BLACK POWER | ||
Vorbemerkung Interview Fußnoten |
Interview mit Abdul Majid Queens County Stadtgefängnis, New York City, September 1992 Abdul Majid wurde 1949 als Anthony La Borde in Queens, N.Y. geboren. Er beschäftigte sich schon als Jugendlicher mit den Befreiungstheorien von EL Haji Malik El-Shabazz (Malcom X) und den Befreiungskämpfen in Afrika. In den 60ern arbeitete er im Grass Roots Advisory Council, einer Basisorganisation gegen die Armut. Ende der 60er trat er der Black Panther Party bei. Abdul arbeitete in den meisten Communityprogrammen der BPP in New York City mit in der kostenlosen Gesundheitsklinik, dem Frühstücksprogramm für Kinder und in UnterstützerInnenkomitees für die politischen Gefangenen. In den 70ern arbeitete Abdul in Rechtshilfeorganisationen in New York City. 1981 erfuhr er durch die Medien, daß er und Bashir Hameed des Mordes an zwei Polizisten vom April 1981 beschuldigt wurden. Aufgrund seiner Erfahrungen als Panther mit der Beweisführung des Staatsapparates, wählte Abdul die Illegalität. Er wurde im Januar 1982 in Philadelphia verhaftet und wurde nach seiner Festnahme von der Polizei gefoltert. Nach drei Prozessen wurde er zusammen mit Bashir Hameed wegen dem Queens-Fall zu einer Gesamtstrafe von 33 Jahren bis lebenslänglich verurteilt. | |
s/n Anthony La Borde, Great Meadow Corr. Facility, P.O.Box 51, Comstock, NY 12821 | ||
| anfang | Vorbemerkung Das Queens County Stadtgefängnis ist eines der ganz normalen Stadtgefängnisse von New York City. Es ist vor allem am Wochenende hoffnungslos überfüllt, wenn nach Drogenrazzien in den schwarzen Wohnvierteln hunderte von schwarzen Jugendlichen von den Straßen weg auf Verdacht hin festgenommen werden. Außerdem werden hier Gefangene für kurze Zeit untergebracht, wenn sie, wie Abdul, einen Prozeßtermin im benachbarten Queens County Gericht haben.Das Gefängnis liegt mitten im New Yorker Stadtteil Queens, und es herrscht ein ständiger Strom von BesucherInnen, neuen Gefangenen, AnwältInnen und Polizisten. Dementsprechend gering war die Aufmerksamkeit, die dem Interview von seiten der Schließer gewidmet wurde. Es gab kein Zeitlimit und schließlich waren wir es, die das Interview nach fast vier Stunden beenden mußten, weil wir noch einen anderen Termin hatten. Abdul, der in New York aufgewachsen ist, erzählte uns, daß einige seiner ehemaligen Freunde aus der Nachbarschaft und aus Schulzeiten inzwischen hier als Schließer arbeiten würden. Für ihn sei es teilweise einfacher, sich mit ihnen über Politik zu unterhalten als mit einigen der 14 16 jährigen Mitgefangenen. Seiner Meinung nach hätten viele der schwarzen Schließer und Polizisten in New York ein sehr klares Bewußtsein in bezug auf Rassismus; sie wüßten, daß sie in dem Moment, wo sie sich in Zivil und ohne Uniform auf den Straßen bewegen würden, genau wie alle anderen African Americans auch für weiße Polizisten in erster Linie potentielle Kriminelle seien. Rassistische Kommentare und Zwischenfälle seien innerhalb des Sicherheitsapparates Alltag. Ein paar dieser Schließer kamen während des Interviews in dem Anwaltsbesuchsraum, der uns zugewiesen worden war, vorbei, um sich kurz mit Abdul zu unterhalten und Neuigkeiten auszutauschen. | anfang | Du bist ja momentan im Stadtknast in New York City, weil Ihr auf eine Gerichtsverhandlung wartet. Wie ist eigentlich Dein Verhältnis zu den jüngeren Gefangenen hier? Abdul: Unsere Bewegung hat ähnliche Probleme wie Eure Bewegung. Während die Jugendlichen in den 60er und 70er Jahren noch mehr politisches Bewußtsein hatten, ist die Jugend in diesem Land heute vor allem an Drogen interessiert. Der Staat und sein Apparat sind auf ähnliche Weise gegen uns vorgegangen wie gegen Euch; es ist ihnen gelungen, uns von den Massen zu isolieren. In den 60er und 70er Jahren gab es die BPP und andere Organisationen; wir hatten z.B. gut funktionierende illegale Medien, um Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Heute haben wir das nicht mehr und müssen uns stattdessen mit einer um sich greifenden kriminellen Mentalität auseinandersetzen. Es ist schwer, die Kids heute ohne eine funktionierende Struktur und ohne politische Organisation zu erreichen. Viele der Kids hier im Knast scheinen einfach nicht mitzubekommen, was um sie herum passiert. Sie streiten sich z.B. auch bei Telefonaten nach draußen ständig über Drogen. Das Ergebnis sind dann weitere Durchsuchungen, weil die Polizei aufmerksam geworden ist. Wie reagieren die Jugendlichen im Knast auf Euch? Wissen sie von Euch? Redet Ihr mit ihnen? Abdul: Ich rede mit ihnen. Einige von ihnen wissen auch etwas von unserer Geschichte, aber sie haben ihr Wissen größtenteils von der Polizei. Die Schließer erzählen ihnen z.B. von mir, weil ich in den letzten zehn bis elf Jahre immer wieder hier war. Mit den Jugendlichen Kontakt aufzunehmen und zu reden ist nicht unbedingt leicht, weil sie keinen Sinn für Politik und kein politisches Bewußtsein haben. Sie sind in einer anderen Kultur aufgewachsen. Sie reden alle über Malcolm X, aber sie verfügen kaum über ein substantielles Wissen, was seine Politik anbetrifft. Sie hören eher HipHop und nehmen Drogen und das ist genau das, was die Herrschenden wollen. Wie hast Du denn selber Kontakt zur BPP und zur BLA bekommen? Abdul: 1967 ging ich noch im Bundesstaat North Carolina zur Schule. Dort war ich beim Southern Student Nonviolent Coordination Committee (SNCC) aktiv. Bei ihnen hörte ich auch zum ersten Mal von der BPP; denn 1967 lasen viele Mitglieder von SNCC den Rundbrief der Panthers. So hörte ich von