logo

subglobal1 link | subglobal1 link | subglobal1 link | subglobal1 link | subglobal1 link | subglobal1 link | subglobal1 link
subglobal2 link | subglobal2 link | subglobal2 link | subglobal2 link | subglobal2 link | subglobal2 link | subglobal2 link
subglobal3 link | subglobal3 link | subglobal3 link | subglobal3 link | subglobal3 link | subglobal3 link | subglobal3 link
subglobal4 link | subglobal4 link | subglobal4 link | subglobal4 link | subglobal4 link | subglobal4 link | subglobal4 link
subglobal5 link | subglobal5 link | subglobal5 link | subglobal5 link | subglobal5 link | subglobal5 link | subglobal5 link
subglobal6 link | subglobal6 link | subglobal6 link | subglobal6 link | subglobal6 link | subglobal6 link | subglobal6 link
subglobal7 link | subglobal7 link | subglobal7 link | subglobal7 link | subglobal7 link | subglobal7 link | subglobal7 link
subglobal8 link | subglobal8 link | subglobal8 link | subglobal8 link | subglobal8 link | subglobal8 link | subglobal8 link

dortmund

small logo

Prozess-Farce im NRW V-Mann Skandal - Teil I
Azzoncao-Recherche vom 12.03.2008

Am 11. Februar, 3. und 10. März fand der Prozess gegen den Verfassungsschutz-Agenten Sebastian Seemann statt.
Angeklagt war er vor der II. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld wegen mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetzes und des Waffenbesitzes (2 Kls 36 Js 689/07 - 39/07).

Wer sich großen Erkenntnisgewinn in Hinsicht der Zusammenarbeit zwischen kriminellem Milieu, bewaffneten Nazis und den Sicherheitsbehörden der BRD aus diesem Prozess erwartet hatte, der wurde enttäuscht.
Nicht, das hier nicht im Kleinen die Große Politik deutlich wurde. Ganz im Gegenteil. Das war wohl das eigentlich Interessante an diesem Prozess.
Prozesseröffnung

Zunächst wurde am 11. Februar die Anklageschrift gegen Seemann verlesen. Dem am 17.2.1980 in Herten geborenen und gelernten Schlosser/Schweißer wurde vorgeworfen 2 Vorderlader, 1 Repetiergewehr, 6 Gewehre verschiedener Fabrikationen, ein Armbrust und diverse Stichwaffen in seinem Besitz gehabt zu haben. Diese seien in seiner Lünener Wohnung gefunden worden. Der Besitz von Waffen sei ihm aus früheren Prozessen explizit untersagt gewesen.
Des weiteren soll er in drei Fällen vom 17. Januar bis 1. Februar 2007 mit seinen Kameraden Michael Bayer, Robin Daniel Schliemann und dessen Freundin beachtliche Mengen Kokain im Raum Bielefeld und Detmold an den Mann gebracht haben.
Bei dem letzten „deal“ wären er und Schliemann um das Geld geprellt worden. Daraufhin hätte er Schliemann mit vorgehaltener Waffe zu einem bewaffneten Raubüberfall genötigt und diesem eine Waffe dafür besorgt. Am 2. Februar überfiel Schliemann eine Plus-Filiale in Dortmund-Brechten und erschoss fast einen 59zig jährigen Kunden. Dieser überlebte die vier Schußverletzungen nur Dank einer Notoperation. Nach dem misslungenen Raubüberfall verriet Seemann seinen Kameraden an die Polizei. Dieser wurde im August letzten Jahres zu achteinhalb Jahren verurteilt. Der Prozess gegen Seemann zur Anstiftung eines Raubüberfall steht noch aus. Er wird in Dortmund stattfinden. Robin Schliemanns Dortmunder Anwalt, Andre Picker, saß am 11. Februar schon mal interessiert auf den Zuschauerplätzen der Bielefelder Kammer.

Kuriosum I

Nachdem die Anklageschrift verlesen war, geschah das erste Kuriosum dieses Prozesses. Seemanns Pflichtverteidiger Dr. Christoph Franke beantragte bei dem Gericht ein "Rechtsgespräch". Der Vorsitzende Richter, Werner Scheck, willigte ein. Nach ca. 1 stündiger Pause betrat der Anwalt mit seinem Mandanten das Gericht, äußerte das sein Mandant geständig sei und beantragte für diesen die Höchststrafe.
Der Antrag hinterließ nicht nur bei den zahlreich anwesenden Nazis, wie dem ehemaligen Kader der verbotenen Nationalistischen Front, Meinhard Otto Elbing, den Hammer Dennis Guske und dessen KameradInnen aus Dortmund und OWL einige Verblüffung.

