Die RHD verstand sich als eine selbständige, überparteiliche Massenorganisation. Die
Überparteilichkeit drückte sich zum einen darin
aus, daß allen politisch Verfolgten im Sinne des Statuts der RHD, unabhängig von ihrer Organisations- und Parteizugehörigkeit,
Unterstützung gewährt wurde. Zum anderen, daß die einzigen Bedingungen für die Mitgliedschaft in der RHD die Anerkennung der
Ziele der Roten Hilfe, die Mitarbeit an der Erfüllung ihrer Aufgaben und die regelmäßige Beitragszahlung waren. Die
Überparteilichkeit sicherte, daß sich alle fortschrittlichen Kräfte, unabhängig von ihrer politischen Einstellung, anschließen konnten
und so eine Zersplitterung der Unterstützungsbewegung vermieden wurde. Der überparteiliche Charakter bedeutete jedoch nicht, daß
die RHD unpolitisch war. Sie bekannte sich klar zum revolutionären Klassenkampf und unterstützte alle, die in diesem Kampf Opfer
brachten und in Not gerieten.
Um der RHD wirkliche Schlagkraft gegen die bürgerliche Klassenjustiz, Polizeiherrschaft und den weißen Terror zu verleihen, galt
es, die breiten Massen zum Abwehrkampf zu mobilisieren. So wurde 1927 in einer Resolution des
2. Reichskongresses der RHD formuliert: "Die Aufgaben, die der Roten Hilfe gestellt sind, kann sie nicht lösen, wenn sie die
Mitgliederwerbung wie auch ihre allgemeine Werbearbeit von bestimmten parteipolitischen Bekenntnissen abhängig macht. Sie muß im
Gegenteil den Rahmen ihrer Organisation so weit spannen, daß sie alle Werktätigen in Stadt und Land, alle kleinbürgerlichen
Schichten sowie alle Intellektuellen ohne Unterschied der Partei- bzw. Organisationszugehörigkeit zu erfassen imstande ist".
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, praktizierte die RHD erfolgreich vielfältige Formen der Zusammenarbeit mit den
unterschiedlichsten Kräften, wobei der Erfolg auch darauf beruhte, daß
"die Werbearbeit der Roten Hilfe unter den Arbeitern eines
Betriebes einen anderen Charakter (hatte) als die Werbearbeit unter den kleinbürgerlichen Schichten oder gar unter den bisher von
politischen und wirtschaftlichen Kämpfen zum größten Teil noch fernstehenden
Kleinbauern".
Zusammenarbeit mit der KPD
Seit Beginn war die Zusammenarbeit der RHD mit der KPD enger als mit anderen Parteien. Das ist auf mehrere Umstände
zurückzuführen. Als im Frühjahr 1921 die ersten Rote-Hilfe-Komitees entstanden, war die Situation durch das Erstarken der
Konterrevolution und des weißen Terrors geprägt. Das auslösende Moment für die Gründung der Komitees waren die Repressionen
gegen die am Mitteldeutschen Aufstand vom März 1921 beteiligten ArbeiterInnen und deren Angehörige.
Da von den politischen Verfolgungen vor allem KommunistInnen betroffen waren, gehörten sie auch zu den GründerInnen und
aktivsten MitarbeiterInnen solcher Komitees. Es bestand eine klare organisatorische Verbindung zur KPD.
Auch wenn die KPD aus diesen Gründen ein besonderes Interesse am Aufbau der Roten Hilfe hatte, wurde im September 1924
beschlossen, eine überparteiliche, vom Parteiapparat getrennte selbständige Organisation aufzubauen. Der Versuch, die SPD, die KAPD
(Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands, eine Abspaltung der KPD) und die Gewerkschaften in die Gründung der Roten Hilfe
einzubeziehen, scheiterte jedoch an der Ablehnung der Führer dieser Organisationen. So konnte die RHD gerade in der Aufbauphase
nur mit der Unterstützung der KPD und deren Presse rechnen. Die KPD verpflichtete ihre Mitglieder zur aktiven Mitarbeit in der RHD
und zahlreiche Funktionäre wirkten am Aufbau der RHD zu einer selbständigen Organisation mit.
