1:1 für den antifaschistischen Widerstand
Die Geschichte politischer und sozialer Bewegungen ist oft eng mit einem Teil
der Justizgeschichte des Kapitalismus verbunden. Die "Sozialistengesetze
von 1878 und der "Radikalenerlaß (Berufsverbote) der Bundes- und
Landesregierungen vom Januar 1972 sind zwei historisch und politisch
unterschiedliche und doch eindrückliche Beispiele hierfür.
Ähnliches gilt auch für die §§129 und 129a des
Strafgesetzbuches. Die Karriere dieser Normen beginnt im Allgemeinen
Preußischen Landrecht von 1794 unter dem Titel "Vom Staatsverbrechen
überhaupt und vom Hochverrathe und endet mit der Schaffung und den
Verfeinerungen des §129a, der die "Bildung, Mitgliedschaft, Werbung
und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung unter Strafe
stellt.
Die Mittel und Methoden, das Vorgehen und die Konsequenzen, die diese beiden
Paragraphen mit sich bringen, aber auch die anderen kleinen
Nebenkriegsschauplätze um die juristische Verfolgung systemkritischen
Widerstands, lassen sich beispielhaft am Verfahren gegen die Autonome Antifa
(M) ablesen.
Die "Straftaten
Das, was den 17 Angeklagten als Straftaten zur Last gelegt wurde, ist zum Großteil nicht Bestandteil des Strafgesetzbuches, sondern wird im Versammlungsgesetz (VersG) inkriminiert. Dieses Gesetz wurde 1953 ins Leben gerufen und hat in vergangenen Jahren verschiedene Verschärfungen erfahren, zuletzt 1989, die ebenso wie die materielle Aufrüstung der Polizei auch zum Ziel hatten, staatlich geplante industrielle Großprojekte gegen einen breiten sozialen Widerstand, der sich maßgeblich in Großdemonstrationen ausdrückte, durchzusetzen. Als Beispiele seien hier nur die ehemals geplante atomare Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf in Bayern und das Atommüllendlager Gorleben im Wendland genannt.
"Nichtanmeldung
Ein Strafverstoß soll bei den ausdrücklich den Angeklagten
zugeordneten 8 Demonstrationen im Zeitraum vom 27.6.1992 bis 16.7.1994,
zunächst durch die Nichtanmeldung gemäß §26 Nr. 2
VersG begangen worden sein.
Tatsächlich aber waren die in der Anklageschrift genannten Demonstrationen
den Behörden vorher bekannt, so daß die Polizei nicht nur - wie es
angeblich dem Zweck der Anmeldung entspricht - "verkehrslenkende
Maßnahmen durchführen konnte, sondern zeitweise mit einem
Großaufgebot die Demonstrationen begleitete. Von den VeranstalterInnen
wurde vorher ein Demonstrationskonzept erarbeitet, das öffentlich bekannt
war und auch beim örtlichen Ordnungsamt in den Briefkasten eingeworfen
wurde. Diese Vorgehensweise wurde zum Teil behördlicherseits auch
schriftlich bestätigt und ausdrücklich als Anmeldung gewertet.
"Vermummung
Als zweiter Vorwurf ist die Vermummung gemäß §27 II Nr.2
VersG zu nennen. Auch sie ist eine Strafvorschrift jüngeren Datums. Ihre
Einführung am 1. Juni 1989 war umstritten, denn die Vermummung war eine
reale Reaktion auf vermummte Polizisten und dem bei allen Demonstrationen
erfolgenden Erfassungen aller DemonstrationsteilnehmerInnen auf Zelluloid durch
sogenannte Dokumentationstrupps.
Die Sanktionsdrohung bei Vermummung soll nun den unumschränkten Zugriff
und die Erfassung von DemonstrationsteilnehmerInnen durch die (politische)
Polizei ermöglichen. Auf den genannten Demonstrationen haben sich immer
ein Großteil der TeilnehmerInnen mit Motorradhauben oder Tüchern vor
der Erfassung durch Polizeikameras, aber auch vor denen der Neofaschisten, die
Daten der terroristischen "Anti-Antifa zuleiten, geschützt.1
Entgegen der Darstellung der GSA in den über 130 Aktenordnern,
gehörten Demonstrationen, die ohne die Konzeption des
Schwarzen Blockes stattfanden, zum täglichen Rüstzeug
antifaschistischer Arbeit der Autonomen Antifa (M). Als Beispiele seien hier
die Demonstration am 9. November 1993 in Göttingen, als an die
Novemberrevolution 1918 und die Reichspogromnacht 1938 erinnert wurde, die
Demonstration in Bad Lauterberg am 29. Januar 1994 zur Erinnerung an den
historischen Widerstand und die Greueltaten der Nationalsozialisten zum
Jahrestag der Machtübertragung am 30. Januar 1930 oder nicht zu vergessen
die Demonstration in Goslar zum 8. Mai 1995, dem 50. Jahrestag der Befreiung
vom Nazi-Faschismus.