Huey Newton, dem Programm und der Plattform der BPP. Zu der Zeit war eigentlich die Nation of Islam die größte nationalistische Bewegung. Obwohl ich durchaus nicht mit allem übereinstimmte, was die Nation politisch vertrat, war sie trotzdem die dominanteste nationalistische African American Gruppe an der Ostküste. Die BBP zog mich aufgrund ihres aktiven Programmes und ihrer Plattform an dazu hatte ich einen Bezug. Die BPP kam 1968 nach New York City, aber ich war schon vorher an Community-Aktionen hier in Jamaica, dem schwarzen Stadtteil von Queens beteiligt gewesen. Ich war Mitglied einer Gruppe, die sich Grassroots Advisory Council [ 1 ] nannte. In der Gruppe waren auch Sekou Odinga, der jetzt im Hochsicherheitsgefängnis von Marion sitzt, und einige andere Brothers und Sisters. Wir haben uns mit bestimmten Community-Problemen auseinandergesetzt und nach praktischen Lösungen gesucht. Damals gab es die sog. Anti-Armutsprogramme, um die Lebensbedingungen in den Communities zu verbessern. Schließlich starteten 1968 einige von uns aus dem Grassroots Advisory Council die erste BPP-Gruppe hier draußen in Queens. Dann dehnten wir unsere Aktivitäten in andere Stadtteile aus, wo zwei oder drei andere BPP-Büros aufgebaut wurden. Das war unser Anfang. Die BLA war immer ein Teil der BPP. Wir vertraten die Position, daß African Americans nicht für diesen Staat kämpfen sollten, weil dieser Staat unser Volk nicht schützt. Dafür mußt Du Dir nur die Geschichte damals angucken hier wurden in den 60er Jahren Menschen ermordet, weil sie sich in WählerInnenlisten eintragen wollten. Diese Morde wurden in der Regel von den Gesetzeshütern in den weißen Bettlaken verübt, [ 2 ] die Schwarze Menschen terrorisierten, weil sie auch im Norden die Schwarze Bevölkerung weiterhin kontrollieren und ihre Macht nicht aufgeben wollten. Wir wollten nicht für eine Regierung kämpfen, die unsere Rechte nicht schützt. Deshalb sahen wir die Notwendigkeit, eine alternative Kraft zu organisieren, um der rassistischen Gewalt entgegenzutreten. Aus diesem Grund sind die BLA und die BPP miteinander verflochten, sie waren eine Einheit. Was waren das Programm und die Projekte der BBP in New York City? Abdul: Es gab das US-weite Programm, ein 10-Punkte-Programm und die Plattform. Wir hatten vor, in New York das gesamte Programm zu übernehmen. Wir organisierten kostenlose Frühstücks-Programme für Schulkinder und jüngere Kinder; wir hatten einige kostenlose Gesundheitskliniken in den Communities eingerichtet, und wir organisierten und verteilten kostenlose Kleidung. Außerdem waren wir sehr aktiv in unseren Bemühungen, Community-Kontrolle über die Schulen sowie die Polizei durchzusetzen. Ein weiterer Punkt des Programms, an dessen Umsetzung wir arbeiteten, war z.B., die Polizei-Besatzung in unseren Stadtteilen zu beenden und für ein juristisches System zu kämpfen, das African Americans, die in die Mühlen der Justiz geraten sind, fair und unparteiisch behandelt. Wir traten auch für eine Gefängnisreform für Schwarze Menschen, die im Gefängnis saßen, ein. Sie sollten nicht einfach weggeschlossen werden, sondern die Möglichkeit haben, an sinnvollen Programmen teilzunehmen, um ihre Rückkehr in die Community zu ermöglichen. Im Prinzip wollten wir die Kontrolle über die Wirtschaft und jeden anderen Aspekt des Lebens in unseren Communities. Wahrscheinlich habt Ihr ja schon selbst gemerkt, daß unsere Communities nicht von uns verwaltet werden. Wir haben keine Kontrolle über unser eigenes Schicksal. Wenn dieser Staat von Demokratie und Integration redet, dann ist das für mich die Integration und Demokratisierung von Macht. Ich kann es nicht als Demokratie bezeichnen, wenn Du in meinem Stadtteil alles kontrollierst und ich nichts bestimmen kann weder in meinem Stadtteil noch in deinem Stadtteil. Das ist für mich nicht Demokratie oder Integration, sondern eine andere Form der Segregation und Kolonialisierung. Ich trete im Gegensatz dazu für eine tatsächliche Aufteilung von Macht und eine integrierte Gesellschaft ein, aber Integration beruht auf Gleichheit; dazu muß es ein Gleichgewicht und eine Balance geben. Das war und ist nicht der Fall. Wenn also von einer demokratischen Gesellschaft und Integration geredet wird, dann sage ich: Mischt Euch nicht bei uns ein und laßt uns, die wir versuchen, unsere Communities und unser eigenes Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, in Ruhe. Das ist politisch ungefähr das, wofür die BPP stand. Das ist das Konzept, das Malcolm X, nachdem er die Nation of Islam verlassen hatte, befürwortete. Politisch steht das auch in der Tradition eines Teils der Nation of Islam. Die Nation of Islam vertritt einiges, was auf Marcus Garvey [ 3 ] zurückgeht. Garvey wiederum steht in der Kontinuität der Emanzipationsbewegung, als wie es so schön heißt Schwarze Menschen von Abraham Lincoln freigegeben wurden und die Sklaverei abgeschafft wurde. Der Schwarze Kampf hat eine lange Kontinuität und Geschichte. Das Selbstverständnis der BPP beruhte auf dieser Tradition, in der die Verantwortung von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Leider scheint sich die Generation, die uns nachfolgte, verirrt zu haben. Dies ist ja auch kein Zufall, denn die Regierung stellte die BPP und die BLA von Anfang an als den Abschaum der Gesellschaft dar. Dabei waren die Medien neben der Polizei die stärkste Waffe. Die Medien dienten der Regierung zur massenhaften Verbreitung der negativen Bilder über uns: Kriminelle, TerroristInnen etc. Sie verfolgten dabei zwei Ziele: Sie brachten uns in