”Nur wer zahlt, meint es ernst!”

Veranstaltung:
Die Verantwortungsverweigerung der Deutschen Bahn AG für die Beteiligung der Deutschen Reichsbahn am nationalsozialistischen Mordprogramm

Sonntag, 13. Oktober 2024, 18 Uhr
aquarium/Südblock (U-Kottbusser Tor, Berlin)
Eintritt frei, Spende erwünscht

Die Veranstaltung findet am Vorabend der offiziellen Gedenkfeier zum Beginn der Deportationen der Jüdinnen*Juden am Gleis 17 in Berlin statt.

Veranstalter*innen: AK-Distomo, Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V. und VVN-BdA Berlin

Tayo Awosusi-Onutor (Künstlerin und Mitbegründerin von RomaniPhen e.V.)
Achim Doerfer (Anwalt, Autor und Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Göttingen)
Martin Klingner (Rechtsanwalt, Aktivist im AK-Distomo)

Wie ernstgemeint ist das Gedenken in der Bundesrepublik Deutschland an die NS-Verbrechen? Die Veranstaltung beleuchtet die Frage, ob der deutsche Staat und seine Institutionen wie die Deutsche Bahn AG ernsthaft Verantwortung für die Beteiligung ihrer Rechtvorgänger/innen am NS-Mordprogramm übernehmen oder ob das Gedenken nur symbolisch bleibt. Wir setzen einen Kontrapunkt zur offiziellen Erinnerungspolitik, bei der Themen wie die Verfolgung von NS-Tätern und die unzureichende Entschädigung der Opfer ignoriert werden.

”Nur wer zahlt, meint es ernst”, sagt Salo Muller, der als jüdisches Kind von Widerständler*innen versteckt wurde und so den Nationalsozialismus in den Niederlanden überlebte. Seine Eltern wurden mit dem Zug nach Westerbork und Auschwitz deportiert und ermordet. Salo Muller forderte erfolgreich die niederländische Bahn (Nederlandse Spoorwegen) dazu auf Entschädigungszahlungen zu leisten. In der Bundesrepublik Deutschland hingegen verweigert die Deutsche Bahn AG Salo Muller und anderen Überlebenden und Angehörigen bis heute jegliches Gespräch.

Die Deutsche Reichsbahn verdiente gut an ihrer Mitwirkung am nationalsozialistischen Mordprogramm: Die Opfer mussten sogar für die Kosten ihrer eigenen Deportation selbst aufkommen. Schätzungen zufolge erhielt die Deutsche Reichsbahn umgerechnet etwa 445 Millionen Euro für diese Fahrten in Sammel-, Konzentrations- und Vernichtungslager.

Eine Diskussion über eine moralische, aber auch rechtliche Pflicht zu Entschädigungszahlungen wird systematisch verweigert. Die Deutsche Bahn AG, Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn, beteiligt sich zwar an Ausstellungen über ihre NS-Vergangenheit und spendet für die Gedenkstätte in Yad Vashem, weigert sich aber, ihre finanziellen und moralischen Schulden anzuerkennen.

Die deutsche Gedenkkultur wird oft als vorbildlich dargestellt, doch die tatsächliche Verantwortungsübernahme für NS-Verbrechen bleibt aus. Ein Beispiel für die fehlende Sensibilität ist die Planung einer neuen S-Bahn-Strecke der Deutsche Bahn AG in Berlin, deren Tunnel am Denkmal für die im NS ermordeten Roma*Romnja und Sinti*Sintizze entlang verlaufen soll. Bei Bauplanungen wird ein Schaden am Denkmal in Kauf genommen und das Andenken an die Opfer ignoriert und die Überlebenden und Angehörigen wurden nicht in die Planung einbezogen.

Am Tag vor dem offiziellen Gedenken an die Deportationen der Jüdinnen*Juden am Gleis 17 in Berlin wollen wir über das Auseinanderfallen von kulturellen Formen einer Verantwortungsübernahme, die vor allem dem Selbstbild der NS-Nachfolgegesellschaft dienen, und der fehlenden materiellen Haftung im Interesse der Opfer und Angehörigen ins Gespräch kommen. Welche Kritik gibt es an der Gedenkpolitik in Deutschland und welche Perspektiven gehen im öffentlichen Diskurs unter?

Tayo Awosusi-Onutor ist Sängerin, Autorin, Verlagsinhaberin, Filmemacherin, Mitbegründerin von RomaniPhen e.V. und Teil der IniRromnja, zwei feministische Selbstorganisationen. In ihrer Kunst verbindet die Afro-Sintezza den Kampf gegen Diskriminierung mit Erinnerungskultur. Seitdem die Pläne bekannt sind, für den Bau einer neuen S-Bahn das Denkmal für die ermordeten Roma und Sinti Europas zeitweise zu schließen und seine Gestalt zu verändern, engagiert Tayo Awosusi-Onutor sich in der von Roma*Romnja und Sinti*Sintizze getragenen Protestbewegung.

Achim Doerfer ist Rechtsanwalt, promovierter Rechtsphilosoph und Publizist, war lange Jahre Bundesvorsitzender der ”Liberalen Türkisch-Deutschen Vereinigung”, ist Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Göttingen, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden Niedersachsens. In seinem Buch ”Irgendjemand musste die Täter ja bestrafen” thematisiert Achim Doerfer jüdischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, die Defizite von Strafverfolgung und die Dominanz eines christlich geprägten Versöhnungsverständnisses.