"Uniformierungsverbot
Außerdem soll gegen das Uniformierungsverbot aus §3
Absatz 1, 28 VersG verstoßen worden sein. Grundlage dieses Vorwurfs ist
die vorwiegend dunkle Kleidung der DemonstrantInnen, nämlich schwarze
Jacken und dunkle Hosen.
So schreibt die GSA in ihrer Presseerklärung vom 5. Juli 1994 zur
Rechfertigung der Hausdurchsuchungen bei den Angeklagten:
"...Dieser "schwarze Block, der bis zu 800 Personen umfaßt, die
schwarz gekleidet und behelmt...sind, und den Eindruck einer Privatarmee
erweckt, wird in den sogenannten 'Demonstrationskonzepten' der Autonomen Antifa
(M)/AA(M) Wochen vorher angekündigt.
"Schutzwaffenverbot
Paradox ist schon dem Namen nach das Schutzwaffenverbot aus §17a
Absatz 1 VersG. Es kann sich eigentlich nicht um "Waffen handeln, die dem
eigenen Schutz dienen sollen. Die Motorradhelme sollen vor den Hieben und
Schlägen der ausgerüsteten Polizei schützen und die schon bei
solchen Anlässen oft entstandenen schweren Verletzungen verhindern.
Der Nutzen von Eigenschutz wurde zuletzt in Göttingen vorgeführt am
1. September 1996, dem internationalen Antikriegstag. Dort gab die
neustationierte Göttinger Bereitschaftspolizei ihren knüppelnden
Einstand, indem sie eine revanchistische Militaristenfeier im Göttinger
Rosengarten beschützte. Es kam zu schweren Kopfverletzungen,
Bißwunden durch Polizeihunde, Arm- und Nasenbeinbrüchen. Selbst die
niedersächsiche Landtagsabgeordnete der Grünen, Heidi
Lippmann-Kasten, die sich bei der Knüppelorgie ebenfalls eine Platzwunde
am Kopf zuzog, kommentierte das Geschehen mit den Worten: >>
ich
geh' auf keine Demo mehr ohne Helm.<< (Interview in der EinSatz Nr.14,
September '96).
"Landfriedensbruch
Im Zusammenhang mit diesen Verstößen gegen das VersG stehen auch die
Vorwürfe der §§125 Absatz 1 Nr. 1, 125a Nr. 2;
§126 Absatz 1 Nr. 1 in Verbindung mit §125a Satz 2 Nr. 4
und §§223, 223a, 26 Strafgesetzbuch, nämlich der
besonders schwere Fall des Landfriedensbruchs, der Androhung eines schweren
Landfriedensbruchs und der Anstiftung zur gefährlichen
Körperverletzung.
Grundlage aller dieser Anklagepunkte neben anderen eine Demonstration am 16.
Juli 1994, die sich gegen die am 5./6. Juli durchgeführten
Hausdurchsuchungen bei den 17 Angeklagten richteten.
Die Empörung und Wut nach einer der größten
Staatsschutzaktionen gegen AntifaschistInnen in der BRD erforderte eine
politische Reaktion. Deshalb wurde von 44 Gruppen und 94 Einzelpersonen zu
einer Demonstration aufgerufen, an der sich ca. 3.500 Menschen aus einem
breitem politischen Spektrum beteiligten.
Erst als vor dem Landgericht Göttingen ein massives Polizeiaufgebot
martialisch provokativ erschien, eskalierte die Situation. Auch aus dem
hinteren Teil des Demonstrationszuges, wo traditionell nicht der schwarze Block
geht, wurden daraufhin Flaschen und Feuerwerkskörper geworfen.
Den Angeklagten wurde nun diese Eskalation angelastet, weil sie angeblich genau
hierzu mit Flugblättern und Plakaten aufgerufen haben sollen. Jedoch gab
es anders als sonst auf dieser Demonstration kein vorher bekanntes
Demonstrationskonzept und keine OrdnerInnen.
