Redebeitrag des AK Distomo vom 8. September 2021 auf der

Kundgebung vor dem Lagerhaus G am Dessauer Ufer (Hamburg)

Der AK Distomo unterstützt seit fast 20 Jahren die Opfer der Verbrechen des deutschen NS-Staats. Eine besondere Verbindung haben wir zu Griechenland und dem Ort Distomo, wo am 10. Juni 1944 eines der schlimmsten Massaker des 2.ten Weltkrieges stattgefunden hat. Wir unterstützen ihre Ansprüche auf Entschädigungen - politisch und juristisch.

Heute möchte ich über den deutschen Staat sprechen, der den italienischen Militärinternierten, den sog. IMIs, ihre berechtigten Entschädigungen bis heute verweigert und das obwohl sie nach Deutschland verschleppt wurden und hier viele Monate unter KZ-ähnlichen Haft- und Arbeitsbedingungen verbringen mussten.
Als im August 2000 unter massiven Druck der US-Regierung ein Fonds aufgelegt wurde, der die Zwangsarbeiter des NS-Staats entschädigen sollte, gab es auch Hoffnungen für die IMIs. Der Fonds wird von der Stiftung ”Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” - kurz EVZ - verwaltet, die zu diesem Zwecke gegründet wurde. Doch die Stiftung schloss die italienischen Militärinternierten aus und verweigerte ihnen somit selbst eine kleine Entschädigung. Und das mit einer hanebüchenen Begründung, die es in sich hat.

Eine Entschädigung aus dem Fonds wurde ihnen verweigert da sie ”normale” Kriegsgefangene waren, die nicht entschädigungsberechtigt sind. Die Nazis hatten sie allerdings 1943 zu Zivilisten zu sog. Militärinternierten erklärt, um ihnen die wenigen Rechte eines Kriegsgefangenen auch noch zu verweigern. Als Zivilisten wären sie damit berechtigt gewesen, Gelder aus dem Zwangsarbeiterfonds zu erhalten. Im Jahre 2000 behauptet die Bundesregierung jedoch, dass die Nazis damals im Jahre 1943 illegal gehandelt haben und die italienischen Zwangsarbeiter somit doch Kriegsgefangene waren. Und ihnen somit keine Entschädigung zusteht. Es stehen einem die Haare zu Berge.

Serafino Gesparino, der als IMI in Deutschland Zwangsarbeit leisten musste, erklärte am 25. Juni 2002 dazu: ”Die deutsche Entscheidung halte ich für skandalös. Wenn sie uns als Kriegsgefangene behandelt hätten, dann wäre ja alles okay gewesen. Aber sie haben uns nicht als Kriegsgefangene behandelt. Wir waren Sklaven. Daher ist das deutsche Rechtsgutachten, wonach wir keine Zwangsarbeiter waren, nicht korrekt.”

Der Rechtsanwalt Joachim Lau konnte jedoch die Ansprüche der ehemaligen IMIs in Italien durchsetzen. Der römische Kassationshof, das höchste italienische Gericht bestätigte die Ansprüche. Trotzdem verweigert Deutschland bis heute die Zahlung an die Opfer und Hinterbliebenen. Allerdings wird von Joachim Lau eine rechtliche Zwangsvollstreckung vor italienischen Gerichten betrieben. Eine Auszahlung ist möglich - auch wenn von deutscher Seite dieses mit allen Mitteln verhindert wird. Entgegen der immer wiederkehrenden Behauptung der Bundesregierung, dass das Thema Entschädigung ”abschließend geklärt ist” - das ist der Wortlaut - ist dem nicht so.

Dass die Opfer der NS-Verbrechen den individuellen Klageweg beschreiten müssen, um legitime Ansprüche durchzusetzen, ist eine fortgesetzte Entwürdigung durch die deutsche Seite. Stattdessen sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Deutschland die Opfer der Verbrechensherrschaft der Nazis freiwillig und großzügig entschädigt, bevor die letzten Überlebenden gestorben sind.

Im Juni 2021 wurde von der Partei ”Die Linke” eine Anfrage bzgl. der Entschädigungszahlung an IMIs durch die Stadt Hamburg und zu Themen der Erinnerungskultur gestellt. Obwohl die Stadt Hamburg in vielerlei Hinsicht von der geleisteten Zwangsarbeit der IMIs profitiert hat, werden die Forderungen abgelehnt und auf das IGH-Urteil von 2012 verwiesen, nach dem für Deutschland eine ”Staatenimmunität” gilt. Genau dieses Urteil wurde aber in Italien aufgehoben, mit der Begründung, dass die Bürger Italiens ein Recht auf Zugang zu Gerichten besitzen.
Zudem verweist der Senat auf die ”Hamburger Stiftung für NS-Verfolgte”, die seit 1988 ”Beihilfen” gewährt für Personen, die in Hamburg gemeldet sind. Wie viele ehemalige IMIs sind den bitte in Hamburg gemeldet? Das ist an Zynismus nicht zu überbieten!

Sie würden ihre furchtbare Geschichte nur zu gerne loswerden! Wer allerdings die Opfer der NS-Verbrechen verhöhnt und ihre berechtigten Ansprüche verweigert, der wird sich immer wieder damit auseinander setzten müssen. Der wird immer wieder angeklagt werden!

Die Kundgebung fand statt im Rahmen des Besuchs der Nationalen Vereinigung der italienischen Militärinternierten (ANEI) in Hamburg vom 6. bis 10. September 2021
Weitere Informationen unter https://imiinhamburg.wordpress.com/

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