Wir reden von dem, was wir in den letzten Jahren erfahren haben und was wir daraus machen wollen. Das muß hier natürlich auf seine allgemeinen Bestimmungen begrenzt bleiben.
Wir sagen, daß es jetzt möglich und notwendig ist, einen neuen Abschnitt in der revolutionären Strategie im imperialistischen Zentrum zu entfalten.
Hier wollen wir als eine Voraussetzung dafür, aus dem, was sich in den letzten zwei, drei Jahren in Diskussionen, Versuchen, realen Schritten zusammengeschoben hat, ein Stück von dem Boden holen, auf dem die Sache laufen kann.
Die Idee, die Vorstellung hat eingeschlagen, davon kann man ausgehen. Die praktischen Anfänge zeigen, daß es geht und daß es trifft: Guerilla und Widerstand - eine Front.
Jetzt geht es darum, was ingesamt als Möglichkeit quer durch alle Gegenden und Scenen schon lebt, oft diffus und nur als ungefähre Vorstellung spürbar, auf neuer Stufe Kampf werden zu lassen, das heißt zur Wirksamkeit und Strategie zu bringen. Jetzt, weil sonst das Neue, Produktive und Offene, der Stachel des ganzen, die Möglichkeit so noch nicht dagewesener Entwicklungen wieder verschwimmt und zerfällt.
Der Zusammenstoß zwischen Guerilla und Staat '77 war Katalysator für einen Umschlag der politischen Situation hier. Die Bedingungen des Kampfs haben sich in der Dialektik von Angriff und Reaktion verändert. Und wie sich die Bedingungen ändern, können und müssen sich die Formen des Kampfs ändern. Nach '77 war nichts mehr wie vorher. Der Staat nicht, die Linke nicht, die Rolle der BRD in der internationalen Politik nicht, die Stellung des bewaffneten Kampfs im Zentrum im Rahmen des internationalen Klassenkriegs nicht. Wir haben '77 Fehler gemacht, und die Offensive wurde zu unserer härtesten Niederlage. Dazu werden wir hier noch im einzelnen etwas sagen.
Die Situation heute - daß wir durch die Wirkung, die die Konfrontation entwickelt hat, stärker als vorher daraus hervorgekommen sind - zeigt, daß Fehler und Niederlage nicht das Entscheidende waren.
In grundsätzlicher Sicht hat die Offensive '77 unseren Kampf seit 1970 zusammengefaßt und zur Entscheidung gestellt. Die gesamte Phase der Kämpfe um die Entstehung und Entwicklung der RAF war in der einen Machtfrage konzentriert: ob diese Gefangenen freikommen, mit denen der Staat die RAF und die Staatsraison verbunden hat - wie überhaupt der Kampf um die Durchsetzung des Konzepts der Metropolenguerilla: ob bewaffnete Politik in der BRD sich tatsächlich verankern und so die revolutionäre Perspektive eröffnen kann, die erste grundsätzliche Machtfrage war, die in allen Aktionen, Gefechten, Fahndungen, Medienkampagnen in den Jahren bis dahin als Kern enthalten war. Hundertmal hat die Regierung deshalb unser "Scheitern" verkünden lassen. Tausendmal hat deshalb das Gezeter des größten Teils der Linken die "Aussichtslosigkeit" des bewaffneten Kampfs beschworen. Isolation, Trakts, der Schauprozeß in Stammheim sollten auslöschen, was aufgetaucht war. Schließlich '77.
Wir sind uns heute sicher, daß sie sich für den Tod Schleyers, für die Möglichkeit, fast 100 Leute in Mogadischu in die Luft fliegen zu lassen, entschieden haben und sich entschlossen haben, die Stammheimer Gefangenen zu liquidieren, weil sie wirklich gehofft und geglaubt hatten, daß damit ein für allemal oder jedenfalls für die nächsten Jahre Schluß ist.
Die Dialektik der Entwicklung, durch die jetzt alles anders aussieht, zeigt genau, was Guerilla ist und was der Staat ist und wie der Kampf läuft.
Sie hätten es fast geschafft - aber die Ironie ist, daß sie genau dadurch eine Situation geschaffen haben, in der wir unter veränderten und so besseren Bedingungen weiterkämpfen konnten.
In dieser äußersten Anstrengung, in der es für sie keine Grenzen mehr gab, durch die Niederschlagung der Offensive '77, die sie wie nichts vorher an der Gurgel hatte, unser Ende herbeizuführen, waren sie gezwungen, zum reinen starken Staat zu werden, die Unterwerfung des gesamten oppositionellen Spektrums zu erzwingen, jede auch nur kritische Geste niederzuwalzen und sich als unentrinnbarer Apparat der Gesellschaft bis in die feinsten Verästelungen gegenüberzustellen. Damit haben sie im Herbst '77 jeder Fundamentalopposition neue Verhältnisse und existentielle Lebensbedingungen gesetzt - als aktuelle Erfahrung und als Perspektive zukünftiger Kämpfe, die jeden gezwungen haben, grundsätzlich neu zur Macht in Beziehung zu treten - oder sich aufzugeben.
An dem Punkt ist diese objektive Situation in ihrer einfachsten Rückführung auf die Frage, ob jetzt vielleicht tatsächlich Schluß ist mit der Guerilla, subjektiv für viele, für die es hier keine Perspektive mehr gibt, zum Augenblick der existentiellen Erfahrung geworden, daß, wenn es wirklich so wäre, ihre ganzen Hoffnungen und Vorstellungen von einem anderen Leben auch verschwunden sind. Daß es nur Hoffnung gibt, solange es Kampf gibt. Daß sie die Guerilla wollen und brauchen, daß unsere Niederlage ihre Niederlage ist. Aus dieser neuen Erfahrung der Notwendigkeit der Guerilla kann der Sprung zu einem neuen Bewußtsein leicht sein: Wenn der Kampf der Guerilla die eigene Sache ist, kann die Verwirklichung davon nur sein, sich selbst - auf welcher Ebene auch immer - politisch und praktisch in den Zusammenhang der Strategie der Guerilla zu stellen.
Der Sprung ist das innere, lebendige, in konkreten Personen verkörperte Moment der Veränderung der Bedingungen für den Kampf hier: für die Entwicklung der revolutionären Front in der Metropole.