Die "kriminelle Vereinigung
Diese Palette an Vorwürfen zusammengenommen mit den jahrelangen
Ermittlungen gegen die Göttinger Linke und insbesondere die Autonome
Antifa (M) bilden die Grundlage für das Konstrukt, mit dem nun die
Angeklagten im Prozeß zu einer "kriminellen Vereinigung stilisiert
werden sollten. Der §129 StGB macht dies möglich. Wörtlich
heißt es dort in Absatz 1:
"Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren
Tätigkeit darauf gerichtet ist, Straftaten zu begehen, oder wer sich an
einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie wirbt oder
unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft.
Der "kriminelle Zweck dieser "Vereinigung Autonome Antifa (M)
sollte also sein, Demonstrationen zu veranstalten, die sich nicht den
Beschränkungen des Versammlungsgesetzes unterwerfen. Diese Demonstrationen
werden kurzerhand unter den schwammigen Begriff der "Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung subsumiert, die zusätzlich
eine "kriminelle Vereinigung ausmachen soll.
Bei einem Blick auf die Geschichte der "Versammlungsfreiheit gerät
diese zur Farce. Denn die in Artikel 8 des Grundgesetzes gewährte Freiheit
wurde immer weiter eingeschränkt.
Auch deshalb hat selbst das Bundesverfassungsgericht in der sogenannten
Brokdorf-Entscheidung (BVerfGE 69, 315 ff.) Zweifel an dem Ausmaß
polizeilicher Einschränkungen dieses Rechts aufkommen lassen. Danach sind
auch bei Entscheidungen der Verwaltung, also auch der Polizei,
"Sicherheitsinteressen und Versammlungsfreiheit so gegeneinander
abzuwägen, daß letztere die ihr als Grundrecht "gebührende
Berücksichtigung erfährt. Die Staatsmacht ist danach sogar
gehalten, gegebenenfalls unter Bildung "polizeifreier Räume sich
besonnen zurückzuhalten und übermäßige Reaktionen zu
vermeiden.
Daß die fünfjährige Ermittlungsarbeit des LKA Niedersachsen
geradezu kuriose Blüten getrieben hat, ist angesichts ihrer relativen
Erfolglosigkeit nicht verwunderlich. So hat zum Beispiel während der
Demonstration gegen den NPD-Funktionär Fiedler in Adelebsen 1993 die
Polizei akribisch festgehalten, wie der Wurf eines rohen Eies zu einer
Körperverletzung wird, wenn der Eidotter in den Handschuh eines Beamten
läuft und dort ein ekliges Gefühl auslöst.
Ähnliches gilt für angeblichen Plünderungen nach der
Demonstration gegen die FAP und Heise im Juni 1994: Mehrere
Vermummte waren kurz vor Ende der Demo in eine Tankstelle gegangen, hatten sich
Eis genommen und waren ohne Bezahlung gegangen.
Den §129 zeichnen neben den "bezweckten Straftaten noch andere Elemente aus, die hier nicht weiter erläutert werden. Dazu zählen vor allem das Vereinigungsmerkmal und die besondere Struktur als Organisation, die die Zurechnung begangener oder auch nur "bezweckter Straftaten zu allen Mitgliedern ermöglicht, unabhängig von der individuellen "Schuld.
"Deeskalation
Die Tatsache, daß linke politische, insbesondere antifaschistische Arbeit
auch in Form unangemeldeter Demonstrationen mit einem schwarzen Block trotz
jahrelanger Ermittlungen möglich war, erklärt sich aus der
gesellschaftlichen Situation jener Zeit:
Es fanden jahrelang Auseinandersetzungen zwischen Nazis und Autonomen im
Göttingen der 80er Jahre statt, bei denen die Polizei sich fast
durchgehend schützend vor die Nazis stellte. Dies gipfelte darin,
daß die Antifaschistin Conny Wessmann im November 1989 während eines
Polizeieinsatzes in den fließenden Verkehr getrieben, von einem Auto
erfaßt und getötet wurde.2 Am 1. Januar 1991 gab es ein weiteres
Todesopfer. Alexander Selchow wurde von zwei bekannten FAP-Nazis erstochen.
Das Image der Göttinger Polizei war bis zu diesem Zeitpunkt durch brutale
und illegale Einsätze in den 80er Jahren stark angekratzt (So durch die
"SpuDok-Affäre3 oder eine später gerichtlich für illegal
erklärte Identitätsfeststellung von ca. 400 Menschen im
Göttinger Jugendzentrum Innenstadt im Dezember 1986.). Im November 1991
griff die Polizei eine Mahnwache zu Connys Todestag an und verletzte dabei auch
unbeteiligte Personen. Das Innenministerium sah sich anschließend sogar
genötigt, eine Pressestelle einzurichten, die das Vorgehen der Polizei
legitimieren sollte. Diese Ausgangsbedingungen zwang die Polizei ihre
bisherigen Einsatzkonzepte zu überdenken.
