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Aufforderung zum Tanz
Worum es mir Im folgenden
geht, Ist erstens eine Kritik am Verhalten der Antifaschistischen Aktion
Berlin (AAB), beziehungsweise auch der unabhängigen Antifa im Umgang
mit dem Vergewaltiger J.. Zum zweiten möchte ich kurz
Stellung nehmen zu der FrauenLesben-Aktion gegen die Friedrichshainer Kneipe
Schnarup Thumby (die Erklärung der Gruppe ist nachzulesen in der Interim
482).
Anfang dieses Jahres wurde
über Plakate und in der Interim 471 durch Frauen Lesben oben genannter
Vergewaltiger geoutet. Die einzigen mir bekannten schriftlichen Stellungnahmen
dazu kamen in der Folge in erster Linie von Frauen Lesben-Gruppen, der
Gruppe Venceremos und der AAB.
Letztere beschränkte
sich darauf, in einem äußerst formalistischen papier darzustellen,
daß der Vergewaltiger nicht aus ihrer Gruppe käme und anschließend
widersprüchlicherweise ihren Umgang bei Vergewaltigungsvorwürfen
darzustellen. Was in meinen Augen so keinen Sinn macht, wenn doch der Geoutete
angeblich nicht in ihrer Struktur war. Nach einigen Wochen schlief die
Diskussion, welche ohnehin eher Schlammschlachtcharakt er hatte, wieder
ein.
Eine weitere öffentlich
wahrnehmbare Reaktion, seitens der AAB oder von unabhängigen Antifagruppen,
blieb meines Erachtens nach aus. Die Szene ging über zum Bussiness
as usual. Nur in Einzelgesprächen bekam ich ansatzweise Auseinandersetzungen
mit. Oder der Hohn darüber,
daß es mit dem Outing die AAB getroffen hat. Auch das Berliner Antifa
Infoblatt hielt es nicht für nötig Stellung zu beziehen, obwohl
seit Bekannt werden der Vergewaltigung schon zwei Ausgaben erschienen sind.
In vielen Teilen sind Antifagruppen
männerbündische Vereinigungen, und damit tendenziell eher ‚ konservativ
in puncto praktischer und theoretischer Patriarchatskritik. Dementsprechend
ist es leider nichts Neues, daß sich die Män-ner der gemischtge-schlechtlichen
Antifa weitestgehend den Aus-einandersetzungen über ihr eigenes sexistisches
Verhalten oder über den Umgang mit Vergewaltigern verweigern. Eine
Konsequenz daraus ist, daß sich immer wieder Frauen aus den gemischten
Gruppen zurückziehen, weil das Männerverhalten für sie untragbar
ist. Das Gesagte gilt in der Substanz sowohl für unabhängige,
als auch für organisierte Antifas.
Eindeutiger als andere Gruppen
propagiert die AAB als Konzept ein auf die Parole Antifa heißt Angriff
reduziertes Verständnis von Antifaschismus, mit dem sich die Etablierung
eines rechten Mainstreams innerhalb der Dominanzkultur der BRD weder begreifen,
geschweige
denn bekämpfen läßt.
(Auf die vier Seiten zu Feminismus als Grundlage für den anttfaschisti-schen
Kampf in der 73-seitigen Konzeptbroschü-re der AAB möchte ich
hier nicht weiter eingehen Sie spielen für die Praxis der AAB, soweit
ich sie bisher wahrnehmen konnte, keine größere Rolle als die
eines antipatriarchalen Feigenblattes. Und es ist auch gerade ein Postulat
der AAB, daß sich Gruppen an ihrer politischen Praxis messen lassen
müs-sen.) Die Folgen einer solchen antifaschistischen Plattitüden-Politik
sind, daß auf kurzfristig vielleicht beeindruckende Popereignisse
gesetzt wird, die individuelle und kollektive Emanzipation jedoch kaum
noch eine Rolle spielt und damit auch der Anspruch auf eine grundlegende
gesellschaftliche Veränderung aufgegeben wird.
Um es noch einmal deut-lich
zu sagen: Weder der Täterschutz gegenüber Vergewaltigern, noch
das Ausblenden des eigenen Sexismus ist ein aus-schließliches Verhalten
der AAB oder der Antifa. Nur stellt sich im Bereich des militanten Antifaschismus
das Problem, daß sich die agierenden Männer ohnehin in einem
gesellschaftlichen Rahmen bewegen, der individuelle Männergewalt legitimiert.
Und diese Män-nergewalt richtet sich in der Regel gegen Frauen oder
andere konkurrie-rende Männer.
Wenn jedoch wir, als linksradikale
Antifaschi-sten (hallo Jungs!) uns dieser Problematik nicht stellen, dann
ist die not-wendige militante Bekämpfung von Nazis nicht wesentlich
mehr als ein reines Kräftemessen mit der Gegenseite.
