Frage: "Um für einen Augenblick auf die alten Kontrollformen zurückzukommen, so scheint es, als ob die Überwachung am Arbeitsplatz, das Panoptikum der Fabrik, immer mehr in Richtung Kontrolle des Konsumverhaltens verschoben bzw. ausgeweitet wird, das heißt, in Richtung ökonomischer Kontrolle und Durchdringung der Freizeit. Sehen Sie die Überwachung der Konsumsphäre (z. B. durch immer präzisere Marketingstrategien) auf ein und derselben Ebene wie andere, »zwanghaftere«, Formen der Überwachung?
DAVID LYON: Nun, ich würde nicht unbedingt behaupten, daß Fabriken immer und überall unweigerlich panoptisch sein müssen. Ebenso ist es die Konsumentenüberwachung nicht. Grob gesprochen, kann man panoptische Methoden als Mittel betrachten, die Bevölkerung zu normalisieren - etwa den Konsum zu maximieren. Darüber hinaus werden diese Methoden oftmals als »erfolgreich« in bezug auf die Ziele derer betrachtet, die diese Systeme einrichten. Sie schaffen Situationen, in denen, wie gesagt, die gewünschten Ergebnisse einfach immer wahrscheinlicher werden - die Leute kaufen Coca-Cola, CDs, die neuesten Autos, Computer oder Benetton-Sweater. Das große Paradoxon liegt darin, daß die »freie Wahl« - das Mantra des freien Unternehmertums - als Mittel der (sanften) sozialen Kontrolle eingesetzt wird. Die Suche nach Vergnügungen wird dahingehend vereinnahmt, die tatsächlichen Entscheidungsprozesse von Konsumenten zu steuern. Wenn wir daher unter dem elektronischem Panoptikum eine Apparatur verstehen, in der Konsumenten von einem böswilligen, einseitigen Blick - konstruiert und gesteuert von machthungrigen Marketingexperten - versteinert werden, so ist das Unsinn. Kaufwünsche und -entscheidungen werden nicht direkt erzwungen, sind aber indirekt von der subtilen Marketinghand geleitet, die geo-demografische Werkzeuge der Datenüberwachung (»dataveillance«) dazu verwendet, ihre Ziele präzise anzusteuern. Man muß aber mitbedenken, daß diese Sortiermechanismen neben der Kanalisierung des Begehrens einfach auch bestimmte Gruppen von Nicht-Konsumenten ausschließen - die dann in anderen, zwanghafteren Überwachungssystemen wie Sozial- und Polizeiabteilungen wieder auftauchen." Aus dem Interview "Chipkarten und Technopolizei" mit dem kanadischen Soziologen David Lyon 1997 (Quelle: Telepolis)
Die kapitalistische Produktionsweise verändert sich. Der Fordismus war durch eine weitgehend uniforme Massenproduktion gekennzeichnet, in dem der arbeitende Mensch, reduziert auf eine Ansammlung physischer Teilfunktionen selbst zum maschinenartigen Element innerhalb der Produktion wird, wie sich am konsequentesten in der Fließbandproduktion zeigt. Ob und wie schnell sich die so produzierten Waren verkauften, d.h. sich der Wert der Ware realisiert, zeigte sich erst im Nachhinein, was oftmals zu Halden unverkäuflicher Neuwaren führte. Die Verteilung der Waren wird über ein vielschichtiges Netz von Groß- Zwischen- und Einzelhändlern realisiert, die Ware erst für die Stange produziert und danach verkauft. Viele Entwicklungen, vor allem im Bereich der Telekommunikation und der Informationsverarbeitung bringen heute Tendenzen hervor, die auf eine dem Kapitalismus immanente Veränderung von Produktion und Austausch hindeuten und fordistische Produktionsformen mehr und mehr ablösen. Dabei verschmelzen in verschiedenen Techniken sowohl die Möglichkeiten der repressiven Überwachung und Kontrolle als die Möglichkeiten zur Steigerung von Produktivität und Profit. Die verbesserten Möglichkeiten der Kommunikation, Datenerfassung und -verarbeitung spielen dabei eine zentrale Rolle.