die Gefängnisse, nahmen das aber graduell aus den Medien heraus. Es entstand eine Mauer aus Schweigen. Außer durch gelegentliche Artikel und Interviews in den üblichen linken Zeitungen hörte die jüngere Generation nie viel über uns und kam kaum in Kontakt mit unserem Programm, unserer Geschichte und unseren politischen Zielen. Unsere Bewegung wurde durch opportunistische Politiker ersetzt, die alles aufgaben, um für ein paar Brosamen ein Teil des Establishments zu werden. Diese Politiker verkaufen ihre Communities guck Dir die David Dinkins und Jesse Jacksons [ 4 ] an. Seit der großen rassistischen Polizeidemonstration gegen David Dinkins [ 5 ] reden auch die etablierten Schwarzen PolitikerInnen wieder von der Notwendigkeit einer BPP. Es gibt eine Notwendigkeit für Aktionen, wie sie von der BPP organisiert wurden, um die Communities vor der brutalen Gewalt seitens der Polizei zu schützen. Es geht nicht nur um die physische Gewalt, die die Polizei ausübt, sondern auch um die Korruption. Der Repressionsapparat und andere staatliche Stellen sind tief in den Drogenhandel verwickelt. Wie Lenin schon sagte: Religion ist Opium für das Volk. In den USA gilt buchstäblich, daß Drogen Opium für das Volk sind und deshalb in den Communities bleiben sollen. Seit dem Vietnamkrieg ist der Staat sehr darauf bedacht, daß die Drogen in bestimmten Communities bleiben, insbesondere in der African American Community, weil diese als die größte und vielleicht greifbarste Bedrohung des Status Quo angesehen wird. Auch der große Anteil von Schwarzen Männern in den Gefängnissen ist kein Zufall. Die Herrschenden und dabei spielt die Parteizugehörigkeit keine Rolle haben sehr schnell erkannt, daß die dem Kapitalismus immanenten Widersprüche nur durch ein hohes Maß an Repression kontrolliert werden können. Ihnen ist bewußt, daß es in einem System, das auf Geiz, Profit und der Anhäufung von materiellen Gütern aufbaut, unmöglich ist, auf die Grundbedürfnisse aller Menschen einzugehen, weil wenige mehr und mehr Reichtum für sich selbst horten. Um die Macht der wenigen zu sichern, benötigen sie ein starkes Militär und einen starken Repressionsapparat. Um beides zu finanzieren, muß irgendwo Geld herkommen. Eine der größten Geldquellen ist der Drogenhandel. So wurde es z.B. im Iran-Contra-Deal [ 6 ] gehandhabt, als die US-Regierung auf legalem Weg kein Geld mehr für die Unterstützung der Contras bekommen konnte, weil die Finanzierung vom US-Kongreß zuerst gekürzt und dann fast vollständig gestrichen worden war. Daraufhin stieg die US-Regierung durch die CIA wieder in den Drogenhandel ein, weil sie ja schon seit Vietnam wußten, daß das profitträchtig war. Was für Aktionen haben denn die BPP und die BLA gegen Drogendealer gemacht? Abdul: Es gab Versuche, gegen Drogendealer vorzugehen, und es gibt auch heute noch Versuche, sich mit Drogen in den Communities auseinanderzusetzen. Aber die Grundlage des ganzen Problems ist, daß wir uns solange damit aueinandersetzen werden müssen, solange die Schwarze Community und andere Minderheiten-Communities nicht die Kontrolle über den wenn Du so willst politischen Apparat haben, der die Produktionsmittel kontrolliert. In unserer Community sind Drogen zum Wirtschaftsfaktor der Schattenwirtschaft geworden. Das wirkt sich auch auf das Gefängnissystem aus. Mein Gefangenenstatus ist der eines Central Monitoring Case (CMC), d.h. ich bin ein Gefangener, der direkt durch die jeweilige Gefängnisleitung und der ihr übergeordneten Gefängnisbehörde des Bundesstaates überwacht wird. Damals, als ich zum ersten Mal verhaftet wurde, erhielten in erster Linie die politischen Gefangenen den CMC-Status oder Gefangene, die wegen bewaffneten Raubüberfällen angeklagt waren, in deren Verlauf sie vielleicht einen Polizisten erschossen hatten. Das waren Menschen, die versuchten, zu überleben, weil sie das legale Wirtschaftssystem fast vollständig ausgeschlossen hat. Heute erhalten vor allem Drogendealer den CMC-Status. Dabei sind es zumeist die kleinen Drogenhändler obwohl sie natürlich vom Staat als die großen Fische dargestellt werden. Sie haben kleine Gangs, die nichts anderes als Gruppen von Kriminellen sind. Weil diese Menschen keine politische Perpektive sehen, werden Drogen zu einem pulsierenden Wirtschaftsfaktor. Drogen sind die Grundlage der Schattenwirtschaft in unseren Communities. Die Jugendlichen sind sehr stark von den Medien beeinflußt. Dort werden ihnen die Leute vorgeführt, die einen Mercedes, einen BMW und teure Kleidung haben während sie gleichzeitig wissen, daß sie selbst aufgrund ihrer Hautfarbe systematisch als Volk trotz eines High-School-Abschlusses, trotz eines Studiums an der Uni aus dem Wirtschaftssystem ausgeschlossen werden. Die Jugendlichen sehen deswegen den Drogenhandel als die einzige Möglichkeit, schnell viel Geld zu machen und stürzen sich ins Geschäft. Die 250-300 Jahre der Sklaverei gaben den Weißen, der herrschenden Klasse in diesem Land, die Möglichkeit, ein eigenes Wirtschaftssystem aufzubauen. Sie hatten nie die Absicht, diesen Reichtum zu teilen. Ich habe versucht, den jungen Gefangenen hier das System zu erklären: Ihr habt die Drogen, und ihr macht damit Profit. Aber seht euch die Zerstörung an, die ihr damit in euren eigenen Communities verursacht, den Schaden, der in eurer eigenen Community zurückbleibt. Bei dem Versuch, ihre Sucht zu finanzieren, richten sich die kriminellen Aktivitäten der drogenabhängigen jungen Männer und Frauen vor allem gegen ihre eigene Community. Und nachdem du ein kleines bißchen Wohlstand angehäuft