Es ging sieben Jahre lang darum, in dieser politischen Wüste, in der alles nur Schein, Ware, Verpackung, Lüge und Betrug ist, den Geist und die Moral, die Praxis und die politische Orientierung des unwiderruflichen Bruchs und der Zerstörung des Systems hereinzubringen. Guerilla. Aus der Verbindung und der Identität mit den Kämpfen in Südostasien, Afrika und Lateinamerika gewaltsam hier hereinzubrechen und sich festzusetzen. Was Che die Phase des Überlebens und der Verankerung genannt hat, war hier die Phase der Durchsetzung des Konzepts, das weiterlebt und aufgegriffen wird, selbst wenn die in einem bestimmten Moment existierenden illegalen bewaffneten Gruppen aufgerieben wären. Gewaltsam durchgesetzt, allerdings. In jeder Beziehung. Und isoliert. Nicht nur gegen einen historisch beispiellosen Repressionsapparat, auch gegen die Vorstellung von Leuten, mit denen wir lieber anders zusammengekommen wären. In dieser seit Generationen niedergewalzten und eingeebneten Landschaft konnte der Gedanke an Befreiung kaum mehr durch die meterdicken Schichten von Korrumpierung, Entfremdung, Deformierung die Herzen und Hirne erreichen.
Jetzt ist die Frage, ob in der BRD und Westeuropa bewaffnet gekämpft werden soll und gekämpft werden wird, erledigt. Es ist evident. Das heißt nicht, daß Guerilla gesichert wäre, das ist nie so, aber die Existenz der Politik der Guerilla ist jetzt Grundlage, auf der der Kampf entwickelt wird.
Nachdem aus dem internationalen Zusammenhang der Kampf um Befreiung vom isolierten Guerillaprojekt zur greifbaren Wirklichkeit in den Auseinandersetzungen des Tages durchgebrochen ist, geht es jetzt um den Sprung mit beiden Beinen auf den Boden der Situation hier, um Widerstand in der Metropole in der umgekehrten Bewegung von hier aus zur Front im internationalen Klassenkrieg zu bringen.
Also die Strategie, die ihre Wurzel hier hat. Im existentiellen Hunger nach einem anderen Leben, in der Erfahrung der Totalität des imperialistischen Zentrums, in der Notwendigkeit des Widerstands hier. Die daraus die revolutionäre Front im Zentrum als weiteren Abschnitt neben den Kämpfen in Asien, Afrika, Lateinamerika erobert.
Das heißt, radikal sich selbst in dem, wo man Guerilla, Kampf um Befreiung verbunden ist, zum Ausgangspunkt der Entwicklung des antiimperialistischen Kampfs zu machen. In einem offenen strategischen Konzept zu kämpfen, wo jeder, der aus dem Ernst seiner eigenen Lage, aus seiner Geschichte und seinem subjektiven Prozeß sich über das gemeinsame Ziel der Zerstörung des imperialistischen Systems und der revolutionären Umwälzung der Gesellschaft in den konkreten Kampf, den Zusammenhang der Politik der Guerilla stellt, Teil der revolutionären Front hier ist. Und es vom ersten Moment an seine wie unsere Sache ist, daß und wohin die Front im Zentrum sich entwickelt. Das meinen wir mit: zusammen kämpfen. Eine Front.
Wenn man so will, unterscheidet sich unsere Aktionslinie bis '77 von der jetzt darin, daß es bis '77 immer auf das ankam, was direkt zum bewaffneten Kampf gekommen ist oder diesen Schritt vorbereitet hat, und daß es jetzt darauf ankommt, daß Guerilla, militante und politische Kämpfe als integrale Komponenten im perspektivischen Fluchtpunkt der zu entfaltenden Metropolenstrategie zusammenkommen.
Wir sagen: Wenn auch bewaffnete, illegale Organisation der Kern dieser Strategie ist, bekommt sie erst ihre ganze notwendige Kraft, wenn bewaffnete Politik mit militanten Angriffen, mit den Kämpfen aus der ganzen Breite der Erdrückung und Enfremdung und mit dem politischen Kampf um die Vermittlung ihres Prozesses zusammen zu einem bewußten und gezielten Angriff gegen die Dreh- und Angelpunkte des imperialistischen Zentrums gebracht wird.
Wir stellen die subjektive Seite der Entwicklung aus der Dialektik von '77 - die Möglichkeit der Front im Zentrum - in den Mittelpunkt. Sie steht hier immer im Mittelpunkt. Sie ist das Entscheidende im Kampf in den imperialistischen Zentren, aus denen gesetzmäßig - allein aus den sich entwickelnden objektiven Widersprüchen und Bedingungen unter dieser Herrschaftsweise von Krisenmanagement und Transformierung jeder gesellschaftlichen Entwicklung zum Herrschaftsmittel - keine revolutionären Bedingungen, sondern nur Zerstörung und Fäulnis kommen können.
Aber natürlich zieht sich keiner am eigenen Schopf auf eine neue Stufe. Die qualitativ veränderte Situation jetzt ist aus der objektiven Entwicklung des internationalen Klassenkriegs entstanden und nur in ihm zu begreifen.
Im Kampf der Befreiungsfront in Vietnam war die lange Geschichte der Befreiungskriege in den kolonisierten Kontinenten wie in einem Brennpunkt konzentriert, und ihr Sieg hat die gesamte historische Phase der nationalen, antikolonialen Befreiung der vom Imperialismus unterworfenen Völker entschieden.
Die Wirkungen dieses historischen Durchbruchs: die neue Stärke der jungen Nationalstaaten auf der Ebene der internationalen Politik - die ökonomisch-politisch-soziale Gesamtkrise der imperialistischen Kernländer - und der mit den Befreiungskämpfen gleichzeitige Aufstieg der Sowjetunion zur den USA gleichwertigen Großmacht - haben das Gesamtkräfteverhältnis aus den Linien Nord-Süd, Ost-West und Staat-Gesellschaft innerhalb der imperialistischen Zentren zu einem zugespitzten, labilen Gleichgewicht zwischen Imperialismus und Befreiung gebracht. Mit anderen Worten: Die Instabilität des imperialistischen Systems bedeutet seitdem weltweit eine Situation, in der der Imperialismus mit seiner Niederlage an jedem Punkt des Weltsystems oder dem Verlust irgendeiner seiner Machtpositionen - ob es um eine militärstrategische Position (wie südliches Afrika, Naher Osten) oder die Verfügung über eine ökonomische Komponente (wie Öl, strategische Rohstoffe, technologischer Vorsprung) oder die politische Dominierung einer geographischen Region (wie Mittelamerika, Golf) geht - in die endliche Krise des Systems kippen kann.
