschränkung der Zahl der Wahlverteidiger auf drei in §137 StPO. Sie hat eine erhebliche Erleichterung für die Durchführung von Terroristenprozessen gebracht. Eine Massierung von Verteidigern, wie zum Beispiel im großen Stammheim-Verfahren gegen Baader und andere, kann jeden geordneten Verfahrensablauf unerträglich behindern ...
b) Verbot der gemeinschaftlichen Verteidigung
In der Praxis bewährt hat sich auch das Verbot der Mehrfachverteidigung in §146 StPO; es hat manches Ausschließungsverfahren erspart. Die Auslegung dieser Bestimmung hat zwar zunächst einige Schwierigkeiten bereitet. Inzwischen hat der Bundesgerichtshof jedoch die verfahrensrechtlichen Konsequenzen im wesentlichen klargestellt, das Bundesverfassungsgericht den Anwendungsbereich verfassungskonform und sachgerecht begrenzt. Ich trete daher Bestrebungen, das Verbot der gemeinschaftlichen Verteidigung zu beseitigen, mit Nachdruck entgegen.
c) Ausschluß des Verteidigers
Unverzichtbar für die Praxis ist weiterhin der Verteidigerausschluß. Verteidiger, die mit inhaftierten Beschuldigten konspirativ zusammenwirken, müssen aus dem Verfahren ausgeschlossen werden. Diese Möglichkeit geben die seit dem 1.1.1975 geltenden §§138aff. StPO, die durch das Strafprozeßänderungsgesetz 1978 teilweise neu gefaßt wurden. Die anfänglichen Schwierigkeiten, die die Praxis mit der Anwendung des neuen Rechtsinstituts des Verteidigerausschlusses hatte, sind inzwischen im wesentlichen überwunden. Die Vorschriften sind jetzt auch effektiver geworden, nachdem der Gesetzgeber sie dahin erweitert hat, daß Verteidiger in Strafverfahren gegen Terroristen bereits dann ausgeschlossen werden dürfen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht des Mißbrauchs von Verteidigerrechten begründen, und daß der Ausschluß über das konkrete Verfahren hinaus für alle Verfahren gilt, die eine Straftat nach §129a StGB zum Gegenstand haben.
d) Überwachung des schriftlichen Verkehrs
Der Gesetzgeber konnte sich mit den aufgezeigten Maßnahmen jedoch nicht begnügen. Es erwies sich als unvermeidlich, den Austausch von Schriftstücken zwischen Verteidiger und inhaftiertem Beschuldigten kontrollieren zu können, um die Übergabe verteidigungsfremder Informationen zu verhindern. Zu diesem Zweck sieht der durch das "Anti-Terrorismusgesetz" vom 18.8.1976 eingefügte §148 Abs.2 StPO vor, daß Schriftstücke und andere Gegenstände zunächst durch die Hand eines "neutralen" Richters (vgl. §148a StPO) gehen müssen, sofern - zumindest auch - wegen des Verdachts eines Vergehens nach §129a StGB ermittelt wird ...
e) Überwachung des mündlichen Verkehrs
Der mündliche Verkehr zwischen dem Verteidiger und dem wegen Verdacht einer Straftat nach §129 StGB inhaftierten Beschuldigten ist nach §148 Abs.2 Satz3 StPO im sogenannten Parloir-System, also mittels Trennscheibe, abzuwickeln. Dies hatte sich angesichts der Stammheimer Vorfälle als unausweichlich erwiesen. Die Regelung hat sich voll bewährt ...

