01.07.97 - Deutschland
Freispruch nach 59 Verhandlungstagen
Monatelange Ermittlungen - Abhörprotokolle wurden als Beweis nicht zugelassendpa Lübeck - Nach 59 Verhandlungstagen im Prozeß um den verheerenden Brand in einem Lübecker Flüchtlingsheim an der Hafenstraße ist der Angeklagte Safwan Eid vom Vorwurf der Brandstiftung und Körperverletzung freigesprochen worden. Dem Verfahren waren bereits monatelange Ermittlungen vorausgegangen.
18. Januar 1996: Am Lübecker Hafen geht ein Asylbewerberheim in Flammen auf. Zehn Menschen sterben, 38 werden zum Teil schwer verletzt. Die Polizei nimmt vier Jugendliche aus Grevesmühlen (Mecklenburg-Vorpommern) fest, läßt sie einen Tag später aber wieder frei. Es bestehe kein Tatverdacht, heißt es.
20. Januar 1996: Der Hausbewohner Safwan Eid wird von der Polizei unter dem Verdacht der Brandstiftung verhaftet. Er soll in der Brandnacht gegenüber einem Rettungssanitäter ein Geständnis abgelegt haben.
29. Februar 1996: Die Ermittler erklären, abgehörte Gespräche Safwan Eids in der Untersuchungshaft hätten den Tatverdacht erhärtet. Die Abhörprotokolle werden später vor dem Lübecker Landgericht nicht als Beweis zugelassen.
4. April 1996: Der Frankfurter Brandsachverständige Ernst Achilles schließt nicht aus, daß das Feuer in dem Heim von außen gelegt sein könnte.
29. Mai 1996: Die Staatsanwaltschaft läßt den Mordverdacht gegen Eid fallen und erhebt Anklage wegen besonders schwerer Brandstiftung und Körperverletzung.
2. Juli 1996: Eid wird aus der Untersuchungshaft entlassen.
16. September 1996: Der Prozeß beginnt. In den folgenden Monaten werden zahlreiche Gutachter und Zeugen gehört.
4. Juni 1997: Die Staatsanwaltschaft beantragt Freispruch für Eid. Der Antrag wird mit Mangel an Beweisen begründet.
9. und 11. Juni 1997: Die Nebenklagevertreter plädieren. Nur ein Anwalt fordert eine Verurteilung Eids wegen Beihilfe zur Brandstiftung, vier weitere beantragen Freispruch. Ein Anwalt stellt keinen Antrag.
18. Juni 1997: Auch die Verteidigung, die stets von der Unschuld Eids ausgegangen war, fordert Freispruch.
30. Juni 1997: Die Jugendstrafkammer des Landgerichts Lübeck verkündet das Urteil. Freispruch und Entschädigung für die rund fünf Monate Untersuchungshaft. Zur Begründung sagt das Gericht, der Vorwurf der Anklage, Eid habe das Feuer gelegt, konnte "nach Überzeugung der Kammer nicht nachgewiesen" werden. In dem Verfahren seien aber Fragen offengeblieben. Das Gericht habe nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" entschieden.
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Copyright: DIE WELT, 1.7.1997
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