1:1 für den antifaschistischen Widerstand
Mehrere Faktoren führten dazu, daß das Verfahren gegen die Autonome Antifa (M) eingestellt wurde. Für die Öffentlichkeit kam die Wendung zum Teil überraschend. Wie kann es nach über fünfjährigen Ermittlungen, einer aufgeblasenen Anklageschrift, einer eingerichteten polizeilichen Sonderkommission (606) und der Zustimmung der Niedersächsischen Justizministerin Heidi Alm-Merk zum Ausbau einer ehemaligen Reithalle zum Prozeßbunker zu einer Entstellung des §129-Verfahrens kommen?
Vorschnelle Schlüsse, wie etwa, der Generalstaatsanwaltschaft oder dem
Gericht eine liberale Haltung zu unterstellen, oder aber - wie in der Presse
mehrheitlich berichtet - die SPD als wohlwollende politische Eingreiftruppe zur
Rettung "radikalisierter Jugendlicher zu sehen, gehen nicht nur am Kern
vorbei, sondern sind auch grundfalsch.
>>Der Göttinger SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Oppermann, auf dessen
Initiative die Einstellung des Verfahrens zustande gekommen war, sprach
(
) von einer "Chance auf dauerhaften Frieden in der Stadt. Es
wäre fatal gewesen, wenn die zum Teil sehr jungen Leute der Antifa (M)
durch eine Verurteilung "politisch ins totale Abseits gedrängt und extrem
radikalisiert worden wären, schreibt der Politiker<<. (GT,
27.6.'96)
Eine liberale Haltung sowohl bei den juristischen Kreisen der GSA und des
Gerichts als auch bei den politischen Kreisen der SPD existiert nicht.
Vielmehr führte der öffentliche Druck bzw. die breite
Solidarität dazu, daß die SPD im Hintergrund den einen oder anderen
Schachzug vollstreckte, ohne sich in der Öffentlichkeit verbrennen zu
wollen.
Hintergrund ist auch hier die jahrelange antifaschistische Bündnispolitik,
die Rolle der SPD im allgemeinen und insbesondere ihre Rolle im Zusammenhang
mit den antifaschistischen Aktionsbündnissen in Südniedersachsen.
Die fünfjährige Geschichte der Repression in Göttingen ist ein
Ausschnitt aus und Einblick in die Geschichte der SPD als staatstragende
Partei, die sich versucht der Linken anzudienen, um doch letztlich zu spalten,
zu integrieren und den revolutionären Teil der Politik zu vernichten.
Die Ablösung des CDU-Erzreaktionärs Ernst Albrecht durch den
Industrietechnokraten der SPD, Gerhard Schröder, Ende der 80er Jahre in
Niedersachsen heißt nicht, daß der gesamte Staats- und
Beamtenapparat durch SPD-Leute ausgetauscht werden konnte. Ein Austausch der
Repräsentanten des Apparates bedeutet nicht, daß sich wesentliches
ändert. Den neuen Repräsentanten bleibt auch nur übrig, die
Verhältnisse zu verwalten, wie sie sind. Ein beamtetes Überbleibsel
ist z.B. der reaktionäre Generalstaatsanwalt Manfred Endler (CDU), der auf
seinem Sessel solange sitzen wird, bis er ableben oder seine Pension kassieren
wird. Befördert werden kann er nicht mehr.
Das Verfahren gegen die Autonome Antifa (M) hat gezeigt, daß die
SPD-Regierung bzw. das SPD-Innenministerium Anfang der 90er Jahre andere Wege
bevorzugte, um "Ruhe in die Region einkehren zu lassen als mit offen
polizeistaatlichen Methoden einer CDU-Regierung. Der damalige
CDU-Justizminister Hasselmann trug beispielsweise für die im Dezember 1986
stattgefundene "JuZI-Razzia in Göttingen die politische
Verantwortung. Diese Aktion, in deren Verlauf über 400 Menschen
eingekesselt und ED-behandelt wurden, wurde Jahre später für illegal
erklärt.1
Doch die Polizeimacht, deren "Entgleisungen ihren Höhepunkt unter
anderem mit dem Tod von Conny Wessmann am 17. November 1989 hatten, lief
zunächst weiter in den Spuren der CDU-Regierung. Dies änderte sich
erst nach dem Mord an Alexander Selchow durch zwei FAP-Faschisten Silvester
1990/91, der, unter den Augen der ohnehin in die öffentliche Kritik
geratenen Zivilpolizei, stattfand.2 Hier waren neue Konzepte gefragt, das stark
angekratzte Image der Polizei aufzupolieren.3
So mußte die Landesregierung in den Jahren 1991 und 1992 zudem auf den
wachsenden Neofaschismus reagieren, der damals auch in der Region
Südniedersachsen, vor allem in Gestalt des FAP-Funktionärs Karl
Polacek, offen zu Tage trat.