Aus einer Antwort des niedersächsischen Innenministeriums vom 13. Juni
1995 auf eine Anfrage des OLG Celle im Rahmen von Nachermittlungen im Verfahren
gegen die Autonome Antifa (M) geht hervor, wie sich die Situation damals
entwickelte:
"Anzahl und Art des Verlaufs vor allem der gewalttätigen demonstrativen
Aktionen in Göttingen haben dazu geführt, daß die polizeiliche
Einsatzbewältigung in Göttingen immer im Lichte der
Öffentlichkeit gestanden hat. Nachdem in den Jahren 1991/1992 die Autonome
Antifa (M) vermehrt ihre Demo-Konzepte öffentlich bekannt machte und sich
dementsprechend verhielt, entwickelte sich daraus eine polizeiliche
Einsatztaktik, die dann von der Öffentlichkeit und in der politischen
Diskussion als 'Deeskalationsstrategie' bezeichnet wurde.
Es muß noch betont werden, daß aus der Antwort des
Innenministeriums auch hervorgeht, daß eine liberale Linie der Polizei
niemals als langgeplante Konzeption existiert hat.
Akteninhalt und Wirklichkeit
Die Anklageschrift und die Akten, die sich ausführlich mit der
Autonomen Antifa (M) beschäftigen, enthalten eine auf das
Organisationsdelikt zugeschnittene Darstellung der Politik der Gruppe.
Dies hat seine juristische Ursache nicht nur in der Fixierung des LKA und der
GSA auf die angeblichen Straftaten. Denn in Absatz 2 des §129 ist
ausdrücklich festgehalten, daß dieser Paragraph nicht anzuwenden
ist, wenn die "Begehung von Straftaten nur von untergeordneter Bedeutung
ist.
Obwohl alle Aktionen der Gruppe von AgitProp-Theater, Plakatkunst, Diskussions-
und Informationsveranstaltungen, Ausstellungen, Organisierung von Konzerten bis
zu historischer Arbeit über den Nationalsozialismus auch genaustens
aufgezeichnet wurden, liegt der Schwerpunkt auf den Demonstrationen. Die
sensationsorientierte Medienberichterstattung der Jahre zuvor wird sich hier zu
Nutze gemacht, die Politik der Autonomen Antifa (M) auf
Großdemonstrationen und letzlich den Schwarzen Block zu reduzieren.
Alle Demonstrationen werden allein der Autonomen Antifa (M) zugerechnet,
obgleich gerade die Großdemonstrationen von einem breiten Spektrum
getragen wurde. Diese Zuschreibung und Gewichtung war aber nötig für
die Konstruktion einer "kriminellen Vereinigung.
Der Ermittlungsapparat
Begonnen haben die Ermittlungen des LKA gegen die Autonome Antifa (M) offiziell
im Oktober 1991. Eingeleitet unter der Verantwortung des damals amtierenden
Generalbundesanwaltes Alexander von Stahl.4 Als Grund wurde in der Presse von
52 Anschlägen aus dem Zeitraum von 1981 bis 1991 gesprochen.
In verschiedenen Sachstandsberichten des LKA ist jedoch von nie mehr als 11
Anschlägen die Rede. Im März 1991 erging ein Ermittlungsauftrag der
Bundesanwaltschaft an die GSA Celle nach §129a StGB wegen "Bildung
einer terroristischen Vereinigung wegen drei Anschlägen auf
universitäre und private Einrichtungen in Göttingen.
Entgegen der Behauptung der GSA observierte die deswegen eingerichtete
Ermittlungsgruppe schon im September 1991 gegen vermeintliche Mitglieder der
Autonomen Antifa (M), was sich aus den Akten ergibt. Begründet sind diese
Ermittlungen nach §129a StGB mit angeblich gleicher Urheberschaft von
zeitlich verschiedenen Bekennerschreiben. Dabei hat das Bundeskriminalamt
zweimal nach einem vom LKA Niedersachsen erbetenen kriminaltechnischen
Schriftvergleich eine identische Urheberschaft verneint.