"Die Produktion liefert dem Bedürfnis nicht nur ein Material, sondern sie liefert dem Material auch ein Bedürfnis. Wenn die Konsumtion aus ihrer ersten Naturrohheit und Unmittelbarkeit heraustritt - und das Verweilen in derselben wäre selbst noch das Resultat einer in der Naturrohheit steckenden Produktion -, so ist sie selbst als Trieb vermittelt durch den Gegenstand. Das Bedürfnis, das sie nach ihm fühlt, ist durch die Wahrnehmung desselben geschaffen. Der Kunstgegenstand - ebenso wie jedes andere Produkt - schafft ein kunstsinniges und schönheitsgenußfähiges Publikum. Die Produktion produziert daher nicht nur einen Gegenstand für das Subjekt, sondern auch ein Subjekt für den Gegenstand." K. Marx über das Verhältnis von Produktion und Konsumtion (Einleitung zu den "Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie")
Betrachten wir zunächst den Bereich von Warenproduktion im Konsumbereich und Marketing. "Im Web-Zeitalter ist der Kunde nicht nur König, sondern wird zum Partner." So ein Unternehmensberater. Durch neue Vertriebssoftware für das "Kundenbeziehungsmanagment" - Custumer Relation Managment (CRM) - soll das Marketing revolutioniert werden. Werbung wird nicht mehr breit unter die "Massen" gestreut sondern nur potentiellen "KundenInnen" dargeboten. Dadurch verhallt nicht der größte Teil der gestreuten Werbung sondern trifft immer mehr von vornherein auf Interesse. Werbung wird effektiver, "produktiver". Erreicht wird das unter anderem durch Cookies (Die Zeit, Nr.30 vom 22.07.99). Cookies sind Dateien auf unseren Computern, die von jedem Internetcomputer gelesen und beschrieben werden können. Das geschieht während wir im Internet surfen. In Cookies werden unter anderen ID-Nummern geschrieben, so das ein Internetrechner erkennen kann, welche Seiten von uns angewählt wurden und werden. Daraus werden unsere potentiellen Interessen abgeleitet und von den Internetprovidern dementsprechend auf jeden Einzelnen zugeschnittene Werbung auf ihren Webseiten plaziert, sobald diese von uns besucht werden. Wie zu erwarten bringt solche gezielte Werbung dem Internetprovidern mehr Einnahmen als die klassische "Streuwerbung". Andererseits ermöglichen Cookies auch die Überwachung von unseren "Bewegungen" im Internet etwa für Repressionszwecke. Sie bieten also Möglichkeiten der ökonomischen und administrativen Nutzung. Komfortable Angebote wie: "Guten Tag, Herr Meier, zu Ihrem Bücherregal Corlione in Schwarz und Chrom gibt es nun auch den passende TV-Rollschrank, den wir Ihnen heute zu einem um 20 Prozent reduzierten Preis anbieten können. Wenn Sie interessiert sind, klicken Sie jetzt!" werden uns aber glücklicher machen!
Doch damit nicht genug. Wie wäre es denn mit einem Fernseher oder Auto nach Maß? Ganz individuell und auf jeden Einzelnen von uns persönlich zugeschnitten. Frisch aus der Massenproduktion. Könnte uns das nicht noch glücklicher machen? Kein Problem. Wir wählen einfach die Internetseite einer Firma und stellen uns - abhänig vom technisch möglichen - unser ganz individuelles Produkt (Ware!) zusammen, z.B. Bereifung, Innenausstattung, Motor, angepasste Armaturen bis hin zu individuellen Lackierungen (etwa ein Schriftzug "Ich bin ein fliegendes Nashorn"). Die Daten werden von CRM Softwaresystemen erfasst, z.B. an Enterprise Resource Planning Systems (ERP Steuerung von Unternehmensprozessen) weitergegeben und dort für den Produktionsprozess angepasst. Und wenn der Lackierroboter auf die vorherige Karosse "I'm the Boss" gesprüht hat, so wird er auf meine Karosse, die unmittelbar folgt, "Ich bin ein fliegendes Nashorn" sprühen und auf die nächste wieder etwas anderes, ohne das die Produktion dabei unterbrochen werden muß. Eine Logistikfirma bringt dann das fertige Auto, ohne Zwischenlagerung und -händler direkt zu mir.
Ein solcher Ablauf hat einige bemerkenswerte Punkte. Zunächst ist das Auto praktisch schon verkauft, bevor es produziert wird. Bereits wenn es in der Produktion ist, ist es einer bestimmten Person zugeordnet. Die "Sonderanfertigung" ist dabei eben kein Sonderfall mehr sondern die Regel. Das heißt auch, das die Produktvielfalt (Diversität) steigt. Waren werden ganz individuell in Massenproduktion gefertigt. Die Überproduktion ("Butterberge", Autofriedhöfe mit fabrikneuen Fahrzeugen usw.) nimmt ab. Es werden zunehmend weniger Waren "für den Müll" produziert. Durch das Direktmarketing, der zunehmend am Anfang und nicht mehr am Ende der Produktion steht, werden weniger Lagerräume und ZwischenhändlerInnen benötigt und der Wert der Ware realisiert sich schneller. Die fordistische Produktionsweise verliert an Bedeutung, Produktivität und Profit steigen. Und wir werden glücklicher!
