Anlässlich der Präsentation des neuen
Online-Zeitzeugenarchivs:
Erinnerung an die ausstehende Entschädigung der Opfer der Okkupation in Griechenland

Montag, 23. April 2018 15:00 Uhr
Dokumentationszentrum Topographie des Terrors
Niederkirchnerstraße 8, 10963 Berlin

Vorstellung des neuen digitalen Zeitzeugenarchiv
”Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland”

Ganz sicher ist das Erinnern an nationalsozialistische Verbrechen notwendig. Genauso notwendig ist jedoch die Bestrafung der NS-Täter sowie die Entschädigung aller NS-Opfer. Für eine strafrechtliche Verfolgung der Täter ist es nach ihrem Tod allerdings zu spät.

An 10. Juni 1944 überfiel eine der Wehrmacht zugeordnete Einheit der SS das griechische Dorf Distomo und ermordete 218 Bewohnerinnen und Bewohner. Die Täter wurden nie bestraft. Die Opfer und ihre Angehörigen haben bis heute vom deutschen Staat keine Entschädigung erhalten. Argyris Sfountouris hat den 10. Juni 1944 in Distomo erlebt, überlebt und erinnert uns an all dies.

Doch warum erhalten die NS-Opfer und ihre Hinterbliebenen 74 Jahre nach dem Massaker immer noch keine Entschädigung? Weil dies der erklärte Wille der Bundesregierung ist und bleibt. Die Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts war und ist dabei der Motor für das Hintertreiben jeglicher Zahlung.

Die kategorische Weigerung Deutschlands, nach dem Zwei-plus-Vier-Vertrag mit den griechischen NS-Opfern über eine Kompensation in Verhandlungen einzutreten, führte zu einer Welle von Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland, vor allem vor griechischen Gerichten. Im Fall Distomo wurde Deutschland im April 2000 vom obersten griechischen Gerichtshof, dem Areopag, rechtskräftig zur Zahlung von ca. 28 Mio. Euro verurteilt.

Die Bundesregierung verweigert dennoch bis heute die Zahlung an die NS-Opfer. Mit diplomatischem Druck wurde die griechische Regierung erfolgreich genötigt, die Vollstreckung gegen Deutschland aus dem Distomo-Urteil zu unterbinden.

Zur Durchsetzung des griechischen Urteils wandten sich die Kläger aus Distomo in der Folge nach Italien. Bis hin zum höchsten italienischen Gericht, dem Kassationsgerichtshof in Rom, wurde die Vollstreckbarkeit des Urteile bestätigt, da der Immunitätseinwand Deutschlands auf Verbrechen gegen die Menschheit nicht anwendbar ist.

In Triest trafen auf deutsche Initiative hin die deutsche und die italienische Regierung unter Merkel und Berlusconi eine Vereinbarung, dass ein Klageverfahren Deutschlands gegen die italienischen Urteile vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zur Entschädigungsabwehr beinhaltete und im Dezember 2008 eingereicht wurde. Niederträchtig medial in Szene gesetzt vor der Kulisse des nationalsozialistisches Konzentrationslager La Risiera di San Sabba - inklusive einiger Überlebender in Häftlingskleidung. Der damalige Außenminister Steinmeier kennt auch heute als Bundespräsident die Funktion der Erinnerungspolitik im Kampf gegen jegliche Entschädigung.

Die Entscheidung des Internationalen Gerichtshof vom Februar 2012 bedeutete eine Kapitulation des Rechts vor der Macht, da es - wie im Verfahren selbst - die NS-Opfer vom Rechtsweg ausschloss. Der Klageweg für Opfer von Staatsverbrechen sollte damit versperrt werden, weil sogar bei schwersten Kriegs- und Menschheitsverbrechen wegen der Staatenimmunität kein Individualrechtsschutzes bestünde. In Italien wurde die Haager Entscheidung in italienische Gesetze umgewandelt, nach denen Klagen gegen NS-Verbrechen abzuweisen wären. Im Oktober 2014 beurteilte das italienische Verfassungsgericht dieses Gesetz konsequent als verfassungswidrig, da dadurch das verbürgte Grundrecht auf Zugang zu den Gerichten verwehrt sei.

Prozesse von italienischen NS-Opfern gegen Deutschland vor italienischen Gerichten werden also weiter geführt. Auch die Vollstreckung des Urteils im Fall Distomo wird in Italien weiter betrieben. Das Geld für die Entschädigungszahlung liegt eingefroren auf einem Sperrkonto.

Der in Anbetracht der NS-Verbrechen sehr mager ausgestattete deutsche ”Zukunftsfonds” für Griechenland ist nur Bestandteil einer herrschaftlichen Erinnerungspolitik, bei der das Auswärtige Amt bestimmt und die Opfer Antragssteller und Zeitzeugen bleiben. Die Entschädigungsabwehr wird gleichwohl weiter rigoros durch das Auswärtige Amt verfolgt.

Erinnern kann und darf niemals die Entschädigung der Opfer ersetzen!
Vollstreckung des Entschädigungsurteils des Areopag im Fall Distomo - sofort!
Für die Entschädigung aller NS-Opfer!

AK Distomo, April 2018

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