Die Auseinandersetzung hat sich nach Vietnam von einer Konfrontationsstellung: Zentrum des Befreiungskriegs, Front und Hinterland zu einer Linie hin verschoben, die weltweit quer durch jeden Abschnitt, jeden Kontinent, jedes Land geht. Weil jeder Abschnitt aus seiner Verflechtung und Bedeutung im Gesamtsystem zum Auslöser des Einsturzes des Kräfteverhältnisses werden kann - und so tendenziell zur Front des Befreiungskriegs.
Die imperialistische Reaktion mußte sich, bildlich gesagt, auf das Konzentrat ihrer Macht: Staat, die vereinheitlichten Apparate der US-Staatenkette, die Rekonstruktion ihrer militärischen, ökonomischen und politischen Handlungsfähigkeit und ihrer Durchsetzungsinstrumente zusammenballen, um von da aus, im Versuch, die globate Entwicklung wieder zu bestimmen, überall: in den jetzigen Kämpfen in Asien, Afrika, Lateinamerika, in den jungen Nationalstaaten, am Ost-West-Gegensatz, in Westeuropa anzugreifen mit dem Ziel, aus dieser Gesamtoffensive die Übermacht wieder zu erreichen.
Für den antiimperialistischen Kampf heißt das, daß gegen diese Einheit der imperialistischen Reaktion die Kämpfe an allen Linien jetzt parallel geführt werden müssen. Es sind verschiedene Abschnitte einer einzigen Front. Und als Kämpfe, die Seite an Seite geführt werden, wird jeder Abschnitt - so auch der westeuropäische - nur aus seiner eigenen Kraft, aus seiner besonderen Entwicklung und seinen besonderen aktuellen und historischen Bedingungen wirklich zur Front, die den Imperialismus erschüttern kann.
So ist der Sprung aus der Dialektik der Konfrontation '77 zu qualitativ veränderten subjektiven Bedingungen des Kampfs hier und unser Schritt zur Basis des Prozesses des Widerspruchs im Innern dieses Zentrums vollkommen in die Entwicklung, in die Notwendigkeiten und Möglichkeiten des internationalen Klassenkriegs integriert. Er kam sozusagen gerade rechtzeitig.
Tatsächlich hat '77 der Staat auch in diesem Zusammenhang gehandelt. Gegen Ende der ersten Formierungsphase der US-Staatenkette hat er sich an unserer Niederlage als diese Übermacht, die so erscheinen wollte, als gäbe es für seine Grenzen, keineswegs als Nationalstaat, sondern in der Dimension des globalen konterrevolutionären Projekts aufgetürmt. Als die europäische Führungsmacht, die in ihrer Funktion für das US-Staatensystem die innerstaatliche und innerwesteuropäische politische Stärke gegen jede Form von Widerstand durchsetzen will, um international den Angriff führen zu können. Aber damit haben sie die Auseinandersetzung in zwei Richtungen vorangetrieben, auf deren Linien die entscheidenden Kämpfe auch laufen werden: in die Breite zur Guerillabekämpfung als vereinheitlichte westeuropäische Staatspolitik - gegen die die Perspektive der westeuropäischen Front der Guerilla real geworden ist - und in die Tiefe der Gesellschaft, woraus die schärfste Polarisierung und der gesellschaftlich breiteste Riß aus der Einbindung in diesen Staat, aus seiner Logik und seinen Gesetzen in der Geschichte der BRD gefolgt ist - und damit die Möglichkeit der revolutionären Front hier.
Es ist jetzt nicht mehr der Punkt, die inneren Veränderungen hier im einzelnen zu analysieren. Denn die Haltung und die Lebenspraxis derjenigen, die seitdem kämpfen, hat die veränderte Situation schon in sich und geht ganz einfach von ihr aus. Wir stellen einfach fest: Fundamentalopposition ist mit diesem System wie nie zuvor grundsätzlich fertig. Kalt, illusionslos, vom Staat nicht mehr zu erreichen. Da ist nichts mehr von "Systemveränderung" und "alternativen Modellen" im Staat. Sie sind nur noch skurril. Da ist einfach Schluß - und erst hinter dem Ende des Systems wird eine Lebensperspektive vorstellbar.
Der Imperialismus verfügt über keine positive, produktive Perspektive mehr, er ist nur noch die von Zerstörung. Das ist der Kern der Erfahrung, die die Wurzel der neuen Militanz in allen Lebensbereichen ist. Materiell in der ökonomischen Lebensgrundlage, in Rüstung und atomaren Kriegsplänen, die der natürlichen und sozialen Lebensbedingungen und in der Person selbst, wo Entfremdung und Erdrückung in massenhafte Deformierung und Abtöten von individuellem Reichtum des Denkens, Fühlens, der Persönlichkeitsstruktur umgeschlagen ist. Die meisten verzweifeln daran. Soweit hat der Imperialismus in den Zentren seine Herrschaft perfektioniert und systematisiert, daß sie die Kraft zum Widerstand nicht mehr finden. Steilansteigende Selbstmorde, Flucht in Krankheit, Suff, Pillen, Drogen, das ist die Reaktion auf die Wirklichkeit aus der langen Geschichte von Niederlagen, Ertragen und Leiden, aus der Entpolitisierung, in der die äußere Gewalt nicht mehr als die Ursache gesehen werden kann.
Aber aus dieser Dimension des Elends kommt jetzt auch die existentielle Tiefe der Kämpfe und der Haß. Das ist nicht mehr die spontane, kurze Wut. Die ist in den ganzen Jahren verbrannt. Das ist der Boden, aus dem sich jetzt im Zentrum die revolutionäre Front entwickelt. Denn wenn die Entwicklung des Systems letztlich auf Zerstörung und Vernichtung zurückgeführt wird, trägt der Widerstand - bewußt oder auch nicht - das Moment in sich, daß es jetzt gegen und um das Ganze geht. Innerhalb konkreter Einzelkämpfe und über sie hinaus. Die Einheit des revolutionären Kampfs wird möglich und notwendig. Eine Aktionslinie für jeden, der diesen Kampf will, auf der Bruch mit dem Staat, Revolte, militante Kämpfe überall zur Politik - zur Strategie des Angriffs auf das imperialistische Zentrum zusammenkommen können und die aus ihrer Praxis zwingend macht, daß sie darin zusammenkommen.
Es hat in den letzten zwei Jahren eine Menge Flugblätter und Aktionen mit der Parole "eine Front mit der RAF" gegeben, und wir wissen, daß das Bedürfnis und die Bereitschaft dazu durch alle politisierten Bereiche geht. Aber zwischen dem, was in Bedürfnis, Bereitschaft, Anfängen potentiell an Front existiert, und dessen Realisierung in Entwicklungsprozessen, Organisierung, Bewegung ist immer noch eine enorme Diskrepanz.