hast, kommen dann die Polizisten, verhaften dich und nehmen dir das Geld wieder weg. Das Geld, was nicht vom Staat beschlagnahmt wird, [ 7 ] mußt du dann für einen Anwalt oder für die Kaution ausgeben. Durch den Drogenhandel verarmt die Schwarze Community wirtschaftlich und sozial. Sie zerbricht moralisch. Meines Erachtens sollte bei Festnahmen von großen Drogendealern aus der Schwarzen Community das beschlagnahmte Geld in einen Entschädigungsfond für die Community fließen, da das meiste Geld sowieso aus der Schwarzen Community kommt. Wir haben uns in der BPP und in der BLA mit Drogendealern auseinandergesetzt, aber wir haben auch versucht, sie aufzuklären und politische Schulungsarbeit mit ihnen zu machen. Es gibt natürlich Situationen, in denen dieser Ansatz nicht funktioniert und wo zu anderen Methoden gegriffen werden muß, denn der Drogenhandel verursacht einfach eine enorme Zerstörung. Manchmal muß man erkennen, wie Mao sagte, daß die Politik eine Art Krieg ist und daß es sich beim Krieg um Politik mit anderen Mitteln handelt. Die Drogenhändler führen aber Krieg gegen ihre eigenen Communities. Sie sind genau wie schwarze Polizisten reaktionäre Elemente. Wir haben nichts dagegen, wenn die Polizisten hierher kommen und ihre Arbeit machen, weil es auch in der Schwarzen Community Kriminalität gibt. Aber sie dürfen sich nicht dazu benutzen lassen, Gruppen wie unsere zu infiltrieren und zu Agenten des Staates zu werden. Das war ein großes Problem für die BPP, daß junge schwarze Polizisten als Informanten und Provokateure benutzt wurden und BPP- Mitglieder ans Messer lieferten. Dasselbe trifft auch auf Drogendealer zu. Es kann versucht werden, sie aufzuklären, aber wenn sie nicht aufhören, ihre Communities zu verraten, dann werden sie so wie Verräter überall anders auch behandelt werden. Als die BPP und BLA dieses Problem dementsprechend angingen, versuchten die Medien und der Staat die Aktionen als Mord hinzustellen. Inzwischen ist der Drogenhandel in den Communities schlimmer denn je geworden, weil es keine Kräfte mehr gibt, die dagegen organisiert vorgehen. Bei dieser Art von politischer Arbeit kommst Du natürlich auch schnell in Konflikte mit der Polizei, die es aus mehreren Gründen ablehnt, den Drogenhandel zu stoppen. Nicht nur, weil er wirtschaftlich profitabel ist, sondern auch, weil Drogenhandel zu dem Kreislauf gehört, der so viele junge schwarze Männer in die Gefängnisse bringt. Ich mache mir ziemliche Sorgen darüber, wie die Kids, die jetzt hier drin sind, erreicht werden können. Es gibt ein Sprichwort, daß mehr Fliegen mit Honig als mit Essig gefangen werden. Du kannst ein paar von den Dealern töten, das flößt Furcht ein. Aber eigentlich geht es ja darum, ihnen die Notwendigkeit zu vermitteln, freiwillig damit aufzuhören. Siehst Du außerhalb des Knastes eigentlich eine Kraft, die etwas von der Organisierung, die Ihr entwickelt habt, übernimmt? Abdul: Ich sehe nichts, was so lebendig wäre wie die BPP es war. Ein Grund für unseren Erfolg lag darin, daß der Staat unsere Fähigkeiten, zu organisieren und unsere Community zu mobilisieren, unterschätzt hat. Außerdem mußt Du die sozialen Bedingungen, die damals in den Schwarzen und Latino Communities sowie in den armen weißen Communities vorherrschten, in Betracht ziehen wir waren zufällig zur richtigen Zeit da. Du kannst natürlich sagen, daß die Bedingungen heute noch schlechter sind. Aber der Staat hat inzwischen viel mehr Geld für die Zerstörung von legitimen Organisationen wie der BBP ausgegeben als für die Bekämpfung von sozialen Mißständen in den Communities. Sie fühlten sich bei der Zerstörung der BPP sehr erfolgreich, und als diese erst einmal aus dem Weg geräumt war, mußte sich der Staat um die Mißstände nicht mehr kümmern. Dhoruba und auch andere haben erzählt, daß COINTELPRO und die internen Spaltungen die Partei zwischen 1972 und 1973 zerstört hatten. Zu dieser Zeit warst Du selber ja auch noch draußen auf der Straße. Worin siehst Du die Gründe für die Spaltung? Abdul: Ich habe mit Huey Newton zusammengelebt, als er an der Ostküste war, und ich bin mir nicht sicher, ob nicht sein langer Knastaufenthalt auch einer der Gründe für die Spaltung zwischen Ost- und Westküste war. Als Huey ins Gefängnis kam, gab es die BPP nur in Kalifornien. Als er wieder rauskam, war die BPP zu einer internationalen Organisation mit 25 00030 000 Mitgliedern und einer starken Unterstützung in den Communities geworden. Nicht jeder Mensch kann mit Macht umgehen. Huey hatte durch seine Position in der Partei [ 8 ] sowohl einen politischen als auch einen militärischen Apparat zur Verfügung, und ich glaube, daß er einfach nicht wußte, wie er mit seiner Macht umgehen sollte. Außerdem hatte der Staat die BPP mit Hilfe des FBI und der CIA auf den höchsten Ebenen infiltriert. Die Geheimdienste waren an Leute, die Huey sehr nahe standen, herangekommen. Sie beeinflußten ihn, und die Spaltung entwickelte sich dadurch sehr schnell. Die Parteiführung war undiszipliniert geworden. Huey entfernte sich persönlich immer mehr von den Richtlinien, die er selbst einmal aufgestellt hatte, und von den Prinzipien, die er eigentlich leben sollte. Die Parteimitglieder sahen das natürlich. Ich weiß nicht, ob es ein Ergebnis von COINTELPRO oder seines eigenen Kopfes war, daß er damit begann, Parteimitglieder zu ermorden. Er hat mindestens drei oder vier gute GenossInnen ermorden lassen, die gute FreundInnen von mir waren. Wir an der Ostküste hielten trotz der Spaltung und der internen Auseinandersetzungen an den politischen