Martin Klingner vom Arbeitskreis-Distomo und Rechtsanwalt von Salo Muller wird darlegen, wie sich eine allgemeine politische Haltung in Deutschland in der Verweigerung der Entschädigungspflichten der Deutsche Bahn AG als Nachfolgerin der Reichsbahn spiegelt. Der AK-Distomo kämpft seit vielen Jahren für die Entschädigung von NS Opfern.

Anschließend Diskussion mit allen Anwesenden.

Link zur VVN Berlin

Erinnerung an italienische Militärinternierte 2024

Erinnerung an die NS-Zwangsarbeiter auf dem Sportplatz an der Max-Brauer-Allee
Redebeitrag von Jan Krüger vom 6. September 2024

Michele Montagano ist am 4. August 2024 im italienischen Campobasso im Alter von 102 Jahren gestorben. Er war im II. Weltkrieg Offizier in der italienischen Armee und wurde im September 1943, kurz nachdem Italien einen Waffenstillstand mit den Alliierten vereinbart hat, von deutschen Soldaten gefangen genommen. Die Italiener wurden aufgefordert, mit der Deutschen Wehrmacht weiter zu kollaborieren. Wer das ablehnte, wurde gefangen genommen. Wie die meisten der italienischen Soldaten verweigerte auch Michele Montagano. Er wurde wie ca. 600.000 andere in Lager eingesperrt und musste Zwangsarbeit leisten. Michele Montagano wurde nach Osteuropa transportiert und in Polen und in der Ukraine in Lagern inhaftiert. Im Februar 1944 kam er nach Deutschland wo er u.a. im niedersächsischen Sandbostel war. Bis zum Tag der deutschen Niederlage musste er als Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten. Von den insgesamt ca. 600.000 gefangenen, italienischen Soldaten starben mehr als 50.000.

Zurück in Italien war seine Situation ebenfalls schwer. In der Öffentlichkeit war das Schicksal der italienischen Militärinternierten als Zwangsarbeiter kaum bekannt. Folglich wurden sie als Verfolgte des NS-Regimes nicht anerkannt. Michele Montagano hat zwar eine Entschädigung erhalten, da er Häftling eines Vernichtungslagers war. (Das Geld hat er der Vereinigung der italienischen Militäinternierten (ANRP) gespendet.) Für die 20 Monate andauernde Gefangenschaft und Zwangsarbeit hat er, wie so viele andere allerdings keine Entschädigung erhalten. Dieser Teil seiner Geschichte ist die einer weiteren Demütigung von deutscher Seite.

Als im Jahr 2000 unter massiven Druck der USA ein Fonds aufgelegt wurde, der die Zwangsarbeiter des NS-Staats entschädigen sollte, gab es auch in Italien Hoffnungen. Der Fonds wurde von der deutschen Stiftung ”Erinnerung, Verantwortung und Zukunft” (EVZ) verwaltet. Auch Michele Montagano stellte einen Antrag bei der EVZ. Doch die deutsche Regierung schloss die IMIs aus und verweigerte ihnen somit selbst eine kleine Entschädigung. Eine Entschädigung aus dem Fonds wurde ihnen verweigert da sie ”normale” Kriegsgefangene gewesen seien, und damit nicht entschädigungsberechtigt. Die Nazis hatten sie allerdings 1943 zu Zivilisten, nämlich zu ”Militärinternierten” erklärt, um ihnen die wenigen Rechte eines Kriegsgefangenen auch noch zu verweigern. Als Zivilisten wären sie damit berechtigt gewesen, Gelder aus dem Zwangsarbeiterfonds zu erhalten. Im Jahre 2000 behauptet die Bundesregierung auf Basis eines Rechtgutachten jedoch, dass die Nazis damals im Jahre 1943 illegal gehandelt haben und die italienischen Zwangsarbeiter somit doch Kriegsgefangene gewesen seien und ihnen somit keine Entschädigung zustand.

Serafino Gesparino, der als IMI in Deutschland Zwangsarbeit leisten musste, erklärte am 25. Juni 2002 dazu: ”Die deutsche Entscheidung halte ich für skandalös. Wenn sie uns als Kriegsgefangene behandelt hätten, dann wäre ja alles okay gewesen. Aber sie haben uns nicht als Kriegsgefangene behandelt. Wir waren Sklaven. Daher ist das deutsche Rechtsgutachten, wonach wir keine Zwangsarbeiter waren, nicht korrekt.”

Und Michele Montagano kommentiert die Abweisung der IMIs so: ”Es hat nie eine Entschädigung gegeben. Das war nie Thema. Dafür aber: »Ja, wir machen eine Bibliothek, ein Museum, ein Denkmal als Erinnerung.« Aber es hat nie eine Aussprache oder eine Abmachung in Bezug auf eine Entschädigung gegeben. Wir haben nie etwas bekommen.” Die materielle Entschädigung war für ihn ein zentraler Punkt, aber er beklagt eindringlich, dass die deutsche Seite nicht einmal auf die IMIs zugegangen ist und eine Aussprache gesucht hat. Stattdessen sollten Versöhnungszeichen in Form von Museen und Bibliotheken gesetzt werden. Es ist ein immer wiederkehrendes Muster: Die Opfer sprechen von Schuld und Entschädigung und die deutsche Seite von Versöhnung.