Im Oktober 1991 leitete die Bundesanwaltschaft ein weiteres Verfahren nach
§129a StGB ein, nachdem ein NPD-Treffen in Bursfelde von autonomen
AntifaschistInnen und einen Tag später ein Treffen im Schulungszentrum der
FAP von Karl Polacek in Mackenrode verhindert wurde und die
Auseinandersetzungen mit den Faschisten im zweiten Fall einen tätlichen
Verlauf nahmen. Dieses Verfahren wurde wegen minderer Bedeutung an die GSA
Celle abgegeben, woraufhin aus der Ermittlungsgruppe die Sonderkommission
(SoKo) 606 des LKA entstand. Genau diese Ermittlungsgruppe konzentrierte ihre
Ermittlungen auf die Autonome Antifa (M).
Aber nicht nur gegen sie wurde ermittelt: auch fünf Jugendliche im Alter
von 13 bis 17 Jahren wurden vom LKA im März 1992 zur Vernehmung geladen.
Sie sollten eine "terroristische Vereinigung gebildet haben, indem sie
mehrere, bis zu vier Jahre zurückliegende Anschläge verübt haben
sollen. Teilweise mit neun Jahren sollen sie schon "Terroristen gewesen
sein.
Die Ermittlungen haben verständlicherweise zu keinem Erfolg geführt.
Für einige der Brandanschläge war ein Patient des Landeskrankenhauses
verantwortlich. Kein einziger Anschlag spielt in der Anklage eine Rolle.
Die Anschläge waren lediglich Mittel zum Zweck und machten den Weg frei
für die umfangreichen Ermittlungen.
Untypisch ist dies nicht, denn ein solch schwerwiegender Verdacht unter dem Verdikt des Terrorismus läßt alle polizeilichen Mittel angemessen erscheinen und legitimiert sie entsprechend der Strafprozeßordnung auch juristisch. Bei den Ermittlungen können immer größere Kreise ins Blickfeld des Staatsschutzes geraten. Verdächtig kann jeder und jede sein, der/die sich politisch systemkritisch engagiert. Telefonüberwachungen, Observationen, Briefüberwachung gehören unter anderem zum Repertoire.
Es bleibt hier die sich aufdrängende Feststellung, daß die Autonome Antifa (M) als politisch - auch aufgrund ihrer erfolgreichen Bündnisse - unliebsame Gruppe ins Fadenkreuz des Staatsschutzes geraten ist, obwohl sich die Ermittlungen wegen der ursprünglich vorgegebenen Straftaten als aussichtslos erwiesen hatten.
Anmerkungen:
1 mit dem Erscheinen des faschistischen "Einblick im November 1992 wurde das öffentlich, wovor antifaschistische Gruppen seit Jahren warnten - nämlich das Erfassen des politischen Gegners durch faschistische Kreise. Mit dem anschließend einsetzenden Briefbombenterror gegen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wurde deutlich, daß die Faschisten sehr wohl gewillt sind, ihre angekündigten terroristischen Methoden auch durchzuführen.
2 siehe hierzu folgende Broschüren: "ZSK - zur Arbeit der Zivilen Streifenkommandos in Göttingen, "25.11. - Dokumente, Fakten, Analyse zur sog. "Deeskalation der Polizei - FAP-Aufmarsch 9.12.'89, "DOKU - Nazi-Aktivitäten und Polizeiverhalten in Südniedersachsen - Chronologie 1987-1990, "Dokumentation Antifaschistischer Widerstand 1989 sowie "Autonomer Widerstand 1990/1991 - Region Südniedersachsen
3 SpuDok-Skandal: 1982 flog das Projekt: >>Spuren- und Dokumentationssystem<< auf, das eingerichtet worden war, um umfangreiche Daten über politisch unliebsame Personen einzuspeichern. In diesem Zusammenahng existierte die politische Zivilpolizei unter dem Namen >>AuFKDO - Aufklärungs- und Festnahmekommando/Dokumentation<<, deren Festnehmpraktiken damals den Skandal auslösten.
4 von Stahl mußte im August 1993 zusammen mit dem damals amtierenden
Inneminister Rudolf Seiters nach den innenpolitischen Skandalen der
Schüsse von "Bad Kleinen abdanken. Mit dem politischen Auftreten von
Stahls im Jahre 1995 innerhalb der FDP wurde deutlich, daß es sich beim
ehemaligen Generalbundesanwalt um eine stramm rechts stehende Person - mit
Kontakten zur Neuen Rechten - handelt. Sein Auftreten drückte sich vor
allem in nationalistischen und law-and-order Tönen sowie der offenen
Sympathie für die Politik der FPÖ um Haider in Österreich aus.
Die zugespitzte Diskussion vor allem innerhalb der FDP um die
law-and-order-Politik - im Zentrum der Streit um den "Großen
Lauschangriff - führte im Dezember 1995 dazu, daß die
Justitzministerin Leutheuser-Schnarrenberger zurücktrat.