Aktivitäten, mit denen wir angefangenen hatten, fest. Das war nicht nur an der Ostküste so auch in Kalifornien setzten die anderen die politische Arbeit fort. Ich wurde dann 1971 in Michigan verhaftet, als wir dorthin gefahren waren, um eine der noch funktionierenden BPP-Ortsgruppen zu besuchen. Unser Besuch wurde von einem FBI-Informanten verraten. Infolgedessen wurde ich wegen Besitz von Feuerwaffen festgenommen und verbrachte die nächsten zweieinhalb Jahre im Gefängnis. Danach kehrte ich nach New York City zurück und setzte meine Arbeit fort. Mit der Zeit erkennst Du, daß du mit bestimmten Mitteln nur begrenzt etwas erreichen kannst, und so entschieden einige Leute, daß es Zeit war, zu anderen Mitteln zu greifen, um andere Dinge zu erreichen. Außerdem waren aufgrund der Zerrissenheit der Partei viele GenossInnen im Gefängnis. Die gefangenen GenossInnen hingen ohne juristische Unterstützung in der Luft. Familien wurden alleine gelassen, und es gab GenossInnen, die lange Gefängnisstrafen absitzen mußten. Der größte Teil des Geldes wurde von der Westküste kontrolliert, also war der nächste notwendige Schritt, Geld aufzutreiben, um unsere Organisationsstrukturen aufrechtzuerhalten. Eine Menge GenossInnen wurden dabei verhaftet oder umgebracht, aber wir setzten den Kampf trotzdem fort. Mit der letzten Repressionswelle zwischen 1980 und 1981, die u.a. durch den Brinks-Vorfall [ 9 ] ausgelöst wurde, glaubte die Regierung dann, daß sich die Bewegung endgültig zurückgezogen hatte. Die Bewegung wurde durch die Brinks-Aktion und aufgrund des Zwischenfalls in Queens, wegen dem Bashir und ich jetzt im Gefängnis sitzen, um einige Jahre zurückgeworfen. Eine Menge Leute wurden verhaftet, andere wurden observiert und unter Druck gesetzt. Diese Repression würde ich als weißen Terror bezeichnen. Sogar heute noch haben einige Leute Angst davor, wieder die notwendige offene legale Arbeit zu machen. Diejenigen von uns, die im Gefängnis sitzen, leiden vor allem unter der Tatsache, daß es keine politischen Strukturen und kaum Kontinuität gibt. Mumias Situation ist ein Beispiel dafür. Und auf der anderen Seite versuchen Politiker wie Jesse Jackson die Orientierungslosigkeit auszunützen und die Lücke zu füllen. Viele Menschen suchen nach einer Führung, und die gibt es so einfach nicht. Der Staat was sehr effektiv darin, Menschen zum Schweigen zu bringen, entweder durch Tod, Knast oder Exil. Es gibt eine Menge GenossInnen, die noch immer nicht in dieses Land zurückkehren können. Aufgrund der zugespitzten Situation damals mußten sie weggehen. Ich denke, daß der einzige Weg, um unsere Probleme zu lösen, ist, hier zu bleiben. Eine Kritik, die wir erhalten haben, war die, daß wir nicht das Land verlassen haben. Aber ich sehe nicht, wie das die Probleme löst. Du kannst nicht in Cuba, Vietnam, der DDR oder Angola kämpfen. Du mußt dort kämpfen, wo der Kampf stattfindet. Es ist unmöglich, den Kampf voranzutreiben, wenn du nicht da bist, um ihn zu führen. Taktik, Strategie, einzelne Schritte das kann intern ausgearbeitet werden. Aber die Avantgarde muß als Avantgarde eben auch präsent sein. Du mußt bei den Menschen sein, unter den Menschen, du mußt dich beteiligen das ist es, was Menschen immer wieder inspiriert. Ich habe da eine Nachfrage, weil Du vorher gesagt hast, daß eines der Probleme mit der Partei darin bestand, daß Huey Newton so viel Kontrolle hatte. Denkst Du eigentlich immer noch, daß hierarchische Strukturen notwendig sind, um eine Organisation aufzubauen? Abdul: Ja, eine hierarchische Struktur ist notwendig, aber du mußt gleichzeitig sehr aufpassen. Wir haben die Anzeichen von Machtmißbrauch bei Huey bemerkt, uns aber dazu nicht verhalten das war das Problem. Wir haben die Veränderung in Hueys Persönlichkeit gespürt ähnlich wie bei einigen anderen Leuten aus der Führungsspitze der BPP , und wir hätten einschreiten und uns damit auseinandersetzen sollen. Das haben wir nicht getan, deshalb wurde es schlimmer, bis es vollständig eskalierte. Grundsätzlich ist nichts falsch an Hierarchien, jede Organisation benötigt einen Kopf, und du kannst nicht 50 Leute als Führung haben. Aber obwohl es eine Führungsperson gibt, muß es einen demokratischen Zentralismus in der Gruppe geben d.h. die Führungsspitze kann entweder durch Wahlen oder einen anderen demokratischen Prozeß abgesetzt werden. Wir hatten damals in der BBP nicht den Mut, einzugreifen; die Struktur zum Eingreifen wäre dagewesen, aber die Menschen haben sich manipulieren lassen. Und Huey war in der Lage, Leute auszuschalten und in seiner Machtposition zu bleiben, bis es letztendlich zur Spaltung zwischen den Fraktionen an der Ost- und Westküste kam. Selbst dann weigerte sich Huey, die Spaltung anzuerkennen, bis wir von der Ostküste klarmachten, daß er den einen und wir den anderen Weg gehen würden. Nicht, daß Huey ein Despot oder Diktator war, aber manchmal werden Menschen machttrunken und er war ein klares Beispiel dafür. Aus meiner Perspektive bin ich der Meinung, daß Frauen gerade in hierarchischen Strukturen noch leichter unsichtbar gemacht werden können. Wie siehst Du denn das in bezug auf die Frauen in der BPP und BLA? Abdul: In der BPP gab es Frauen in Machtpositionen, aber oft wurden sie dort von einem Mann, der in einer leitenden Funktion war, eingesetzt. David Hume, eines der Zentralkomiteemitglieder, hatte so ein Verhalten drauf. Wenn er eine Frau mochte, setzte er sie in eine wichtige Position. Das basierte oft nicht auf Fähigkeiten. Es gab Genossinnen, die hart gearbeitet haben, aber aufgrund ihres