Den Opfern der NS-Verbrechen blieb nach dieser erneuten Demütigung nur die Möglichkeit Klagen vor italienischen Gerichten einzureichen. In diesen Prozessen wurde Deutschland zu Entschädigungszahlungen verpflichtet, die Urteile wurden von dem höchsten italienischen Gericht, dem Kassationshof in Rom bestätigt. Doch die deutsche Seite erkannte die Urteile nicht an und es folgte ein Prozessverfahren vor dem IGH und ein weiteres Urteil des Kassationshofs in Rom, dass das IGH-Urteil nicht anerkannte. Zu keiner Zeit wollten deutsche Regierungsvertreter auf die Gegenseite zugehen und nach über 20 Jahren endete die Auseinandersetzung mit einem Fonds der italienischen Regierung, der die Opfer der deutschen Verbrechen entschädigen soll. Am 30. April 2022 erlies die italienische Regierung per Dekret einen Fonds, der bis 2026 55,4 Millionen Euro ausschütten soll. Im Jahr 2023 wurde der Fonds um weitere 6 Millionen auf 61 Millionen Euro erhöht. Abgesehen davon, dass die Summe von vielen Experten als zu gering eingeschätzt wird, ist es ein Skandal: Nicht der Nachfolgestaat des NS-Staats, der für die Verbrechen verantwortlich ist, zahlt in den Fonds ein, sondern der Staat der Opfer muss die Gelder aufbringen. Italienische Medien berichten zudem von langwierigen und komplizierten Verfahren, um Zahlungen aus dem Fonds zu erhalten. Vor dem Hintergrund der viel zu geringen Mittel legen die italienischen Behörden strikte Regeln an. Es ist ein unwürdiges Spiel auf Zeit, denn die Antragssteller sind mittlerweile sehr alt.

Deshalb unsere Forderung:
Alle IMIs müssen endlich schnell entschädigt werden und das mit Geldern des deutschen Staats!

Erinnerung an italienische Militärinternierte 2024

Erinnerung an die NS-Zwangsarbeiter auf dem Sportplatz an der Max-Brauer-Allee
Freitag, 6. September 2024, 17 Uhr
Diren-Dede-Platz, Hamburg (Bodenstedtstraße/Ecke Zeiseweg)

Auf dem heutigen Sportplatz, zwischen Max-Brauer-Allee, Bodenstedtstraße und Schnellstraße, befand sich von Ende 1944 bis Anfang 1945 ein Lager für italienische Militärinternierte (IMI). Sie wurden als NS-Zwangsarbeiter von der Stadtreinigung für Trümmerarbeiten eingesetzt. Als Lager diente die Jugendherberge, die sich damals auf dem Platz befand, auf Höhe des Amtsgerichts an der Schnellstraße.

Mit einer Kundgebung wollen wir an die vergessenen NS-Zwangsarbeiter auf dem Sportplatz erinnern.

Wer waren die italienischen Militärinternierten?

Es handelte sich um italienische Soldaten. Sie wurden nach dem 8. September 1943 von der deutschen Wehrmacht gefangen genommen. An diesem Tag wurde ein Waffenstillstand der italienischen Regierung mit den Alliierten verkündet. Mussolini war im Juli 1943 gestürzt worden. Die Wehrmacht besetzte daraufhin Norditalien und stellte die italienischen Soldaten vor die Alternative, entweder an der Seite Deutschlands weiter im Krieg zu kämpfen oder als Zwangsarbeiter nach Deutschland geschickt zu werden. Rund 650.000 sagten ”Nein” und wurden als Zwangsarbeiter verschleppt, davon 17.000 nach Hamburg. Sie wurden nicht als Kriegsgefangene anerkannt, stattdessen gab ihnen Hitler den Status der ”Militärinternierten” (IMI), um sie auch in der Rüstungsindustrie einsetzen zu können.

Warum das Zwangsarbeiterlager auf dem Sportplatz?

Eine halbe Million Zwangsarbeiter*innen wurden insgesamt von 1939 bis 1945 in Hamburger Unternehmen eingesetzt. Sie wurden aus ihrer Heimat verschleppt und genötigt, in Hamburg zu arbeiten. Sie mussten in über 1.200 Lagern in Hamburg leben. Die 1922 auf dem Sportplatz erbaute Jugendherberge war während des Krieges von der Stadt Hamburg übernommen worden, um dort ein Zwangsarbeitslager für 150 italienische Militärinternierte einzurichten.

Warum an die NS-Zwangsarbeit erinnern?

Zwangsarbeiter*innen wurden in der Kriegswirtschaft dringend benötigt. Der Abzug der deutschen Arbeitskräfte an die Front musste ausgeglichen werden. Sie hielten aber nicht nur die Produktion aufrecht, sondern steigerten auch die Umsätze und Gewinne der in der Kriegswirtschaft tätigen Firmen.

Jeden Tag bewegten sich in den Kriegsjahren bis 1945 Zehntausende Zwangsarbeiter*innen durch Hamburg. Zwangsarbeiter*innen aus anderen Ländern wurden eingesetzt in einer Fischräucherei in der Haubachstraße, im Lager in der heutigen Max-Brauer-Allee, in der Harkortstraße bei Appel Feinkost und weiteren Betrieben im Umfeld. Sie waren das sichtbarste Zeichen der Ausbeutung und Verschleppung von Menschen aus anderen Ländern zur Zwangsarbeit in der NS-Zeit.

Die italienischen Militärinternierten waren als Soldaten einst Verbündete Deutschlands. Ihr ”Nein” zum Krieg machte sie in den Augen der Nazis zu Verrätern. Sie wurden in den Lagern und den Betrieben oft besonders schlecht behandelt: Ihre Lebensbedingungen waren von Hunger, unzulänglicher Unterbringung und medizinischer Versorgung sowie Demütigungen und Misshandlungen bis hin zu gezielten Mordaktionen gekennzeichnet. Etwa 60.000 Militärinternierte überlebten die Gefangennahme bzw. Gefangenschaft nicht.

