Naziprozess in Bochum III
Indymedia vom 12.05.2008
„Außer Spesen, Nichts gewesen“
Am 7. Mai 2008 endete vor dem Bochumer Landgericht der Prozess gegen den NPD-NRW-Vize Claus Cremer, seiner Lebensgefährtin und Chefin der Sauerländischen Aktionsfront Daniela Wegener, den Bochumer Lokalkandidaten der NPD, Sebastian Vogt, den EX-Borussenfrontler Peter Gläser und den Chef der Dortmunder Kameradschaft Siegfried Borchardt.
Angeklagt waren sie wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung, versuchte Gefangenenbefreiung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Das Gericht der 6. Strafkammer stellte das Verfahren ( 6 KLs 33 Js 39/05 ) ein. Die Prozesskosten trägt der Staat, die Anwaltskosten können die angeklagten KameradInnen ihren AnwältInnen/KameradInnen überweisen. Zur Begründung der Einstellung gab das Gericht an, die Vorgänge lägen schon zu lange zurück, die Zeugen der Polizei und des BGS könnten sich nur sehr mangelhaft erinnern, bzw. befänden sich im Auslandseinsätzen.
Umgehend feierte die lokale NPD die Aussetzung des Verfahrens mit einer Pressemitteilung Markus Pohls vom „Referat Öffentlichkeitsarbeit“ als „Debakel für Bochumer Staatsanwaltschaft und Polizeibehörde“.
Die Damen und Herren des „Nationalen Sozialismus“ sprechen von einer „Prozessfarce“. Da kann man den NPDlern nur Recht geben. Aber anders als diese denken. Ihr Presse-aufwasch spiegelt die Verschwörungstheorien und Verfolgungsphantasien einer bundesdeutsch-brauen Parallelgesellschaft wider: „Das System“, das für sie einen „Mammutprozess“ vorgesehen hätte. „Der Staat (,der) versucht hat mit unhaltbaren Anschuldigungen gegen die nationale Opposition vorzugehen.“. „Systemmedien“, die vielleicht einer „Nachrichtensperre“ unterlägen. Polizeiwillkür und Zeugenbeeinflussung. Heimliche Überwachung des Prozesses durch das Innenministerium, das mit dem örtlichen Staatsschutz kooperiert. Ein einziges „Catwalk der Unschuld vom Lande“ geschrieben für die eigene bräunelde Klientel und die deutsche Kleingläubigkeit. Und das Gejammere, dass die Staatsanwältin Frau Wenzel „zu Prozeßbeginn mind. drei Freiheitsstrafen und zwei Geldstrafen gefordert“ hätte. Aua!
Schon am 12. April 2008 stand im WAZ-Artikel der Bochumer Lokalausgabe unter „Prozess über drei Jahre nach rechter Demo“, dass „ Haft soll aber nicht im Raum stehen“.
Da weiss man nicht, ob es das generelle „Siegfrieds Syndrom“ der Rechten oder die Paranoia des einschlägig vorbestraften Claus Cremers ist, die die bevorstehende Gesinnungshaft herbei phantasiert.
Wie dem auch sei. Das dreieinhalb Jahre nach der braunen Intervention zu den Opelstreiks in Bochum unter dem Motto "Das Volk blutet - Das Kapital kassiert! Globalisierung zerstört deutsche Arbeitsplätze!" ein Prozess wegen Landfriedensbruch geführt wird, ist eine Farce. Und zwar auf Grund dessen, was die Nationalen Sozialisten für sich ausschlachten konnten. Wie soll sich eine Bereitschaftspolizist oder BGSler, der sich fast jedes Wochenende mit Besoffenen alle Coleur, Hooligans etc.p.p. auseinandersetzen muss an einen Einsatz vor dreieinhalb Jahren erinnern? Solche Zeugen sind eine denkbar schlechte Vorraussetzung für Strafverfahren. Der Aufklärungswillen zu den Tatumständen ist bei den ermittelnden Behörden wohl eher denkbar gering, als hoch gewesen.
Uns so sind die drei NPD Kandidaten Vogt, Cremer und Wegener, ebenso wie die Ex-Borussenfrontler Gläser und Borchardt um Verurteilungen herumgekommen. Das ist ihnen sicherlich recht. Zum einen für die Parteikarriere. Zum anderen läuft Cremers Bewährung zum Ende des Jahres aus, Gläser scheint derzeit schon einzusitzen und Borchardt könnte wegen seines Auftritts in Hamburg zum 1.Mai noch mit etwas rechnen.
So kann man zu dem Prozess nur sagen: Außer Spesen, Nichts gewesen!
Vertreten wurde Claus Cremer durch den RA Klaus Kunze.
Vertreten wurde Siegfried Borchardt durch den RA Andrè Picker.
Vertreten wurde Daniela Wegener durch den RA Uwe Lucke.
Vertreten wurde Peter Gläser durch die RA Susanne Zimmermann.
Vertreten wurde Sebastian Vogt durch den RA Markus Beisicht.
Ex-Borussenfrontler Peter Gläser scheint zur Zeit in einer JVA in staatlicher Kost und Logie zu stehen. Er wurde von einem Uniformierten vorgeführt.