Ein weiteres Beispiel für Direktvertrieb ist der Internetkühlschrank, der "Screenfridge", der in Dänemark in 200 Haushalten bereits in der Erprobung (Financal Times Deutschland) und "für Menschen mit wenig Zeit gemacht" ist. Er bestellt nicht nur Lebensmittel per Internet, sondern schlägt auch zum vorhandenen Vorrat ein passendes Rezept vor und erteilt auf Wunsch dem Backofen die Anweisung schon mal vorzuheizen. Was macht es dabei schon, dass unsere Essgewohnheiten in irgendeiner Datenbank landen, wenn wir glücklicher werden. Natürlich können auch andere Haushaltsgeräte vernetzt werden, wie z.B. Musikplayer, die die gewünschte Musik direkt aus dem Internet laden oder Kaffeemaschinen die am frühen Morgen nach dem Aufstehen schon den heißen Kaffee bereit halten. Im Sinne der politischen Ökonomie sinkt durch den Einsatz solcher Geräte tendenziell der zeitliche Aufwand, der für die Reproduktion der Ware Arbeitskraft nötig ist.
Aber was nutzt diese ganze Effizienz bei der Bestellung und Produktion, wenn dann die Waren im Verkehrsstau steckenbleiben? Aber das muß doch nicht sein! Wozu gibt es Telematik! (Der Spiegel, 12/98) Telematik ist ein Verkehrsleitsystem, dass bereits in Tokio im Einsatz ist und für das auch bundesdeutsche Autobahnen vorbereitet werden. Dabei arbeiten computergestützte Verkehrsleitzentralen, die ihre Informationen z.B. per Video oder Vehrkehrssensoren erhalten, mit dem satellitengestützten Global Positioning System (GPS) und dem mobilfunkunterstützten Bordcomputer des Autos zusammen. Im Leitzentrum wird je nach aktuellster Lage (aktuelle Staus und Baustellen werden natürlich mit berücksichtigt) die optimale Route für ein bestimmtes Fahrzeug errechnet und per Mobilfunk diesem übermittelt. Dort leitet dann eine freundliche Stimme den/die Fahrer/in durchs Verkehrsgewimmel. Perspektivisch können ähnlich wie bei Wettervorhersagen, Vehrkehrsvorhersagen ermittelt werden und Fahrzeuge mit einer optimalen Geschwindigkeit, die eine Staubildung vermeidet, über die Autobahnen gelotst werden.
Der ökonomische Vorteil der Telematik liegt auf der Hand. Fuhrunternehmen müssen nicht mehr drei LKW losschicken damit einer pünktlich ankommt. Die Straßen werden durchlässiger, bzw. können mehr Verkehr aufnehmen. Arbeitskräfte kommen seltener zu spät oder brauchen weniger Zeit für ihren Arbeitsweg. Dadurch werden etwa auch längere Wege "zumutbar". Der Straßenverkehr wird im allgemeinen effizienter, "produktiver". Und wir werden glücklicher, weil wir nicht mehr so oft im Stau stehen und wir auf unsere bestellten Waren nicht mehr solange warten müssen. Auch die Telematik bietet sowohl ökonomischen als auch administrativen Nutzen. Mit Telematik ausgerüstete Fahrzeuge können jederzeit geortet werden. Das bietet staatlicher Repression vielfältige Möglichkeiten. Das unterschiedlich motivierte Einwirken von Staat und Wirtschaft wird etwa am Beispiel von FernfahrerInnen deutlich. Während die Polizei die Einhaltung von Fahr- und Pausenzeiten überprüfen kann, kann das die/der ChefIn auch. Beide nehmen mit ihren gegensätzlichen Forderungen die/den FahrerIn in die Zange. Die Polizei fordert die Einhaltung der Gesetze, der/dir ChefIn deren Umgehung um Zeit (... ist Geld) zu sparen.