Innenminister Glogowski reagierte unter dem öffentlichen Druck, nachdem
Polacek bereits wegen eines Angriffs mit einer Axt auf eine Antifaschistin vor
Gericht gestanden hatte: Die österreichische Nazi-Größe wurde
mit Hilfe des damals kurz zuvor rassistisch verschärften
Ausländergesetzes im Januar 1992 aus der BRD verwiesen. Mit der
vorzeitigen Abschiebung nach Österreich tat das Innenministerium Polacek
gar einen Gefallen, da er seine Haftzeit in der BRD nicht absitzen mußte.
Es gehörte zur Linie der SPD, sich vor Ort antifaschistisch zu
gebärden. Am deutlichsten wird die opportunistische Haltung der SPD in
dieser Frage, wenn ihr Verhalten gegenüber der in der Öffentlichkeit
akzeptierten Bündnispolitik betrachtet wird.
Rinks
Der bürgerliche Antifaschismus trat in Gestalt der zum "linken
Flügel zählenden SPD-Landtagsabgeordneten Hulle Hartwig4 in
Erscheinung. Hatten sich bereits bei den großen antifaschistischen
Demonstrationen im März 1993 in Adelebsen gegen den NPD-Funktionär
Fiedler und in Northeim im Juni 1994 gegen Thorsten Heise (FAP) Teile der
örtlichen SPD angeschlossen, wollte auch Frau Hartwig dem nicht
nachstehen, zumal auch teilweise Gewerkschaftsverbände, Leute aus dem
sozialistischen Spektrum und vor allem die Grünen beteiligt waren. Auf
einer Podiumsveranstaltung der Autonomen Antifa (M) im März 1994 in
Göttingen, die sich in erster Linie gegen die Kriminalisierung der Gruppe
richtete, sprach sie sich mit aller Vehemenz gegen das Vorgehen des
Landeskriminalamtes und gegen die §§ 129/129a aus, die erst
"Gesinnungsschnüffelei ermöglichen.
Lechts
Auf der "anderen Seite der SPD steht der rechte karrieregeile - als
Nachfolger der jetzigen Justizministerin gehandelte - Thomas Oppermann, seit
jeher Gegner des Autonomen Antifaschismus, ja sogar Gegner der
bündnispolitischen Taktik Hulle Hartwigs. So attestierte Oppermann seiner
Parteikollegin kurz nach der Demonstration am 16. Juli 1994 gegen die am 5./6.
Juli 1994 durchgeführten Hausdurchsuchungen, sie habe mit ihrem
>>Autonomenfimmel einen Sockenschuß<<. (GT, 20.7.'94).
Bereits einige Tage nach der Demonstration standen Hartwig und Oppermann wieder
in trauter Eintracht gegen linksradikale Politik in Göttingen: Keine der
über 90 solidarischen Einzelpersonen und Gruppierungen, die zur
Solidaritätsdemonstration aufgerufen hatten, distanzierte sich vom Verlauf
der Demonstration, lediglich die SPD in Form der beiden diffamierte diese
Bündnisdemonstration. Daß Hartwig ebenso wie der Grüne
Jürgen Trittin (Bundesvorstandssprecher) in der Demonstration mitgelaufen
waren, als ein Großaufgebot der Polizei vor dem Göttinger
Landgericht mit einigen Flaschen, auch aus dem hinteren "bunten Teil der
Demonstration, eingedeckt wurde5, konnte die Staatspartei SPD nicht so
stehenlassen.
Ihren Höhepunkt fand Hartwigs Wende aber im September 1995 vor der
geplanten Demonstration "Gegen Faschismus und Klassenjustiz! am 2.
Oktober 1995. Sie hetzte im örtlichen "Göttinger Tageblatt
nicht nur gegen die Autonome Antifa (M), sondern auch gegen alle Gruppen und
Leute, die mit den inzwischen Angeklagten solidarisch waren und alle, die
"sogar auf diese Demonstration gehen wollten.