4. Änderungen zur Beschleunigung der Hauptverhandlung

Das seit dem 1.1.d.J. geltende Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 hat vornehmlich zum Ziel, eine zügigere Durchführung von Hauptverhandlungen zu ermöglichen. Der Mißbrauch prozessualer Rechte zu verfahrensfremden Zwecken ist jetzt in dreifacher Hinsicht erschwert worden: - Die Besetzung des erkennenden Gerichts ist vorab zu prüfen, - die Richterablehnung führt nach §29 Abs.2 StPO nicht mehr zur Unterbrechung der Hauptverhandlung, und - nach §245 StPO können auch präsentierte Beweismittel nur mehr durch förmlichen Beweisantrag in die Beweisaufnahme eingeführt werden.
Die ersten - wenn auch noch spärlichen - Erfahrungen mit diesen Neuregelungen berechtigen zu der Annahme, daß sie eine merkliche Entlastung der Hauptverhandlungen auch gegen Terroristen bringen werden.
Der Verfahrenssabotage mit Hilfe des Mißbrauchs des Anwesenheitserfordernisses hat bereits das Ergänzungsgesetz zum 1. Strafverfahrensreformgesetz mit den §§231a, 231b StPO einen Riegel vorgeschoben. Führt ein Angeklagter absichtlich, namentlich durch Hungerstreik, seine Verhandlungsunfähigkeit herbei oder ist er wegen Ungebühr von der Sitzung ausgeschlossen worden, kann das Gericht jetzt die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten durchführen. Diese Gesetzesänderungen haben sich als äußerst hilfreich erwiesen. Ohne sie könnten große Terroristenprozesse praktisch kaum mehr durchgeführt werden ...

II. Unterstützte Vorschläge

... halte ich die Verwirklichung der folgenden Anregungen de lege ferenda 2 zumindest für erwünscht.

1. Materielles Recht

Schaffung eines Straftatbestandes gegen die Befürwortung der Anwendung von Gewalt gegen Personen oder Sachen
Auf dem Gebiet des materiellen Rechts wird nicht zu Unrecht beklagt, daß in unserem Staat die Anwendung von Gewalt in einem wichtigen Bereich sanktionslos gutgeheißen werden kann. In der Tat fehlt eine Strafvorschrift gegen das Befürworten noch nicht begangener Gewalttaten durch öffentliche Propagierung oder pressemäßige Verbreitung der Auffassung, daß ganz allgemein die Anwendung von Gewalt gegen Personen oder Sachen zur Durchsetzung bestimmter Ziele begrüßenswert, notwendig oder aber doch unvermeidbar sei ... In der Praxis bereiten mir vor allem zwei Erscheinungsformen der Befürwortung von Gewalt Sorge: Einmal die auf dieser Befürwortung aufbauende und an Brutalität zunehmende Gewaltkriminalität, wie sie sich vor allem bei Kernkraftwerksdemonstrationen gezeigt hat; zum anderen das Bestreben zahlreicher periodisch erscheinender Druckschriften (wie z.B. ID oder INFO-Bug) mit "linksradikaler" Tendenz, in unserem Staat ein Klima der Gewalt zu erzeugen. Die hier öffentlich vorgetragene Billigung von Gewalt kann in ihrer Bedeutung für terroristische - oder auch anderer Zielsetzung dienende - Gewalttaten oder auch nur für die Werbung um Verständnis für solches Tun gar nicht gefährlich genug eingeschätzt werden. Um dem nachhaltig entgegenwirken zu können und zur Erhaltung des Gefühls der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens in der Bevölkerung halte ich es für geboten, gegen das öffentliche Gutheißen von Gewalt in jedweder Form strafrechtlich vorgehen zu können. Dabei stelle ich mir einen Tatbestand vor, der denjenigen mit Strafe bedroht, der öffentlich oder in einer Versammlung oder durch die Verbreitung von Schriften (§11 Abs.3) die Anwendung von Gewalt gegen Personen oder Sachen in einer Weise befürwortet, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Dabei könnte die Sozialadäquanzklausel des §86 Abs.3 StGB 3 ganz oder teilweise für entsprechend anwendbar erklärt werden.

