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Die kulturelle Propagandaschlacht in Sarajevo | Das Kulturunternehmen BHL |
Das alles jedoch waren eher Petitessen verglichen mit der von Bernard-Henry Lévy gestarteten Kulturkampagne, dessen wichtigstes Produkt der Film »Bosna!« war. Der Film ist eine Zumutung, eine Tortur, eine wüste, zusammenhangslose Aneinanderreihung von Bildern. Die eine Hälfte wurde von Lévy gedreht, die andere Hälfte, bisher unveröffentlichtes Material, stammt aus den Archiven des bosnischen Militärs. Bilder beweisen nichts. Wenn sie also zeigen, wie Leute, von Scharfschützen getroffen, über die Straße robben, um dann doch noch erwischt zu werden, sagen sie nichts über Hintergrund und Geschichte, sondern zeugen lediglich von der Grausamkeit des Krieges. Manchmal hat man sogar den Eindruck, als ob aus der Perspektive des Scharfschützen gefilmt worden wäre. Wie der berühmte Kamaran im Golfkrieg, der in Wirklichkeit schon Jahre vorher in das ausgelaufene Öl eines havarierten Tankers geraten war, sind die Bilder eine emotionale Stimulanz, ein psychisches Sperrfeuer auf die Nerven der Zuschauer. Die Bilder zielen nicht anders als die Heckenschützen in Sarajevo auf die Zermürbung des Publikums, das für die bereitwillige Aufnahme von Lévys Botschaft sturmreif geschossen werden soll.
Vom serbischen Militär hätte Lévy die gleichen Bilder haben können. Aber das wäre Propaganda gewesen, faschistische Propaganda. Was die abgeschnittenen Köpfe, zerfetzten Beine, verwesten Leichen und heraushängenden Gedärme aber vor allem zeigen, ist Lévys heimliche Faszination, die hinter dem manischen Sammeln solcher Dokumente steckt. Bilder von Menschen in Gefangenenlagern sind gegengeschnitten mit Dokumentaraufnahmen aus KZs. Natürlich beweisen sie nichts als die Tatsache, daß hungernde Menschen eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen. Aber sie sollen auch nichts beweisen, sie sollen die Rückkehr des Faschismus suggerieren und damit den Krieg in Bosnien zu einer heiligen und gerechten Sache machen.
»Bosna!« ist ein erbärmliches Sammelsurium sämtlicher Klischees, die sich die Guten vom »Befreiungskampf« der Muslime gegen die serbische »faschistische Aggression« machen. Lévy zieht den Propagandakarren IŠzetbegovi´cs und bezeichnet das als sein besonderes Vertrauensverhältnis zum bosnischen Führer. Durch nichts läßt sich Lévy beirren, alles liegt für ihn auf der Hand, einen Beweis glaubt er nicht antreten zu müssen. Nach wie vor haben die Serben die Granate auf dem Marktplatz Sarajevos geworfen, obwohl laut Untersuchungsberichten der UNO nicht festzustellen war, wer der Schuldige war. Nachrichten, die die Reinheit der bosnischen Sache anzweifeln, existieren für Lévy nicht.
Stattdessen heroische Gesänge und triefender Kitsch, wie man das nur von stalinistischen Hofschranzen kennt, über die man heute so entsetzt ist, während man Lévy Aufrichtigkeit und Engagement bescheinigt. »Bosna, wie eine Hommage an Bosnien-Herzegowina, das seit zwei Jahren von den großserbischen Mördern zerstückelt wird und Opfer aller Nationen ist. Bosna, wie die heroischen Menschen, die, fast alleine, lieber sterben als sich unterzuordnen. Und Bosna, wie ein Film, der kämpft, Seite an Seite mit diesen Männern und Frauen, die ihr Land verteidigen und damit gleichzeitig unsere Werte.«
Die vom Krieg in Jugoslawien persönlich betroffenen guten Menschen in der Bundesrepublik holten den Film Lévys nach Berlin und zeigten ihn in der Akademie der Künste. Nach dem zweistündigen Film verkauft Lévy dem geräderten Publikum die gleichen Weisheiten noch einmal, die so schwülstig sind, daß sie sich für einen Abdruck in der Zeit qualifizieren: »Die Seele der Bosnier ist lebendig.« »Ich erfuhr das große Glück, zum Ehrenbürger Sarajevos ernannt zu werden.« »Ich habe mich den Verantwortlichen zur Verfügung gestellt. Das ist die Pflicht und die Ehre eines Intellektuellen.« Man hört es und faßt es nicht, daß Lévy Make-up mit dem Butterbrotmesser aufträgt. Selbst solche Platitüden, der Fußball und das Fernsehen seien an allem schuld, präsentiert Lévy noch als tiefe und empfindsame Einsicht.
Wo Lévy konkret wird, gerät er leicht ins Schlingern. 70% des bosnischen Territoriums seien von den serbischen Faschisten besetzt. Wer aber sind die Bosnier, von denen Lévy redet? Daß sie aus Serben, Kroaten und Muslimen bestehen, darauf muß ihn erst jemand aus dem Publikum aufmerksam machen. Den bosnischen Serben jedenfalls gehören laut Grundbucheintragung 60% des Landes. Lévy will alles für die Bosnier, die eine Fiktion sind, solange Lévy nicht verrät, wie er einen bosnischen Serben dazu zwingen will, Angehöriger dieses Mythos zu werden, wenn der nicht will. Soll er auswandern, soll er zwangsbosnisiert oder vielleicht ausgerottet werden?
Lévy ist jedoch nicht einfach dumm. Die pathetische Schlichtheit seines Weltbilds ist diejenige eines Demagogen, eines Agitators, wie ihn Leo Löwenthal in seiner Studie »Falsche Propheten« beschrieben hat. Heute sind die »faschisierten und rassistischen Serben« das Böse, das die Welt und die Bosnier bedroht. Das Böse jedoch verkleidet sich als das Gute, der Faschismus benutzt eine Maske und ist deshalb nicht immer eindeutig zu identifizieren. Aber Lévy ist Fachmann in Fragen der Teufelsaustreibung, und niemand hat es sich bisher leichter gemacht, den Faschismus als serbischen zu entlarven. An Lévy läßt sich studieren, wie der Agitator neuen Typs aussieht, für den jedes Mittel recht ist, um »Menschenrechte« und die »Zivilisation« zu verteidigen. Was aber bleibt dann noch von den Menschenrechten und der Zivilisation?
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