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Ein Vorschlag zur Güte - Warum der antifaschistische Schutzwall gar keine so schlechte Idee war

Um die Jagd auf Ausländer zu beenden, aber auch aus ästhetischen Gründen, muß man dem Ossi seinen sehnlichsten Wunsch erfüllen, der sich logisch aus einem Vorurteil ergibt, das er sich über sich selbst macht. Da die Ossis nämlich überzeugt sind, daß sie schon immer über den Tisch gezogen, übervorteilt und ausgenutzt worden sind, sollte man ihnen endlich die Gelegenheit geben, ein freies und selbstbestimmtes Leben in staatlicher Eigenregie in den Grenzen der ehemaligen DDR zu führen.

»Laßt uns auch mal allein entscheiden«, fordern sie, und diese Bitte sollte man ihnen erfüllen. Ein Vorschlag, der die in West & Ost gleichmaßen beliebten »verkrusteten Denkstrukturen« aufbricht und insofern eine wirklich unvoreingenommene Begutachtung verdient.

Die staatliche Teilung abzulehnen, macht vernünftigerweise nur Sinn, wenn den Westdeutschen dadurch Nachteile entstehen würden, seien es wirtschaftliche, politische oder kulturelle. Man würde sich lächerlich machen, wollte man behaupten, Lutz Rathenow, Gabriele Kachold, Konrad Weiß, Bärbel Bohley, Wolf Biermann, Friedrich Schorlemmer oder wie sie alle heißen, hätten zur »kulturellen Bereicherung« beigetragen. Vielmehr haben sie das Niveau westlicher Qualität noch unter das Maß des Erträglichen gedrückt. Nicht viel besser steht es um die wenigen gaucktauglichen Politiker aus dem Osten, die sich den pastoralen Ton nicht abgewöhnen können und die jedes Rednerpult mit mit der Kanzel verwechseln, von der sie herabmenscheln. Und auch wirtschaftliche Vorteile entfallen, vielmehr haben Politiker und Wirtschaftsbosse wie Schamanen den Regen erfleht, der ihre verzweifelte Hoffnung auf Überwindung der Flaute begießen könnte. Die zarte konjunkturelle Besserung, von der seit Ende 1994 berichtet wird, ist nicht nur das, was man erwarten kann, wenn Billionen dafür verschleudert werden, sie ist vor allem nichts angesichts des Schuldenbergs, den das Abenteuer mit den fünf demnächst ausländerfreien Bundesländern eingebracht hat. Alles gute Gründe, die Altlast DDR möglichst schnell wieder abzustoßen.

Die Alternative wäre, der Verwahrlosung der Ossis tatenlos zuzusehen. Deshalb sollte man sich aus humanitären Gründen dem Wunsch eines großen Teils der westdeutschen Bevölkerung nach dem Wiederaufbau der Mauer nicht einfach verschließen. Solange sich die fünf braunen Gauländer als schwarzes Loch erweisen, in das Geld hineingepumpt wird, aus dem aber nur Rassismus herauskommt, wird jedes krampfhafte Festhalten an der staatlichen Einheit zu einem unkalkulierbaren Risiko, einem gesellschaftlichen Amoklauf, einem volkswirtschaftlichen Suizidversuch, dessen Gelingen mit jedem Tag wahrscheinlicher wird.

Stattdessen könnte man die ostdeutschen Gebietsaltlasten beispielsweise den Polen als Entschädigung für die im Zweiten Weltkrieg an ihnen begangenen Verbrechen übereignen, und der 50. Jahrestag der Niederlage wäre ein geeignetes Datum. Zwar müßte man damit rechnen, daß Polen das Manöver durchschaut und dankend ablehnt, aber im Gegensatz zur hochtechnologisierten Bundesrepublik, für die die DDR ein großer Schrotthaufen ist, der nur Entsorgungsprobleme bereitet, würde in Polen die wirtschaftliche Sanierung sicherlich sanfter verlaufen. Die Ossis könnten außerdem Völkerverständigung üben. Bei den dann vorhandenen Mehrheitsverhältnissen im neuen polnischen Staat wäre jedenfalls nicht zu befürchten, daß die Ostdeutschen morden und brandschatzen, nicht nur weil sie sich diesmal nicht an den Schwächeren schadlos halten, sondern weil sie nicht mehr mit der großzügigen strafrechtlichen Behandlung rechnen könnten.

In jedem Fall hätte der Wiederaufbau der Mauer als antifaschistischer Schutzwall heute tatsächlich eine Funktion. In einem ausländerfreien Ostdeutschland könnten die Ossis dann nach Herzenlust übereinander herfallen und sich gegenseitig massakrieren. Niemand hätte dann etwas dagegen, wenn Kinkel für einen Blauhelmeinsatz in der neuen Krisenregion votieren würde. Daß sich dadurch der Konflikt erst ausweiten würde wie in Jugoslawien, steht jedenfalls nicht zu befürchten, denn wenn die Ossis etwas zu schätzen wissen, dann eine staatliche Autorität, wie sie ihnen entgegen aller Gerüchte aus vierzig Jahren SED-Herrschaft ans Herz gewachsen ist. Was ihnen an ihr nicht gepaßt hat, war die Sache mit den Bananen, aber das Problem sollte sich eigentlich lösen lassen. Die Versorgung der DDR mit dieser Frucht würde der Bundesrepublik jedenfalls billiger kommen als die gigantischen Hilfsprogramme Aufschwung Ost, die sich als Abschwung West erweisen.

Wer die staatliche Zweiteilung trotz aller Vorzüge dennoch nicht mag und in den Ossis bloß bemitleidenswerte Opfer sieht, denen nur ein bißchen Aufklärung und Zuwendung fehlt, dessen missionarischer Eifer sollte nicht gebremst werden. Der kann dann ja nach drüben gehen und versuchen, sie von ihrer Meinung über sich selbst »Wir sind hier die Scheiße an der Wand« abzubringen. Nicht ganz leicht, wieder ganz von vorn anzufangen und sie mit den Errungenschaften der Zivilisation vertraut zu machen, z.B. daß es sich bei Exkrementen keinesfalls um Wandschmuck handelt, sondern um eine Absonderung, für deren Entsorgung es ganz bestimmte mit Wasserspülung versehene Vorrichtungen gibt.



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