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70 / 20 Jahre Rote Hilfe

 

 


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Die Situation in Deutschland und die Gründung der Roten Hilfe

Wie in allen Ländern, in denen das Proletariat es wagte, den revolutionären Klassenkampf aktiv aufzunehmen, aber dabei unterlag, die Bourgeoisie sich wegen dieses Versuches grausam am Proletariat rächte und der weisse Terror seine wildesten Orgien feiert, so auch in Deutschland. Die Januar- und Märzkämpfe 1919, die Abwehr des Kapp-Putsches im Jahre 1920, die März-Kämpfe 1921 waren Versuche des revolutionären Teiles des deutschen Proletariats, die Bourgeoisherrschaft zu brechen, um die fortgesetzten Anschläge des Kapitals auf Leben und Gesundheit der Arbeiter unmöglich zu machen. Diese Versuche wurden mit Hilfe der sozialdemokratischen Führerschaft blutig niedergeschlagen.«
Broschüre Schafft Rote Hilfe, RHD 1925

Die Lage des revolutionären Proletariats nach den Märzkämpfen im Mitteldeutschland 1921 war gezeichnet von rechten Freikorps und Polizeiterror, der für viele tausende aufständische ArbeiterInnen massenhafte Einkerkerung und Folterung, und für die Familien von Ermordeten und Gefangenen eine Situation größter Not bedeutete.
Die Kommunistische Partei mobilisierte durch Aufrufe in den Arbeiterzeitungen die notwendige Solidarität des Proletariats. Im Aufruf Hilfe für die Märzopfer, der, zunächst verkürzt durch Zensur der reaktionären Landesbehörden, in der Arbeiterpresse erschien, heißt es:
»Die Vorhut des Proletariats zahlt mit Leben und Freiheit für die Passivität der Arbeiterklasse in ihrem Befreiungskampfe und sie wird solange damit zahlen, bis das gesamte Proletariat aufsteht um mit seinen Ausbeutern und Unterdrückern letzte Rechnung zu halten, bis das Proletariat aufsteht und seine Befreiung wahr macht durch die Aufrichtung des Kommunismus. Bis dahin gilt es Hilfe den Opfern der Kämpfer zu bringen. Die Familien der Eingekerkerten und Verwundeten gilt es zu unterstützen. Den Eingekerkerten müssen die Tage der Freiheitsberaubung erleichtert werden durch unser Hilfswerk. Rechtsschutz müssen wir denen bringen, die man noch vor die Gerichte schleifen wird. Um dieses Werk proletarischer Solidarität vollbringen zu können, hat sich aus den Kreisen der Arbeiterschaft die Rote Hilfe gebildet. Arbeiter! Klassengenossen! Organisiert sofort Geld- und Lebensmittelsammlungen. Kein Lohntag darf vorübergehen, wo nicht jeder Arbeiter seinen Beitrag zur Unterstützung der Arbeiter leistet. In allen Versammlungen und in Wohnungen muß gesammelt werden für die Opfer des proletarischen Befreiungskampfes. «
Rote Fahne vom 15.April 1921

Die ersten Solidaritätsaufrufe richteten sich also an die revolutionären Arbeiter in Deutschland, d.h. in der Hauptsache die über die kommunistische und Arbeiter-Presse erreichbaren Klassengenossen des gefangenen und ermordeten ProletarierInnen. Da im Besonderen KommunistInnen und deren Familien von dem Terrorregiment der Justizbehörden betroffen waren, es wurden wahre Massenverfolgungen gegen vermutete Aufständische und KommunistInnen initiiert, war es dringendste Aufgabe der Kommunistischen Partei, die Unterstützungsorganisation zu beleben und aufzubauen.
Eine feste Organisation der Roten Hilfe bestand, bis auf teilweise lose zusammengefaßte Orts- und Bezirkskomitees, die ihre Mittel auch zum Teil aus Sammlungen bei der Partei- oder anderen Arbeiterorganisationen erbrachten, nicht. Auch Spenden von kommunístischen Parteien aus verschiedenen europäischen Ländern gingen über unterstützende Strukturen der KPD an die gefangenen KämpferInnen. Ihre Solidarität gegenüber den Werktätigen der kapitalistischen Länder bewiesen viele Arbeiter und Bauern der Sowjetunion durch Sammlungen von Geldern und Kleidung während langer Jahre. Gerade durch die Unterstützung verfolgter Proletarier in Deutschland drückte sich ihr Verständnis für internationalen proletarischen Schutz aus, den sie organisiert durch die sowjetischen MOPR (IRH) aufbrachten.

