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Repression und Überwachung der Linken

Sich mit dem Thema Überwachung zu beschäftigen, es zu thematisieren, hat sich für uns nicht zuletzt aus der direkten Betroffenheit ergeben. Dabei ist eine zunehmende Entwicklung zur Überwachungsgesellschaft zu erkennen.

    Kurzer geschichtlicher Überblick ...

Repression in Deutschland hat eine lange Geschichte. Sie unterschied sich jeweils nur darin, welche Feindbilder konstruiert wurden und den daraus folgenden unterschiedlichen Repressionsmethoden. So wurden z.B. KPD, Anti-AKW-Bewegung, RAF/RZ und autonome Antifa zum Staatsfeind stilisiert. Mittels Überwachung und Repression wurde kontinuierlich versucht, linken und linksradikalen politischen Widerstand zu zerschlagen. Aus dem nahezu fließenden Übergang vom Nationalsozialismus zur Bundesrepublik resultiert u.a., daß sich zum einen eine antikommunistische Politik wie ein roter Faden bis heute durch deren Geschichte zieht, zum anderen, daß durch die Nichtaufarbeitung der Nazizeit Autoritätsgläubigkeit und Demokratiedefizite bestehen blieben. Das "fortschrittliche" westliche Wertemodell konnte trotz Reeducation in Deutschland nie Fuß fassen. Daraus läßt sich auch erklären, weshalb auch in der DDR eine flächendeckende Überwachung ziemlich widerstandslos praktiziert werden konnte, welche zum Ausschalten unliebsamer politischer Positionen gedacht war.

Chuckybild

Einige Beispiele aus der jüngsten Geschichte:

1950 versagte die Adenauer-Regierung KommunistInnen und SozialistInnen den Eintritt in den öffentlichen Dienst. Dies gipfelte am 17. 8. 1956 in ein Verbot der KPD. Gegen Hunderttausende wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet, etliche Verurteilungen folgten.
1968 wurde das Notstandsgesetz beschlossen. Dadurch war es möglich mit dem Einsatz von Bundeswehrstreitkräften, Polizei und Bundesgrenzschutz zu unterstützen. So wurde ermöglicht, eine drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes abzuwehren. Dies konnten sowohl "bewaffnete Aufständische" (GG Art. 87a, 4) oder auch streikende ArbeiterInnen sein. Durch den "Radikalenerlaß" kam es unter der SPD-Regierung 1972 zu unzähligen Berufsverboten. Woraufhin DKPlerInnen aus dem öffentlichen Dienst entlassen wurden. Die politischen Repressionen in den 70er und 80er Jahren stand unter dem Vorzeichen der Verfolgung der RAF und der Revolutionären Zellen/Rote Zora. Die Fahndungstechniken wurden perfektioniert, was z. B. an der Rasterfahndung deutlich wurde. In dieser Zeit kam es zu einer umfassenden Hochrüstung des Staatsapparates und es wurden Gesetze erlassen die noch heute Gültigkeit haben.
1976 wurde der § 129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) durch den § 129 a - Bildung einer (Mitgliedschaft in einer), Unterstützung einer, Werbung für eine terroristische Vereinigung - erweitert. Dies gab dem Staat die Möglichkeit, den bewaffneten Kampf der Linken in der BRD auch juristisch als "Terrorismus" zu diffamieren. Dies führte zu etlichen Verurteilungen mit hohen Haftstrafen. Obwohl die staatlichen Repressionen in keinem Verhältnis zur gesellschaftlichen Bedeutung der linken Bewegung standen, blieben auch die 80er Jahre nicht vor einer Gesetzesverschärfung verschont, wie z. B. das Versammlungs- und Polizeigesetz. Ende der 80er wurde die Vermummung auf Demos als Straftat erklärt. Die neuste Geschichte der staatlichen Kriminalisierungsstrategien zeigt sich auch in der Verfolgung und dem Verbot der PKK.