Die NS-Zwangsarbeit und die Ausbeutung der italienischen Militärinternierten sind weitgehend aus dem Bewusstsein über die Verbrechen des NS-Systems geraten. Bis heute wurden die italienischen Militärinternierten nicht entschädigt. Dass es ein Zwangsarbeitslager auf dem Sportplatz gab, ist in Vergessenheit geraten. Mit unserer Kundgebung richten wir den Blick auf die italienischen Militärinternierten. Wir möchten an ihr Leid erinnern, ihre Anerkennung einfordern und uns für ihre Entschädigung einsetzen. Vergessen wir nicht, zeigen wir Haltung zu den Verbrechen des NS-Systems und zu aktuellen Rechtsentwicklungen.

Weitere Informationen: https://imiinhamburg.wordpress.com/
Das Programm als Pdf-Dokument: Programm Erinnerung an italienische Militärinternierte 2024

Zwangsarbeit und Sportstätten
Mittwoch, 4. September 2024, 19 Uhr
ETV Bundesstraße 96, 20144 Hamburg

Zwangsarbeit im Nationalsozialismus war alltäglich und sichtbar. Die Firmen setzten Zwangsarbeiter*innen ein. Orte und Gebäude in Hamburg wurden als Unterbringungslager umfunktioniert. Auf einigen von ihnen waren oder sind heute Sportstätten zu finden. So auf dem Gelände des heutigen Sportplatzes des SC Teutonia von 1910 in Altona an der Max-Brauer-Allee. Im Volksparkstadion war in den Umkleidekabinen 1943 - 1945 ebenfalls ein Zwangsarbeitslager.

Was wissen wir über IMI aus den Lagern auf Hamburger Sportstätten? Und wie gehen die jeweiligen Sportvereine heute mit ihrem Erbe um? Ein Gespräch über gesellschaftliche Verantwortung im Fußball und Leerstellen in der Erinnerungsarbeit.

Weitere Informationen: Zwangsarbeit und Sportstätten

Stolperstein-Verlegung
Sonntag, 8. September 2024, 15 Uhr
Falkenbergsweg 62, Hamburg-Harburg

Ein Stolperstein vor dem ehemaligen KZ Außenlager am Falkenbergsweg soll an den einzigen erschossenen italienischen Militärinternierten (IMI) in Hamburg, Cosimo Guinta, erinnern. Er wurde in der Nacht von 26. auf den 27. April 1945 vom Lagerführer erschossen.

Cosimo Guinta wurde am 7. Juni 1920 in Barcellona Pozzo Di Gotto in der Provinz Messina (Sizilien) geboren. Von der deutschen Wehrmacht in Albanien gefangenen genommen, wurde er im September 1943 nach Hamburg verschleppt. Cosmo Guinta musste für das Harburger Bauunternehmen, AUG. PRIEN, arbeiten. Ab März 1945 lebte er im Zwangsarbeitslager am Falkenbergweg.

Weitere Informationen: Stolperstein-Verlegung

Pressemitteilung zur Ausstellung anlässlich des 80. Jahrestages des Massakers in Distomo

11. Juni 2024

Am 10. Juni 2024 gedenken die Bewohner von Distomo zum 80. Mal der 218 Menschen, die dort 1944 von einer SS-Einheit ermordetet wurden. Vertreter*innen des Arbeitskreis Distomo (AK-Distomo) nehmen an den diesjährigen Gedenkfeiern des 80. Jahrestages des Massakers teil. Der AK-Distomo hat aus diesem Anlass eine Ausstellung über seine Aktivitäten der letzten 23 Jahre erstellt, die im Rathaus von Distomo gezeigt werden wird.

Der Arbeitskreis Distomo aus Hamburg wurde im Jahr 2001 gegründet. Der Ak-Distomo ist eine Gruppe von Menschen, die sich dem Kampf gegen den Faschismus und der Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus verpflichtet sehen. Ein zentrales Thema war und ist für den Arbeitskreis die Frage der Entschädigung der Überlebenden und Angehörigen der Ermordeten sowie die Verfolgung der Täter.

Für den AK-Distomo sind internationale Zusammenarbeit und Solidarität ein wichtiger Ansatz für die politische Arbeit. Die Ausstellung zeigt den gemeinsamen Kampf mit vielen Menschen und Organisationen in Deutschland, Griechenland, Italien und anderen Ländern um Gerechtigkeit. Antifaschismus kennt keine Grenzen. Der Arbeitskreis fordert, dass Deutschland seine Pflicht gegenüber den Opfern und Überlebenden der nationalsozialistischen Verbrechen erfüllt.

Die Ausstellung dokumentiert die Begleitung der Prozesse um Entschädigung vor den nationalen Gerichten in Griechenland, Italien und Deutschland, sowie vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag. Sie zeigt Bilder und Texte von Demonstrationen und Veranstaltungen in Athen, Berlin, Den Haag und vielen weiteren Orten wie in Kassel bei der Eröffnung der documenta 2017.

Gabriele Heinecke vom Arbeitskreis Distomo aus Hamburg erklärt: ”Wir widersprechen mit unserer Arbeit der Behauptung der deutschen Bundesregierungen, das Thema der Entschädigung für NS-Kriegsverbrechen sei seit 1990 rechtlich und politisch abgeschlossen. Wir widersprechen der Erzählung, die Aufarbeitung des Nationalsozialismus sei Deutschland vorbildlich gelungen. Die deutsche Berufung auf den Grundsatz der Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen, die Verweigerung der Entschädigung der Betroffenen der Barbarei, fördert die Vorstellung, solche Menschheitsverbrechen könnten für den Aggressor ohne Folgen bleiben. Es ist eine Haltung, aus der sich in Europa Nationalismus, Rassismus und rechte Gewalt speist. Sie fördert eine Politik, die erneut Unmenschlichkeit zu ihrer Grundlage macht.”