unabhängigen Denkens nie in Führungspositionen gelangt sind. David Hume hat diese Art von Begünstigungspolitik auch mit Männern betrieben, aber öfters mit Frauen, und er wollte keine Frauen mit eigenem Kopf und starkem Willen, die unabhängig waren. Chauvinismus ist ein weltweites Problem: selbst im heutigen Afrika, wo die Nationen ihre Unabhängigkeit gewonnen haben, gibt es nur wenige Staaten, in denen eine Frau in der Lage ist, ihre Fähigkeiten voll auszuleben und zu nutzen. Ich glaube, daß Frauen genauso fähig sind wie Männer, Machtpositionen einzunehmen. In der Partei wollten wir uns mit Chauvinismus auseinandersetzen. Eines der Probleme, die wir in der African American Community haben, ist, daß die Brothers einen verzerrten Eindruck von der afrikanischen Kultur haben und damit auch von den Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Vielleicht stimme ich nicht damit überein, daß der Platz einer Frau auf dem Schlachtfeld ist, aber in unserer Situation können wir uns solchen Luxus nicht leisten wer auch immer bereit ist, zu kämpfen, beteiligt sich am Kampf! Nimm z.B. die Sandinistas in Nicaragua, als sie gegen die Herrschaft von Somoza gekämpft haben. Es gab viele Frauen an vorderster Front und das war ihr natürlicher Platz, genau wie bei vielen Frauen in Vietnam oder Mosambik. Nachdem sie einmal ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, sehe ich nicht, wie sie sang- und klanglos wieder zurück in die Küche gehen, um ihren Ehemännern, Vätern oder Brüdern eine gute Hausbedienstete zu sein. Sie sollten dieselben Möglichkeiten zur Bildung und denselben Zugang zu Führungspositionen erhalten. Meiner Ansicht nach ist Chauvinismus etwas, womit sich auseinandergesetzt werden muß. Ich glaube auch, daß Frauen selbst die Verantwortung haben, dieses Thema anzusprechen. Männer kommen nicht immer von selbst darauf, weil die Gesellschaft so angelegt ist, daß Männer immer die Führungspersonen waren und unhinterfragt so weiterleben können. Sie reproduzieren die Strukturen, die sie in ihren eigenen Familien erlebt haben. Wenn es keinen Einschnitt in die traditionellen Mann-Frau-Beziehungen gibt, dann wird ein Mann tun, was er für normal hält und die Frau auch. Es gab innerhalb der Partei Kritik an der moralischen Integrität einiger Führungskader, weil wir der Ansicht waren, daß einige von ihnen Frauen nur als Sex-Objekte benutzten. Obwohl die Partei sich für gesellschaftliche Veränderungen innerhalb der African American Community einsetzte, war es schwierig, die negativen Gewohnheiten in der Haltung der Männer gegenüber Frauen zu verändern und Respekt für Frauen durchzusetzen. Ich habe noch eine Frage zur Rolle von Frauen in der BPP und BLA. Frauen haben ja im African American Widerstand in diesem Land schon von Anfang an eine ziemlich wichtige Rolle gespielt. Mein Eindruck ist, daß über die Frauen einfach nicht geredet wird, wenn den Jugendlichen heute die Geschichte der BPP und der BLA vermittelt wird. Abdul: Na ja, es wird schon von einigen Frauen geredet. Der Grund dafür, daß man so viel von den Männern aus der BPP und der BLA hört, liegt darin, daß die meisten Toten Männer waren; viele von ihnen wurden vom bewaffneten Repressionsapparat dieses Landes ermordet. Viele der Gefangenen waren und sind Männer deshalb hörst Du von ihnen. Was die Frauen betrifft, die weder verhaftet wurden, noch in die Gefängnisse kamen es würde bedeuten, sie dem Feind auszuliefern, wenn über sie geredet würde. Viele von ihnen waren in der Phase der Zerschlagung der BLA gezwungen, sich wieder ein scheinbar legales Leben aufzubauen. Aber nicht, daß Frauen nicht beteiligt gewesen wären. Nahonda z.B. ist eine weitere Sister im Exil auf Kuba. Über sie wird aufgrund ihrer Geschichte mit am meisten geredet. Wie Du schon gesagt hast, Frauen, Schwarze Frauen, waren hier immer sehr aktiv im Kampf. Wenn Du in unsere Geschichte zurückgehst es gab schon vor Harriet Tubman [ 10 ] oder Rosa Parks [ 11 ] viele Beispiele für den Widerstand Schwarzer Frauen. Es gab zahlreiche African American-Frauen, die auf den verschiedenen Ebenen des Kampfes aktiv waren, und wir verleugnen oder vergessen sie nicht oder versuchen es zumindest. Für jeden männlichen Sklaven, der aus Afrika in dieses Land verschleppt wurde, versuchten sie zwei oder drei Frauen herzubringen. So waren afrikanische Frauen gezwungen, zu kämpfen. Du hast ja schon gesagt, daß in dem Gefängnis, in dem Du zur Zeit bist, nur wenige der jüngeren Gefangenen etwas über Eure Geschichte wissen und ein Interesse an einer politischen Auseinandersetzung haben. Habt Ihr eigentlich unter Euch Schwarzen politischen Gefangenen Kommunikationsmöglichkeiten? Abdul: Wir haben keine besonders tragfähige Kommunikationsstruktur. Zu Beginn meiner Haftzeit hatten wir mehrere Möglichkeiten zum Austausch und zur Diskussion, eben eine ganze Untergrundpresse. Aber das ist etwas, was uns die Unterdrücker genommen haben unsere eigenen Medien sind auch der Repression zum Opfer gefallen. Jetzt haben wir mit dem BPP-Rundbrief begonnen. Leider kommt er nur drei bis vier Mal im Jahr raus, und das ist etwas, was wir erweitern möchten. Es gibt noch weitere kleine linke Informationsblätter und -zeitschriften, z.B. von ehemaligen AktivistInnen aus der Weather Underground-Szene. Aber wir verfügen nicht über eine starke linke US-weite Kommunikationsstruktur. Das ist etwas, was wir entwickeln müssen und woran wir arbeiten müssen. Ein weiteres Problem ist, daß wir in der BPP und in der BLA durchaus Leute hatten, die in dieser Hinsicht ausgebildet waren und ihre