    Die aktuelle Betroffenheit und der Ausblick

Die Entwicklung der "Inneren Sicherheit" wird meist nur dann von der Linken thematisiert, wenn sie selbst das Ziel der Überwachung bzw. von Repressionen wird.
Im Vergleich zu den 70ern Jahren stellt sich die Verfolgung nicht mehr so drastisch dar. Jedoch nur, weil die radikale Linke durch die angedrohten Repressionen und vorhandenen Überwachung sozusagen an der langen Leine geführt wird. Unsere Betroffenheit ergibt sich also nicht unbedingt nur aus den direkten und wahrnehmbaren Sanktionen, sondern aus dem Wissen, daß der Staat diese Möglichkeiten mit all seinen Instanzen hat. Die Forderungen der Gesellschaft nach mehr Sicherheit unterstützt die staatlichen Maßnahmen zur verschärften und allumfassenden Kontrolle.

Damit übernimmt die Gesellschaft einen nicht unerheblichen Part, die Überwachung salonfähig zu machen und stellt das Recht auf Sicherheit über alle anderen Grundrechte. Durch das Fehlen des liberalen Lagers entsteht in Deutschland zunehmend der Eindruck, bürgerliche Grundrechte seien linksradikale Forderungen. Für die BürgerInnen haben die Grundrechte eine diffuse Bedeutung und sie orientieren diese vorrangig an Konsumfreiheiten.
Die Darstellung der bürgerlichen Demokratie als Ort dauerhaft formal verbriefter Rechte und Freiheiten erweist sich mehr und mehr als Illusion, für deren Verteidigung es heute kaum noch gesellschaftliche Kräfte zu geben scheint. So sieht sich die radikale Linke in der BRD seit geraumer Zeit gezwungen, die Forderungen nach der Gewährung demokratischer Grundrechte zu erheben, um sich wenigstens die Grundlagen politischer Intervention zu erhalten.
Es wird für die Linke immer spürbarer, wie im Zuge des Abbaus bürgerlicher Grundrechte in der Gegenwart eine Handlungsmöglichkeit nach der anderen schwindet. Im Zuge der antifaschistischen Demonstration in Saalfeld hat sich eine neue Strategie offenbart. Dort zeigte sich, daß das Demonstrationsrecht kein Bestandteil des Grundrechtes mehr darstellt. Es ist nicht mehr selbstverständlich, ungehindert zu Demonstrationen zu gelangen. Bestimmten Antifa-Gruppen wird im Vorfeld die Teilnahme verwehrt, im konkreten Fall geschah dies durch einen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz, bei dem eindeutig Gruppen kriminalisiert werden sollten.
Die Einschränkung fundamentaler Freiräume, sei es die Überwachung von öffentlichen Treffpunkten oder eine Handhabung des Demonstrationsrechtes, die dessen Ausübung zu einer Karikatur jedes Anliegens werden läßt, erweckt den Eindruck, als werde bewußt darauf gesetzt, aktive Gruppen zu illegalen Widerstandsformen zu drängen. Im Zusammenhang damit, wie mit ehemaligen militanten Gruppen und Einzelpersonen verfahren wird, zielt die gesamte Vorgehensweise jedoch eher auf die Erzeugung einer fundamentalen Ohnmacht und der Zerschlagung linksradikalen Widerstands überhaupt.

Die Kriminalisierung von linksradikalen Gruppen mittels der Konstrukte krimineller Vereinigungen zeigen, daß die Repressionsapparate, falls sie ihre Strategien erfolgreich umsetzen können, solange jeden Widerstand zum public enemy aufbauschen werden, wie sich noch irgend etwas regt. In Passau z. B. ist es dem Staat durch unzählige 129 a-Verfahren gelungen, die Strukturen zu zersplittern. Die damit einhergehende Politik der Einschüchterung wirkt nicht nur auf jene, die derzeit linksradikale Politik machen, sondern auch auf alle, die nach Ausdrucksformen ihrer Unzufriedenheit suchen. Nicht umsonst sind gerade sehr junge Leute vorrangiges Ziel politischer Repression.
Es existiert eine Ausweitung der Befugnisse vor allem in Richtung verdachtsunabhängigen Handelns, z. B. Videoüberwachung, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, allgemeine Kontrolle über Menschen im Asylverfahren. Die akustische Raum- und Telefonüberwachung ist inzwischen flächendeckend möglich. Jeder Protest wird kontrolliert und Verhalten soll standardisiert werden. In der jüngsten Zeit führte dies wieder zu einer Gesetzesveränderung. Ziel von dieser Maßnahme sind vorrangig Hooligans. Einige mußten sich während der EM 2000 regelmäßig bei der Polizei melden, hatten Ausreiseverbot und das extra geänderte Paß-und Personalgesetz wurde angewandt. Dieses Gesetz wird sich nicht nur auf die Hooligans beschränken, sondern bei Bedarf auf alle anderen mißliebigen Gruppen angewandt werden. Mit dem Vorbeugegewahrsam gibt es bereits eine gesetzliche Grundlage, um bestimmte Personen an der Teilnahme an verschiedenen Aktivitäten zu hindern.
Die Überwachung war vor einiger Zeit noch etwas besonderes, aber durch die jetzige Form der ständigen Überwachung führt dies zur Normalisierung.

