Mit einem heute in Den Haag eingereichten Schriftsatz fordern Anwältinnen und
Anwälte aus Griechenland, Italien und Deutschland eine Beteiligung ihrer
Mandanten in dem Verfahren “Bundesrepublik Deutschland vs. Republik Italien“
und eine Abweisung der Klage.
Am 23.12.2008 erhob die deutsche Regierung Klage vor dem Internationalen
Gerichtshof in Den Haag (Völkerrechtsgerichtshof der UNO). In dem Verfahren geht
es um die grundlegende Frage, ob von Verbrechen Nazi-Deutschlands betroffene
Menschen das Recht haben, direkt gegen Deutschland auf Entschädigung zu klagen
und ihre Ansprüche gegen deutsches Staatseigentum – auch im Ausland - zu
vollstrecken. Deutschland will mit der Klage den italienischen Staat zwingen,
solche Gerichtsverfahren in Italien zu stoppen und die Vollstreckung bereits
ergangener Entscheidungen zu verhindern.
Um folgende Fälle geht es in Den Haag:
Der ehemalige NS-Zwangsarbeiter Luigi Ferrini wurde am 4.8.1944 in ein deutsches
Konzentrationslager deportiert, wo er Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie
leisten musste. Über seine Klage auf Entschädigung wurde in Italien noch nicht
rechtskräftig entschieden.
Im Fall des am 10. Juni 1944 von deutschen SS-Einheiten verübten Massakers an
218 Bewohnerinnen und Bewohnern des griechischen Dorfes Distomo haben Klagen in
Griechenland bereits im Jahr 2000 zu einem rechtskräftigen
Entschädigungsurteil gegen Deutschland über 28 Millionen Euro geführt. Gezahlt
wurde nichts. Auf Antrag der griechischen Kläger wurde allerdings die
Vollstreckbarkeit des Urteils in Italien anerkannt. Zur Sicherung der Ansprüche
der Kläger wurden auf Anweisung eines römischen Gerichtes die Erlöse der
Deutschen Bahn AG beschlagnahmt. Sie muss seit März 2009 auf alle Einnahmen aus
dem Fahrkartenverkauf für Zugstrecken von Italien nach Deutschland verzichten.
Die Anwältinnen und Anwälte fordern die Beteiligung ihrer Mandanten am Verfahren
vor dem Internationalen Gerichtshof, vor dem grundsätzlich nur Staaten als
Prozessparteien zugelassen sind. Weder Italien und schon gar nicht Deutschland
geht es in dem Verfahren um die Wahrung der Rechte der Betroffenen. Es geht um
Politik, Macht und um den Versuch, es bezüglich der Vergangenheitsbewältigung im
Wesentlichen bei schönen Worten zu belassen. Die Juristen weisen nach, dass die
notwendige Berücksichtigung der rechtlichen Interessen der Opfer der
NS-Verbrechen nur über eine direkte Beteiligung mit Antrags- und Gehörsrecht
gewährleistet werden kann.
Die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches will
ihre Rechtsansicht durchgesetzt wissen, wonach sie durch die ”Staatenimmunität“
vor solchen individuellen Entschädigungsprozessen geschützt sei. Italiens
Gerichte haben allerdings mehrfach die Rechtsansicht der Anwälte bestätigt, dass
das Privileg der Staatenimmunität nicht auf Fälle gemeiner
Menschenrechtsverbrechen, wie sie Nazi-Deutschland u.a. in Distomo begangen hat,
anzuwenden ist.
In Den Haag werden mit diesem Verfahren nicht nur Rechtsfragen für Sachverhalte
aus der Vergangenheit geklärt werden. Die Entscheidung verspricht eine hohe
Brisanz für die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen aufgrund
verbrecherischer Einsätze Militärangehöriger Zivilpersonen zu Schaden gekommen
sind, wie z.B. in dem ohne UN-Mandat geführten Kosovokrieg oder bei dem von
Oberst Klein befohlenen Luftangriff in Kundus.
Athen / Florenz / Hamburg, den 27.4.2010
Rechtsanwalt Joachim Lau, Florenz
Rechtsanwältin Kelly Stamoulis, Athen
Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, Hamburg
Rechtsanwalt Martin Klingner, Hamburg
Kontakt Florenz: RA Joachim Lau 0039 0552 398546
Kontakt Hamburg: RA Martin Klingner 0049 40 4396002
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