>>Mit der Ankündigung der "Schwarzen-Block-Demo am 2.10.95 in
Göttingen zeigt die sog. AA(M), daß sie aus der Bekräftigung
des "begründeten Verdachts einer kriminellen Vereinigung durch den
Bundesgerichtshof keinerlei Lehren gezogen hat. (
) Die sog. AA(M) hat
wesentlich zum Scheitern des Göttinger Modells beigetragen.
Tatsächlich geht ihre bornierte "Politik der wahren Lehre einher mit
einer Zerschlagung der sozialen Bewegungen der Autonomen in Göttingen, mit
der Erosion und Entsolidarisierung der ehedem breiten Göttinger
progressiven Szene. (
) Aber für den 2. Okt. können all
diejenigen, die ein Interesse an der politischen Entwicklung in Göttingen
haben und die der sog. AA(M) noch helfen wollen, nur eins tun: Gehen wir nicht
hin.<< (Presseerklärung, 21.9.'95, Hulle Hartwig, SPD).
Hatte Hulle Hartwig in den Monaten zuvor öffentlich bekundet, sie
hätte etwas gegen die §§ 129/129a, stellte sie mit
ihrer Forderung, daß die Autonome Antifa (M) aus dem Urteil des BGH
Lehren ziehen solle, unter Beweis, was sie mit Kampf gegen
Gesinnungsschnüffelei meint: Die Paragraphen 129/129a gehören
irgendwann mal abgeschafft, aber solange die damit einhergehende politische
Verfolgung vom heiligen, obersten Strafgericht deutscher Nation für
rechtens befunden wird, solange haben das alle gefälligst zu respektieren.
Alles andere wäre Vaterlandsverrat und damit die größte Sorge
einer Sozialdemokratin.
Die Sozialdemokratin lieferte darüberhinaus mit ihren legalistischen und
diffarmierenden Worten genau die mediale Schützenhilfe, die das LKA und
die GSA in der Öffentlichkeit so bitter nötig hatten, zumal sie in
der Öffentlichkeit als ehemaliges Bündnismitglied mit derartigen
Anwürfen eine andere Stellung genoß als beispielsweise jemand von
der CDU oder FDP, von denen erstens nichts anderes zu erwarten ist und die
zweitens sowieso nur unqualifizierte Bemerkungen zum Thema beisteuern
können. Die Reaktion folgte: die Demonstration wurde von der Stadt
Göttingen verboten und gleichzeitig der "Ausnahmezustand im
Stadtbezirk um den 2. Oktober 1995 herum verhängt.6
Die Schachzüge der SPD
Direkt nach den Hausdurchsuchungen im Juli 1994 meldete sich die
SPD-Justizministerin Heidi Alm-Merk in der Weise zu Wort, daß sie das
Legalitätsprinzip zu achten hätte und keinerlei Möglichkeiten
hätte, der GSA auf die Finger zu gucken.
>>(
) Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal deutlich,
daß Gegenstand der Ermittlungen nicht eine politische Gesinnung - das
wollen Sie unterstellen -, sondern der Verdacht durchaus gravierender
Straftaten ist.
(
) In unserem Rechtsstaat gilt das Legalitätsprinzip, das die
Staatsanwaltschaft verpflichtet, gegen alle verfolgbaren Straftaten
einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.
Dieses Legalitätsprinzip ist auch die Grundlage meiner täglichen
Arbeit als Ministerin. (
) Ich habe im Rahmen der gesetzlichen
Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaften keine Möglichkeit,
Ermittlungsmaßnahmen der Generalstaatsanwaltschaft, die nach dem
Legalitätsprinzip tätig wird, durch eine Weisung zu untersagen. Ich
bin auch weit davon entfernt, mir derartige Befugnisse
anzumaßen(
)<< (Justizministerin Heidi Alm-Merk, Aktuelle
Stunde im Landtag in der Woche nach den Durchsuchungen am 5./6. Juli 1994.)
Nach diesen Äußerungen verstummte Alm-Merk fast zwei Jahre lang.
Im Januar 1996 wartete sie mit der überraschenden Meldung auf: der Ausbau
einer ausgedienten Reithalle zum Prozeßbunker würde den
niedersächsischen Haushalt überstrapazieren, weshalb diesem nicht
zugestimmt werden könne. Diese Begründung ist höchst
bemerkenswert, kosten doch die aufwendigen Ermittlungen seit 5 Jahren
wöchentlich das, was der Einbau einer Heizung (über 300.000 DM) in
die Reithalle gekostet hätte.