    Historische und perspektivische Gegenstrategien

Wenn sich linksradikaler Widerstand auf weite Sicht organisieren will, sind Analysen der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung notwendig. Gleichzeitig bedarf es eines praktischen Widerstandes.
In der Vergangenheit wurde immer auch auf die Zusammenarbeit mit der liberalen Öffentlichkeit gebaut. Dabei lag das Hauptaugenmerk auf der grundlegende Aktivierung linker Kritik im Zusammenspiel mit BündnispartnerInnen aus Kultur und Politik, um der gesellschaftspolitischen Isolation zu entgehen.
An dem Beispiel Saalfeld (antifaschistische Demonstrationen 1997/98) zeigte sich, wie wichtig die Zusammenarbeit mit breiten Bündnissen ist, und antifaschistischen Handeln überhaupt erst ermöglicht. Eine liberale Öffentlichkeit ist jedoch zunehmend am Verschwinden, bzw. positioniert sie sich nur nach aktiven Einfordern.

ChuckybildEs besteht die Gefahr, daß im Zuge der Auseinandersetzung mit Repressionskampagnen die radikale Linke in der BRD auf die Pflege der Geschäftsgrundlage zurückgeworfen wird. Das heißt, es wird auf Repressionen reagiert und damit ein kontinuierliches Handeln an eigenen Inhalten nicht mehr möglich. Um dieser Gefahr zu entgehen, ist es notwendig, nicht nur einzelne Symptome zu kritisieren, sondern eine grundsätzliche Opposition deutlich zu machen. Dies kann nur durch ein grundsätzlich kritisches Bewußtsein erreicht werden. Die Problematik "Innere Sicherheit" sollte als übergeordneter Tagesordnungspunkt angesehen werden und darf nicht nur als Nebenwiderspruch im Nischendasein verschwinden.
Die anstehenden und bereits Realität gewordenen Gesetzesverschärfungen zwingen uns dazu, nicht länger die Augen vor den Entwicklungen im öffentlichen Bereich zu verschließen. War es bisher ein unverzeihlicher politischer Fehler, nicht auf die Repression gegen MigrantInnen und die schleichende Privatisierung der öffentlichen Sphäre samt der mit ihr einhergehenden Vertreibungen mit Widerstand in der gebotenen Entschiedenheit zu reagieren, sollten permanente Kontrollen und die Überwachung jeder Ecke, an der politischen Widerstand entstehen könnte, Anlaß genug sein, den staatlichen und privaten Allmachtsphantasien entschlossen entgegenzutreten. Nicht zuletzt deshalb sollten wir zukünftig auch mehr darauf bauen, BündnispartnerInnen zu finden, die selbst an verbesserten Bedingungen ein elementares Interesse haben, wie z.B. organisierte MigrantInnen.
Es geht darum, in welchem Maße wir in der Auseinandersetzung mit dem Thema Überwachung - und mit uns jede grundlegende politische Opposition - in der Zukunft die Chance haben werden, gesellschaftlich relevant zu agieren.
Um in ihrer Kritik die gesamtgesellschaftliche Dimension zu erfassen, ist es notwendig, daß die Linke ihr radikales Festhalten an einer emanzipatorischen, herrschaftsfreien Gesellschaft viel stärker betonen muß.

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