Eine Gruppierung wie die
AAB, welche diese Aus-einandersetzung anscheinend nicht nur nicht
führt, sondern in ihrer Propaganda Antifa auf rein körperliche
Ausein-andersetzungen redu-ziert, so beispielsweise mit Aufklebertexten
wie action speaks louder than words (auch wenn dieser ein Comic-Mädchen
mit Knarre als Motiv hat), bleibt in einer patriar-chalen militaristischen
Logik gefangen.
In der Konsequenz gehört
zu einer solchen Logik aber auch dem Vergewal-tiger, als Mann, Kader, Fighter
oder was auch immer Rückendeckung zu geben, da seine „sonstigen Qualitäten“
ja höher bewertet werden, als seine Machtausübung mittels sexualisierter
Gewalt.
In meinen Augen ist das
Dulden von J. im öffentlichen Raum einer Szenekneipe ein Versuch ihn
quasi über Umwege wieder zu integrieren (ob sozial oder politisch
sei dahingestellt.)
Es stellt sich jetzt natür-lich
die Frage, welche Konsequenzen aus dem Verhalten der AAB oder eines Teiles
von ihr zu ziehen sind.
Und es bleibt zu klären,
wie ein möglicher politischer Ort aussehen könnte, an dem sich
die Männer der Gruppe mit dem Täter und mit sich selbst auseinandersetzen.
Denn ein Rauswurf allei-ne schafft noch keine Veränderung. Ich kann
dazu auch keine Paten-trezepte liefern, denke aber die folgenden Punkte
eröffnen Möglichkeiten eines Umgangs:
• Die AAB veröffentlicht
ihre bisherigen Diskussionen zum Umgang mit dem Vergewaltiger J., um für
alle mehr Transparenz zu schaffen. Damit meine ich nicht die Veröffentlichung
von Absichtserklä.rungen oder formelhaften. Erklärungen, wie
dies in der Interim 472 geschah.
• Die Männer der Gruppe
ziehen sich eine Zeitlang aus der praktischen Politik zurück und organisieren
sich als Männergruppe, um das Geschehene kollektiv aufzuarbeiten.
Auch hier wäre eine Transparenz des Diskussionsprozesses notwendig,
damit dieser Prozeß auch für Außenstehende nachvollziehbar
wird.
Ich muß zugeben, meine
Hoffnung ist eher gering, daß diese Vorschläge auf Resonanz
stoßen. Sie sind auch eher als Anre-gungen zu verstehen in welche
Richtung gehan-delt und diskutiert wer-den könnte.
Den Status quo finde ich
jedenfalls nicht tragbar. Zu dessen Veränderung ist nicht nur die
AAB gefragt, sondern auch die unabhängigen (Antifa-) gruppen.
Sollte sich jedoch die AAB
weiterhin nicht verhalten, so wäre aus meiner Sicht darüber nachzudenken,
ob sie nicht als Gruppierung boykottiert werden sollte. Dies würde
bedeuten, nicht mehr in Bündnissen mit ihr zu-sammenzuarbeiten, Entzug
von Infrastruktur (Lauti) etc. Ein solches Vorgehen kann nur eine letzte
Konsequenz aus Täterschutzverhalten
sein, sollte aber wenigstens
in Betracht gezogen werden. Mir ist bewußt, daß damit nicht
die Problematik von Sexismus in der Antifa gelöst wird, aber vielleicht
bieten dar-aus entstehende Diskussionen auch weitergehende Entwicklungsmöglichkeiten.
Zum Abschluß möchte
ich noch ein paar Zeilen der Kritik zu der Frauen-Lesben-Aktion gegen das
Schnarup Thumby verlieren.
Ich verstehe die Aktion
nicht nur als direkte Reaktion auf das Auftauchen des Vergewaltigers 3.
in der Kneipe. Ohne das Nichtverhalten und die Duldung der unabhängigen
Antifagruppen, der AAB und der Szene im allgemeinen wäre dessen Anwesenheit
im Schnarup Thumby wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Dennoch läßt
diese Aktion viele Maßstäbe von autonomer/ linksradikaler Politik
hinter sich. Wie die Gruppe selbst schreibt, waren am Abend der Ak-tion
die zuvor geklebten Plakate und Parolen bezüglich des Auftauchens
des Vergewaltigers in der Kneipe bereits entfernt. Der Angriff gegen die
Kneipe traf also im schlimmsten Fall uninformierte Gästlnnen.
Selbst wenn Einzelne in
der Kneipe von dem Vorfall gewußt haben, so bleibt es mir unverständlich,
wie die agierende Gruppe die Gefährdung von Unbeteiligten in Kauf
nehmen konnte. Die Wirkung von CS-und Pfeffergas in geschlossenen Räumen
kann, je nach Dosierung, verheerende bis tödliche Folgen haben (bei
Allergikerlnnen). Ich frage mich hat die Grup-pe dies in Kauf genomen?
Und in welche Richtung geht
diese Aktion? Setzt die durchführende Grup-pe überhaupt noch
auf mögliche Veränderungen?
Ich denke auch Haß
und Wut legitimieren die Art der durchgeführten Aktion nicht. In dieser
Form widerspricht sie für mich den Grundlagen emanzipatorischer Politik.
Sancho Pansa
(aus: Interim 483)
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