Der Arbeitskreis schenkt der Gemeinde Distomo die Ausstellung als Dokument des gemeinsamen Kampfes der letzten zwei Jahrzehnte.

Die folgenden Links führen zu der Ausstellung als pdf-Dateien:
Selbstdarstellung (deutsch)
Selbstdarstellung (griechisch)
Chronik (griechisch)
Chronik (deutsch)
St. Anna (deutsch/griechisch)
Mittenwald (deutsch/griechisch)
Documenta 2017 (deutsch/griechisch)
Distomo (deutsch/griechisch)
Athen (deutsch/griechisch)
Gerichtsverhandlungen (deutsch/griechisch)

”Die Elektrikerin”
Lesung aus den Erinnerungen von Franci Epstein

Donnerstag, 25. April 2024, um 18:00 Uhr
Deutsches Hafenmuseum - Standort Schuppen 50A
Australiastraße 6, 20457 Hamburg

Die Überlebenden als Zeug:innen des Geschehens

Überlebende der Hamburger KZ-Außenlager haben Zeugnis abgelegt über Gefangenschaft und Zwangsarbeit, aber auch Widerstand und Solidarität. Am 25. April 2024 wird im Deutschen Hafenmuseum (Schuppen 50A) auf dem Kleinen Grasbrook eine Lesung des Buchs von Franci Rabinek Epstein (1920 - 1989) stattfinden. Posthum unter dem Titel ”Franci's War. A Woman's Story of Survival” veröffentlicht, ist es 2022 unter dem deutschen Titel ”Die Elektrikerin. Mein Überlebensweg als tschechische Jüdin 1939 bis 1945” erschienen. Die Veröffentlichung ihres Buchs ist ihrer Tochter Helen Epstein zu verdanken, die eine renommierte Autorin zum Thema der Holocaust-Nachfolgegeneration ist.

Bis zu ihrer Deportation 1942 in das Ghetto Theresienstadt lebte Franci Epstein in Prag. Weitere Stationen ihrer Verfolgung waren Auschwitz, die Neuengammer Außenlager Dessauer Ufer, Neugraben und Tiefstack und schließlich das KZ Bergen-Belsen, wo sie im April 1945 die Befreiung erlebte. Bis zu ihrem Lebensende lebte Epstein in den Vereinigten Staaten.

Vor 80 Jahren nach Hamburg verschleppt

Im Sommer 1944 kamen rund 1.500 Frauen über das KZ Auschwitz im Außenlager Dessauer Ufer des KZ Neuengamme im Hamburger Hafen an. Als Lager diente ein Teil des Lagerhaus G, ein 1903 errichtetes Speichergebäude am Saalehafen. Die als Jüdinnen verfolgten Häftlinge kamen vor allem aus Ungarn und der Tschechoslowakei. Die SS ließ sie Trümmer räumen und setzte sie zur Zwangsarbeit für das sogenannten Geilenberg-Programms ein, mit dem die Instandsetzung der durch Bomben zerstörten Hamburger Raffinerien im Hafengebiet vorangetrieben werden sollte.

Der Gründung des Neuengammer Außenlagers im Lagerhaus G im Juni 1944 folgten weitere im Hamburger Stadtgebiet, etwa auf der Werft Blohm & Voss, in der Schule am Bullenhuser Damm oder in der Spaldingstraße. Die meisten Häftlinge des KZ Neuengamme waren in der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs außerhalb des Hauptlagers in über 80 Außenlagern im nordwestdeutschen Raum verteilt. NS-Zwangsarbeit fand unter den Augen der Bevölkerung statt.

Die SS löste das Frauenaußenlager am Dessauer Ufer im September 1944 auf und verteilte die Häftlinge in Gruppen zu etwa 500 Frauen auf drei neue Lager in Neugraben, Sasel und Wedel. Teilweise konnte die SS dafür auf die Infrastruktur bereits bestehender Zwangsarbeitslager für Kriegsgefangene und Verschleppte aus anderen Ländern Europas zurückgreifen. Als Ersatz überstellte die SS männliche Häftlinge in das Außenlager Dessauer Ufer. Das Lagerhaus G wurde im Oktober 1944 von Bomben getroffen, so dass die SS die Häftlinge in einen Gebäudeteil der Strafanstalt Fuhlsbüttel transportierte. Nach der teilweisen Instandsetzung des Lagerhaus G am Dessauer Ufer wurden sie von Fuhlsbüttel Anfang 1945 auf die beiden Außenlager am Dessauer Ufer und in der Spaldingstraße verteilt. Mit geschätzt 2.500 Häftlingen war die Spaldingstraße eines der größten KZ-Außenlager in Hamburg geworden.

Eine Lesung der Projektgruppe italienische Militärinternierte Hamburg in Kooperation mit der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte.

siehe auch Hafenmuseum und Woche des Gedenkens

Deutschland verliert vor italienischen Gerichten
Der Fall Distomo ist noch nicht zu Ende

11. April 2024

Anfang März 2024 veröffentlichte das Berufungsgericht in Rom seine Entscheidung, wonach der Fall Distomo in Italien noch nicht abgeschlossen ist und fortgeführt werden kann. Das Berufungsgericht folgte damit einer Entscheidung des Vollstreckungsgerichts in Rom in erster Instanz, dass ebenfalls zu Gunsten der Betroffenen aus Distomo entschieden hatte. Dies ist ein großer Erfolg, nachdem es zuletzt so aussah, als sei das Verfahren auch in Italien beendet.