Unter den ProzessbesucherInnen waren auch neben einigen Kameraden Daniela Wegeners Schwester und Markus Schumacher. Schumacher ist Beisitzer im Bochumer Kreisvorstand der NPD und betätigte sich dort manchmal als deren Pressesprecher. Ob er sein Mandat als Ratsherr in Hattingen noch inne hat, ist unklar. Seinem Outfit nach, hat er sich von bürgerlich spießig nun gänzlich dem Stil der „Autonomen Nationalisten“ angepasst. Eigentlich kein Wunder, läuft er doch schon seit Jahren mit den KameradInnen der ehemaligen „Freien Nationalisten Bochum/Hattingen“ (FNBH) bzw. der jetzigen „Aktionsfront Hattingen“ (AFH) herum. Weiterhin wohnt er bei seinem Vater, dem Ex-WASG-Kandidaten und jetzigen „Linken“-Mitglied in Altenbochum. Dies belegen nicht nur die zahlreichen Anti-Antifa-Aufkleber vor ihrem Haus und in den Seitenstraßen.
(http://braunraus.blogspot.com/2007/07/29.html)
Über die hier sichtbare Eintracht der Führungsclique der Freien Kameradschaften, NPD und Pro NRW soll man sich auf keinen Fall wundern. Bekanntlich gilt der Spruch „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich!“ immer noch.
Die NPD Bochum-Wattenscheid hat sich aber, in aller Voraussicht der anstehenden Wahlen, schon einmal die Namen „Pro Wattenscheid“ und „Pro Bochum“ gesichert. Nur mal so, pro forma. Nicht das da jemand auf den Gedanken käme ihnen kommunal das rechte Wasser abgraben zu wollen. „Pro Wattenscheid“ und „Pro Bochum“ existieren als eingetragenen Vereine und für die „Bürgerbewegung Pro Wattenscheid e.V.“ gibt es eine homepage. Dort findet man als Verantwortlichen den 28jährigen Kfz-Mechaniker und NPD-Kommunalkandidaten Benjamin Dahlbeck. Kontaktadresse ist die Landeszentrale der NPD in Wattenscheid Günnigfeld.
Welch Geistes Kind Benjamin Dahlbeck ist, kann man im „Hellweg-Patriot“ in der Ausgabe 3/2007 nachlesen. Der „Hellweg-Patriot“ ist ein örtlichen Blättchen der NPD, was von Markus Pohl zu verantworten ist. Hier bedauert Dahlbeck den Umstand, dass die Stadt der NPD einen „Informationsstand“ unter dem Motto "Mord verjährt nicht!“ untersagte. Mit Mord war das Ableben des Hitlerstellvertreter Rudolf Hess gemeint. Dahlbeck dünkelte es in diesem Elaborat, Rudolf Hess, dieser „Friedenflieger“, hätte einer Folterhaft unterlegen und könnte den Alliierten zu Opfer gefallen sein. Dahlbeck forderte nun Meinungsfreiheit für die NPD in Beschlag nehmen zu können. Eine Freiheit, die Herrschaften wie Hess und seine geistigen Adepten mit den Füßen traten und treten. Das muss man als Demokrat natürlich einsehen, nicht wahr? Und wieder einmal ist die Nationale Opposition (wie in diesem Prozess) fürchterlich verfolgt. Böser, böser „Gesinnungsparagraph § 130 Abs. 4 StGB“.
Es ist auch kein Wunder, dass die „Hellweg Patriot“ Präsenz im Internet sehr der „Freiheit Wattenscheid“ side ähnelt. Dies Projekt wird von dem vorbestraften Ex-NPDler Michael Frank betrieben.
In dem „Hellweg Patrioten“ ist auch regelmäßig eine Anzeige der Nun-Nicht-Mehr-Angeklagten Daniela Wegener zu finden. Hier wirbt sie mit passender Internet-side für ihr „Veranstaltungsministerium“, einem braunen Cateringservice „Vom Kameraden für den Kameraden“.
Die Bochumer Presse gab mal wieder ein jämmerliches Bild ab. Obwohl der zuständige Gerichtsreporter der WAZ, Bernd Kiesewetter, fast täglich durch die Flure und Säle der Bochumer Gerichte geistert, schaffte er es mal wieder, sich in hintergrundsarme und belanglose Artikel zu ergehen:
"Prozess nach rechter Demo eingestellt
Dreieinhalb Jahre nach einem Tumult nach einer Demo der rechten Szene hat das Bochumer Landgericht am Mittwoch ein Strafverfahren gegen eine Frau und vier Männer (25 bis 54) ohne Sanktionen eingestellt.
Die Vorwürfe waren für eine weitere Aufklärung zu geringfügig, hieß es zur Begründung. Zudem sei der Vorfall schon sehr lange her.
Den Angeklagten (25 bis 54) wurde vorgeworfen, im Oktober 2004 in Bochum im Anschluss an eine genehmigte Demo der rechten Szene gegen massenhaften Arbeitsplatzabbau eine Polizeisperre in der Verteilerebene des Bochumer Hauptbahnhofs zu durchbrechen versucht haben. Dabei soll ein Beamter eine Schürfwunde erlitten haben. Zudem sollte einer der Angeklagten die mitangeklagte Frau, die gefesselt worden sei, zu befreien versucht haben. Vier der Angeklagten schwiegen vor der 6. Strafkammer zu den Vorwürfen, einer beteuerte seine Unschuld. Der sehr späte Prozesstermin wurde mit Termin- und Organisationsprobleme erklärt.
Die Prozesskosten trägt der Staat. Ihre Verteidiger müssen die Angeklagten aber selbst zahlen."
Bernd Kiesewetter