Die aktive Unterstützung der KPD, aber auch die politische Zielsetzung der RHD läßt die Nähe der RHD zur KPD auch nach der
Neugründung der RHD 1924 verständlich werden.
Ihrem Selbstverständnis nach war die RHD aber nicht das Instrument einer Partei. Zudem schwächte sich die Dominanz der
KommunistInnen bezüglich der Mitgliederstruktur im Laufe der Zeit ab. 1929 war der überwiegende Teil der Mitglieder parteilos, was
sich auch in der Zusammensetzung des Funktionärsstab widerspiegelte.
Die Zusammenarbeit mit der KPD gestaltete sich jedoch nur solange erfolgreich und unproblematisch bezüglich des Anspruchs der
Überparteilichkeit, bis es dazu kam, daß innerparteiliche Differenzen der KPD in die RHD hineingetragen wurden.
1928/29 kam es zu Auseinandersetzungen in der Kommunistischen Internationale und der KPD um deren weiteren politischen
Kurs, wobei es auch zu zahlreichen Parteiausschlüssen kam. Diese Flügelkämpfe wirkten sich auch auf die RHD aus. Ohne
Zustimmung der Mitglieder der RHD wurden Funktionäre der zentralen Leitung und von Bezirksleitungen, so z.B. der Generalsekretär
des Zentralvorstands Jacob Schlör (die zuvor aus der KPD ausgeschlossen worden waren), auf Druck des ZK der KPD zum Austritt
gedrängt, weil sie den neuen Kurs der KPD nicht mittragen wollten. Im Zusammenhang mit dieser Kursänderung kam es zu weiteren
Ausschlüssen und Austritten, durch die die RHD ungefähr 9000 Mitglieder verlor.
Zusammenarbeit mit der SPD
Eine Zusammenarbeit mit der SPD als Gesamtpartei gab es nicht. Die Haltung der SPD gegenüber der RHD war eher
widersprüchlich. Die Führung der SPD lehnte eine Zusammenarbeit mit der RHD grundsätzlich ab. Der umfassende Solidaritätsgedanke
der revolutionären ArbeiterInnen mußte auch immer wieder gegen Anfeindungen der bürgerlich und sozialdemokratischen Presse
verteidigt werden. An der Basis kam es hingegen zwischen SozialdemokratInnen und Roter Hilfe zu vielfältigen Kooperationen.
Im kommunalen Bereich wurden häufig Anträge der RHD um Mittelbewilligung von sozialdemokratischen Mitgliedern der
Gemeindeparlamente unterstützt. Ebenso wurden durch die Rote Hilfe nach dem Grundsatz der
Überparteilichkeit viele von Repression
betroffene sozialdemokratische ArbeiterInnen unterstützt.
Aber Unvereinbarkeitsbeschlüsse der SPD bewirkten, daß sich zwar auch viele SozialdemokratInnen an Aktionen der RHD
beteiligten, jedoch nur wenige der Organisation beitraten, denn für sozialdemokratische und gewerkschaftliche UnterstützerInnen und
Interessierte konnte dies den Ausschluß aus der SPD bedeuten.
Das begründete die Führung der SPD, die zum großen Teil auch Regierungsfunktionen ausübte, entgegen der Tatsache und wider besseres
Wissen damit, daß die RHD eine rein kommunistische Organisation sei.
Zusammenarbeit und Aktionsbündnisse mit
anderen Organisationen
Seit ihrem Bestehen übte die RHD auch die Funktion einer Bündnisorganisation aus. Viele Organisationen wie proletarische
Sportvereine oder Kriegsopfervereine unterstützten schon früh die Rote Hilfe. Mehr oder minder enge Zusammenarbeit gab es z.B.
auch mit Gewerkschaften, Jugend- und anderen Organisationen. Außerdem koordinierte sie ihre Tätigkeit mit der Internationalen
Arbeiterhilfe, einer anderen proletarischen Hilfsorganisation.