Die Front stellt sich nicht automatisch über ein Nebeneinander von Kämpfen und durch ihre Proklamation her. Sie verkommt in der Proklamation, und die Mobilisierung dahin wird wieder zerfallen, wenn nicht mehr als jetzt schon dieses Konzept als praktische Frage - wie es laufen kann und daß es läuft - angepackt wird. Nicht nur von uns.
Die Front wird nur darüber real werden, daß jeder, egal an welcher Stelle, es zu seiner Sache macht, die Momente und Formen der Einheit des bewaffneten Kampfs aus der Illegalität und des politisch-militanten Widerstands aus der Legalität, die Mittel, die Taktiken und die Struktur, also ihren Handlungs- und Entwicklungsraum, der illegal ist, praktisch herauszufinden und sie bewußt im strategischen Prozeß selbst weiterzubringen.
Die Front ist Entwicklung des politischen und praktischen Zusammenhangs des Angriffs gegen die imperialistische Macht - oder sie ist nichts.
Unsere Erfahrung aus den letzten zwei Jahren, in denen wir einen ersten Kern dieser neuen Struktur der Guerilla erreicht haben, ist, wie leicht sich der Zusammenhang spontan herstellt, wie stark er ist - subjektiv und objektiv-materiell als Möglichkeit zum Angriff - und wie schwer es andererseits ist, den Prozeß der Strategie über einzelne politische Initiativen, Aktionen und begrenzte praktische Zusammenhänge hinaus als kontinuierlichen in Gang zu bringen. Das ist der Knoten, der jetzt durchschlagen werden muß.
Es geht dabei nicht um Moral, Eifer, Leistung. Es geht darum, aus der Entscheidung für diesen Kampf sich in voller Konsequenz die reale Vorstellung davon zu machen, wie das System hier tatsächlich zu brechen ist, und darin sich selbst zu bestimmen.
Wir haben es mal an uns selbst erfahren und erfahren es jetzt mit denen, die wir direkt kennen: Das sprengende Moment für den Durchbruch, von dem jetzt abhängt, wie weit wir kommen, ist der Kampf derer, die angefangen haben, in diesem Konzept zu kämpfen, oder die das wollen, um den Begriff von sich selbst als Subjekte der antiimperialistischen Front zu gewinnen 1. Sie in und mit sich selbst zu antizipieren und jede politische Initiative, jede Aktion aus ihr und für sie zu bestimmen: sich selbst in dem, was man anfängt, bis zur Front des Angriffs zu denken.
Praktisch verhindern seit den ersten Diskussionen '79 um die Einheit des antiimperialistischen Kampfs immer wieder dieselben Blockierungen in und zwischen den antiimperialistischen Gruppen, was schon längst sein könnte: die handelnde Front. Wir können mit den Scheingefechten um den Fetisch militante Aktion oder um die Beschwörung der "Verbindung mit den Massen" nichts anfangen. Auch das Ringen um ein Bekenntnis zu uns bzw. umgekehrt das Lauern auf die Aufdeckung einer Verbindung zu uns in den Auseinandersetzungen sind überflüssig. Tatsache ist, daß dabei nur rauskommt, daß die einfachsten nächsten Schritte nicht gemacht werden.
Front meint mehr als Actions. Front, also Kämpfe, die in ihren gemeinsamen Zielen zu einem Kampf werden und von daher sich politisch und praktisch verbinden können, wird im westeuropäischen Zentrum in vielen Gestalten leben. Die antiimperialistische Front in der BRD jetzt - das sind militärische Angriffe, einheitliche koordinierte militante Projekte, die darauf aus sind, die imperialistische Strategie zu durchkreuzen, politische Initiativen zur Vermittlung der Politik, die im aktuellen Widerstand eingreifen, sie ist struktureller und organisatorischer Kampf um die Handlungsfähigkeit, sie ist zu jedem Moment ihrer Entwicklung Kampf um die Möglichkeit und den praktischen Zweck von Diskussion und Kommunikation für den Prozeß der Strategie.
Front meint etwas anderes als die Erweiterung der Guerilla um eine Struktur aus der Legalität. Wir haben gesagt, daß es einen "legalen Arm der RAF" nicht gibt und nicht geben kann. Natürlich haben wir Verbindung zu Leuten an verschiedenen Ecken und Enden, und natürlich machen wir darin ganz konkrete Politik der Guerilla - antiimperialistischer Widerstand kann aber nur als selbständige, spezifische Entwicklung auf diesem Terrain auf das gemeinsame Ziel hin Teil der antiimperialistischen Front werden, und erst darin ist die Trennung aufgehoben. Der Kampf auf diesem Terrain kann nur so politisch zünden, nur so Kontinuität und Stärke erreichen - und grundsätzlich ist Selbstbestimmung und volle Verantwortlichkeit an jeder Stelle des Kampfs revolutionärer Politik im westeuropäischen Zentrum substantiell.
Die Auseinandersetzungen auf immer derselben Stelle, in denen isolierte Standpunkte und Glaubensbekenntnisse einander entgegengehalten werden, die Enge des vereinzelten Gruppendenkens, die Entschlußlosigkeit, es selbst anzupacken, fallen dort einfach weg, wo sich der Begriff der Situation zu eigen gemacht wird: daß die antiimperialistische Front so dringend notwendig wie schwach entwickelt ist - und dabei potentiell stark in ihrer Position im westeuropäischen Zentrum und in ihrer enormen Möglichkeit im internationalen Befreiungskrieg sein kann.
Die relevante, kämpfende Front gegen die imperialistische Strategie muß das unmittelbare nächste Ziel sein.
Die Menge Wissen über Imperialismus und seine Pläne, wie es immer aus den Papieren quillt, und die Entschiedenheit und das Feuer in militanten Aktionen sind umsonst, wenn aus beidem nicht der Entschluß kommt, den Zusammenhang herzustellen, der sich vornimmt, eine ganze Entwicklung zusammen durchzukämpfen.
Aus dem, was jetzt ist: aus dem, was im aktuellen Widerstand steckt, und aus den Bedingungen des Kampfs in der Metropole, die politischen, struktuellen, praktischen Elemente und Linien des Angriffs auf den Kern der imperialistischen Macht hier: BRD-Staat und NATO herauszuziehen, um sie offensiv weiterzuentwickeln.
