Im griechischen Kalavryta wird heute wie an jedem Jahrestag mit großer Anteilnahme den Opfern des
Massakers gedacht: Am 13. Dezember 1943 erschossen deutsche Wehrmachtssoldaten 477 Männer aus
Kalavryta im Alter zwischen 15 und 65 Jahren auf einem nahegelegenen Feld. Die Ortschaft wurde
geplündert und die meisten Häuser wurden niedergebrannt. Das
’Unternehmen Kalavryta’ war Teil einer groß angelegten Vergeltungsaktion, die
die 117. Jägerdivision unter General Karl de Suire Anfang Dezember 1943 ausführte und
bei der insgesamt fast 700 griechische Zivilisten ermordet und über 20 Ortschaften auf dem
nördlichen Peloponnes zerstört wurden.
Deutschland verweigert bis heute den Opfern von NS-Massakern wie in Kalavryta eine finanzielle
Entschädigung für ihr Leid und ihre materiellen Verluste. Es sei zu spät, man
solle sich der Zukunft zuwenden, sagt die deutsche Regierung. Im Jahr 2000 sprach der damalige
Bundespräsident Johannes Rau in Kalavryta lediglich von „Trauer und Scham“. Die
Hinterbliebenen hatten zumindest eine Entschuldigung erwartet. Ihren Fragen nach
Entschädigung wich Rau bewusst aus.
”Allerdings sind [in Griechenland] noch eine Reihe von Klagen von Opfern und Hinterbliebenen
wegen Verbrechen der deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg anhängig“, wie das
Auswärtige Amt zutreffend feststellt. So auch im Fall Kalavryta.
Dieses Verfahren vor dem Oberlandesgericht Patras kann zurzeit nur nicht weitergeführt
werden. Denn nachdem der Areopag, das höchste griechische Gericht, im Jahr 2000 im Fall
des SS-Massakers von Distomo Deutschland rechtskräftig auf Zahlung von Entschädigung
verurteilt hatte, entschied der griechische Sondergerichtshof 2002 - auf massive deutsche
Intervention nicht nur rechtlicher Natur - in einem anderen Entschädigungsverfahren, dass
Deutschland nun doch Staatenimmunität genieße, also in Griechenland nicht mehr
verklagt werden könne.
Die Hinterbliebenen brachten den Fall Kalavryta daher vor den Europäischen Gerichtshof
in Luxemburg. Dort wurde 2007 entschieden, dass das europäische Recht keinen Gerichtsstand
in Griechenland begründe. Damit wären die Menschen aus Kalavryta jedoch rechtlos gestellt.
Die Anwälte der Klägerinnen und Kläger aus Kalavryta haben daher den Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg angerufen. Rechtsanwalt Martin Klingner:
”Straßburg soll entscheiden, dass die Verweigerung des Rechtswegs gegen die Menschenrechte
der Opfer und Hinterbliebenen verstößt, um das Verfahren in Patras weiter führen
zu können.“
Die juristische Auseinandersetzung im Fall Kalavryta wird also weiter gehen, genau wie die
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen Deutschland in Italien wegen des
rechtskräftigen Urteils im Fall des NS-Kriegsverbrechens in Distomo. Die deutsche
Regierung versucht jedoch im Bündnis mit der rechten italienischen Führung das
höchstinstanzliche italienische Urteil in diesem und anderen Fällen durch eine
fragwürdige Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu torpedieren.
Deutsche Botschaftsvertreter nehmen in Griechenland – und auch in Italien – seit
2000 aggressiv an allen größeren Gedenkveranstaltungen wegen NS-Massakern teil, um
Entschädigungsforderungen von NS-Opfern durch billige Worte über eine gemeinsame
Zukunft entgegenzuwirken.
Eine Delegation des Arbeitskreis Distomo wird an den Feierlichkeiten zum Gedenken an die Opfer des
Massakers von Kalayrta teilnehmen, um die Überlebenden, Hinterbliebenen und ihre Angehörige
bei ihren Forderungen nach Anerkennung der Verbrechen und Entschädigung zu unterstützen.
Hamburg, den 13. Dezember 2008
Arbeitskreis Distomo
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