Der Grund dieses Manövers der Justizministerin liegt auf der Hand. In
Absprache mit dem rechten Regional-SPDler Thomas Oppermann hatte man sich in
den Kopf gesetzt, zwar der Autonomen Antifa (M) politischen Boden zu entziehen,
jedoch nicht mittels des Prozesses, denn dieser hätte das
niedersächsische Innenministerium in arge Bedrängnis gebracht.
Wäre der Prozeß eröffnet worden, hätten Innenminister
Glogowski, sein Staatssekretär Schapper sowie die örtliche Polizei
erklären müssen, warum der Autonomen Antifa (M) mittels
unangemeldeter Demonstration der § 129 übergestülpt werden
sollte, wußte doch das Innenminsterium vor jeder Demonstration, daß
sie nicht angemeldet war und daß es einen Schwarzen Block geben
würde.
Denn seit langem ist bekannt - insbesondere durch ein Schreiben des
Innenministeriums an das Oberlandesgericht Celle im Juli 1995, daß die
"Zurückhaltung der Polizei bei den Göttinger Demonstrationen
eine Entwicklung war, die von der Landesregierung akzeptiert werden mußte
und im nachhinein auch von ihr zu ihrem eigenen Schutz gerechtfertigt wurde.7
Die Ermittlungsverfahren gegen Göttinger Polizeibeamte wegen
Strafvereitelung zeigen hierbei, daß das LKA und die reaktionäre
Staatsanwaltschaft gerne eine harte Linie zur Befriedung gefahren wären.
So wurde mit dem Manöver der SPD, den Prozeß auf der einen Seite zu
verzögern und ihn formell zu behindern und auf der anderen Seite in der
Person Oppermanns mit einer ausgearbeiteten Erklärung auf die GSA
zuzugehen, der Druck auf politischer Ebene erzeugt, der die reaktionäre
GSA erst an den "Verhandlungstisch brachte. Oppermanns ausgearbeitete
Erklärung kam hierbei nicht nur der SPD entgegen, sondern auch der GSA -
beide hatten ein gemeinsames Ziel: die Zerschlagung der Autonomen Antifa (M)
und die Schwächung der erfolgreichen Bündnispolitik. So erklärte
Oppermann, daß er zwar für die Einstellung gegen Auflage sei,
>>allerdings mit der Vorraussetzung - und das habe ich die Autonomen auch
wissen lassen, ohne jemals mit ihnen direkt gesprochen zu haben -, daß
sie eindeutig erklären müssen, zukünftig die Veranstaltungen des
Schwarzen Blockes zu unterlassen.<< Nach dem ersten Vorstoß
erklärte er, >>keine offenen Fragen und keinen Diskussionsbedarf zu
haben. (
) Die haben ihre Chance gehabt.<< (Neues Deutschland,
30.4.'96). Die SPD hat es trotz Hulle Hartwig in den vergangenen Jahren nicht
geschafft, das Bündnis auf den Pfad des staatstragenden Antifaschismus8 zu
bringen.
Als die GSA dankbar angebissen hatte, lehnten die Angeklagten zum Leidwesen
Oppermanns ab. Nun kam wieder die Justizministerin ins Spiel. Zwei Monate
nachdem sie großmundig den Ausbau der Reithalle für zu teuer
erklären ließ, wurden nun doch offiziell 380.000 DM für den
Umbau bewilligt.
70.000 DM wurden im Vorfeld für den Umbau der Reithalle verschleudert.
(GT, 27.6.'96)
Damit, daß sie den formellen Weg zur Durchführung des Prozesses
freigab, dokumentierte die SPD gegenüber den Angeklagten: entweder ihr
geht auf die Verhandlungen ein, oder ihr werdet mit dem Mammutprozeß
überzogen. So erwies sich die SPD als das, was sie seit 1914 ist, als
staatstragende Partei, die sich mit ihren Interessen in Abstimmung mit den
reaktionären Kräften im Apparat (Staatsanwaltschaft und Gericht)
durchsetzen konnte, ohne offen politisch einzugreifen. Gegenüber der
Öffentlichkeit gibt sie sich weiterhin ein liberales Gesicht.
War die SPD in den 70er Jahren durch eine aus der 68er Zeit kommenden Linken
auf der einen Seite und der Existenz des Ostblocks auf der anderen gezwungen,
das Modell des Sozialstaates in der BRD durchzusetzen, so hat sich diese
Funktion in den 90ern erledigt.