Die Situation ist - daß der antiimperialistische Kampf hinter der Offensive der zwar widersprüchlich, aber doch vereinheitlichten imperialistischen Maschine zurück ist. Die Anfänge der neuen antiimperialistischen Mobilisierung haben sich nicht gegen die imperialistische Rekonstruktion nach Vietnam und dem Beginn der Krise, gegen die Vorbereitung und Einleitung ihrer Offensive gebildet - in dieser Phase war der Widerstand im Abfuck und schließlichen Zusammenbruch der 68er Linken gelähmt -, sondern erst gegen die längst laufenden reaktionären Angriffe auf allen Ebenen. Ihre Offensive rollt, spontan gibt es großen Widerstand, antiimperialistische Politik ist darin aber keine durchschlagende Orientierung. Dazu muß sie als initiativer, relevanter Faktor in den Auseinandersetzungen um und gegen die imperialistischen Projekte überhaupt präsent sein, an denen sich der Verlauf der realen Geschichte jetzt bestimmt. Die US-Kriegsstrategie in Europa - die reaktionäre Offensive des Staats nach innen - die internationale Roll-back-Strategie der imperialistischen Staatenkette gegen die Befreiungsbewegungen und die jungen Nationalstaaten und gegen die sozialistischen Staaten.
Die Situation ist - daß es tatsächlich offen ist, wie die Geschichte jetzt verlaufen wird. Der US-Imperialismus kann in seiner historischen Krise - in der es seit 40 Jahren zum erstenmal um seine Existenz geht - zu den äußersten Mitteln greifen und wird das auch tun, wenn das System in die unkalkulierbare Krise rutscht und wenn sie nicht daran gehindert werden. Das hat angesichts seines nuklearen Vernichtungspotentials allerdings eine katastrophische Perspektive - die zu fürchten wir, die international Unterdrückten und Ausgebeuteten, keinen Grund haben. Denn bedeutet sie in jedem Fall das Ende des Imperialismus, so bedeutet der Imperialismus in jedem Fall unser Ende. Unsere Haltung zur Perspektive nuklearer Vernichtung ist erstens, daß wir sie nicht fürchten, und zweitens, daß wir sie nur durch den revolutionären Krieg verhindern können und verhindern werden. Viel mehr als in der Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs liegt die Schärfe der Situation darin, daß der US-Imperialismus mitten in der Entfaltung einer umfassenden Offensive ist, die alle Dimensionen enthält, deren Ziel es ist, sich wieder als die Weltmacht aufzurichten, was dann nur auf einer erweiterten Stufe seiner gesamten Herrschaft möglich ist - in die eingegriffen werden kann und es entscheidend auch vom antiimperialistischen Kampf in Westeuropa abhängt, ob ihr Versuch für sie ausgeht oder zu einem weltweiten Sprung im Kampf um Befreiung gegen sie wird. Erweiterte Stufe von Herrschaft heißt eben auch ohne den großen Krieg: Produktion von Vernichtung im täglichen Leben, in den Lebensbedingungen, in Manipulation und Repression - Sterben und die Zerstörung von menschlicher Substanz für Millionen und für lange.
Für uns, aus der relativen Schwäche gegenüber einer Macht, die hier fast alles hat, ist die Situation auch - daß sie zwar in der Lage sind - und das noch länger -, eine Front, die hier ihre Macht bedroht, nicht zustandekommen zu lassen, daß sie zur Lösung ihrer Gesamtkrise aber auf sozialer, gesellschaftspolitischer, militärpolitischer Ebene gezwungen sind, aggressiv Macht an sich zu reißen und damit die politischen Grenzen in der Metropole, die "Belastbarkeit", zu überschreiten - Demokratie, Wohlstand, innerer Friede - und sie das nicht ewig durchhalten werden, wenn es immer wieder im antiimperialistischen Kampf gebrochen, d.h. in der Konfrontation offen wird und so der dünne ideologische Faden zwischen Staat und Gesellschaft reißt. Diese politischen Grenzen sind für das imperialistische Zentrum Westeuropa historisch konstitutiv geworden. Sie sind als Säulen des Systems gerade gegen Arbeiterbewegung und Befreiungskriege aufgebaut worden und lassen sich nicht mehr ohne Auseinanderbrechen der gesamten Gesellschaft generell wegräumen. An diesem Punkt kann die relative Schwäche des antiimperialistischen Kampfs im westeuropäischen Zentrum zur Stärke im internationalen Kampf gemacht werden. Denn im Maßstab des gesamten imperialistischen Systems wird ihr globales Restrukturierungsprojekt nur funktionieren, wenn die Formierung im Innern der imperialistischen Zentren ohne ernsthafte, durchgreifende Friktion verhältnismäßig glatt und zügig läuft. Über den Bruch im antiimperialistischen Kampf hier kommt ihr Projekt in den internationalen Widersprüchen nicht durch - oder sie erzwingen Lösungen nach innen wie außen mit ihrer Übermacht um den Preis eines internationalen, vereinheitlichten Klassenkriegs auf höherer, intensiverer und weiterreichender Stufe, d.h. um den Preis der Aktualität des Kampfs zur Zerschlagung des imperialistischen Systems.
Von hier aus kämpfen wir. Und nur das, der Begriff unserer Möglichkeit, der eigenen Kraft, der Chance, die nur wir hier haben - und damit auch der unserer Verantwortung -, kann das Mobilisierende sein, an dem die antiimperialistische Front hier aufsteht und sich entwickelt.
Aus der Bewegung des internationalen Klassenkriegs ist einerseits für die imperialistische Strategie die Offensive in und aus Westeuropa mit dem Kernstaat BRD zentral für den Versuch, sich in einer neuen Runde als funktionierendes Weltsystem Herrschaft und Kapitalreproduktion zu sichern, und andererseits, von unserer Seite aus, die Entwicklung der Front im Zentrum wie als pure Lebensnotwendigkeit dagegen zwingend, so als Bedingung dafür notwendig, daß die Tendenz zur Stagnation des globalen Befreiungsprozesses jetzt im Ost-West-Gegensatz und durch die Zwänge der staatlichen Entwicklung in den national befreiten Ländern aufgebrochen werden kann.
Die Zentren selbst und Westeuropa als Schnittpunkt der Linien Ost-West, Nord-Süd und Staat-Gesellschaft im besonderen sind Ausgangspunkt und Kernstück ihres Restrukturierungsprojekts. Hier müssen sie versuchen, die militärische Macht für den Druck auf die sozialistischen Staaten und gegen den nationalen Befreiungskampf herauszuholen und die ökonomische Potenz, die schlingernde wirtschaftliche und soziale Krise im Innern in den Griff zu kriegen und die sich entwickelnden jungen Staaten zu dominieren und sich einzugliedern und - als Bedingung von allem - die innere politische Homogenität wenn nicht als Konsens, dann jedenfalls als Ruhe im eigenen Haus gewaltsam zu erzwingen. In diesem Sinn sind sie auf die Zentren zurückgeworfen. Sie müssen und werden offensiv und aggressiv im Zentrum das reaktionäre Gesamtkonzept versuchen durchzusetzen, auf allen Ebenen und mit allen Kräften.