---------------
Dabei ist dieser "Schachzug" leicht zu erklären. Durch das prompte Geständnis mussten keine Sachverhalte im Prozess erörtert werden. Alle Beteiligten waren/sind fein raus: Der Angeklagte brauchte, (zumindest) vor seinen Kameraden, keine Karten bezüglich seiner VS-Kontakte auf den Tisch legen. Der VS und der Innenminister Dr. Ingo Wolff wurde in keiner Weise kompromittiert. Und die NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter kommt nicht in die Zwickmühle ihrem Kollegen vom Innenministerium einen Rüffel wegen illegaler Praktiken zu erteilen.

Kuriosum II

Das zweite Kuriosum geschah, als der Anwalt Seemanns den Staatsanwalt Martin Temmen dazu aufforderte, ihm eine Kopie einer Originalseite der Ermittlungsakten zukommen zu lassen. Auf einer ihm zugesandten Seite sei nämlich eine Telefonnummer geschwärzt gewesen. Nach einer kurzen Prozesspause ließ der Staatsanwalt verlauten, dass er diese Originalseite nicht mehr besitze. Er hätte sie vernichtet. Auf Nachfrage gab er an, dass dieser Umgang mit den Akten durch die Strafprozessordnung gedeckt sei.
Ein Umstand den selbst der Sprecher des Bielefelder Landgerichts, Guisbert Eisenberg, auf Nachfrage von Journalisten als so befand: "Das Schwärzen von Originalakten ist ein sehr seltener Vorgang".

---------------
Der Aussage des Pressesprechers kann man sich wohl anschließen. Schwärzen und Vernichten von Originalakten bei der Bielefelder Staatsanwaltschaft. Da verwundert es auch nicht, wenn die anderweitige Ermittlung der Bielefelder Staatsanwaltschaft seit Monaten auf der Stelle tritt. Diese beläuft sich auf Verdacht der Strafvereitelung im Amt gegenüber den V-Mann Führer Seemanns. Dieser hatte, allen Anscheins nach, seinen V-Mann vor der telefonischen Überwachung durch die Drogenfahndung gewarnt und die Nutzung öffentlicher Telefonzellen angeordnet. Ein Verfahren wegen Geheimnisverrats untersagte der oberste Dienstherr und Innenminister von NRW, Dr. Ingo Wolff (FDP). Angeblich wegen der möglichen Aufdeckung weiterer V-Männer in der Naziszene und deren anschließender Gefährdung. Wohl aber auch, weil sein Stuhl über diese behördliche Praxis gekippt wäre. So verlangte im August letzten Jahres, zum Beginn der V-Mann Affäre, die Opposition seinen Rücktritt.
Nicht untersagen konnte er aber die Bielefelder Ermittlung wegen "versuchter Strafvereitelung im Amt". Diese läuft seit August. Aber auch in diesem Fall mauert das Innenministerium und verweigert Akteneinsicht. So bedauert der Bielefelder Staatsanwalt Christoph Mackel gegenüber der FR: "Das Innenministerium ist nicht kooperativ". Und weiter: "Wir haben weder Namen noch Identität des V-Mann Führers".
Na, Herr Mackel, wie wäre es einmal den werten Kollegen, den Herrn Staatsanwalt Temmen, zu fragen. Mal den kurzen Dienstweg nehmen. Einmal über den Flur, erste links, zweite Tür rechts? Nehmen sie gleich die ermittelnde Oberstaatsanwältin Christa Hundertmarkt mit. Zu einem Gespräch unter sechs Augen. Wie wär`s?
Nein? Warum nicht? Könnte es sein, dass sie noch Karrierepläne hegen?

Kuriosum III

In Nacht vor dem Prozess kam es noch zu einer organisatorischen "Panne". Laut FR wurde Seemann in eine Gemeinschaftszelle mit einem Neonazi gesteckt, den er früher ausgespäht hatte. Offenbar konnten Mithäftlinge eine tätliche Auseinandersetzung der alten Kameraden nur mühsam verhindern.
---------------
Zufall oder Plan? Noch eine kurze Ermahnung "auf Linie zu bleiben"?

Prozessverlauf

Am 3. März kam das Vorstrafenregister Sebastian Seemanns zur Sprache. Der 27 jährige ist sozusagen ein alter "Prozesshase". 13-mal stand er schon vor Gericht. Seine erste Verurteilung stammt aus dem Jahr 1995: Diebstahl. Danach Urkundenfälschung, Nötigung, Verstöße gegen das Waffengesetz, gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