Eine Vollstreckung des rechtskräftigen griechischen Urteils des Landgerichts Levadia aus dem Jahr 2007 (!) scheint in Italien weiterhin möglich. Mit dieser Entscheidung war die BRD verurteilt worden, an die Opfer des Massakers im griechischen Distomo ca. 28 Mio. Euro als Entschädigung zu zahlen. Da eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil in Griechenland derzeit nicht möglich ist, weil hierfür bis heute die Zustimmung der griechischen Regierung fehlt, kann die Durchsetzung des Urteils nur über die Zwangsvollstreckung im Ausland erfolgen.

Rechtsanwalt Joachim Lau aus Florenz kämpft seit vielen Jahren darum, die Ansprüche der Opfer und Angehörigen der von der SS am 10. Juni 1944 Ermordeten vor italienischen Gerichten durchzusetzen. Diese Bemühungen sabotiert Deutschland seither immer wieder mittels juristischer und politischer Interventionen. Trotz rechtskräftiger Urteile verweigert Deutschland die Zahlung unter Berufung auf den Grundsatz der Staatenimmunität. Vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) erwirkte Deutschland 2012 ein Urteil, das die Bundesrepublik - Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs - vor Schadensersatzklagen aus dem Ausland bewahren sollte. Der IGH entschied, dass der Grundsatz der Staatenimmunität auch im Fall von NS-Kriegsverbrechen gelte und Deutschland vor Gerichten im Ausland nicht verklagt werden könne.

Dies sahen italienische Gerichte allerdings anders. Das italienische Verfassungsgericht hatte in einer Grundsatzentscheidung schon 2014 das Urteil des IGH aus 2012 als nicht mit der italienischen Verfassung vereinbar angesehen und zugunsten der Rechte der Opfer Nazi-Deutschlands geurteilt. Es hatte das Grundrecht auf Zugang zu den italienischen Gerichten betont und die Anwendung des von Deutschland reklamierten Grundsatzes der Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen abgelehnt. Das Verfassungsgericht sah den Rang des Menschenrechtsschutzes als höherwertiger an als das Prinzip der Staatenimmunität. Daher konnte das Verfahren in Italien fortgeführt und in deutsches Staatseigentum vollstreckt werden.

Zuletzt schien es aber so als hätte Deutschland es geschafft, diese Möglichkeit zu vereiteln. Deutschland klagte im Frühjahr 2022 erneut vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen Italien, um Vollstreckungen in deutsches Staatseigentum in Italien zu verhindern. Deutschland nahm einen Eilantrag auf vorläufige Beendigung aller Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erst zurück, nachdem Italien Ende April 2022 zunächst ein Regierungsdekret und dann ein Gesetz verabschiedete, durch das alle gegen Deutschland gerichteten Entschädigungsprozesse und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gestoppt werden sollten. Gleichzeitig stellte die italienische Regierung einen Fonds in Aussicht, aus dem italienische NS-Opfer Zahlungen erhalten sollten und der mit der Verabschiedung des Gesetzes auf ca. 60. Mio. Euro dotiert wurde.

Tatsächlich entschied das italienische Verfassungsgericht in einem Urteil aus Juli 2023 im Sinne Deutschlands, dass dieses ”Schlussstrich-Gesetz” verfassungsgemäß sei. Zwar stelle es einen erheblichen Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar, der wegen der möglichen Zahlungen aus dem Fonds jedoch hinzunehmen sei. Damit, so das Gericht, seien die Rechte der Opfer ausreichend gewahrt.

Dies bedeutet, dass Hunderttausende italienische Opfer von NS-Kriegsverbrechen, ehemalige NS-Zwangsarbeiter sowie Opfer von Massakern, von Deutschland keine Entschädigung erhalten, ihnen bleibt der Rechtsweg nun auch in Italien verwehrt. Sie erhalten nur die Almosenzahlungen aus dem italienischen Fonds.

Offen blieb in dieser Entscheidung, was dies für den Fall Distomo bedeutet. Hier haben nun das Vollstreckungsgericht in Rom und das Berufungsgericht für Klarheit gesorgt. Das Gesetz betrifft nach Auffassung der Gerichte nicht das Distomo-Verfahren, es gilt nur für Verfahren italienischer Opfer. In verfassungskonformer Auslegung entschied das Vollstreckungsgericht, dass ausländische Klägerinnen und Kläger nicht betroffen seien. Diese können nun weiterhin die Zwangsvollstreckung in Italien betreiben. Zur Begründung führten die römischen Gerichte vor allem an, dass es für griechische Opfer keine Entschädigungsregelung gebe, wie sie im Gesetz für italienische Opfer vorgesehen sei. Damit sei nur eine Auslegung des ”Schlussstrich-Gesetzes” verfassungskonform, die zu einer Nichtanwendung für ausländische Opfer führe.