Mittelstreckenraketen, Neutronenbombe, konventionelle Hochrüstung - Kapitalkonzentration und -zentralisation, Rationalisierung, eingeplante massenhafte Arbeitslosigkeit, Instrumentalisierung des Menschen als Anhängsel der Maschine - die wegen der Bedeutung als Kriegsmittel auf dem Weltmarkt für sie unabdingbare Forcierung der Energiepolitik - die Zerstörung der gesellschaftlichen Strukturen nach dem Interesse der Polizei und des großen Geldes - Auspowerung beim Run nach dem Lebensunterhalt, Ausbildung als Fabrik - Bullen, Justiz, Knast - usw. sind Vorstöße dieser militärisch konzipierten Offensive, die eiserne Klammer um alle Teilbereiche der Metropolengesellschaft, die uns längst keine Wahl mehr läßt, ob wir die Front im Zentrum wollen oder nicht - der Krieg läuft. Die Frage ist nur noch, ob es gegen die reaktionäre Offensive die revolutionäre Front geben wird oder nicht.
Gegen diesen Horizont entsteht die antiimperialistische Front im Zentrum. Ihre Wirkung ist allein an der Verhinderung oder Nicht-Verhinderung einzelner, aktueller imperialistischer Projekte hier nicht zu messen, was sie erreicht, erreicht sie immer als Kampfabschnitt der internationalen Front für sie, und erst aus dieser Totalität der Konfrontation Imperialismus-Befreiung kann das Kräfteverhältnis geschaffen werden, das die soziale Revolution hier möglich macht.
Widerstand gegen die hier ausholende imperialistische Maschine - das ist auch unsere Definition der Aktion der Guerilla und der Entwicklung der antiimperialistischen Front - ist Angriff und Entwicklung der revolutionären Front im Zentrum im Rahmen des weltweiten Kampfs.
Angriff, den die ganze Situation jetzt verlangt - und der von hier kommen muß. International stehen sich die beiden Blöcke waffenstarrend versteinert im Overkill-Potential gegenüber, Befreiungsbewegungen sind Staaten geworden, und die ihn noch nicht haben, handeln im Kampf um ihn als Quasi-Staaten. Das Hauptterrain auch für die Befreiungsbewegungen und die jungen Staaten ist das der internationalen Politik, der internationalen Beziehungen geworden - zwischen dem Ost-West-Gegensatz, der sich in diesen Ländern reproduziert, dem Weltmarkt, in dem und gegen den sie gezwungen sind, sich zu entwickeln, und der neuen politischen Stärke der national befreiten Staaten in den internationalen Gremien, die ihnen etwas Raum gibt. Das ist die logische Entwicklung. Ausdruck der Stärke, die der nationale Befreiungskampf erreicht hat, und Ausdruck der Schwäche, sich noch auf das vom Imperialismus bestimmte System der Staaten beziehen zu müssen.
Die Entwicklung des Landes in dieser Situation bringt die politische Führung der jungen Staaten in den doppelten Widerspruch - zum sich vertiefenden Elend, der Armut der Bevölkerung, der Unterentwicklung und den Forderungen daraus nach radikalen Lösungen - und zu der Unvermeidlichkeit im Kampf um die Mittel dafür, über die fast völlig die imperialistischen Staaten verfügen, sich mit ihnen auch arrangieren zu müssen, der sie tendenziell in eine immer weiter auseinanderklaffende Schere von Zwängen treibt, die sie katastrophal in Bürgerkriegen, Hunger, Verzweiflung, Repression, Intervention auseinanderreißen kann. Diese Widersprüche haben sie sich aber nicht ausgesucht. Sie sind zuallererst Ergebnisse der Kolonialgeschichte, aus der der Imperialismus selbst noch aus den hinterlassenen Zerstörungen profitiert, auch wenn er schon aus dem Land hinausgeflogen ist.
Die Guerilla in den Metropolen und die militanten Kämpfe heute sind Ergebnisse einer Dynamik, die die Befreiungsbewegungen ausgelöst haben - und wenn durch ihren Kampf überhaupt eine Bewegung hier nach über 30 Jahren hochgekommen ist, dann ist die Situation jetzt dort zentral darin bedingt, daß die Kämpfe hier so wenig entwickelt sind.
Es kann keine Perspektive zur Zerstörung des imperialistischen Systems geben, solange die Perspektive der Zerstörung in seinen Macht-, Kommando- und Produktionszentren nicht eröffnet ist. Das heißt, solange die Politik nicht materielle Gewalt 2 geworden ist, die als eine relevante Kraft im internationalen Kampf, in ihrer realen Bewegung, den Zielen und der Kontinuität, den Willen und die Möglichkeit zum Ende des Systems zeigt. Erst dann wird ein revolutionärer Sprung denkbar. Der Imperialismus bricht nicht an sich selbst zusammen. Er bricht auch nicht durch eine Einkreisung und Einschnürung von außen zusammen. Ohne Entwicklung der Front hier wird in weltweiter Dimension kommen, was in der Geschichte der Klassenkämpfe in Europa und politisch im Ost-West-Konflikt das Tödliche geworden ist: erstarrter, verbitterter Grabenkrieg. Ein imperialistischer Apparat, militärpolitisch aggressiv, technologisch und produktions- und organisationstechnisch hochgepusht, der sein Ziel, wieder einzige Weltmacht zu werden, militärisch gegen den Willen der Sowjetunion und der sozialistischen Staaten, gleichwertige Macht zu bleiben, und politisch gegen das Selbstbewußtsein der Völker in Afrika, Lateinamerika, Asien nicht mehr erreichen wird - der mit seinen umfassenden politisch-ökonomisch-militärischen Kriegsmitteln aber stark genug ist, den national befreiten Ländern die Bedingungen ihrer Entwicklung zu diktieren und sie damit zu blockieren, und vielleicht stark genug, die sozialistischen Staaten durch Rüstungszwang und über den Weltmarkt ökonomisch zu zerrütten - und der in der Metropole, in der der Staat nicht aufhören wird zu versuchen, die imperialistische Macht doch noch zur Übermacht aufzurichten, unter Auspowerung, Polizeistaat und Krisenmanagement eine faulende Gesellschaft festpreßt.