---------------
Wahrlich prädestiniert für eine Karriere als V-Mann. Wenn obendrein der Dienstherr, das NRW-Innenministerium, dann noch den Handel mit Kokain deckt und nichts gegen Geschäfte im Prostitutionsbusiness und Waffen- und Sprengstoffhandel unter Neonazis einzuwenden hat. Prima. Da lässt sich ja bestens das "Blood and Honour"-Netzwerk für die Kameraden aufbauen. Ein Umzug in das benachbarte Belgien bietet sich für Geschäft und Politik an. Und mit den belgischen Kameraden von "Blood and Honour Vlaanderen" werden Nazikonzerte organisiert, wie z.B. das Ian Stuart Donaldsen-Memorial am 14. Oktober 2006. Von den gut 1500 anwesenden Nazis sollen 90% Deutsche gewesen sein. Aufgespielt hatte neben »Blue Eyed Devils« (USA), »Razor´s Edge« (GB) und »Chingford Attack« (GB) auch »Oidoxie« aus Dortmund. Aus dem engen Umfeld von „Oidoxie“, des Naziladens "Donnerschlag" und der Kameradschaft Dortmund stammt Seemann, der auch in Lünen die Kneipe "Störtebeker" betrieb.
Da der eigene Mann das Konzert im belgischen Ausland organisiert hat, lässt das nordrhein-westfälischen Innenministerium via Verfassungsschutzbericht 2007 berichten: "Nach dem rechtskräftigen Verbot im Jahr 2001 sind bis heute keine Aktivitäten in NRW festzustellen, die den Fortbestand von Strukturen der „Blood & Honour“-Organisation belegen würden. Zwar ist davon auszugehen, dass persönliche Kontakte/Freundschaften der damaligen „Blood & Honour“-Mitglieder teilweise vorhanden sind, jedoch sind Organisationsstrukturen in NRW nicht erkennbar." Was stört es den VS da schon, dass in Flensburg ein Ermittlungsverfahren gegen Seemann wegen diesen Konzerts läuft.
Hochgradig kriminell und gewalttätig, verfassungsfeindlich und nationalsozialistisch vor und während seiner Tätigkeit als VS-Informant. Einer Behörde, die es mit der Wahrheit mehr als ungenau nimmt und einen rechtsstaatlichen Minimalkonsens für nichtig erachtet.
Aber wie sagt man noch so schön: Wie der Herr, so das Gescherr.

Prozessende

Am 10.3.2008 wurde das Urteil gesprochen. Sebastian Seemann wurde wegen Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und das Waffengesetz zu drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Zu dem muss er damit rechnen, dass eine Bewährungsstrafe von 18 Monaten widerrufen wird, die das Amtsgericht Lünen im Dezember 2006 gegen ihn verhängt hatte.
Angesichts dieses, man kann wohl sagen, abgekarteten Prozesses, in dem die eine Krähe der Anderen kein Auge ausgehackt hat, verhielt sich die Medienlandschaft still.
Nehmen wir mal an, den Medien wäre etwas peinlich. So hätte man doch erhoffen können, sie seien peinlich berührt von dieser Justiz-Farce. Diesen Eindruck hinterließen aber weder die Artikel der SZ noch der FR, und auch nicht die Lokalbeiträge in der RN oder WR. Es waren kurze Anstandsberichte über die Höhe der Haftstrafe. Teilweise wurde sogar von einem „angeblichen V-Mann“ berichtet.
Die Medien waren peinlich.

Alles „Schnee von gestern“?

Somit ging der Prozess gegen Seemann sang- und klanglos über die Bühne. Man wird sehen, wie es weitergehen wird. Noch steht der Prozess wegen Beihilfe zu dem Raubüberfall seines Kameraden Robin Schliemann in Dortmund Brechten aus. Und Schliemann hat mit seinem Kameraden noch ein Hühnchen zu rupfen.
Das könnte spannend werden. Ist im Bielefelder Prozess schon nicht geklärt worden, woher Seemann die Waffen bekam, was er mit diesem Arsenal eigentlich anstellen wollte und wem er alles Waffen (und Sprengstoff) besorgt hat. So könnte das ja in Dortmund zu Sprache kommen. Auch was die Drogengeschäfte der Dortmunder Nazisszene angeht, könnte es interessant werden. Seemann, Bayer, Schliemann und dessen Freundin: alles saubere Nationale Sozialisten. Schließlich auch der ganze kameradschaftliche Hintergrund von Drogen, Prostitution, Waffen und Raubüberfällen. Samt der nationalen und internationalen Verflechtung des Nationalen Widerstands Dortmunds. Und was der Verfassungsschutz damit zu tun hat.
Aber wie bei dem Prozess um den Mord an Thomas Schulz im November 2005, als der vorsitzende Richter bei dem 17jährigen Mörder Sven Kahlin keine gefestigte politische Überzeugung erkennen konnte und von einer "totalen Überforderung“ Sprache. Und wie bei dem Prozess gegen Robin Schliemann, als der Richter Wolfgang Meyer befand, dass die Gesinnung des Täters keine besondere Bedeutung beikäme, sondern es dem Angeklagten nur ums Geld gegangen wäre. So ähnlich wird man sich auch den nächsten Auftritt Seemanns vor dem Dortmunder Gericht vorstellen können.
Politische Hintergründe werden nicht zur Kenntnis genommen, ignoriert oder, schlimmer noch, bewusst vertuscht. Die eine Krähe hackt der Anderen halt kein Auge aus.

Ingo Wolff und das Innenministerium wird`s freuen.


letzte Aktualisierung: 13.03.2008