Mit der Annexion der DDR durch die BRD, mit dem Zerfall des Ostblocks, wird der
Kapitalismus als der Sieger der Systeme und zudem als der "einzig wahre
Weg durch herrschende Kreise propagiert.
Damit sind klassische Modelle der SPD (Ost-Politik; Sozialstaat) aus Sicht des
Kapitals überflüssig. Niemand muß mehr den Beweis antreten,
daß der Kapitalismus das "menschlichere System ist. Ohne
"Gegenpol muß nichts bewiesen werden. Seit einigen Jahren ist die
BRD auf dem Weg "ganz nach oben zur Großmacht. Dies wird nur dann
funktionieren, wenn die Profite der Besitzenden, der oberen Zehntausend9,
weiter steigen. Dies bedeutet aber gleichzeitig massiver Abbau sozialer
Rechte.
Es ist also mit Unmut, Protest und Widerstand zu rechnen. Damit das
kapitalistische System weiter fest im Sattel sitzen kann, bedarf es dazu eines
ausgebauten Polizeistaates, der all die angehäuften Reichtümer im
Innern absichert und nach außen abschottet.
In kurzen Worten läßt sich die Rolle der SPD dabei in diesen Zeiten
nur so beschreiben, daß ihr, ohne jeglichen reformgesellschaftlichen
Ansatz, nur noch die Aufgabe bleibt, mit Hilfe des Polizeiapparates die
sozialen Konfliktherde in Schach zu halten.
So besteht das doppelt verlogene Gesicht der SPD darin, auf der einen Seite zu behaupten, sie habe andere Positionen als die reaktionären Kräfte der CDU oder gar Lösungen für gesellschaftliche Probleme und auf der anderen Seite darin, den Ausbau des Polizeistaates voranzutreiben und dies als sozialdemokratische Variante hinzustellen. Im Kern unterscheiden sich die Modelle von CDU, FDP, SPD in grundlegenden Fragen überhaupt nicht. Ob es um die Abschaffung des Artikel 16 (Asyl) im Grundgesetz, Durchsetzung atomarer Anlagen, Auslandseinsätze der Bundeswehr oder die Verabschiedung von Polizeigesetzen geht, überall eint diese Kräfte der gleiche Geist - der Geist des Kapitalismus.
Anmerkungen:
1 siehe dazu Kapitel "Ein Widerspruch - kein Antagonismus in: "Gegen Faschismus und Klassenjustiz - Die Antifaschistische Aktion!, Autonome Antifa (M), 1995, S.24 ff
2 siehe hierzu: "Dokumentation: Antifaschistischer Widerstand in Südniedersachen 1989 - Erklärungen, Dokumente, Berichte, Plakate, Presse, Fotos, 1990, Antifaschistische Aktion
3 siehe Artikel "Strafrecht, Polizeigesetze und juristische Bestimmungen als Werkzeuge der Klassenjustiz in dieser Broschüre, S.31
4 Zu den Personen Hulle Hartwig und Thomas Oppermann:
Erstmals versuchte sich Hulle Hartwig nach dem politischen Mord an Conny
Wessmann im November 1989 in der Öffentlichkeit als Antifaschistin zu
profilieren. Doch schon damals war ihre Linie des staatstragenden
Antifaschismus deutlich zu erkennen. Vor allem aber mit Abgrenzung zu
linksradikaler Politik tat sie sich hervor. In einer damaligen
Einschätzung im "Antifaschistischen Widerstand in Südniedersachen
1989 hieß es unter der Überschrift >>Hetzen statt
Handeln - SPD konsequent gegen AntifaschistInnen<<, S. 313/314:
>>Nach unsäglichen Provokationen und Knüppeleinsätzen der
Polizei bedankt sich der SPD-Unterbezirksvorsitzende Oppermann für die
"besonnene Polizeiführung. Die Ausschreitungen stehen nicht etwa mit
der Polizeitaktik in Zusammenhang, sie seien das "brutale Werk einer kleinen
Gruppe von gewalttätigen Autonomen. (
) (GT,27.11.'89). Die
Stelllungnahme von Hulle Hartwig (Vorsitzende des SPD-Stadtverbandes) weicht
nicht von der grundsätzlichen Linie ab, das Augenmerk auf "die
Gefährdung von Polizisten und friedfertigen Bürgern zu richten,
die ausgegangen sei von einem kleinen militanten Teil "von außen.