Kampf um Befreiung
So zwingend Widerstand und revolutionärer Angriff aus der eigenen Lage hier ist, ist auch unsere Möglichkeit - und nur unsere -, diese Perspektive zum Ende des Systems zu eröffnen. Eine Perspektive, die in der Funktion zum Bruch der imperialistischen Macht über diese Funktion hinausgeht:
Aus der Reife der Metropole, in der die produktive gesellschaftliche Entwicklung begonnen hat, in Vernichtung umzuschlagen, weist revolutionärer Kampf hier in seinen Zielen und in der Struktur der kämpfenden Front in eine gesellschaftliche Zukunft über die historischen Grenzen des existierenden Staatensystems hinaus. Im historischen Abschnitt des auf den äußeren Linien zurückgedrängten und im Innern in der Gesamtkrise sich zersetzenden Imperialismus ist die Reife der Metropole, umgewälzt zu werden, auch die Reife zum Kampf, der radikal auf den Umbruch der gesellschaftlichen Verhältnisse zu den kommunistischen Zielen orientiert ist. Worin Leben nicht in einer weiteren Übergangsetappe, Sieg nicht als Übernahme des Staats vorgestellt ist, sondern der einheitliche Prozeß des Widerstands, der Gegenmacht und der Umgestaltung zur Befreiung ist.
Revolutionäre Politik hier ist die Strategie, die in einem den Widerstand in der täglichen Realität hier als Prozeß des Kampfs um Befreiung faßt - und ihn als Teil, Abschnitt und Funktion der weltweiten Kämpfe, in deren Zusammenwirken das Ziel nur erreicht werden kann.
Diese Politik hat mit Weltanschauung nichts zu tun. Sie stellt nicht noch eines dieser sich ablösenden ideologischen Modelle auf, von denen behauptet wird, daß sie später verwirklicht werden. Sie kann nur realer Prozeß sein. Signal der Utopie, ist sie eine langfristige und direkte Strategie - man kann auch sagen, eine Lebensweise -, in der das strategische Ziel der Zerstörung der imperialistischen Macht verbunden ist mit realer Veränderung jetzt - der Prozeß, der in den Schritten der Entwicklung der Front die Besetzung des politischen Terrains und der Person durch den Staat zerstört - der sich in der Produktion von Gegenmacht die jeweiligen Bedingungen zur politisch-militärischen Offensive schafft und als Produktion, als materielle Entwicklung, die Wiederherstellung der vollen Dimension des Menschen in den Beziehungen der Kämpfenden in sich hat. Unmittelbare Veränderung, befreites Gebiet, Revolution sind vollkommen in den Prozeß des Widerstands integriert - und nur so haben sie Wahrheit.
Revolutionäre Strategie ist hier einfach die Strategie gegen ihre Strategie.
Die ihren strategischen Plan in ihren konkreten Projekten angreift und durch den materiellen Angriff die imperialistische Offensive nach innen und außen politisch bricht und damit Bewußtsein schafft, das neuer Widerstand und Prozeß der Front national wie international wird, die ihre Pläne blockiert, bevor sie sie ausführen können.
Die als relevante kämpfende Front hier den Bruch des Konsens im imperialistischen Zentrum materiell macht und durch die internationale Vermittlung des inneren Bruchs ihnen die Legitimität bzw. Attraktivität nimmt, das System aus Geld, Manipulation und Vernichtung in einer neuen Phase weltweit reproduzieren zu können.
Und die als radikale Wendung der Lage in der Metropole die Möglichkeit des Endes der imperialistischen Macht und ihrer Existenz unter den Menschen, die Reife zur befreiten Gesellschaft zeigt.
Das Problem, das sich während der Schleyerentführung gegen uns ausgewirkt hat, war, daß wir - auf unser konkretes Ziel, die Gefangenen rauszuholen, konzentriert - die Entwicklung des politischen Ziels in der ganzen Offensive, die Vertiefung der Widersprüche in der Krise, nicht angepackt haben. Obwohl die Aktion den Staat an seinem Nerv getroffen hatte, haben wir nicht auf dem politischen Niveau der Herausforderung gehandelt.
Im Sommer '77 war die Situation bei den Gefangenen so zugespitzt, daß wir uns nicht mehr lange Zeit lassen konnten für eine Befreiungsaktion. Die Gefangenen waren im Durststreik, und Gudrun lag im Sterben.
Wir wußten, daß wir den Angriff zu diesem Zeitpunkt aus einer relativen politischen Schwäche heraus machen würden, aber wir wollten ihn, weil Krieg nicht einfach als Zustand zwischen uns und ihnen existiert, sondern nur wenn er materiell entwickelt wird als Machtfrage. Seit Stockholm ist der Kampf um die Gefangenen zu einer Kernfrage in der Auseinandersetzung Guerilla=Staat geworden, die Kernfrage, in deren Forderung nach den Gefangenen beides zusammenkommt wie in einem Kristallisationspunkt: das Verhältnis einer Guerilla zu ihren gefangenen Genossen, die Beziehung untereinander, die Funktion dieses Kampfs ist, und die Bedeutung jedes Einzelnen für das Ganze - und das Machtverhältnis überhaupt, weil die Guerilla darin die Machtfrage materiell und direkt an den Staat stellt, ihr Angriff bewußt auf die politische Krise zielt, indem er ihnen wie mit Schleyer einen Pfeiler ihrer Macht unter den Füßen wegzieht (nur dann gibt es eine realistische Chance), und so die innere Struktur der Macht durch den Zwang zur Reaktion sichtbar macht und gleichzeitig auseinanderreißt.
Unser Gedanke war, der SPD die Frage des Austauschs an den beiden Figuren zu stellen, die die ökonomische Weltmacht des BRD-Kapitals direkt verkörperten wie höchstens zehn andere: Ponto für ihre internationale Finanzpolitik (und daran der ganze Begriff der Funktion der deutschen Banken, im besonderen seiner, der Dresdner, für die reaktionären Regimes in den sich entwickelnden Ländern und der BRD-Geldpolitik als Mittel der institutionellen Strategie, nach der die europäische Integration läuft) - und Schleyer für die nationale Wirtschaftspolitik (die fetten Konzerne, Konzertierte Aktion, BRD als internationaler Modellfall des sozialen Friedens). Das heißt Macht im Staat, auf die die SPD als Regierungspartei Rücksicht nehmen muß, wenn sie an der Regierung bleiben will.