Aber es gibt noch ein anderes Problem in der Produktion, das so alt ist wie der Kapitalismus selbst, bei dem die Methoden der Überwachungsgesellschaft mehr Abhilfe schaffen können. Dieses Problem ist die "Störgröße M", wie es der SF-Autor Bernd Ulbrich ausdrückte (muss man nicht kennen). Denn die Menschen, die Träger der Ware Arbeitskraft sind, funktionieren nicht immer so, wie sie sollen. Sie gammeln, klauen, machen Fehler, sind müde und unmotiviert oder schießen während der Arbeitszeit zu oft auf Moorhühner und sind überhaupt zuwenig verfügbar und unflexibel. Aber zum Glück gibt es ja Videokameras, die an Tankstellen nicht nur vor Benzinklau schützen, sondern auch dem/der ChefIn die Möglichkeit bieten, nachzusehen ob ihre/seine Angestellten auch ordentlich und ehrlich arbeiten. In Kindergärten bieten sie nicht nur die Möglichkeit einen Blick auf die Kinder, sondern auch auf die BetreuerInnen zu werfen. Und das bei vernetzten Computerarbeitsplätzen durch die/den ChefIn oder die/den NetzwerkadministratorIn die Möglichkeit besteht, zu überprüfen was die/der Angestellte gerade macht ohne das er/sie es mitbekommt, ist mittlerweile ein alter Hut. Die Konsequenzen für sogenanntes "Fehlverhalten" können dabei je nach Situation als Rausschmiss oder Motivationstraining ausfallen. Gerade das Motivationstraining wird in verschiedensten Variationen - vor allem für "teure" Arbeitskräfte - praktiziert und kann etwa auch psychologische oder esoterische Elemente enthalten. In der Konsequenz bedeutet eine solche Überwachung zwar weniger eine Normierung auf einen bestimmten Arbeitsschritt, wie etwa in der fordistischen Fliessbandfertigung, aber eine Normierung auf den Arbeitsprozess als solchen, so das die Rede vom arbeitenden Menschen als "Teil einer Teilmaschinerie" (Marx) eine neue Bedeutung erhält. Menschen identifizieren sich mit "ihrem" Unternehmen, arbeiten oft effektiv mehr als die jeweils vereinbarte Arbeitszeit und richten Ihre Freizeit und Ihren Urlaub nicht nach eigenen Bedürfnissen, sondern nach den Bedürfnissen des Unternehmens. Die bereits oben erwähnte Reduzierung der für die Reproduktion der Arbeitskraft nötigen Zeit zusammen mit der "langen Leine" Handy oder Jobsuche/angebots-Datenbanken im Internet erhöht die Verfügbarkeit des Menschen als Arbeitskraft.
Hier soll einem Missverständnis vorgebeugt werden. Gerade bei qualifizierten Arbeitskräften bedeutet deren effektivere Ausnutzung auch, dass auf deren Bedürfnisse stärker eingegangen wird. Einerseits um ihnen den Kopf von lästigen "unwichtigen" Problemen freizumachen, als auch um die Menschen dazu zu bringen zu jeder Zeit ihre Kreativität effektiv in den Arbeitsprozess einzubringen. Nur ein/e glückliche/r ArbeiterIn ist ein/e produktive/r(!) ArbeiterIn. Das führt z.B. dazu, dass den lohnarbeitenden Menschen mehr "Freiheit" bei der Gestaltung der Arbeitszeit eingeräumt oder auch "unproduktiven" Tätigkeiten (z.B. Moorhuhnschießen) in gewissem Maß Platz (Zeit) gegeben wird. Das bedeutet auch für solche qualifizierten Arbeitskräfte einen relativ hohen Lohn um sich etwa all die neuen vernetzten Haushaltsgeräte leisten zu können und nicht ihre Zeit beim Einkaufen verschwenden zu müssen (vergl. "Screenfridge"). Dennoch oder gerade dadurch unterwerfen sie ihre gesamte Tages- wie Jahresplanung mehr und mehr ihrem Job, werden also mehr und mehr Teil des Arbeitsprozesses (z.B. werden Termine für Arbeitstreffen etwa von einer/m SekretärIn festgelegt, der/die die Terminplaner aller Beteiligten vorliegen hat). Wir werden glücklicher!?