Im Rahmen großer Aktionen gelang es vielfach, breite Bündnisse zu initiieren. So gelang z.B. 1927 bei Aktionen zu Sacco und
Vanzetti eine enge Zusammenarbeit mit dem ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund), Demokraten, Linksrepublikanern
und Pazifisten.
Eine breite Massenbewegung konnte durch die propagandistische Auswertung von Fällen der Klassenjustiz hervorgerufen werden,
die bis zur sogenannten Vertrauenskrise der Justiz führte. Eine große Rolle spielte dabei die Amnestie- und Strafrechtsreformbewegung,
in die gewerkschaftliche und sozialdemokratische Kräfte durch Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen einbezogen
werden konnten. Durch diese Aktionen konnten 500 Häftlinge freigekämpft werden, unter anderem Erich Mühsam und Max Hölz.
Aber auch überall sonst, wo es galt, die Interessen der ArbeiterInnen zu verteidigen, war die RHD aktiv. So beteiligte sie sich am
Antikriegstag 1929 unter der Losung " Krieg heißt weißer Terror. Weißer Terror bereitet den Krieg
vor " .3 Außerdem engagierte sie
sich in der 1932 gegründeten Antifaschistischen Aktion, um gegen Faschismus und drohenden Krieg zu kämpfen. Gerade in diesem
Kampf konnte sich die RHD zur Einheitsfrontorganisation gegen Justizverfolgungen und faschistischen Terror entwickeln. Zu einer
dauerhaften Zusammenarbeit mit bürgerlichen und sozialdemokratischen Wohlfahrtsorganisationen in Sachfragen zur Unterstützung
politisch Verfolgter kam es jedoch kaum, da die RHD als kommunistische Nebenorganisation angesehen wurde.
Zusammenarbeit mit Intellektuellen und dem Kleinbürgertum
Bis 1923/24 war der Kernpunkt der Bündnispolitik der RHD notwendigerweise die Gewinnung von fortschrittlichen Juristen für die
umfangreichen juristischen Aufgaben. Dies gestaltete sich schwierig, da der deutsche Justiz- und Beamtenapparat aus der Kaiserzeit
fast vollständig übernommen worden war. Doch bereits 1924 konnte ein juristisches Büro eingerichtet werden, das Rechtsanwälte
erfaßte, die bereit waren, umsonst oder gegen geringes Entgelt politisch Angeklagte zu verteidigen oder sonstigen juristischen Beistand
zu gewähren. 1927 arbeiteten über 200 Rechtsanwälte für das juristische Büro der RHD. Neben Rechtsberatungen veröffentlichten sie
auch Broschüren über das Verhalten vor Gericht, bei Hausdurchsuchungen usw. Allein 1926 erteilte die RHD 31.000 Rechtsauskünfte
in politischen Angelegenheiten4.
Die RHD machte sich frühzeitig zu Nutze, daß demokratische Intellektuelle auf bestimmten Gebieten des politischen Kampfes
besonders ansprechbar waren. Daß die Justiz in zunehmendem Maße auch gegen progressive Bestrebungen demokratischer
Intellektueller zu Felde zog, was in diesen Kreisen zum Teil starke Proteste ausgelöst hatte, veranlaßte die RHD, ab dem Sommer 1926
verstärkt die Vereinigung aller von der Justiz Betroffenen im Kampf gegen die Justizreaktionen voranzutreiben. Ausgehend von den
gemeinsamen Interessen aller Werktätigen wurden Tagesfragen und -interessen Intellektueller aufgegriffen und daraus flexible
schichtspezifische Methoden sowie organisatorische Formen im Kampf um die potentiellen Bündnispartner entwickelt. Um die
Intellektuellen möglichst als bewußte MitstreiterInnen im Kampf gegen den weißen Terror und die Klassenjustiz zu gewinnen, ging die
RHD sowohl auf dem direkten als auch auf dem indirekten Weg vor. Das bedeutete auf dem direkten Wege, z.B. durch die
Beeinflussung der linksbürgerlichen Presse, durch offizielles Herantreten an Organisationen und Vereine von Intellektuellen zwecks
Teilnahme an bestimmten Kampagnen, durch Materialien über den weißen Terror, Faschismus u.ä. Auf dem indirekten Weg, z.B. durch
die Bildung von Komitees für besondere Aufgaben (Protektorat über Gefangene, Informierung der
Öffentlichkeit über das Vorgehen der
internationalen Reaktion etc.).