Die Spannung zwischen der Strategie des amerikanischen Kapitals, von der das Staatsverständnis der SPD seit '45 und jedes einzelne ihrer reaktionären innen- und außenpolitischen Manöver bestimmt ist, und den Banken und Konzernen, wenn man so will, dem nationalen Kapital, war der Widerspruch, auf den die Aktion zielte. Zwar kann das nationale Kapital gegenüber der hegemonialen, der amerikanischen Linie keine eigene Politik formulieren - wenn man nicht die provinziell-bornierten Varianten Kohls, Albrechts usw. oder das Grand Design 3 von Strauß, aus dem seit über 20 Jahren nichts wird, dafür halten will -, aber die Macht, mit der es innerhalb der Vertikale des gesamten kapitalistischen Mechanismus konkurriert und expandiert, hat natürlich ihren Ausdruck in einem Konsens und einem Selbstbewußtsein der nationalen Eliten, das Schmidt nach oben und nach unten im internationalen und nationalen Kontext vermitteln muß.
Die politische Eskalation der Aktion war erstmal dadurch entschärft, daß die Entführung Pontos schiefging und so der eine Fuß in der ganzen taktischen und politischen Bestimmung fehlte. Unser entscheidender Fehler aber war, die Aktion nicht noch mal von Grund auf neu zu bestimmen, nachdem die Bundesregierung das erste Ultimatum hatte verfallen lassen, also klar war, daß sie Schleyer aufgegeben hatten und auf seinen Tod warteten, der ihre schnelle Konsolidierung hätte bringen sollen. An Schleyers Anstrengungen, doch noch den Austausch zu erreichen, hatten wir gesehen, daß seine Connections 4 und sein Einfluß einen Dreck wert waren gegen die Macht der geschlossenen imperialistischen Strategie.
Ihr Verhalten an der Taktik und Psychologie des BKA entlang: die offizielle Regierungsentscheidung zu vermeiden, durch als-ob-Verhandlungen die Aktion hinzuziehen, um sie polizeilich zu beenden, durch die Nachrichtensperre öffentlichen Druck von vornherein auszuschalten und mit Wischnewskis Reise in die sogenannten Aufnahmeländer eine internationale "Absage an den Terrorismus" am Beispiel dieser Gefangenen durchsetzen zu wollen, gab uns objektiv Zeit und die Möglichkeit, mit dieser Situation politisch zu arbeiten. Das wäre gewesen, die Gespräche mit Schleyer sofort einzusetzen, um so die Widersprüche, die inzwischen wieder die "Einheit aller Demokraten" auseinandergetrieben hatten, auch tatsächlich auf die Spitze treiben zu können. Widersprüche, die so weit gingen wie z.B. der Anlauf der CSU, Schmidt um die Regierung zu bringen mit dem Vorschlag, die Gefangenen freizulassen und hinterher den Notstand zu erklären, was so das Ende aller SPD-Politik bedeutet hätte, nämlich das offene Eingeständnis der Staatskrise, was sie mit allen Mitteln verhindern mußten.
In dieser eskalierten Situation, in der unsere Defensive offensichtlich geworden war, hat das Kommando Martyr Halimeh sich entschlossen zu intervenieren - wie es ihnen unter dem objektiven Druck möglich war.
Es war das erstemal, daß ein Kommando einer Befreiungsbewegung direkt in die Auseinandersetzung hier eingegriffen hat, den Kampf in der Metropole zu seiner Sache gemacht hat. Über die taktisch und strategisch falschen Bestimmungen dieser Aktion, die der BRD erst die Chance gegeben haben, selbst in die Gegenoffensive zu gehen, ist viel geredet worden. Die Verantwortung dafür liegt ganz bei uns.
Es war unser Fehler, die Entscheidung, die aus dem Kräfteverhältnis nur hier fallen kann, weil es um die Gefangenen geht, die für den Kampf hier stehen, und weil es darum ging, die BRD zu isolieren, nicht in der Metropole selbst zu suchen, sondern die Zuspitzung in einen der jungen Nationalstaaten zu verlagern. Im Zusammenhang mit einer Aktion aus der Metropole, mit dem Ziel der Polarisierung in der Metropole, den Bruch zwischen Volk und Staat, mußte das Mittel - Flugzeugentführung - gegen den ganzen Angriff kippen, weil es die, die in dem Flugzeug saßen, zwangsläufig in die gleiche Objektsituation gedrückt hat, wie es der imperialistische Staat sowieso und immer mit den Menschen macht - worin aber das Ziel einer revolutionären Aktion gebrochen ist.
Gegen das Kommando war die falsche Bestimmung der Aktion die Zange, mit der das Kalkül der Bundesregierung operieren konnte, ausgehend davon, daß das Kommando natürlich alles versuchen wird, solange weiterverhandeln wird, wie sie noch irgendeine Hoffnung sehen, daß die BRD die Gefangenen freiläßt. Für die SPD war das Massaker wie schon in Stockholm die Lösung, weil sie auf jedes populäre Image verzichtet, wenn das amerikanische Interesse, Herrschaftssicherung im Zentrum, angegriffen ist. "Es war unbekannt, ob es zu einem erträglichen Ausgang kommt", so Schmidt damals.
Es war die Entscheidung für die militärische Lösung zu einem Zeitpunkt, wo ein Sieg der Guerilla in der BRD, dem Kernland der reaktionären Integration der westeuropäischen Staaten, ihr ganzes Konzept der imperialistischen Rekonstruktion entscheidend zurückgeworfen hätte. Sie war der Sprung an die Spitze der reaktionären Gegenoffensive zur Vereinheitlichung der Apparate der inneren Sicherheit in Westeuropa, aber an Stammheim und Mogadischu ist auch ein zentraler Bestandteil sozialdemokratischer Politik, die verdeckte Kriegsführung, zerbrochen. Da stand der offen reaktionär auftretende imperialistische Staat, der den Vergleich mit seiner faschistischen Vergangenheit nicht mehr scheute, sondern feierte. Die "Desert Foxes" von Mogadischu als Vorbild für die deutsche Jugend. An ihm ist aber auch die politische Schwäche der Metropolenstaaten, die innere Brüchigkeit der ganzen nach außen so potenten Struktur, so evident geworden wie nie.
Rote Armee Fraktion
Mai 1982
(Quelle: eigene Broschüre)
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Anmerkungen der Redaktion:
1 In der Vorlage fehlt: zu gewinnen
2 in der Vorlage: Gestalt
3 etwa: großartiger Entwurf
4 Connection: Verbindung