Wo aber sollen den die ganzen qualifizierten Arbeitskräfte herkommen wenn unsere StudentInnen jahrelang auf den Unis herumlungern und doch nichts vernüftiges machen? Läßt sich die Produktion von Qualifikation mit unserer schönen neuen Überwachungsgesellschaft nicht auch effektiveren? Aber sicher doch! Wozu gibt es die Unicard (Studentencard, oder wie auch immer)? Eine Unicard ist eine ganz "normale" Chipkarte für StudentInnen, die unzählige elektronisch gespeicherte Informationen enthält (wie z.B. Chipnummer; Hochschulnummer; Name; Vorname; Adresse; Semester; PIN; e-mail-Adresse; Bibliotheksnummer / Ausleihstatus ...). Möglich, oder an einigen Unis auch schon vorhanden ist dabei auch die Anmeldungen zu Prüfungen oder die Einschreibung zu Seminaren mittels der "Unicard". Mit einer derartigen Karte wird das StudentInnenleben einfacher. Und wir glücklicher.
Auf die Frage der Zeitung lira (WS 99/00) bei einem Vertreter einer Herstellungsfirma derartiger Karten "ob man über Daten z.B. des Bezahlens in der Mensa und anderen Gelddaten Benutzerprofile erstellen könnte" antwortete jener: "Wenn Sie das wünschen machen wir das für Sie." Solche Karten sind fast beliebig mit weiteren Funktionen aufrüstbar und gestatten potentiell das individuelle Nachvollziehen des Studienablaufs, das heißt deren Kontrolle und Sanktionierung, z.B. bei Studienkontrollen oder BAföG-Berechtigung. Auffällig dabei ist wieder das Zusammenfallen von administrativen und ökonomischen Funktionen auf der Unicard. Alle - auch "kleine", wie Internetzugang oder Kopieren - über eine solche Karte in Anspruch genommenen "Leistungen" werden, auf den/die einzelne/n Studenten/in bezogen, abrechenbar. Einerseits werden StudentInnen während ihres Studiums immer durchsichtiger, andererseits Studienabläufe und die "Produktion" von qualifizierten Arbeitskräften plan- und sanktionierbarer.
Schon jetzt hinterlassen wir in unserem alltäglichen Tun überall kleine Datenhäufchen. Wenn wir telefonieren, im Internet surfen, lohnarbeiten, mit Karte einkaufen, uns irgendwo im öffentlichen Raum bewegen, unseren Kühlschrank einkaufen lassen, mit eingeschalteten Handy rumlaufen, unser Auto mit Telematik staufrei durch den Straßenverkehr lenken, Bankgeschäfte machen, auf irgendeiner Behörde auftauchen, einen Strafzettel bekommen usw. usf. Diese Datenhäufchen warten nur darauf, in einen Zusammenhang gebracht zu werden. Aber dieses Warten wird bald ein Ende haben. Aber warum? Nun, um uns glücklicher zu machen und wenn wir nicht glücklicher werden wollen, dann um uns zu unserem Glück zu zwingen! Das Warten wird beendet sein, wenn der Aufwand diese Daten auszuwerten kleiner wird, als der potentielle Nutzen den Ökonomie und Staat daraus ziehen können.
Wir erleben gerade eine technische Revolution (einen Produktivkraftschub!) und es ist im Moment nicht klar abzusehen, wohin dies führen wird. Aus ökonomischer Sicht wird sich das durchsetzen, was auch perspektivisch hohe Profite verspricht. Das Milliarden für Telekommunikationslizensen bezahlt werden, das Schulen kostenlos mit Internet versorgt werden und das die Kosten für den privaten Internetzugang praktisch ins Bodenlose fallen, spricht in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache: Das sog. IT Kapital strebt die möglichst umfangreiche Vernetzung in allen Bereichen der Gesellschaft an und die Aktienkurse zeigen wie groß die Hoffnungen auf Dividende sein können, die in die "Informationstechnik" gesetzt werden. Dabei zögert es auch nicht bei großen Investitionen, um möglichst schnell, möglichst viele Menschen in den industriellen Zentren an das Internet heranzuführen (Schule), das Internet für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen (Zugangspreise) und dessen technische Möglichkeiten ständig zu erweitern.
Für uns zeigt sich, daß es im Bereich der Datenerfassung und -verarbeitung eine zunehmende Verschmelzung von ökonomischer und staatlicher Nutzung gibt. Andererseits unterliegen innerhalb des Kapitalismus die Produktionsverhältnisse einer spürbaren Veränderung. Bleibt darüber nachzudenken, wie sich die Gesellschaft in Hinblick auf ihre administrativen Strukturen verändern wird. Möglicherweise geht die Entwicklung hin zu einer technokratischen Gesellschaft, in der der Mensch, der sowohl Überwachung und Kontrolle mit trägt, als auch gleichzeitig davon betroffen ist, immer mehr an seinem Funktionieren gemessen wird und darüber seine Teilhabeberechtigung erlangen muss.
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