Deutschland hat es also bisher nicht geschafft, sich vollständig aus der rechtlichen und moralischen Verantwortung für die Menschenrechtsverbrechen der Nazis zu ziehen. Es besteht nun wieder die Chance, dass die Pfändung eines Kontos der Deutsche Bahn AG in Italien zugunsten der Opfer von Distomo doch noch zu einem Erfolg führt. Zu befürchten ist allerdings, dass Deutschland weiter versuchen wird, Italien politisch unter Druck zu setzen, um das Verfahren doch noch zu stoppen. Außerdem bleibt das erneute Verfahren in Den Haag vor dem Internationalen Gerichtshof abzuwarten. Allerdings könnte sich auch hier die Lage ein wenig zu Gunsten der Opfer von Kriegsverbrechen verschoben haben. Denn zuletzt entschieden sowohl der oberste Gerichthof Südkoreas als auch Gerichte in Brasilien und der Ukraine für eine Einschränkung des Prinzips der Staatenimmunität in Fällen schwerer Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen. Sollten diese Beispiele Schule machen, könnte es mit dem deutschen Anspruch auf einen Schlussstrich bald vorbei sein.

Der AK Distomo fordert:
Deutschland muss alle Opfer des Nationalsozialismus entschädigen!
Nazi-Verbrechen nicht vergeben, den antifaschistischen Widerstand nicht vergessen!
Gemeinsamer Kampf gegen den wiedererstarkenden Faschismus in Europa!

Pressemitteilung und Resolution der Veranstaltung ”Gegen das Vergessen” vom 21. Januar 2024

Eine Veranstaltung des Auschwitz-Komitees i.d. BRD e.V. und des AK Distomo zum 79. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945
Die Veranstaltung fand im Centralkomitee in Hamburg statt, das bis auf den letzten Platz besetzt war.

Auf der Veranstaltung ”Gegen das Vergessen” vom 21.1.2024 berichtete Salo Muller über seine Geschichte und den Kampf um Entschädigung. Salo Muller wurde 1936 in Amsterdam geboren. Seine Eltern wurden während der Besatzung der Niederlande durch die NS-Truppen nach Auschwitz deportiert und ermordet. Bekannt wurde Salo Muller als Physiotherapeut von Ajax Amsterdam sowie durch seine vielfältigen Bücher. Im Jahr 2018 erreichte er eine Vereinbarung mit der niederländischen Bahngesellschaft (Nederlandse Spoorwegen) über Entschädigungszahlungen an Opfer der Shoah, die durch deren Mithilfe deportiert wurden.

Im ersten Teil der Veranstaltung berichtete Salo Muller über seine Kindheit während der deutschen Besatzung. Nur durch die Unterstützung des niederländischen Widerstands, deren Mitglieder dabei ihr Leben riskierten, konnte er überleben. Im zweiten Teil berichteten Salo Muller und sein Anwalt Martin Klingner über die Verhandlungen mit der niederländischen Bahngesellschaft, die zu Entschädigungszahlungen an die Überlebenden und deren Angehörigen führten. Salo Muller und sein Anwalt, Martin Klingner, verdeutlichten die zahlreichen Herausforderungen, die sich in der Debatte um Entschädigungszahlungen durch die Deutsche Bahn AG ergeben. Sie kritisierten scharf, dass das Unternehmen, als Hauptverantwortliche und Rechtsnachfolgerin der historischen Deutschen Reichsbahn, sich ihrer Verantwortung entzieht, während andere Beteiligte wie die Nederlandse Spoorwegen ihre Verantwortung anerkennen. Salo Muller will heute erreichen, dass die Deutsche Bahn AG ebenfalls ihre historische Verantwortung übernimmt und die Opfer der Deportationen endlich entschädigt werden.

Die Teilnehmer:innen der Veranstaltung unterstützen Salo Muller und verabschiedeten die folgende Resolution, die sich an die Deutsche Bahn AG und die Bundesregierung richtet:
Wir bedanken uns bei Salo Muller für seinen Bericht über die nationalsozialistische Verfolgung, über seine Geschichte und die seiner Familie während der Shoah.
Wir erinnern an den niederländischen Widerstand, dem Salo Muller sein Überleben verdankt.
Wir gedenken der 70 Familienangehörigen von Salo Muller, die in Auschwitz ermordet wurden.

Wir unterstützen die Forderung von Salo Muller nach Anerkennung des Leids und Entschädigung durch die Deutsche Bahn AG.
Wir teilen die Ansicht von Salo Muller ”Nur wer zahlt, meint es ernst.”
Wir bewundern Salo Muller für seinen erfolgreichen Kampf um Entschädigung durch die niederländische Bahn.

Wir fordern die Deutsche Bahn AG als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn auf, die moralische und materielle Verantwortung für die Beteiligung am Holocaust durch die Deportation von Millionen Menschen in die Vernichtungs- und Konzentrationslager zu übernehmen.
Wir fordern die Bundesregierung und den Vorstand der Deutschen Bahn AG auf mit Salo Muller sowie seiner rechtlichen Vertretung in Verhandlungen einzutreten und eine angemessene Entschädigungsregelung zu vereinbaren.

In Gedenken an die Opfer des Holocausts.


Hamburg, den 25. Januar 2024
Auschwitz-Komitee i.d. BRD e.V. und AK Distomo

Salo Muller: ”Nur wer zahlt, meint es ernst.”
Der Kampf um Entschädigung durch die Deutsche Bahn AG.

Sonntag, 21. Januar 2024, 12:00 Uhr
Centralkomitee, Steindamm 45, Hamburg

GEGEN DAS VERGESSEN
Gemeinsame Veranstaltung des Auschwitz-Komitees und des AK Distomo zum 79. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945


Mit Salo Muller (Shoah-Überlebender), Martin Klingner (Rechtsanwalt und Aktivist) und Mitgliedern des Auschwitz-Komitees und des AK Distomo

Musik: A Mekhaye

Salo Muller wurde 1936 in Amsterdam geboren und verdankt sein Überleben während der Shoah dem mutigen Einsatz des niederländischen Widerstands. Seine Eltern und 70 weitere Verwandte wurden in Auschwitz ermordet. Zu Beginn wird Salo Muller über seine eigene erschütternde Geschichte und die seiner Familie berichten, während er sich im Verborgenen vor der Gefahr verstecken musste.