2. Verfahrensrecht


a) Einführung einer prozessualen Mißbrauchsklausel
Auf dem Gebiet des Verfahrensrechts wird - ich habe dies bereits erwähnt - eine Mißbrauchsklausel für erwünscht bezeichnet, weil anders gegen den übermäßigen, auf Prozeßverschleppung angelegten Gebrauch strafprozessualer Befugnisse durch manche Verteidiger in Terroristenprozessen nicht angegangen werden kann. Da sich diese Verteidiger in aller Regel - rein formal gesehen - nur gesetzlich vorgesehener Mittel bedienen, stehen die Gerichte diesem für Verfahrensfortgang und zügige Rechtsfindung höchst schädlichen Verhalten weitgehend machtlos gegenüber ...
Diese Situation legt die Einführung einer prozessualen Mißbrauchsklausel nahe. Eine solche Vorschrift könnte etwa dahin gehen, daß Anträge der Beteiligten, die ersichtlich oder gar offenkundig nichts zur Wahrheitsfindung beitragen sollen und können, ohne weiteres mit dieser Begründung zurückgewiesen werden können. Ähnlich könnte daran gedacht werden, böswillige oder haltlose sowie sachfremde Fragen und Erklärungen als mißbräuchlich untersagen zu lassen. Der Zweck dieser Regelung dürfte allein darin bestehen, der Strafrechtspflege ungehinderten Fortgang zu ermöglichen und sie von sachfremder Einflußnahme freizuhalten.
Dies aber ist ein legitimes rechtsstaatliches Anliegen.
b) Einschränkung der Anwesenheitspflicht des inhaftierten Angeklagten
Möglichst bald ändern sollte man die Regelung des §231 StPO über die Pflicht des Angeklagten zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung. Während gegen den auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten, der der Hauptverhandlung eigenmächtig ferngeblieben ist, unter den Voraussetzungen des §31 Abs.2 StPO verhandelt oder weiterverhandelt werden kann, ist dies gegen den in Haft befindlichen Angeklagten nicht möglich. Er muß zur Sitzung vorgeführt werden und kann sodann seinen Ausschluß von der Verhandlung nur durch Störungen erzwingen. Das hat gerade in Strafverfahren gegen Terroristen immer wieder zu bösen Beschimpfungen des Gerichts und zu unwürdigen Szenen geführt. Man sollte deshalb §231 StPO dahin ändern, daß die ernstliche Weigerung des inhaftierten Angeklagten, sich zur Hauptverhandlung vorführen zu lassen, dem eigenmächtigen Fernbleiben gleichgestellt wird.
c) Vorabanklage
Alle Verbesserungen des Prozeßrechts können freilich nichts daran ändern, daß in Strafverfahren gegen terroristische Gewalttäter bei oft schwieriger Beweislage häufig umfangreiche Sachverhalte aufzuklären sind, mit der Folge, daß diese Verfahren relativ lange dauern. Der Prozeßstoff muß deshalb - wenn irgend möglich - beschränkt werden. Ich klage daher in allen geeigneten Fällen neben dem Organisationsdelikt des §129a StGB nur noch einzelne leicht beweisbare Taten und nicht mehr das gesamte strafbare Verhalten eines Terroristen an.
Die Möglichkeiten eines solchen strafprozessualen Verhaltens geben die §§154, 154a StPO in ihrer seit dem 1.1.1979 geltenden Fassung. Danach hat die Staatsanwaltschaft jetzt die Befugnis, das Verfahren auch wegen schwerwiegender Verbrechen - mag es sich auch um Mord oder Mordversuch handeln - einzustellen, wenn deren Ahndung neben einer rechtskräftig verhängten oder zu erwartenden Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Selbst die Möglichkeit der Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe steht jetzt der Einstellung grundsätzlich nicht entgegen, sofern der Täter bereits wegen einer anderen Tat zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden ist oder eine solche Strafe zu erwarten hat ...
Mit Rücksicht auf alle diese Schwierigkeiten habe ich vorgeschlagen, die gesetzliche Möglichkeit der stufenweisen Anklage und Aburteilung einzelner in Tateinheit mit dem Dauerdelikt des §129a StGB begangener Straftaten zu schaffen. Durch eine solche Vorabanklage würde die Straffung umfangreicher Prozeßstoffe erleichtert und vor allen Dingen die Möglichkeit eröffnet werden, für klar zu Tage liegende Einzeltaten gefährlicher Rechtsbrecher auch von geringerem Gewicht alsbald eine Strafe zu verhängen und zu vollstrecken, ohne daß dadurch die zusätzliche Ahndung weiterer, noch nicht genügend aufgeklärter Rechtsverstöße abgeschnitten wird. Damit bleiben auch alle mit der Verfolgung des Delikts nach §129a StGB verbundenen Eingriffstatbestände und meine Zuständigkeit erhalten, ferner könnte die Dauer der Untersuchungshaft in den meisten Fällen erheblich verkürzt werden.
Ich messe der Verwirklichung dieses Vorschlags, das heißt der Einführung eines Vorbehalts- und Ergänzungsverfahrens, wesentliche Bedeutung zu. Als selbstverständlich gehe ich dabei davon aus, daß sich der Gesetzgeber bei der Regelung des Vorbehalts- und Ergänzungsverfahrens innerhalb des Spielraums hält, den Artikel 103 Abs.3 des Grundgesetzes gewährt. Der Grundsatz "ne bis in idem" 4 und das Verbot der Doppelbestrafung müssen aber nicht und dürfen auch nicht so ausgelegt werden, daß wir zu unsinnigen, der materiellen Gerechtigkeit grob widersprechenden Ergebnissen kommen. Ich weiß mich darin mit unseren Richtern und Staatsanwälten einig.

