Seit Jahren kämpfen die Überlebenden von Kriegsverbrechen, die Wehrmachts- und
SS-Einheiten während der deutschen Besatzung Griechenlands im zweiten
Weltkrieg an der Zivilbevölkerung verübten, um Anerkennung und Entschädigung.
Die Bundesregierung verweigert bis heute jeden Dialog mit den Opfern und
Hinterbliebenen. Kategorisch wird jegliche Zahlung abgelehnt, doch
damit nicht genug, werden viele der von deutschen Truppen begangenen
Kriegs- und Besatzungsverbrechen zu normalen Kriegshandlungen uminterpretiert.
Während die Täter niemals für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen, ja von
den bundesdeutschen Nachkriegsregierungen sogar aktiv vor Verfolgung geschützt
wurden, sieht man in den Forderungen der Opfer und Hinterbliebenen nur einen
Störfaktor deutscher Normalisierungspolitik. Für die Bundesregierung ist das
Thema Entschädigung erledigt. Ihre Wunschvorstellung ist es, nach Abschluss
des Projekts “NS-Zwangsarbeiterentschädigung“, zum letzten Mal für die
deutschen Verbrechen während des Nationalsozialismus gezahlt zu haben.
Den griechischen Überlebenden und den Angehörigen der Ermordeten blieb nur
der juristische Weg, um ihre berechtigten Ansprüche durchzusetzen. Mit
Abschluss des 2+4 Vertrages im Jahr 1990 war erstmals die Möglichkeit
eröffnet, Entschädigung für NS-Verbrechen gegenüber dem deutschen Staat
gerichtlich geltend zu machen. Dieser Kampf vor den griechischen Gerichten
war zunächst sehr erfolgreich, der oberste Gerichtshof Griechenlands (Areopag)
entschied im April 2000, dass Deutschland zur Zahlung von Entschädigung in Höhe
von ca. 28 Mio. € an die Überlebenden und Angehörigen der Opfer des Massakers in
der griechischen Ortschaft Distomo, bei dem 218 Menschen ermordet und der Großteil
des Ortes zerstört wurde, verpflichtet ist. Es folgte die Pfändung u.a. des
Goethe-Instituts in Athen, nachdem die Bundesregierung das rechtskräftige Urteil
missachtete und weiterhin nicht zahlen wollte.
Leider gelang es der Bundesregierung aber, die griechische Regierung so stark
unter Druck zu setzen, dass diese die Fortführung der Zwangsvollstreckung gegen
deutsche Liegenschaften unterband. Außerdem wurde unter Bruch der griechischen
Verfassung ein Sondergerichtshof in Athen einberufen, der in einem weiteren
Entschädigungsverfahren der deutschen Seite Recht gab. Der Sondergerichtshof
folgte der deutschen Auffassung, dass Einzelklagen von Opfern deutscher Kriegsverbrechen
vor griechischen Gerichten nicht zulässig seien und Deutschland durch den Grundsatz
der Staatenimmunität geschützt werde.
Um dem Einwand der Staatenimmunität zu entgehen, wurden auch in Deutschland
die Gerichte angerufen, um die Bundesregierung zu Entschädigungsleistungen zu
verpflichten. Doch Argyris Sfountouris und seine Schwestern, deren Eltern im
Zuge des Massakers von Distomo ermordet wurden, scheiterten mit ihrer Klage.
Das Oberlandesgericht Köln folgte dem Argument der Bundesregierung, wonach
es sich um eine Reparationsforderung handele, die nicht von Einzelpersonen geltend
gemacht werden könne, sondern nur vom griechischen Staat und wies die Klage
deshalb ab. Der Bundesgerichtshof erfand zudem den bis dato unbekannten
Rechtsgrundsatz, dass im Krieg die sonst gültige Haftung des Staates außer
Kraft gesetzt sei. Das Bundesverfassungsgericht verstieg sich sogar zu der
Auffassung, dass es sich bei dem Massaker von Distomo nicht um NS-Unrecht
gehandelt habe, so dass aus diesem Grund ein individueller Anspruch nicht gegeben sei.
Die bislang von deutschen Gerichten und der Bundesregierung vertretene Auffassung
ist nicht haltbar. Die Bundesrepublik Deutschland trifft als Rechtsnachfolgerin
des deutschen Reichs die Pflicht zur Entschädigung der Opfer. Dieser kann
sie sich nicht dadurch entziehen, dass die Opfer auf die theoretische Möglichkeit
staatlicher Reparationsleistungen verwiesen werden, zumal die Bundesregierung
sich explizit weigert, mit der griechischen Regierung auch nur über solche zu
verhandeln. Diese Haltung der Bundesregierung stellt eine Missachtung der Opfer
von NS-Verbrechen dar, die selbst im Nachhinein gegenüber dem erlittenen
Terror der deutschen Besatzer rechtlos gestellt werden.
Die Opfer und Überlebenden mussten einen Umweg gehen, um ihre Rechte
durchsetzen zu können. Derzeit wird in Italien die Vollstreckung des
griechischen Distomo-Urteils betrieben, durchaus mit Erfolg. Bislang entschieden
alle italienischen Gerichte zugunsten der Distomo-Kläger, dass eine
Vollstreckbarkeit in Italien gegeben ist. Grundlage ist ein Urteil des
Kassationshofs in Rom, der 2004 im Fall eines italienischen NS-Zwangarbeiters
entschied, dass bei Kriegsverbrechen der Grundsatz der Staatenimmunität
nicht gelte. Joachim Lau, Anwalt der Distomo-Kläger in Italien, ließ
im letzten Jahr bereits zwei deutsche Villen in Como pfänden. Wenn alles
gut geht, kommen diese alsbald unter den Hammer.
Am kommenden Dienstag, den 6.5.2008, verhandelt der Kassationshof in Rom
abschließend über die Vollstreckbarkeit des Distomo-Urteils. Falls er
seine bisherige Linie fortführt, wäre der Weg frei, den deutschen Staat
zur Zahlung an die Opfer und Angehörigen der Ermordeten aus Distomo
zu zwingen. Anderenfalls würden die deutschen Liegenschaften in Italien zwangsversteigert.
Die Nervosität im Außenministerium dürfte groß sein. Man kann davon ausgehen,
dass derzeit alles daran gesetzt wird, auf diplomatischer Ebene eine Entscheidung
zu Gunsten der Kläger zu verhindern. Bislang haben sich aber weder die italienische
Justiz noch die jeweiligen Regierungen von deutscher Seite beeindrucken lassen.
Zu hoffen ist, dass Kassationshof nochmals die Courage aufbringt, gegen die klar
formulierten wirtschaftlichen und außenpolitischen Interessen der Bundesregierung zu entscheiden.
Gegen die Schlussstrichpolitik der BRD - für die Entschädigung aller NS-Opfer!
zurück
|