(
). Die Zuspitzung ihrer Argumentation auf die Anwendung von Gewalt von
Seiten der Autonomen bei gleichzeitiger Kritik an der Polizeiführung,
lenkt ab von der gesellschaftlichen Situation, die es erforderlich macht, aktiv
die Faschisten (
) zu bekämpfen. Die Praxis der SPD, das Auftreten
der Faschisten auszusitzen und im Rat der Stadt schönfärberische
Reden über den Antifaschismus zu schwingen, bleibt so im Hintergrund.
(
) Die Versuche der SPD - vereint mit den anderen "Demokraten - die
AntifaschistInnen zu spalten und zu kriminalisieren sollen davon ablenken,
daß sie keine Alternative zu bieten haben, daß sie sich als
unglaubwürdig erwiesen haben.(
)
5 Zu lesen in den umfangreichen Akten des Verfahrens im Kapitel über die Demonstration am 16. juli 1994. Polizeibeamte schildern in empörter und verwunderter Weise, daß sogar aus den hinteren Reihen der unvermummten Menschen Flaschen etc. auf sie geworfen worden seien.
6 Wie in jedem Jahr hatte die Autonome Antifa (M) eine Demonstration und
AgitProp-Aktion zum 2. Oktober durchführen wollen. Durch die hysterische
Diskussion um die Chaostage in Hannover nutzten Stadt und Polizei die Gunst der
Stunde, um nicht nur Chaostage in Göttingen herbeizureden, sondern auch
ein Totalverbot für Versammlungen über die gesamte Stadt zu
verhängen.
Schon am Wochenende vorher patrouillierten Polizeitrupps unformiert durch
Göttingen. Am 2. Oktober wurden nicht nur sämtliche
"verdächtig aussehenden Menschen kontrolliert, sondern auch
zahlreiche in Gewahrsam genommen oder erhielten sogenannte Platzverweise, also
Aufenthaltsverbot in der Innenstadt.
Zur Zeit stehen noch Verfahren und Prozesse im Zusammenhang mit dem 2. Oktober
'95 an.
7 Aus diesem Schreiben geht hervor, daß es eine wie auch immer geartete Strategie der "Deeskalation für Demonstrationen seitens der Polizei nicht gegeben hat, sondern sie durch ihr schlechtes Image in der Öffentlichkeit und dem Taktieren der Autonomen Antifa (M) im Vorfeld von Demonstrationen zur Zurückhaltung gezwungen wurden bzw. die Polizei in dieser Zeit Zurückhaltung für Göttingen als politisch opportun wertete.
8 Staatstragender Antifaschismus bezeichnet vor allem die Haltung der
Sozialdemokratie bzw. sogenannter Demokraten. Aufgrund ihrer Funktion im Kapitalismus stehen diese
(staatstragenden) Kräfte auf dem Boden der kapitalistischen
Gesellschaftsordnung. Dies schließt nicht aus, daß sie gegen Nazis
eingestellt sind, jedoch sind sie nicht im Stande, die Wurzeln des Faschismus
zu bekämpfen, weil sie diese nicht als im Kapitalismus immanent begreifen.
Darüberhinaus drückt sich staatstragender Antifaschismus vor allem in
der Praxis (parlamentarischer) Kräfte aus. Die Praxis der Sozialdemokratie
(zum größten Teil auch die der Gewerkschaften) besteht darin,
lediglich symbolische Aktionen (Lichterketten) auszuführen, kein direktes
(militantes) Vorgehen gegen faschistische Strukturen, Zentren oder Personen und
vor allem mit dem Verweis auf das Gewaltmonopol des Staates und der
Rechtstaatlichkeit der Polizei und Justiz die Bekämpfung faschistischer
Kreise zu übertragen.
So bleibt staatstragender Antifaschismus nur bei einer Anti-Nazi-Haltung
stehen, ohne zu wissen, wo die Wurzeln liegen, was die Bestimmung der Mittel
und das konkrete Vorgehen gegen Faschismus unmöglich macht.
9 In der Frankfurter Rundschau vom 13. September 1996 ist zu lesen: >>Die
Zahl der Millionäre in Deutschland ist nach der Wende 1989 sprunghaft
gestiegen - fast ausschließlich im Westen. (
).
Wie die Stuttgarter Nachrichten berichteten, stieg die Zahl der
Einkommensmillionäre in Deutschland zwischen 1989 und 1992 um fast 40
Prozent an. Danach wurden in den alten Bundesländern 23.683 solcher
Millionäre (1989: 17.223) registriert.<<