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Die Gespensterwelt der Ossis - Über Geisterfahrer und Duckmäuser

Seitdem sie in Leipzig »Wir sind ein Volk« skandierten, ist die neutrale Rede von den Ossis als der Bevölkerung eines Landes obsolet geworden. Ein in Deutschland seit der LTI von Victor Klemperer nicht mehr harmloses Wort (»''Volk'' wird jetzt beim Reden und Schreiben so oft verwandt wie Salz beim Essen.«) erlebte eine Renaissance, »Volk« wurde zum Kampfbegriff, zur Drohung. Die negative Konnotation der Selbstbezichtigung zum Völkischen, zur Rasse, war nicht bloß die vorübergehende Begleiterscheinung eines historischen Prozesses, sondern drückte bereits die Absicht der Ossis aus, damit ernst zu machen, und wie immer in solchen Fällen, ging es als erstes gegen die Ausländer.

Der Verdacht, daß sich in den Massenaufmärschen eine geheime Traditionslinie zur Devise Hitlers »Eine Rasse sind wir nicht, eine Rasse müssen wir erst werden« finden lassen müsse, wurde zur Gewißheit. Zwar nicht als Wiedergeburt des Ariers, aber auch die damals wie heute degenerierte »nordische Rasse«, die dem blond und blauäugigen Ideal nur in Ausnahmefällen entsprach, definierte sich ja hauptsächlich durch die Ausgrenzung des »Andersartigen«, welches für »die Zersetzung des gesunden Volkskörpers« verantwortlich gemacht wurde. In der Zusammenrottung der Ossis kam die Phobie, von Fremden im eigenen Land bedroht zu sein, zum Vorschein. Hinter dem Schlachtruf von Leipzig verbarg sich nur notdürftig seine logische Konsequenz: »Ausländer raus!«

Die Gunst der Stunde war auf der Seite der Ossis, und vielen wurde schon beim Zugucken ganz vaterländisch zumute. Die Nationalhymne hatte kurzfristig Hochkonjunktur. Aber hinter dem völkisch geäußerten Wunsch nach sofortigem Anschluß an die BRD steckten nicht nur die Heim-ins-Reich- und Ausländer-raus-Gefühle, sondern auch die blanke Habsucht auf westlichen Ramsch. Diese ekelhafte Mischung aus Raffgier und Volksgegröle machte die Ossis zu einer unverwechselbaren Spezies, weshalb sie in der BRD genauso wie in den Neckermann-Urlaubsländern sofort als Ossis identifiziert wurden. Das war bitter für sie, die sich durch die schöne neue Welt des Wirtschaftswunderlandes hindurchfressen wollten.

Daraus wurde nichts. Statt in einer großen Volksgemeinschaft aufzugehen, wurden die Ossis als das erkannt, was sie schon immer waren: äußerst unangenehme Zeitgenossen, die auf bisher unbekannte Weise Selbstmitleid und Barbarei als wirksame und erpresserische Waffe einsetzten. Ein Volk wollten die Ossis werden, und es kann nicht ausgeschlossen werden, daß daraus noch etwas wird. Die besten Voraussetzungen bringen sie jedenfalls mit: Als Mob auf der Straße haben sie sich bereits qualifiziert.



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