»Nein, das glaube ich gar nicht!« Ohne Zögern antwortet Tone Kristan auf die Frage,
ob der Vorsitz Sloweniens im EU-Ministerrat von Nutzen sein könnte. Er ist der Vorsitzende
der »Vereinigung der Opfer der Okkupation 1941 bis 1945« (ZZO,
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aus dem slowenischen Kranj. Dort in der Nähe liegt das Schloss Brdo, wo während
der kommenden sechs Monate in dem neu erbauten Konferenzzentrum Sitzungen des
Ministerrats stattfinden. »Das sind dort junge Leute, die einen wissen nichts
über den Krieg, die anderen wollen nichts tun«, erläutert Kristan.
Seit einem Jahrzehnt fordert die Opfervereinigung von Deutschland Entschädigungen
für die nationalsozialistischen Verbrechen. Unterstützung von der
slowenischen Regierung erhält sie dabei aber nicht. »Uns hat keine Regierung
je geholfen, aber die jetzige ist die schlimmste«, urteilte Kristan im September
2007, auf die Arbeit der ZZO seit 1997 zurückblickend. Der slowenische
EU-Abgeordnete Borut Pahor hat bei einer Gedenkfeier im Mai 2005 offen ausgesprochen,
wie man das Verhältnis Deutschland-Slowenien zu verstehen hat: Die Frage nach
Entschädigungen sei »seitens der slowenischen offiziellen Politik nie
als Priorität auf die Liste der offenen Fragen mit Deutschland gestellt
worden«, weil dies »die wertvolle Unterstützung Deutschlands bei
dem Unabhängigkeitsprozess Sloweniens und auch bei der Integration in die EU und
Nato lähmen könnte«.
Die von den slowenischen Regierungen ignorierten NS-Verbrechen wurden von der Wehrmacht,
der SS und der Zivilverwaltung im Zuge der »Neuordnung« Europas auf
völkischer und rassistischer Grundlage begangen. Wenige Tage nach dem
Überfall auf Jugoslawien am 6. April 1941 wurde Slowenien unter Italien, Ungarn
und Deutschland aufgeteilt.
Sofort begann in den deutsch besetzten Gebieten Spodnja Štajerska (Untersteiermark) und
Gorejnska (Oberkrain), die im darauf folgenden Oktober formell dem Reich als Teil
der »Ostmark« eingegliedert werden sollten, eine systematische
Germanisierungspolitik. 260 000 Slowenen und Sloweninnen sollten deportiert werden,
um Platz für deutsche »Umsiedler« zu schaffen. Das Rasse- und
Siedlungshauptamt nahm an über 580 000 Personen, d.h. an mehr als 70 Prozent
der Bevölkerung, eine Vermessung von Körperteilen vor und teilte
die slowenische Bevölkerung nach biologistischen Kriterien in
»Eindeutschungsfähige« und »Nicht-Eindeutschungsfähige«
ein. Erstgenannte sollten ins Reich »abgesiedelt« werden, um in
Gebieten wie dem entvölkerten polnischen Lublin »Bollwerke des
Deutschtums« zu bilden. Letztgenannte sollten nach Kroatien und Serbien
»ausgesiedelt« werden. Dank des massiven Widerstands, der sich schnell
organisierte, konnten die Deutschen ihre Pläne nur teilweise verwirklichen.
»Es gab etwa 160 000 slowenische Opfer aller Kategorien (Konzentrationslager,
Arbeits- und Straflager, politische Arreste, Vertriebene, Flüchtlinge,
Deportierte, ermordete Geiseln und Kriegsgefangene). Von ihnen hat mehr als ein
Drittel das Morden nicht überlebt«, heißt es in einem Offenen
Brief der slowenischen Opfervereinigung an die deutsche Regierung und das Parlament
vom Januar 2004.
Wie so oft erkennt die Bundesrepublik die Entschädigungsforderungen allerdings
überhaupt nicht an. Mit der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft (EVZ)
– die im Juni 2007 den Abschluss ihrer Zahlungen feierte – schuf
Deutschland sich einen Weg, sich juristischen Ansprüchen explizit zu
verweigern. Auch Sloweninnen und Slowenen, die als »eindeutschungsfähig«
galten und im Deutschen Reich meist in Sammellagern der »Volksdeutschen
Mittelstelle« untergebracht waren und Zwangsarbeit leisten mussten,
fielen nicht unter die Kategorien der Stiftung. Opfer anderer Verbrechen, wie sie
im Zuge der Auflösung Sloweniens verübt wurden, waren ohnehin nie eine
Zielgruppe der Entschädigungsgesetzgebung.
Die deutsche Regierung wies die Forderungen der ZZO mit Verweis auf staatliche
Kredite an Jugoslawien zurück: »Die Bundesregierung hat in den Jahren
1956 und 1973 Jugoslawien erhebliche Beträge als Wirtschaftshilfe zur
Verfügung gestellt. Dabei waren beide Seiten darüber einig, dass damit
gleichzeitig die noch offenen Fragen der Vergangenheit gelöst sein sollten«,
lautete im Sommer 2006 die Antwort der Regierung auf eine diesbezügliche
Kleine Anfrage von Ulla Jelpke (Linkspartei). »Ein Kredit ist keine
Entschädigung«, betont Tone Kristan und fügt hinzu, dass Slowenien
seinen Anteil daran schon lange zurückgezahlt habe. Die Vertreter der
Opfervereinigung fordern den zivilrechtlich bestehenden individuellen Rechtsanspruch
auf eine Entschädigung ein.
Die deutsche Entschädigungsgesetzgebung folgte dem Konzept aus der eigentlich
zivilrechtlich begründeten Entschädigungspflicht des Staates, einer
einklagbaren privatrechtlichen Schuld, eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur
Entschädigung zu machen. Dabei gibt die Bundesrepublik sich seit den
fünfziger Jahres selbst die Definitionsmacht darüber, wer berechtigt sei,
Entschädigungen oder eben auch nur »finanzielle Leistungen« zu erhalten
- der Begriff Entschädigungen wird im Gesetz zur Errichtung der Stiftung EVZ vermieden.
Die Opfervereinigung setzt dem eine intensive Aufklärungsarbeit in Deutschland
entgegen. In Zusammenarbeit mit dem Nürnberger NS-Dokumentationszentrum und
dem dortigen Stadtarchiv wurde im Jahr 2005 das erste Buch über die
»Eindeutschung« Sloweniens veröffentlicht. In Wernigerode, wo
Slowenen und Sloweninnen mit ihren Kindern in Lagern untergebracht waren und
Zwangsarbeit leisten mussten, hat die ZZO in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung
eine Ausstellung über die NS-Verbrechen gezeigt und die erste Gedenktafel
für slowenische Deportierte eingeweiht.
Einen kleinen Durchbruch erzielte der Opferverband, als das Bundespräsidialamt
im November mit Verweis auf den Fonds »Erinnerung und Zukunft«
erklärte, »die Botschaft in Laibach« – der deutsche
Name für die slowenische Hauptstadt Ljubljana – stehe für
Gespräche über »die bestehenden Möglichkeiten zur
finanziellen Unterstützung« zur Verfügung. Tone Kristan geht
mit eigenen Vorstellungen in das erste Treffen, das noch im Januar stattfinden
soll: »Wenn die Minister schon alle hier sind bei uns, dann kann der
Botschafter vielleicht ein Gespräch mit dem deutschen Außenminister
arrangieren. Oder besser mit dem Finanzminister, für so was ist er ja
zuständig.«
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