Fähigkeiten zur Verfügung stellten. Einige meiner FreundInnen von damals sind heute LehrerInnen oder ProfessorInnen an Schulen und Universitäten in New York City. Sie sind ehemalige Mitglieder der BPP, aber als sie erkannten, aus welcher Richtung der Wind wehte, haben sie sich zurückgezogen und ihre Fähigkeiten für Überlebenszwecke eingesetzt. Du kannst sie noch dazu überreden, bestimmte Arbeiten zu übernehmen, aber das innere Engagement, das sie vor Jahren hatten, ist nicht mehr dasselbe, weil sie den Glauben an den Kampf verloren haben. Sie können sich die Möglichkeit eines Sieges nicht mehr vorstellen. Ich habe FreundInnen in ganz unterschiedlichen Bereichen, und sollte ich jemals rauskommen, dann werde ich das tun, was notwendig ist und gucken, ob es für sie Möglichkeiten gäbe, sich wieder stärker am Kampf zu beteiligen. Du mußt dich den Umständen und Bedingungen zu einem gewissen Grad anpassen und die Situation in den USA ist dafür vielleicht das beste Beispiel. Wir müssen uns in dem Maß verändern, wie sich die Bedingungen verändern, oder wir werden untergehen. Deshalb sind wir in unserem Denken und in unserer Theorie differenzierter geworden jetzt müssen wir das nur in die Praxis umsetzen. Wie stellst Du Dir denn vor, daß die Mehrheit der Schwarzen politischen Gefangenen rauskommen könnte? Abdul: Die meisten Gefangenen werden rauskommen, wenn sie ihre gesamte Zeit abgesessen haben wenn es nach dem Willen der Regierung geht, werden sie zwischen 25 Jahren und lebenslänglich im Gefängnis bleiben. Ich glaube nicht, daß es eine allgemeine Amnestie geben wird, oder daß viele Gefangene durch Wiederaufnahmeverfahren und andere juristische Schritte freikommen werden. Wir haben versucht, Druck auf traditionelle liberale PolitikerInnen in dieser Frage auszuüben, wie Jesse Jackson oder Andrew Young. Es ging darum, daß sie eine klare Position in der Frage der African American, Hispanic und weißen nordamerikanischen politischen Gefangenen beziehen sollten. Die African American-PolitikerInnen haben einfach Angst davor. Vor kurzem haben sich Dhoruba bin Wahad und einige andere GenossInnen mit David Dinkins getroffen. [ 12 ] Dieser Mann spuckt immer große Töne, daß Nelson Mandela 25 Jahre lang politischer Gefangener in Südafrika war, aber direkt hier in New York City, wo er Bürgermeister ist, will er nichts zu den politischen Gefangenen sagen. Er unterstützte auch die Forderung nach der Freilassung von Joe Doherty [ 13 ], die ich auch unterstütze. Ich respektiere die IRA, sie sind Unabhängigkeitskämpfer. Aber Dinkins würde diese Unterstützung niemals für die puertoricanischen Gefangenen und GenossInnen aufbringen. Wir haben versucht, die schwarzen Politiker dazu zu bewegen, etwas mehr Rückgrat zu zeigen und mit den Kompromissen und dem Stiefellecken aufzuhören. Als vor einigen Monaten die Unterzeichnung von Mumias Hinrichtungsbefehl ziemlich greifbar schien, zeigte die Öffentlichkeit Interesse an seinem Fall. Daraufhin entstand ein Bewegungsmoment, das Pennsylvanias Gouverneur Robert Casey dazu zwang, seine Entscheidung vorläufig zurückzunehmen. Wenn auch in den meisten Fällen keine Amnestie erreicht wird, so kann doch wenigstens manchmal die Hand des Henkers zum Verharren gebracht werden. Wir müssen an der Frage der politischen Gefangenen eine Massenbewegung aufbauen, und es ist aufgrund des tief verinnerlichten Rassismus hart, weiße US-AmerikanerInnen zu erreichen. Letztlich glaube ich aber daran, daß sich mit den politischen Gefangenen und den Kriegsgefangen auseinandergesetzt werden muß. Denkst Du, daß es für revolutionäre Schwarze Organisationen möglich ist, mit Weißen zusammenzuarbeiten? Abdul: Ja, in der Vergangenheit hat das funktioniert. Wir haben ja auch einige Weiße GenossInnen, die deswegen im Gefängnis sind. Wir hatten enge Beziehungen zur Weißen linken Community und zur asiatischen Community. Das war etwas, was Malcolm X angeregt hatte die Zusammenarbeit muß aber auf gegenseitigem Respekt beruhen. Es ist nicht sehr effektiv, wenn die Weiße Community der Schwarzen Community oder Schwarzen RevolutionärInnen diktiert, wie sie vorgehen sollen. Es geht um gegenseitigen Respekt! Natürlich ist die Weiße revolutionäre Bewegung in diesem Land in einer wesentlich besseren Position als die revolutionäre Schwarze Bewegung, um bestimmte Sachen zu machen. Es gibt Orte, an denen sie sich unbemerkt bewegen können, während ich dort nur als Kellner oder Hausangestellter arbeiten könnte. Wir müssen auch in einer anderen Richtung ein Bewußtsein schaffen; auch in diesem Land gibt es eine faschistische Skinhead- und neofaschistische Bewegung. Das wird zu einem ernsten Problem. Es gibt rechtsextreme Gruppen in diesem Land, die insbesondere seit Mitte der 80er Jahre wieder an Stärke gewinnen. Sie sind sowohl politisch als auch militärisch wesentlich besser organisiert als die Weiße Linke. Der Staat setzt die Rechten gegen die Linken ein das FBI hat z.B. den Ku-Klux-Klan gegen die Bürgerrechtsbewegung eingesetzt und dabei sowohl den Klan als auch die Bürgerrechtsbewegung infiltriert. Diese Entwicklung ist auch deshalb bedenklich, weil die extreme Rechte einerseits ziemlich gut ausgerüstet ist, und andererseits auch in der Regierung vertreten ist. Die Weiße Linke muß reale Anstrengungen unternehmen, um die faschistische Welle zurückzudrängen und den rassistischen Grundkonsens anzugreifen. Es wird sehr schwierig sein, die Bedingungen hier zu verändern, weil die Masse der weißen Bevölkerung davon überzeugt ist, daß die Verfassung und die Regierung dazu da sind, um