Des Weiteren widmen sich Salo Muller und sein Rechtsanwalt Martin Klingner dem Thema der rechtlichen und politischen Auseinandersetzung um Entschädigungzahlungen. Sie werden Ihre Erfahrungen im Kampf um Gerechtigkeit für die Opfer des Holocausts teilen und dabei speziell auf Salo Mullers Auseinandersetzung mit der Niederländischen Bahn und der Deutschen Bahn AG eingehen.

Salo Muller wird in dieser Veranstaltung klarstellen, dass die Deutsche Bahn AG Entschädigung leisten muss. Die Deutsche Reichsbahn spielte eine zentrale Rolle bei der Organisation des Holocausts. Die Opfer wurden nicht nur deportiert, sondern auch noch für die Kosten ihrer eigenen Deportationen zur Kasse gebeten - ganze vier Pfennige pro Kilometer. Historischen Schätzungen zufolge erhielt die Deutsche Reichsbahn umgerechnet etwa 445 Millionen Euro für diese Fahrten durch das Deutsche Reich. Wir fordern die Deutsche Bahn AG auf, ihrer moralischen und finanziellen Verantwortung gerecht zu werden. Salo Muller formuliert es so: ”Nur wer zahlt, meint es ernst.”

Salo Muller hat bereits in den Niederlanden einen bedeutenden Erfolg erzielt, indem er die Niederländische Bahngesellschaft dazu brachte, Entschädigungsleistungen an die wenigen Überlebenden und ihre direkten Angehörigen zu erbringen. Doch dieser Kampf ist noch lange nicht vorbei, und wir wollen darüber sprechen, wie seine Forderungen auch in Deutschland durchgesetzt werden können.

Der Aufruf als PDF-Dokument
Das Plakat als PDF-Dokument

Centralkomitee

Kundgebung am 16. Januar 2024, 17 Uhr, Dessauer Straße

Am 16. Januar 1945 wurden 106 niederländische Bürger aus dem Groninger-Gefängnis ins Konzentrationslager Neuengamme deportiert. Von ihnen überlebte keiner, 29 kamen im Lagerhaus G am Dessauer Ufer ums Leben.

In Hamburg möchten wir vor dem Lagerhaus G an die niederländischen KZ-Häftlinge am Dienstag, den 16. Januar 2024 um 17 Uhr, Dessauer Straße zusammen mit Angehörigen erinnern und Blumen niederlegen.

Wir wissen bis heute nicht die genaue Anzahl der Opfer aus dem Lagerhaus G. Es gibt Listen zu einzelnen Nationen. Es schmerzt, dass es so viele Tausende NS-Opfer im KZ Neuengamme und seinen vielen Außenlagern gab, und dass so wenig über sie erzählt wird. Dank der dokumentierten Erinnerungen der Überlebenden gibt es heute ein Bild von den Lebensbedingungen im Lagerhaus G, der Arbeit, aber auch der Hoffnungen der Menschen. In den Niederlanden wird an die 106 Menschen erinnert. Es gibt ausführliche Biographien, Darstellungen der Lebensumstände und der historischen Zusammenhänge.

Mit unserer Einladung und Veranstaltung wollen wir einen Beitrag am Ort leisten, damit die KZ-Opfer nicht vergessen werden. Zeitgleich wird in Groningen/Harlingen an 106 NS-Opfer erinnert werden.

Das Lagerhaus G war ab Juni 1944 ein Außenlager des KZs Neuengamme. Im Juli 1944 wurden rund 1.500 jüdische Frauen von Auschwitz ins Lagerhaus G verschleppt, um im Auftrag der SS u.a. im sogenannten Geilenberg-Programm für die deutsche Mineralölwirtschaft eingesetzt zu werden. Nach Auflösung des Frauen-KZ im Lagerhaus wurden an die 2.000 KZ-Häftlinge aus Neuengamme dorthin gebracht.Nach der Zerstörung von Teilen der Lagerhäuser Ende Oktober 1944 waren sie zunächst ins KZ Fuhlsbüttel verlegt worden. Im Februar 1945 wurden KZ-Häftlinge erneut im Lagerhaus G untergebracht. Von den 106 niederländischen Häftlingen aus Groningen verloren 29 dort ihr Leben. Im April 1945 wurden das KZ Neuengamme sowie das Außenlager Dessauer Ufer geräumt.

Die drei Lagerhäuser am Dessauer Ufer, F, G und H gehörten der HHLA (Hamburger Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft)und wurden ursprünglich von Reemtsma als Tabaklager genutzt. Nach deren Verlagerung im Sommer 1943 wurden daraus ab September 1943 Zwangsarbeitslager für 6.000 italienische Militärinternierte (IMI). Viele Tausend andere wurden auf weitere Lager in Hamburg verteilt. Über 2.000 Menschen lebten im Lagerhaus F. 500 IMI mussten im Lagerhaus G leben und wurden über den GHB (Gesamthafenbetrieb) zur Arbeit in den Hafenbetrieben zur Arbeit gezwungen. 900 sowjetische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen mussten im Lagerhaus H leben.

https://lagerhausfh.wordpress.com/