NRW: Schweigen zum Verfassungsschutz-Skandal
Azzoncao-Recherche vom 05.10.2007
Neues von dem NS/VS-Skandal in NRW. Oder: Keine Neuigkeiten sind auch Neuigkeiten.
Wie schon auf Indymedia berichtet, schützten die Beamten des Nordrheinwestfälischen Verfassungsschutzes den Lünener Neonazi Sebastian Seemann vor der Verfolgung der Strafbehörden. Seemann war im Prostitutionsgewerbe und im internationalen Drogen- und Waffenhandel aktiv. Darüberhinaus aktiver Organisator des verbotenen „Blood an Honour“-Netzwerkes, Mitglied des engsten Kreises um die Dortmunder Naziband „Oidoxie“, des Naziladens „Donnerschlag“, des „Nationalen Widerstands Dortmund“ und der Vernetzung nach Marl, Hamm und anderen Städten in NRW. Die Bielefelder Polizei observierte ihn schon eine Zeit lang, bis sie ihn mit erheblichen Mengen Kokain verhaftete.
Nun hat die Bielefelder Polizei eine Strafanzeige gegen den/die Agentenführer Seemanns in Düsseldorf gestellt. Diese hatten den jahrelang für sie arbeitenden Nazi vor der Telefonüberwachung durch die Polizei gewarnt und somit dessen kriminellen Machenschaften vor ihren Kollegen geschützt.
Seitdem kam es zu zwei Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Aber alle Seiten sind zum Schweigen verpflichtet worden. Weder aus dem Innenministerium der schwarz-gelben Koalition, noch aus der Bielefelder Polizei und Justiz gelangen Informationen an die Öffentlichkeit.
Auch die Strafanzeige der Bielefelder Polizeibeamten gegen die Beamten des Düsseldorfer Verfassungsschutzes scheint nicht weiterverfolgt zu werden. Lagen die Akten zunächst bei der Bielefelder Staatsanwaltschaft, so wurden sie an die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft weitergereicht und wieder an Bielefeld verwiesen. Gründe dafür wurden nicht genannt.
Es ist zu vermuten, dass hier auf Zeit gespielt wird. Denn nach Aussagen eines SPD-Landtagsabgeordneten wäre dies einer der größten Skandale in der Geschichte des deutschen Verfassungsschutzes. So ist Schweigen verordnet, bis sich die Aufregung gelegt hat.
Ob überhaupt Ermittlungen gegen den/die Agentenführer Seemanns und damit schließlich auch ein Verfahren wegen Geheimnisverrats und Strafvereitelung im Amt eingeleitet wird, ist mehr als fraglich. Die Entscheidung über die Erlaubnis zu Ermittlungen im eigenen Hause liegt nämlich bei dem in die Kritik geratenen Innenminister Dr. Ingo Wolff. Und eine Konsequenz der Offenlegung dieses Skandals würde zwangsläufig seinen Rücktritt bedeuten, so die Forderung des SPD-NRW-Sicherheitsexperten Karsten Rudolph (NW vom 25.09.07).
Aus der Devise, dass „keine Neuigkeit auch eine Neuigkeit ist“ erhärtet sich nun der Verdacht, dass hier ein Verfassungsschutz am Werke ist, der nicht nur illegal operiert, sondern explizit dabei ist, die deutsche Neonaziszene aufzubauen, zu organisieren, strukturieren und zu bewaffnen. Das alles ohne sich einer parlamentarischen Kontrolle stellen zu müssen.
Funkstille herrscht auch über die Information aus der Frankfurter Rundschau, dass es weitere 12 enttarnte VS-Agenten in der Neonaziszene gäbe. Eine Bestätigung durch das Innenministerium käme natürlich einem Offenbarungseid dieser Behörde gleich. So hieß es durch den Staatssekretär Karl Peter Brendel: „Wir können das nicht bestätigen.“ Dementieren wollte Brendel die Enttarnung aber ausdrücklich nicht.
Eine Bestätigung dieser Informationen käme gleichfalls in der Naziszene einem Offenbarungseid gleich: Kein NS ohne VS!
Alles, was diesen zuletzt angesprochenen Bereich anbelangt, ist spekulativ – Sollte aber nicht aus den Augen verloren werden.
Die anfängliche Aufregung in der NS-Szene hat sich indes gelegt. Hausdurchsuchungen zwecks Waffenfunden gab es nicht. Dies wäre seitens des Innenministeriums auch dumm gewesen, hätte es doch nicht nur bewiesen, wie kriminell ihr V-Mann war. Sonder auch, was dieser zur Militarisierung der Naziszene beigetragen hat.
So sind sich die „Kameraden“ ihrer sicher. Über die internationalen Kontakte ließen sie in verklausulierter Form schon einem wissen, woher der Wind weht und kündigten via Internet ein „Massaker“ an.
To be continued…