In den Jahren 1924 bis 1929 konnten mehr oder minder enge Beziehungen zu einem wachsenden Kreis von Intellektuellen geknüpft
werden. Vor allem durch individuelles Ansprechen konnten etwa 600 Einzelpersönlichkeiten (zumeist prominente Vertreter des
deutschen Geisteslebens mit Einfluß auf andere Mittelschichten) zu relativ kontinuierlicher Zusammenarbeit herangezogen werden. Bei
der Einrichtung und Unterstützung der Kinderheime der RHD waren nicht nur ArbeiterInnen, sondern auch BäuerInnen und
Intellektuelle aktiv. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie der Physiker Albert Einstein, die Schriftsteller Heinrich und Thomas
Mann, Kurt Tucholsky, der Pädagoge Paul Oestreich, der Maler Heinrich Zille u.a. stellten sich angesichts der drohenden Schließung
schützend vor die Kinderheime. Außerdem gab es sowohl Mitarbeit in zahlreichen Komitees, so z.B. im Komitee zur Rettung der Opfer
von Scottsboro, dem u.a. Albert Einstein, Käthe Kollwitz, Thomas und Heinrich Mann, Ernst Toller, Stefan Zweig und Erich Weinert
angehörten, als auch im Zentralvorstand der RHD, z.B. 1926 Kurt Tucholsky und Heinrich Vogeler.
Parallel dazu bemühte die RHD sich um Berufs- und andere Organisationen der Intelligenz. Teilweise erfolgreich und über
Tagesfragen hinausgehend gelang das mit der " Deutschen Liga für Menschenrechte
" (DLfM), die im Kampf gegen die Klassenjustiz in
Deutschland seit 1922 aktiv war. So war z.B. 1924 im Zentralvorstand der RHD ein Mitglied des
" Hilfsvereins zur Unterstützung
notleidender Frauen und Kinder proletarischer Gefangener " vertreten, einer caritativen Einrichtung der DLfM. Zudem waren Mitglieder
der DLfM in RHD-Amnestiekomitees, RHD-Rechtsauskunftstellen, RHD-Untersuchungsausschüssen und im RHD-Kuratorium zur
Verteidigung der Kinderheime vertreten. Zumindest in Einzelaktionen gelang die Mobilisierung auch einiger weiterer Organisationen,
insbesondere im Abwehrkampf gegen den auf Kunst und Literatur ausgeübten Justizterror. Besonders erfolgreich war die RHD, wenn es
gelang, bei Terrormaßnahmen gegen Intellektuelle den Zusammenhang zwischen dem Vorgehen der Justiz gegen die ArbeiterInnen
zum einen und gegen demokratische Intellektuelle zum anderen aufzuzeigen.
Galten die Bemühungen der RHD in den 20er Jahren vorwiegend den progressiven Kreisen der Intelligenz, kümmerte sich die
RHD ab 1930 verstärkt um die konkrete Interessenvertretung des Kleinbürgertums und entwickelte zum Teil neue flexible Methoden
zur organisatorischen Einbindung dieser (RHD-Spenderkreisbewegung, Rechtsberatungsstellen für Kleingewerbetreibende und
KleinbäuerInnen, Amnestie- bzw. Verteidigungskomitees). Doch das immer massivere Vordringen der Nazis machte es nahezu
unmöglich, größere Teile des Kleinbürgertums dauerhaft zu mobilisieren bzw. organisatorisch zu binden. Nur durch punktuelle bzw.
zeitweilige Bündnisse konnten zumindest Teile des Kleinbürgertums aktiviert werden.