D. Schlußbetrachtung

Mit den dargestellten Gesetzesnovellen der letzten Jahre sind wesentliche Verbesserungen in der Bekämpfung des Terrorismus durch die Strafjustiz erreicht worden. Die von mir vorgetragenen Vorschläge de lege ferenda, insbesondere die prozessuale Mißbrauchsklausel und die Vorabanklage, würden zweifellos noch weitere Erleichterungen für die Staatsanwaltschaften und Gerichte bringen. Gleichwohl kann ich mit einer gewissen Befriedigung feststellen, daß es mit dem jetzt geltenden Recht auch unter manchmal widrigen Umständen doch immer gelungen ist, die Verfahren zu einem ordnungsgemäßen prozessualen Abschluß zu bringen. Bei meinen Vorschlägen handelt es sich deshalb mehr um Verbesserungen in einzelnen, wenn auch gewichtigen Punkten und nicht um unverzichtbare Voraussetzungen für die strafrechtliche oder strafprozessuale Bewältigung terroristischer Taten.

(Quelle: Nr. 16, S. 109ff)


aus: Ausgewählte Dokumente der Zeitgeschichte: Bundesrepublik Deutschland (BRD) - Rote Armee Fraktion (RAF), GNN Verlagsgesellschaft Politische Berichte, 1. Auflage Köln Oktober 1987

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Anmerkungen der Redaktion:

1 Hier bezieht sich Rebmann auf den Aufsatz von RA Dr. Hans Dahs, Bonn, Das "Anti-Terroristen-Gesetz" - eine Niederlage des Rechtsstaats, in "Neue Juristische Wochenschrift", Heft 47, 24.11.1976

2 de lege ferenda: gesetzlich noch zu regeln

3 Sozialadäquanzklausel des §86 Abs. 3 des Strafgesetzbuches: Der §86 sieht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren für denjenigen vor, der Propagandamittel u.a. einer vom BVerfG für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer wegen Verfassungswidrigkeit verbotenen Vereinigung verbreitet. Absatz 3 sieht Strafbefreiung vor, "wenn die Handlung im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen oder ähnlicher Zwecke vorgenommen wird.

4 ne bis in idem: bedeutet das Verbot, zweimal für dieselbe Sache zu bestrafen