ihre Interessen zu schützen und zu repräsentieren. Es gibt auch Schwarze Leute, die der gleichen Ansicht sind. Es ist fast unmöglich, diese Leute zu erreichen, bis sie völlig marginalisiert und desillusioniert sind. Und dann besteht die Gefahr, daß sie nach rechts abwandern, so wie in Eurem Land. Gibt es denn unter den Schwarzen politischen Gefangenen momentan Diskussionen über die Notwendigkeit der Kontinuität von bewaffnetem Widerstand? Abdul: Aufgrund der ständigen Angriffe, denen wir ausgesetzt sind, haben einige von uns die Position, daß wir den bewaffneten Kampf fortführen müssen. Aber daß es auch die Notwendigkeit gibt, langsamer zu machen, um uns neu zu organisieren. Für mich ist es eine taktische Frage: ob wir, wenn wir uns momentan mehr auf den militärischen Aspekt konzentrieren, die Möglichkeit verlieren würden, wieder eine politische Massenbasis aufzubauen. Unter taktischen Gesichtspunkten bin ich der Ansicht, daß es wichtig ist, militärische Aktionen beiseite zu schieben, so daß du den Raum hast, um die Massen zu erreichen und einen legalen Apparat aufbauen kannst. Der Staat versucht natürlich, wenn er die Untergrundarmee nicht zerstören kann, die legale Struktur zu kriminalisieren und zu zerstören, um damit die Untergrundstruktur politisch zu isolieren. Das geschah auch in der letzten Phase der BLA. Ein Teil des Problems für die Leute in der Illegalität war, daß die Leute in den legalen Strukturen ihre Aufgaben nicht korrekt ausgeführt haben. Letztendlich ist das Ziel, die Massen zu erreichen, sie zu mobilisieren und für politische Aktionen zu motivieren. Wo ist der Sinn, wenn Du nur bewaffnete Aktionen durchführst und die Mehrheit der Menschen die Zusammenhänge aber nicht erkennt. Du wirst vielleicht Deine Frustationen loswerden, aber Du kannst dich damit auch schnell von der Masse der Menschen entfremden. Eine meiner Theorien ist, daß Malcolm X seiner Zeit weit voraus war. Er hätte noch leben müssen, als die BPP aktiv wurde. Das wäre für ihn ideal gewesen. Denn zu der Zeit, als er am aktivsten war, öffnete er vielen jungen Menschen die Augen. Aber die älteren und führenden Elemente der Bürgerrechtsbewegung bestanden auf Gewaltfreiheit und Passivität. Sie konnten und wollten nur innerhalb des Rahmens operieren, der von der Regierung zugelassen wurde. Malcolm war der Ansicht, daß der Kampf des African American-Volkes der Regierung aus der Hand genommen werden und auf eine internationale Ebene gebracht werden muß. Die Führung der Bürgerrechtsbewegung war damals aber nicht bereit, diese Analyse zu akzeptieren und entsprechend zu handeln. Die Situation ist heute ähnlich. Wenn es jetzt z.B. Vergeltungsaktionen für Polizistenmorde an Africa Americans geben würde, dann würden zwar viele Menschen mit diesen Aktionen sympathisieren, aber wenn jemand für derartige Aktionen verhaftet werden würde, gäbe es nicht die notwendige Unterstützung für diese Person oder Organisation. Für Bashir und mich ist es schwierig, kontinuierliche Unterstützung für das Wiederaufnahmeverfahren zu erhalten. Die Einstellung vieler Leute ist, daß sie zu sehr mit ihrem persönlichen Überleben beschäftigt sind. Diese Einstellung hat für uns schon zu Zeiten der BPP ein Problem dargestellt. Entscheidend ist, daß es einen Prozeß der Organisierung und letztendlich eine Organisation gibt. Die Stärke der BPP war ihre große Mitgliederzahl und ihr organisierter Apparat. Die Angst des Staates vor der BLA war nicht die Anzahl der Leute, sondern die Tatsache, daß die BLA in der ersten Phase eine starke Organisation war. Wir haben mit Bashir lange über den Islam und die Tatsache geredet, daß viele der Schwarzen politischen Gefangenen sich dem Islam zugewandt haben. Abdul: Nun ja, einige haben sich in der Gefangenschaft dem Islam zugewandt. Ich war schon Moslem, bevor ich in die BPP eingetreten bin. Auf welche Weise beeinflußt der Islam deine politischen Ansichten? Abdul: Für mich verändert sich dadurch eigentlich gar nichts. Du mußt bedenken, daß der Islam vor der europäischen Kolonisierung die primäre Religion in Afrika war. Für mich ist es einfach nur eine Lebensform. Aber es gab in Afrika ja mehr Religionen als nur den Islam. Abdul: Einige unserer wichtigsten KämpferInnen kommen aus einer religiösen Tradition z.B. Malcolm X oder Martin Luther King. Spiritulität ist immer ein Teil unserer Identität gewesen. Aber ich lasse nicht zu, daß dadurch die Zusammenarbeit mit anderen Menschen verhindert wird. Ich habe da keinen Tunnelblick. Ich bin schon vor meiner Mitgliedschaft in der BPP Moslem gewesen und einer der Gründe dafür, daß ich anfing, mit der BPP zu arbeiten, war, daß die Moslems in diesem Land sich nicht an umfassenden Kämpfen für eine Veränderungen der Lebensbedingungen von African Americans beteiligten. Sie hatten eine sehr enge Sichtweise und wollten vor allem beten. Wenn Du Dir die Geschichte des Propheten Mohammed ansiehst, dann wird aber deutlich, daß er mehr als ein religöser Führer war. Er war gesellschaftlich und politisch sehr aktiv und ein großer Reformer. Der Islam hat sich in der ganzen Welt ausgebreitet und Veränderungen verursacht, um die Bedingungen der Menschen zu verbessern. Soweit es diese Seite vom Islam angeht, habe ich damit keine Probleme. Und ich habe auch kein Problem damit, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die diesen spezifischen Aspekt meiner Überzeugungen nicht teilen. | anfang | Fußnoten[ 1 ] [ 2 ] [ 3 ] [ 4 ] [ 5 ] [ 6 ] [ 7 ] [ 8 ] [ 9 ] [ 10 ] [ 11 ] [ 12 ] [ 13 ] |
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