Besondere Erwähnung finden muß die Bedeutung der Ausmaße der Verhaftungen und Verurteilungen durch die Sondergerichte des sozialdemokratischen Reichspräsidenten Ebert, die Verhängung des Ausnahmezustandes und besonders die Seeckt-Diktatur, die die Verfolgungen 1924 erst einleitete.
Insbesondere Anfang 1924, als nach dem Verbot der Kommunistischen Partei erneute Massenverfolgungen einsetzten, wurde die Tätigkeit der RH-Organisation intensiviert, die Schaffung fester Mitgliederorganisationen mit Einzel- und Kollektivmitgliedschaften angestrebt. Auch die von Verboten bedrohte Tätigkeit der Roten-Hilfe-Komitees machten, neben der zu verbessernden Propaganda- und Werbungstätigkeit sowie der umfassenden und geordneten Kassierung von Mitgliedsbeiträgen, eine Festigung und organisationsumfassende Vereinheitlichung notwendig. Dazu der erste Vorsitzende der Roten Hilfe Deutschlands, Wilhelm Pieck, der nach der Umstrukturierung in einem Bericht des Zentralkomitees auf einer Reichstagung 1925 ausführte:
»Aber die Rote Hilfe ist nicht etwa eine rein philantropische, caritative Organisation, wie sie ihre Unterstützungen nicht als Wohltätigkeit auffaßt, sondern sie ist eine Solidaritätsorganisation der Werktätigen zur Behebung des Elends, das durch die deutsche Klassenjustiz hervorgerufen ist. Und deshalb kann sich die Rote Hilfe nicht auf die Beschaffung von der Geldmitteln beschränken, sondern muß versuchen, die Quellen dieses Elends zu verstopfen. Dazu dient dient die politische Aufklärung über Wesen und Zweck der Klassenjustiz und des weissen Terrors, sowie über die Notlage, die dadurch unter den werktätigen Massen hervorgerufen wird. Die Rote Hilfe will mit dieser Aufklärung die Massen gewinnen für die Unterstützung der Forderungen auf Beseitigung der Quellen dieses Elends, zum Kampf für die Amnestie, gegen die Klassenjustiz, gegen den weissen Terror. Das ist der politische Zweck der Roten Hilfe, das soll erreicht werden durch dauernde breite Kampagnen zur Aufrüttelung der Massen, durch Herausgabe von Literatur, durch Eingaben an die Behörden und durch Interessierung der breiten öffentlichkeit an diesen Notständen. Aber das ist alles nur möglich, wenn hinter diesen Bestrebungen eine straffe, zentrale Organisation mit einem ständigen Funktionärskörper und mit finanzieller Leistungsfähigkeit steht.«

So wurden in der weiteren Arbeit besonders die Ortsgruppen in Betrieben und Stadtbezirken nach arbeitsteiligen Kriterien aufgebaut. Verbindlich waren die Besetzungen von dem politischen sowie organisatorischen Leiter, dem Kassierer, dem Obmann für die Revisionskommission, dem Rechtsschutz und Literaturobmann, sowie dem Familien- und Gefangenenpfleger.

»Die Rote Hilfe ist wie jede revolutionäre Massenorganisation nicht auf dem föderalistischen, sondern auf dem zentralistischen Prinzip aufgebaut. Das heißt, die Rote Hilfe ist kein Verein, der in viele kleinen Vereinchen in den Orten und Stadtteilen zerfällt, von denen jeder nach eigenen Grundsätzen und Richtlinien arbeitet, sondern unsere Organisation, die feste Ziele hat, wird einheitlich geleitet, um die ganze Kraft der ganzen Organisation immer in einer bestimmten Richtung wirken zu lassen. Das erfordert die Beachtung und unbedingte Durchführung aller Organisationsbeschlüsse, die im Gesamtinteresse liegen müssen, da nach dem Prinzip der proletarischen Demokratie Delegierte und Leitungen von unten nach oben gewählt werden.«


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